Fußballbuch-Update Nr. 10: Von Sabrina Flores zu Brianna Pinto

Liebe Fußballfans!

Unser Buch ist nun in North Carolina bei Brianna Pinto angekommen. Brianna ist Mittelfeldspielerin und hat schon einige internationale Erfahrungen gesammelt. Bereits im Alter von 12 Jahren war sie bei ihrem ersten US-Nationalteam-Camp dabei. 2016 nahm sie an der U17-Weltmeisterschaft in Jordanien und 2018 an der U20-Weltmeisterschaft in Frankreich teil.

Unser Interview entwickelte sich zu einem lockeren und sehr netten Gespräch über Briannas Geschichte, ihre Erfahrungen im College-Fußball und wir merkten wieder, wie klein die große Fußballwelt wirklich ist….

Lest es einfach selbst… 🙂 Viel Spaß!

Brianna Pintos Torjubel beim gegen New Jersey/New York Gotham FC. Foto: Andy Mead – USA TODAY Sports

Brianna, du hast das Fußballbuch von Sabrina Flores bekommen. Wie kam es dazu und warum hast du dich entschieden, an diesem „etwas verrückten“ Projekt teilzunehmen?

Das Projekt ist supercool. Ich finde es schön, dass so viele verschiedene Menschen an einem Projekt rund um den Fußball mitwirken. Sabrina hat mir das Buch überlassen und gesagt: „Hey, ich glaube, du hast eine wirklich interessante Geschichte auf deiner Reise durch den Profifußball erlebt, deshalb wollte ich dir dieses Buch geben, damit du hineinschreiben kannst.“

Ich habe mir all die anderen Geschichten angesehen und war mir sicher, dass ich einen Beitrag zu diesem Buch leisten wollte, weil ich es für eine wirklich schöne Sache halte. Das war das erstaunlichste Projekt, das ich je gesehen habe, und es gefällt mir.

Möchtest du ein wenig über deine Geschichte erzählen, die du in das Buch schreiben willst?

Mein Name ist Brianna Pinto und ich bin in Durham, North Carolina, aufgewachsen. Es war mein Lebenstraum für die University of North Carolina, Chapel Hill, zu spielen. Denn dort haben einige der besten Spielerinnen der Welt gespielt: wie Mia Hamm, Kristine Lilly und Cindy Parlow, die jetzt Präsidentin des US-Fußballverbands ist.

Es ist erstaunlich, denn eines der coolsten Dinge, die ich tun konnte, war, die US-Nationalmannschaft in Alter von 12 Jahren bis heute zu vertreten. Während meiner Zeit in der U20-Nationalmannschaft wurde ich als US-Jugendvertreterin für das vereinigte Kandidaturkomitee ausgewählt. Ich bin während der WM 2018 nach Russland gereist und habe zusammen mit Diego Lainez (Mexiko) und Alphonso Davies (Kanada) am 60. FIFA-Kongress teilgenommen, wo wir als Teil des vereinigten 2026-Komitees Reden darüber gehalten haben, warum die WM 2026 in Nordamerika ausgetragen werden sollte. Es war eine solch beeindruckende Erfahrung, weil wir vor der FIFA gesprochen haben, der Organisation, für die wir bereits damals gespielt haben. Es war schon immer mein Traum, als Erwachsene bei einer Weltmeisterschaft zu spielen, und ich hatte das Glück zu sehen, wie die FIFA tagtäglich arbeitet, den Präsidenten Gianni Infantino zu treffen, und zu erleben, dass viele Nationen weltweit die Bewerbung der Vereinigten Staaten für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft in Nordamerika 2026 unterstützen. Es war eine so erfüllende Erfahrung. Und für mich als Frau und Afroamerikanerin war es wirklich beeindruckend, Vertreterin einer Männer-WM zu sein. Ich schwärme davon, wie cool es war. Als ob ich die Weltmeisterschaft nach Hause bringen würde… (Sie hat ein breites Lächeln auf dem Gesicht…) Das ist also die Geschichte, die ich erzählen möchte, weil ich mit zwei weltweiten Superstars im Rampenlicht stehen durfte. Es war einfach eine so erfüllende Erfahrung.

Eine großartige, wirklich großartige Geschichte, vielen Dank.

North Carolina Courage-Mittelfeldspielerin Brianna Pinto (oben Mitte) feiert ihr Tor gemeinsam mit ihren Mitspielerinnen im Spiel gegen den New Jersey/New York Gotham FC im Sahlen’s Stadium.
Foto: Andy Mead – USA TODAY Sports

Lass uns über dich selbst sprechen. Was magst du am meisten am Fußball? Du hast natürlich erzählt, dass du mit 12 Jahren in einem größeren Team angefangen hast. Also ging es zu Beginn nur um Freundschaften und Spaß, oder ging es auch darum, „Oh, ich will wirklich Fußballprofi werden“?

Ich komme aus einer Fußballfamilie. Als mein Vater aufgewachsen ist, hat er am College gespielt. Einer meiner größten Träume war es, die Welt zu bereisen, und ich denke, dass Fußball eine globale Sache ist, bei der man Menschen aus der ganzen Welt trifft. Man kann überall hinreisen und spielen, weil er auf der ganzen Welt gespielt wird. Mein Vater sagte: „Fußball ist ein Weg, das zu tun. Wenn du weiter gegen den Ball trittst und gut genug wirst, kannst du die USA vertreten und weiterreisen.“ Nicht nur das Reisen ist ein großer Teil dieser Erfahrung. Denn ich denke, was mich jetzt motiviert, ist, dass ich durch diesen Sport wunderbare Menschen wie dich kennenlerne. Und ich habe die unwahrscheinlichsten Freundschaften in meinem Leben geschlossen. Ich glaube, dass wir durch die Liebe zum Sport auf eine wirklich schöne Art und Weise miteinander konkurrieren können, und es macht so viel Spaß, Weltmeisterschaften zu sehen, und wie Menschen aus der ganzen Welt für ein Ereignis zusammenkommen. Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich mit dem Fußballspielen angefangen habe, weil ich die Welt bereisen wollte, und weil ich es liebe an Wettkämpfen teilzunehmen und dabei lebenslange Freundschaften mit Menschen zu schließen.

In den Vereinigten Staaten spricht man von College-Teams. Vor elf Jahren fand in Deutschland die Weltmeisterschaft der Frauen statt. Ich war als Ehrenamtliche dabei. In Deutschland wird der Frauenfußball immer populärer, aber im Vergleich zum Männerfußball ist es ziemlich schwierig. Meinem Eindruck nach ist der Frauenfußball in den USA ziemlich beliebt oder bekannt. Wie sieht es denn im Moment aus? Arbeitest du neben dem Fußball oder studierst du oder wie funktioniert das? Und wenn du das System ändern könntest, was würdest du ändern?

Ich denke, das ist eine wunderbare Frage. Eines der coolen Dinge im College-Fußball war Titel IX. Das war eine Änderung, die in den 70er Jahren verabschiedet wurde. Sie ermöglichte es Frauen, in den Vereinigten Staaten Sport zu treiben. Und sie erhielten die gleiche finanzielle Unterstützung wie die Männerteams. Da Fußball, Feldhockey oder andere Frauensportarten im College-Sport keine Einnahmen generieren, erhalten wir Geld von der (American) Football-Mannschaft der Männer oder der Basketball-Mannschaft der Männer, damit wir existieren können.

Im Grunde genommen ermöglicht uns das, die schönsten Trikots zu tragen, auf die gleiche Weise zu reisen wie die Männerteams, die gleichen hochwertigen Hotels zu beziehen und dergleichen mehr. Das ist einfach ein gleichberechtigtes Spielfeld für die Männer- und Frauenteams. Außerdem ist man im College-Sport verpflichtet, gleichzeitig eine Ausbildung zu absolvieren, wobei es eine persönliche finanzielle Entlastung bedeutet, wenn man ein Vollstipendium erhält. Ich war also Vollstipendiatin, habe meine Ausbildung bezahlt bekommen und konnte auf einem wirklich hohen Niveau Fußball spielen. Als ich aufgewachsen bin, konnte ich den besten Mädchen beim College-Fußball zusehen. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde das Niveau im Profifußball gut genug, um die dort vorhandenen Talente zu halten. Wir arbeiten immer noch daran, die ungleiche Bezahlung und andere systembedingte Probleme im professionellen Frauenfußball zu verkleinern.

Der Collegefußball wird von großen Fernsehsendern wie ESPN unterstützt. Wir haben eine gute Einschaltquote, weil er weit verbreitet ist. Er ist hier also sehr populär, und ich fand es toll, Teil einer so erfolgreichen Ära des Frauen-College-Sports zu sein. Ich habe bei UNC-Chapel Hill [Team der University of North Carolina; Anm. von LS] gespielt, in einer der größten College-Fußball-Dynastien des Landes. Wir haben 22 nationale Meisterschaften gewonnen. Das sind mit Abstand die meisten. Einer der Gründe, warum ich dort hingegangen bin, ist, dass ich lernen wollte, was man braucht, um Mitglied der US-Frauen-Nationalmannschaft zu werden, und weil wir dort so viele Spielerinnen haben, die für das Nationalteam der Vereinigten Staaten gespielt haben. Carolina verkörpert gewissermaßen die DNA, die man braucht, um die internationale Ebene zu erreichen.

Eines der Dinge, die ich ändern würde, ist, dass man in den letzten drei Jahren, als ich auf dem College war, kein Geld verdienen konnte. Nach dem Gesetz „Name, Image & Beliebtheit“ hatte die Schule die Werberechte, und es war nicht erlaubt, mit Dingen Geld zu verdienen, bei denen dein Gesicht oder deine Unterschrift verwendet wurde.

Aber im letzten Jahr wurden die Regeln geändert und studierende Athleten dürfen nun Geld verdienen. Man lebt im Grunde wie ein Profi und erhält gleichzeitig eine Ausbildung, und ich denke, das ist das Beste aus beiden Welten. Die Veränderung, die ich mir zu meiner Studienzeit gewünscht habe, ist also vor kurzem eingetreten, und sie verändert das Leben der studierenden Sportler auf so positive Weise. Was die Entwicklung des Fußballs angeht, so trainieren immer mehr Mädchen schon in jüngeren Jahren gemeinsam mit den Profis. Ich habe zum Beispiel mein letztes Jahr, in dem ich spielberechtigt war, nicht wahrgenommen, um Profifußballerin zu werden, weil ich bezahlt werden wollte. Ich spiele gegen die beste Konkurrenz, gegen internationale Superstars aus der ganzen Welt. Und ich war einfach bereit für etwas Neues. Die National Women’s Soccer League (NWSL) [nationale Frauenfußballliga in den USA; Anm. von LS] wird also immer nachhaltiger und ist bereit, alle Spielerinnen zu unterstützen. Immer mehr Mädchen wechseln in einem früheren Alter von der College-Liga zu den Profis, wie man es in Europa sieht. Das ist eine großartige Erfahrung, aber es ist definitiv etwas anderes.

Nun ein ganz anderes Thema. Du bist eine Schwarze und ich möchte dich fragen: Hast du jemals Erfahrungen mit Rassismus gemacht, denn ich denke, in deinem früheren Verein in New Jersey – ich habe Bilder auf Instagram gesehen und ich glaube, dass das kein Thema mehr ist? Gibt es verrückte Fans?

Weil ich denke, dass Frauenfußball nicht mit Männerfußball verglichen werden kann, da es nicht so sehr ein Thema ist: zum Beispiel schwul zu sein. In meinen Augen ist das für uns im Frauenfußball kein „Thema“. Wie sind denn deine Erfahrungen in den USA?

Mittelfeldspielerin Brianna Pinto (weißes Trikot) und Houston Dash -Verteidigerin Katie Naughton kämpfen in der zweiten Halbzeit im Texaner PNC Stadium um den Ball.
Foto: Maria Lysaker – USA TODAY Sports

Ich würde sagen, dass ich zwar viele Privilegien genieße, mir aber auch die Schwierigkeiten bewusst sind, mit denen viele schwarze Spielerinnen konfrontiert sind, wenn sie in den Vereinigten Staaten aufsteigen wollen. Zum Beispiel werden schwarze Spielerinnen von den Trainern oft nach ihren körperlichen Eigenschaften eingeteilt, was oft dazu führt, dass sie Flügelspieler oder Außenverteidiger werden, weil sie schnell sind. Es ist nicht üblich, dass schwarze Spieler im Mittelfeld spielen, und das ist meine Aufgabe. Ich glaube, ich bin eine der technisch versiertesten Spielerinnen auf dem Feld. Aber in den Vereinigten Staaten werden schwarze Spieler oft nur für ihre Schnelligkeit geschätzt. Ich denke, es ist schwierig, und das ist mir besonders im Profibereich aufgefallen, dass es eine Menge „movement for justice“ gibt, aber nicht unbedingt für Rassengerechtigkeit. Ich bin zum Beispiel eine große Befürworterin der LGBTQ+-Gemeinschaft, ich würde sie gerne auf jede erdenkliche Weise unterstützen. Meines Erachtens leistet die Liga hier gute Arbeit.

Ich würde jedoch gerne die gleichen Bemühungen für Schwarze sehen, die mit der Rassenungleichheit in den Vereinigten Staaten zu kämpfen haben. Ich habe das Gefühl, dass wir unsere schwarzen Spielerinnen nicht so unterstützen, wie wir es bei anderen Minderheiten tun. Dazu gehört auch, wie wir die Mittel verteilen und wie wir unsere Demonstrationen gestalten: Sind sie einheitlich? Stehen alle für die gleiche Sache ein? Und ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass dies durchgängig der Fall ist.

Dann würde ich gerne zu deiner Geschichte kommen. Ich denke, du hast in den letzten Jahren so viel erlebt, also wie hast du die Entscheidung getroffen, worüber du schreiben willst? Und du hast mir auch von einem Foto erzählt… Wie lange hat es gedauert, bis du dich entschieden hast, und was ist die Geschichte dahinter?

Also, es ist die Geschichte, wie ich zum 60. FIFA-Kongress kam. Der Grund dafür, dass ich als Vertreterin der US-Jugend für diese Position ausgewählt wurde, war: Ich habe eine Geschichte erzählt, in der es darum ging, im ersten Länderspiel der U19 gegen den Iran zu spielen. Wir spielten bei einem Turnier in China. Es war die erste internationale Erfahrung für die Iranerinnen. Ich glaube nicht, dass die Punktzahl ausgeglichen war, aber das Spiel war wichtiger als das.

Wir konnten Beziehungen zu den iranischen Mädchen aufbauen und sie nach dem Spiel auch abseits des Spielfelds als Menschen kennenlernen. Es war eine wirklich schöne Erfahrung, weil sie meine Mannschaftskameradinnen und mich daran erinnerten, wie viel Glück wir hatten, dass wir alle Mittel und Möglichkeiten hatten, auf höchstem Niveau zu spielen, vor allem in diesem Alter, in welchem dies für sie ihre erste Gelegenheit war. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Was können wir als gut ausgestattete Nationen tun, um den Ländern, die gerade erst mit dem Frauensport beginnen, mehr Chancengleichheit zu bieten?

Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind zwei der Weltmächte im Frauenfußball. Damit sich der Sport auf der ganzen Welt entwickeln kann, müssen wir mehr tun: Unterstützen wir andere Nationen? Ich weiß, dass wir natürlich daran interessiert sind, dass unsere eigenen Länder gewinnen. Aber ich denke, dass alles, was wir tun können, um gleiche Bedingungen für alle zu schaffen, das Spiel in Zukunft viel besser machen wird.

Wie bin ich dazu gekommen, darüber zu schreiben? Ich meine, jeder kann über ein Spiel berichten, das er gewonnen hat, oder über den Gewinn einer Meisterschaft. Aber ich denke: Ich habe mich entschieden, diese Geschichte zu erzählen, weil sie auf den Punkt bringt, worum es beim Fußball geht. Denn so wurde ich für diese Position bei der FIFA-Veranstaltung ausgewählt, bei der wir uns die Gastgeberrechte für die Weltmeisterschaft sicherten. Es ging darum, dass Kulturen zusammenkommen und sich gegenseitig unterstützen. Das war eine großartige Sache, die innerhalb der FIFA passieren kann. Also wollte ich die Geschichte erzählen.

Wo hat das Turnier in China stattgefunden?

Es fand in Guangzhou statt.

Als wir uns weiter unterhielten, kamen wir darauf zu sprechen, dass Brianna kurz zuvor Lutz (Pfannenstiel; der auch einer der Autoren des Fußballbuches ist) getroffen hatte.

Ich habe ihn bei der Mac-Hermann-Veranstaltung getroffen. Ich war dort mit zwei anderen College-Spielern. Es war eine Veranstaltung zur Ehrung der drei besten Spieler im College-Fußball. Ihn in dem Buch zu sehen, war also wirklich einzigartig. (Sie blättert durch das Buch und zeigt mir ein Foto…) Dieses Bild ist mein Agent.

Nein, wirklich?! Oh mein Gott, ich muss das Urs erzählen, dem ehemaligen Schiedsrichter, der die Geschichte geschrieben hat und der die Geschichte liebt. Er war der Initiator dafür, dass diese Leute [Spieler aus den USA und aus dem Iran] für ein Bild zusammenkamen.

Ich habe tatsächlich ein Bild, das dem hier sehr ähnlich ist. Also, die Geschichte, von der ich erzählt habe, als wir gegen den Iran gespielt haben. Wir haben ein Foto wie dieses gemacht. Ich schicke es dir zu. Und ich kann es auch auf meine Seite kleben, wenn ich sie schreibe.

Wahnsinn!

(Sie zeigt mit dem Finger auf einen Mann auf dem Bild.) Er ging auch nach Carolina, an die University of North Carolina, Chapel Hill.

Und wie heißt er?

Eddie Pope. Und das ist Claudio Reyna (sie zeigt auf einen anderen Mann auf dem Bild), seine Frau hat für meinen Trainer in Carolina gespielt.

Oh, wow!

Ja, das ist wirklich einzigartig.

Das ist so cool! Das ist Fußball, so eine kleine Welt…

Die Welt ist klein! (wir lachen…)

So, die Welt ist wieder klein… 😊 Vielen Dank an Brianna, dass sie ein Teil unseres internationalen Fußballbuch-Teams ist!

Mal sehen, welche Station in der kleinen, weiten Fußballwelt das Buch als Nächstes ansteuert!

Rückblick und Lesetipps

Ein sportliches „Servus“ an alle Sportfreundinnen und Sportfreunde!

Der erste „richtige“ Blogbeitrag ist vor knapp sechs Monaten online gegangen. Da inzwischen viele neue Leser/-innen hier vorbeischauen, habe ich beschlossen, euch einen kleinen Zwischenüberblick über die bisherigen Artikel zu geben – denn die älteren sind auf Grund des Layouts leider nicht so schnell auffindbar.

 

KURZÜBERSICHT ZU DEN BISHERIGEN INTERVIEWPARTNER/-INNEN UND THEMEN

(EHEMALIGE) FUßBALLPROFIS, SPORTMANAGER/-INNEN UND TRAINER

 

SPORTPSYCHOLOGIE/MENTALTRAINING

 

EHRENAMTLICHE UND FANS

  • Thomas Sandgathe: Ein Fan, der häufig die Einnahmen seiner Gitarrenkonzerte an das Projekt „Herzenswünsche“ spendet
  • Thorsten Röwekamp: Zur Arbeit als ehrenamtlicher Sehbehindertenkommentator

 

SOZIALES ENGAGEMENT UND INTEGRATION IM BZW. DURCH FUßBALL

Also: Lest gerne quer und informiert euch über andere Bereiche des Fußballs.

Sportliche Grüße

Lisa Blue

Die Welt ist rund...
Überdimensionaler WM-Ball beim Empfang der Männerfußball-Weltmeister 2014 in Berlin. Foto: Schatz

 

…in diesem Sinne wünsche ich den Jungs von Horst Hrubesch heute in Rio viel Glück!

Interview mit DSC-Teammanager Sebastian Hille

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Sebastian Hille arbeitet inzwischen als Teammanager beim DSC Arminia Bielefeld. Foto: DSC Arminia

Arminia Bielefeld. Sebastian Hille war von 2011 bis 2015 Fußballprofi beim DSC Arminia Bielefeld. Im September vergangenen Jahres hat er seinen neuen Job als Teammanager der Zweitligamannschaft angetreten. Ich wollte von ihm wissen, welche Aufgaben er im Detail hat, ob er später Fußball-Lehrer werden möchte und inwiefern sich sein Blickwinkel auf Fußballspiele und auf das Team verändert hat…

Sebastian, wie hast du dich in deinen neuen Job als Teammanager eingearbeitet?

Mittlerweile bin ich voll drin. Ich habe gar keine große Eingewöhnungszeit gebraucht. Am Anfang war meine Vorgängerin, Katrin Meyer (ist derzeit in Mutterschutz; Anm. von Lisa Schatz), noch mit dabei. Sie hat mich perfekt in die Abläufe eingearbeitet. Vieles kannte ich schon aus meiner Zeit als Spieler. Mit der Arbeit hier auf der Geschäftsstelle habe ich Neuland betreten. Ich hätte nie gedacht, was wirklich alles hinter der Spieltagsorganisation und hinter dem Vereinsleben steckt. Als Spieler macht man sich darüber keine Gedanken. Wenn man dann aber jeden Tag hier ist und mit den Leuten zusammenarbeitet, denkt man sich: „Wow, da gibt´s ne Menge zu tun!“.

Welche Aufgaben hast du im Detail? Ich hab jetzt schon ein paar Mal gelesen, dass du ein bisschen das „Mädchen für alles“ bist.

Den Ausdruck „Mädchen für alles“ finde ich nicht gut, weil man die Jungs schon auch ein wenig zur Selbstständigkeit erziehen muss. Es ist wichtig, dass einem Fußballprofi nicht immer alles abgenommen wird. Natürlich kann man es als Spieler genießen. Ich habe als Spieler auch so manche Vorzüge genossen. Aber man darf nicht zu viel für die Jungs übernehmen. Meist komme ich so um 9 Uhr auf die Geschäftsstelle. Es werden organisatorische Dinge erledigt, wie z. B. Trainingspläne ausdrucken oder den Kontakt zum Hotel für das nächste Spiel herstellen oder das richtige Essen nach den Auswärtsspielen vorzubereiten. Dann kommen noch einzelne Belange der Spieler hinzu, wie z. B. bei der Wohnungssuche oder dem Autokauf zu helfen. Oder ich unterstütze Neuzugänge bei der Eingewöhnung in der neuen Umgebung. Zudem bin ich in ständigem Austausch mit der Agentur Match IQ zwecks Trainingslager und Freundschaftsspiel. Im März war ich in dem Hotel, in welchem wir das nächste Trainingslager verbringen werden. Es war wichtig, sich die Begebenheiten vor Ort anzuschauen. Wenn ich an der Friedrich-Hagemann-Straße (Trainingsgelände; Anm. von Lisa Schatz) bin, geht es meist darum, alle Abläufe zu besprechen, zum Beispiel, wie lange die Fahrt vom Hotel zum Stadion ist. Mit dem sportlichen Leiter, Samir Arabi, und dem Trainerteam tausche ich mich auch über Spieler anderer Vereine und über interne Angelegenheiten aus. Es geht mitunter auch darum, wie ich verschiedene Spieler sehe.

Was macht dir am meisten Spaß an deinem neuen Job?

Die Zusammenarbeit mit der Mannschaft. Bis zum Sommer habe ich noch mit dem Großteil des Teams zusammengespielt. Natürlich schmerzt es manchmal noch, am Platz zu stehen und den Jungs nur von außen zuzuschauen. Aber trotzdem macht der Umgang mit der Mannschaft und dem Trainerteam sehr viel Spaß. Was mir genauso Freude bereitet und was ich sehr gut finde, ist die Zusammenarbeit mit Samir Arabi. Von ihm kann ich sehr, sehr viel lernen. Ich habe einige Abläufe bei Transfers mitbekommen, die ich in meiner Zeit als Spieler in dieser Art nie wahrgenommen habe.

Was hat dich bislang – neben der Arbeit auf der Geschäftsstelle – noch beeindruckt?

Im Wintertrainingslager dachte ich, dass wir mal eben in die Türkei fliegen und dort eine lockere Zeit haben. Als wir dort angekommen sind, war ich dann ziemlich überrascht. Ich war von morgens bis abends on tour, weil wir einen Gastspieler und auch einige Neuverpflichtungen dabei hatten. Der Arbeitsaufwand für das Funktionsteam im Trainingslager ist enorm.

Was war für dich die größte Umstellung vom Fußballprofi zum Teammanager – außer, dass du nicht mehr auf dem Platz stehst?

Die zeitliche Komponente. Ich habe jetzt einen Tagesablauf, der von morgens bis abends durchgetaktet ist. Als Spieler wusstest du, dass du morgens von 9 Uhr bis 12:30 Uhr am Trainingsgelände bist, wenn du einmal am Tag Training hattest. Wenn wir zweimal am Tag trainiert haben, waren wir ein bisschen länger da. Aber dann konnte ich nach Hause fahren, wenn keine Medien- oder Sponsorentermine anstanden. Das ist jetzt nicht mehr so.

War die Umstellung sehr hart für dich?

Nein, eigentlich nicht. Bevor ich als Teammanager begonnen habe, habe ich bei Lagardère und als Co-Trainer der U19 gearbeitet. Das hat mir sehr, sehr gut gefallen. In der Funktion war ich bis September 2015 tätig. Ich fand es toll zu sehen, wie sich die Jungs in der kurzen Zeit weiterentwickelt haben und habe immer noch einen engen Draht zu ihnen und zum Cheftrainer.

Wenn du nochmal fünf Jahre zurückblickst: Hast du dir damals schon Gedanken darüber gemacht, in welchem Bereich du nach deiner Zeit als Profi arbeiten willst? War Teammanager damals schon dein Traumjob?

Generell war es immer mein Plan, dem Fußball nach meiner Profikarriere erhalten zu bleiben. Wie es jetzt dazu gekommen ist, ist natürlich ganz schön. Es hat zeitlich sehr gut zusammengepasst. Ich hatte mir schon relativ früh vorgenommen, später einen nahtlosen Übergang vom Job als Fußballprofi ins Berufsleben zu haben. Ich wollte nicht zwei, drei Jahre gucken, was ich als nächstes mache. Mein klares Ziel war, einen direkten Übergang zu schaffen. Das ist mir ganz gut gelungen. Jetzt ist die Zeit da, in der ich sehr viel lernen will. In naher Zukunft möchte ich auch meine Trainerscheine machen. Das musste ich jetzt erstmal auf Eis legen.

Willst du dann vielleicht doch eher noch in Richtung Cheftrainer oder Co-Trainer gehen?

Das möchte ich mir offen halten. Selbst, wenn ich irgendwann in den Bereich des Managers gehen würde, kann es nicht schaden, Trainerlizenzen zu haben. Denn dann weiß man, wie Trainer ticken, wie sie denken. Ich glaube, dass das extrem wichtig ist. Als Spieler meint man immer, man weiß, wie ein Trainer tickt. Aber man weiß dann nachher, dass es nicht so ist. Von daher ist es für mich sehr wichtig, Trainerscheine zu machen und all die Erfahrungen mitzunehmen. Wo es mich dann letztendlich hinverschlägt oder in welche Richtung es geht, das halte ich mir wirklich offen.

Hast du dann auch vor, irgendwann einmal den Fußball-Lehrer-Lehrgang zu absolvieren?

Da ist man dann ja wirklich erstmal ein Jahr raus. Den passenden Zeitpunkt muss man sich reiflich überlegen. Wenn ich etwas gelernt habe, ist es das, dass im Fußball alles möglich ist und dass der Fußball sehr kurzlebig ist. Wenn sich die Möglichkeit für mich ergeben würde, langfristig im Trainerbereich im Profifußball zu arbeiten, wäre das super. Aber dafür müsste ich mich erstmal qualifizieren. Die Trainingsarbeit in der – wenn auch sehr kurzen – Zeit mit der U19 hat sehr viel Spaß gemacht: Diese unmittelbare Arbeit auf dem Platz. Ich finde es gut, dass ich in der relativ kurzen Zeit viel gelernt habe und in viele Bereiche hineinschauen konnte. Das versuche ich in Zukunft beizubehalten.

Inwiefern hast du dich in deiner Zeit als Profi weitergebildet?

Ich habe am Fernstudieninstitut IST in Düsseldorf Sportmanagement studiert. Dabei fand ich den Praxisbezug sehr gut.

Inwieweit hat sich dein Blickwinkel auf das Spiel oder auf die Mannschaft verändert?

Natürlich betrachtet man das von außen immer ein bisschen anders. Da denkt man dann, dass ein Pass falsch oder eine bestimmte Aktion nicht gut war. Aber ich glaube, dass ich den Vorteil habe, mich noch sehr gut in die Spieler hineinversetzen zu können: „Warum hat man jetzt diesen Pass gespielt?“ oder „Warum ist dieser Fehler passiert?“. Ich bin da nicht so weit weg. Natürlich leide ich noch genauso mit, wenn wir ein Spiel verlieren oder wenn wir gut gespielt haben, es aber am Ende nur für ein Unentschieden reicht. Da hat sich gar nicht so viel geändert. Ich muss mich auf der Bank hin und wieder wirklich zusammenreißen.

-> COMING SOON… In Teil II des Interviews (erscheint am 7.8.) erzählt Sebastian Hille, was die Bielefelder Fans auszeichnet, inwiefern er sich in seiner Zeit als Arminiaspieler mit der Geschichte des Vereins auseinander gesetzt hat und was er über die Nachrichten seiner Fans in sozialen Netzwerken denkt…