Ein sportliches „Servus“ an alle Sportfreundinnen und Sportfreunde!
Der erste „richtige“ Blogbeitrag ist vor knapp sechs Monaten online gegangen. Da inzwischen viele neue Leser/-innen hier vorbeischauen, habe ich beschlossen, euch einen kleinen Zwischenüberblick über die bisherigen Artikel zu geben – denn die älteren sind auf Grund des Layouts leider nicht so schnell auffindbar.
KURZÜBERSICHT ZU DEN BISHERIGEN INTERVIEWPARTNER/-INNEN UND THEMEN
(EHEMALIGE) FUßBALLPROFIS, SPORTMANAGER/-INNEN UND TRAINER
Ronny Philp: Mentaltraining und soziales Engagement
Samira Samii: Ihre Arbeit als Sportmanagerin und Spielerberaterin
Marco Kostmann fungierte von 2006 bis 2008 als Torwarttrainer der ivorischen Fußball-Nationalmannschaft. Foto: Stefan Meisel
Hamburg. Marco Kostmann, vielen Arminen als ehemaliger Torwarttrainer des DSC bekannt, arbeitet inzwischen als Torwarttrainerkoordinator und U23-Torwarttrainer beim HSV. Allerdings war er bislang nicht nur auf Vereins-, sondern auch auf Verbandsebene tätig. Von 2006 bis 2008 hat er die Torhüter der Elfenbeinküste und von 2010 bis 2013 die der deutschen U20-Nationalmannschaft gecoacht. Im Interview hat er mir von seiner Arbeit mit den Profis in Afrika erzählt und beschrieben, welche Eigenschaften ein guter Torwarttrainer mitbringen muss…
Herr Kostmann, was haben Sie aus Ihrer Zeit als Torwarttrainer der Elfenbeinküste mitgenommen?
Das, was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe und auch heute noch in meinen Jugendteams bespreche, ist die unfassbare Professionalität von absoluten Fußballstars. Da waren Didier Drogba und die Touré-Brüder. Das war das Beeindruckendste, dass sie sich so schnell mit nicht so guten Platz-, Hotel- und Reisebedingungen arrangiert haben. Ihre Begründung lautete: „Wenn kein anderer Platz da ist, dann spielen wir auf diesem Platz. Wenn ein anderer Platz da wäre, dann würden wir auch meckern. Aber es gibt nichts zu meckern, weil kein anderer Platz da ist. Also verschwenden wir keine Energie“. Ich fand es sehr bemerkenswert, dass sich diese Superstars total auf diese Bedingungen eingestellt haben. Sie wussten, was auf sie zukommt und haben das alles professionell durchgezogen. Und bei ihnen ging es nicht darum, dass sie immer wieder froh sind, für ihr Vaterland spielen zu können oder zu Hause sind oder Ähnliches. Ich habe festgestellt: Sie treibt wirklich das Spiel an, sie haben wirklich Lust darauf, miteinander Fußball zu spielen. Manchmal haben sie es auch übertrieben und hatten Lust, für sich Fußball zu spielen. Dadurch haben die vielen Einzelkönner nicht zu einer Mannschaft gefunden, die Weltmeister werden konnte. Auf Grund der Einzelkönner hätten sie es gekonnt. Aber das war wirklich das Eindrucksvollste dort: Wie professionell sie sich auf die Spiele und auf das Training eingestellt haben. Ein bisschen demütig Uli Stielike (damals Cheftrainer des ivorischen Nationalteams; Anm. von Lisa Schatz) gegenüber, absolut respektvoll mir gegenüber, dem gesamten Staff. Ob das jetzt ein Zeugwart war oder ein Vereinsmitarbeiter – wir wurden alle gleich respektvoll behandelt und das fand ich toll.
Wie würden Sie die damaligen Trainingsbedingungen an der Elfenbeinküste beschreiben?
Ich habe neben den Nationaltorhütern auch Torhüter in der Akademie von ASEC Mimosas (international als ASEC Abidjan bekannt; Anm. von LS) trainiert. Das war natürlich schon ein Unterschied. Die Bedingungen bei der Nationalmannschaft waren sicherlich nicht ganz vergleichbar mit europäischen Standards, aber es war schon in Ordnung dort. Manchmal mussten wir auf den Bus warten. In Mitteleuropa wäre das undenkbar für eine Mannschaft, die sich beispielsweise auf eine EM vorbereitet. Und manchmal war der Platz nicht gewässert oder gekreidet oder nicht gemäht, aber das war alles noch im Maße im Vergleich zu dem, was bei den Jugendmannschaften los war. Da war es sehr chaotisch: Die Spieler hatten zum Teil nicht ausreichend Bälle zur Verfügung und keine richtigen Schuhe.
Weshalb die Faszination am Fußball? – „Perfekte Einstellung und Boxermentalität“
Was genau gefällt Ihnen so gut am Fußballsport? Es klingt immer so logisch: „Er ist Trainer und macht das und das“. Aber was genau fasziniert Sie an dem Spiel?
Meine Position, also die des Torhüters, weil jede Aktion spielentscheidend ist. Jede verdammte, kleine Aktion ist spielentscheidend: Jeder Rückpass, jeder Abwurf, jede Antizipation beim Schuss. Also, das Fußballspiel im Prinzip durch unsere Aktionen zu stören. Das ist das, was mich antreibt und was mich fasziniert. Dass man perfekt eingestellt sein und diese Boxermentalität haben muss, sobald angepfiffen wird. Ein Torhüter kann nicht abwarten, wie seine Mannschaft ins Spiel kommt in einer Situation – vielleicht kommt nur eine und die ist schon spielentscheidend. Da kann er nicht sagen: „Ach, mach nochmal“. Wenn der erste Pass nicht gelingt – beim Mittelfeldspieler ist es meist kein Gegentor –, aber bei uns ist meist ein Gegentor die direkte Konsequenz.
Jetzt zu Ihrem Beruf. Wo liegen die größten Herausforderungen für einen Torwarttrainer?
Im professionellen Bereich ist es am wichtigsten, in einer Torwartgruppe die Balance zu finden. In jeder Mannschaft besteht eine direkte Konkurrenzsituation: Die Torhüter trainieren mit mir und sind dabei Konkurrenten. Meine Aufgabe ist, dass der erste Torwart erster bleibt und der zweite Torwart erster wird. Das ist eigentlich die größte Herausforderung. Dass man allen Seiten Exklusivität bietet und sie auf dem Niveau fordert und fördert, auf das sie hinwollen. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass man sich nicht nur um den ersten Torwart kümmert und den zweiten links liegen lässt oder sich nur um den zweiten kümmert, damit dieser stärker wird. Diese Balance zu finden, jedem Spieler die größte Exklusivität zu bieten, das ist das Wichtigste.
Welche Eigenschaften sind für einen Torwarttrainer am wichtigsten?
Die Eigenschaft zu erkennen, welchen Charakter man vor sich hat, ist entscheidend. Relativ schnell zu erkennen, wie der Torhüter aktuell drauf ist. Es gibt Tage, an denen wir ein bisschen auf die Befindlichkeit eingehen können. Wir müssen versuchen das Trainingsziel zu erreichen, auch wenn der Spieler mal nicht so gut drauf ist. Ich will das natürlich nicht erzwingen, sondern ich versuche das zu kanalisieren, was aus ihm raus will. Empathie, Einfühlungsvermögen, das Erkennen der einzelnen Situation sind ganz wichtige Eigenschaften, unabhängig von den fachlichen Dingen. Dann geht es natürlich darum, dass unsere Torhüter mit einer starken Mentalität ins Spiel gehen. Das muss ich vorleben und das muss ich versuchen irgendwie in sie hineinzuprojizieren, um dann zu sehen, ob sie in der Lage sind – wenn man jetzt einen Torhüter im Jugendbereich beim HSV als Beispiel nimmt – Torhüter im Spitzenfußball zu werden. Torwarte ohne Mut und intrinsische Motivation kann ich nicht gebrauchen, diese werden es auf keinen Fall schaffen. Und das herauszukitzeln ist schon auch eine Herausforderung – neben dem korrigierenden Auge. Das korrigierende Auge ist dann schon das fachliche. Also, jetzt nicht zu sagen: „Der hält den Ball unten rechts nicht“, sondern sich zu fragen: „Warum kriegt er den Ball unten rechts nicht?“ und vor allem: „Wie bekomme ich den Kerl dahin, dass er den unten rechts hält?“.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich im Büro?
Ich lese viel über Stressresilienz, also über den Umgang mit Stress. Wir bekommen den Stress ja nicht weg, der ist da. Es geht somit um die Frage, wie wir mit ihm umgehen. Damit befasse ich mich äußerst stark. Demzufolge beschäftige ich mich hauptsächlich mit Trainingsformen und Stress: „Wie bekomme ich im Training spielnahe Situationen hingebastelt und das nicht nur von der Situation der Spieler her, sondern auch bezogen auf die Stressbewältigung?“ Ich möchte, dass wir den Stress im Training möglichst spielnah darstellen können.
-> COMING SOON… In Teil 2 des Interviews (erscheint am 24.6.2016) berichtet Marco Kostmann davon, ob und wie er seine Jungs auf Elfmeter trainiert, welche Hobbies er hat und warum querdenken so wichtig für ihn ist…