Fußballbuch-Update Nr. 10: Von Sabrina Flores zu Brianna Pinto

Liebe Fußballfans!

Unser Buch ist nun in North Carolina bei Brianna Pinto angekommen. Brianna ist Mittelfeldspielerin und hat schon einige internationale Erfahrungen gesammelt. Bereits im Alter von 12 Jahren war sie bei ihrem ersten US-Nationalteam-Camp dabei. 2016 nahm sie an der U17-Weltmeisterschaft in Jordanien und 2018 an der U20-Weltmeisterschaft in Frankreich teil.

Unser Interview entwickelte sich zu einem lockeren und sehr netten Gespräch über Briannas Geschichte, ihre Erfahrungen im College-Fußball und wir merkten wieder, wie klein die große Fußballwelt wirklich ist….

Lest es einfach selbst… 🙂 Viel Spaß!

Brianna Pintos Torjubel beim gegen New Jersey/New York Gotham FC. Foto: Andy Mead – USA TODAY Sports

Brianna, du hast das Fußballbuch von Sabrina Flores bekommen. Wie kam es dazu und warum hast du dich entschieden, an diesem „etwas verrückten“ Projekt teilzunehmen?

Das Projekt ist supercool. Ich finde es schön, dass so viele verschiedene Menschen an einem Projekt rund um den Fußball mitwirken. Sabrina hat mir das Buch überlassen und gesagt: „Hey, ich glaube, du hast eine wirklich interessante Geschichte auf deiner Reise durch den Profifußball erlebt, deshalb wollte ich dir dieses Buch geben, damit du hineinschreiben kannst.“

Ich habe mir all die anderen Geschichten angesehen und war mir sicher, dass ich einen Beitrag zu diesem Buch leisten wollte, weil ich es für eine wirklich schöne Sache halte. Das war das erstaunlichste Projekt, das ich je gesehen habe, und es gefällt mir.

Möchtest du ein wenig über deine Geschichte erzählen, die du in das Buch schreiben willst?

Mein Name ist Brianna Pinto und ich bin in Durham, North Carolina, aufgewachsen. Es war mein Lebenstraum für die University of North Carolina, Chapel Hill, zu spielen. Denn dort haben einige der besten Spielerinnen der Welt gespielt: wie Mia Hamm, Kristine Lilly und Cindy Parlow, die jetzt Präsidentin des US-Fußballverbands ist.

Es ist erstaunlich, denn eines der coolsten Dinge, die ich tun konnte, war, die US-Nationalmannschaft in Alter von 12 Jahren bis heute zu vertreten. Während meiner Zeit in der U20-Nationalmannschaft wurde ich als US-Jugendvertreterin für das vereinigte Kandidaturkomitee ausgewählt. Ich bin während der WM 2018 nach Russland gereist und habe zusammen mit Diego Lainez (Mexiko) und Alphonso Davies (Kanada) am 60. FIFA-Kongress teilgenommen, wo wir als Teil des vereinigten 2026-Komitees Reden darüber gehalten haben, warum die WM 2026 in Nordamerika ausgetragen werden sollte. Es war eine solch beeindruckende Erfahrung, weil wir vor der FIFA gesprochen haben, der Organisation, für die wir bereits damals gespielt haben. Es war schon immer mein Traum, als Erwachsene bei einer Weltmeisterschaft zu spielen, und ich hatte das Glück zu sehen, wie die FIFA tagtäglich arbeitet, den Präsidenten Gianni Infantino zu treffen, und zu erleben, dass viele Nationen weltweit die Bewerbung der Vereinigten Staaten für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft in Nordamerika 2026 unterstützen. Es war eine so erfüllende Erfahrung. Und für mich als Frau und Afroamerikanerin war es wirklich beeindruckend, Vertreterin einer Männer-WM zu sein. Ich schwärme davon, wie cool es war. Als ob ich die Weltmeisterschaft nach Hause bringen würde… (Sie hat ein breites Lächeln auf dem Gesicht…) Das ist also die Geschichte, die ich erzählen möchte, weil ich mit zwei weltweiten Superstars im Rampenlicht stehen durfte. Es war einfach eine so erfüllende Erfahrung.

Eine großartige, wirklich großartige Geschichte, vielen Dank.

North Carolina Courage-Mittelfeldspielerin Brianna Pinto (oben Mitte) feiert ihr Tor gemeinsam mit ihren Mitspielerinnen im Spiel gegen den New Jersey/New York Gotham FC im Sahlen’s Stadium.
Foto: Andy Mead – USA TODAY Sports

Lass uns über dich selbst sprechen. Was magst du am meisten am Fußball? Du hast natürlich erzählt, dass du mit 12 Jahren in einem größeren Team angefangen hast. Also ging es zu Beginn nur um Freundschaften und Spaß, oder ging es auch darum, „Oh, ich will wirklich Fußballprofi werden“?

Ich komme aus einer Fußballfamilie. Als mein Vater aufgewachsen ist, hat er am College gespielt. Einer meiner größten Träume war es, die Welt zu bereisen, und ich denke, dass Fußball eine globale Sache ist, bei der man Menschen aus der ganzen Welt trifft. Man kann überall hinreisen und spielen, weil er auf der ganzen Welt gespielt wird. Mein Vater sagte: „Fußball ist ein Weg, das zu tun. Wenn du weiter gegen den Ball trittst und gut genug wirst, kannst du die USA vertreten und weiterreisen.“ Nicht nur das Reisen ist ein großer Teil dieser Erfahrung. Denn ich denke, was mich jetzt motiviert, ist, dass ich durch diesen Sport wunderbare Menschen wie dich kennenlerne. Und ich habe die unwahrscheinlichsten Freundschaften in meinem Leben geschlossen. Ich glaube, dass wir durch die Liebe zum Sport auf eine wirklich schöne Art und Weise miteinander konkurrieren können, und es macht so viel Spaß, Weltmeisterschaften zu sehen, und wie Menschen aus der ganzen Welt für ein Ereignis zusammenkommen. Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich mit dem Fußballspielen angefangen habe, weil ich die Welt bereisen wollte, und weil ich es liebe an Wettkämpfen teilzunehmen und dabei lebenslange Freundschaften mit Menschen zu schließen.

In den Vereinigten Staaten spricht man von College-Teams. Vor elf Jahren fand in Deutschland die Weltmeisterschaft der Frauen statt. Ich war als Ehrenamtliche dabei. In Deutschland wird der Frauenfußball immer populärer, aber im Vergleich zum Männerfußball ist es ziemlich schwierig. Meinem Eindruck nach ist der Frauenfußball in den USA ziemlich beliebt oder bekannt. Wie sieht es denn im Moment aus? Arbeitest du neben dem Fußball oder studierst du oder wie funktioniert das? Und wenn du das System ändern könntest, was würdest du ändern?

Ich denke, das ist eine wunderbare Frage. Eines der coolen Dinge im College-Fußball war Titel IX. Das war eine Änderung, die in den 70er Jahren verabschiedet wurde. Sie ermöglichte es Frauen, in den Vereinigten Staaten Sport zu treiben. Und sie erhielten die gleiche finanzielle Unterstützung wie die Männerteams. Da Fußball, Feldhockey oder andere Frauensportarten im College-Sport keine Einnahmen generieren, erhalten wir Geld von der (American) Football-Mannschaft der Männer oder der Basketball-Mannschaft der Männer, damit wir existieren können.

Im Grunde genommen ermöglicht uns das, die schönsten Trikots zu tragen, auf die gleiche Weise zu reisen wie die Männerteams, die gleichen hochwertigen Hotels zu beziehen und dergleichen mehr. Das ist einfach ein gleichberechtigtes Spielfeld für die Männer- und Frauenteams. Außerdem ist man im College-Sport verpflichtet, gleichzeitig eine Ausbildung zu absolvieren, wobei es eine persönliche finanzielle Entlastung bedeutet, wenn man ein Vollstipendium erhält. Ich war also Vollstipendiatin, habe meine Ausbildung bezahlt bekommen und konnte auf einem wirklich hohen Niveau Fußball spielen. Als ich aufgewachsen bin, konnte ich den besten Mädchen beim College-Fußball zusehen. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde das Niveau im Profifußball gut genug, um die dort vorhandenen Talente zu halten. Wir arbeiten immer noch daran, die ungleiche Bezahlung und andere systembedingte Probleme im professionellen Frauenfußball zu verkleinern.

Der Collegefußball wird von großen Fernsehsendern wie ESPN unterstützt. Wir haben eine gute Einschaltquote, weil er weit verbreitet ist. Er ist hier also sehr populär, und ich fand es toll, Teil einer so erfolgreichen Ära des Frauen-College-Sports zu sein. Ich habe bei UNC-Chapel Hill [Team der University of North Carolina; Anm. von LS] gespielt, in einer der größten College-Fußball-Dynastien des Landes. Wir haben 22 nationale Meisterschaften gewonnen. Das sind mit Abstand die meisten. Einer der Gründe, warum ich dort hingegangen bin, ist, dass ich lernen wollte, was man braucht, um Mitglied der US-Frauen-Nationalmannschaft zu werden, und weil wir dort so viele Spielerinnen haben, die für das Nationalteam der Vereinigten Staaten gespielt haben. Carolina verkörpert gewissermaßen die DNA, die man braucht, um die internationale Ebene zu erreichen.

Eines der Dinge, die ich ändern würde, ist, dass man in den letzten drei Jahren, als ich auf dem College war, kein Geld verdienen konnte. Nach dem Gesetz „Name, Image & Beliebtheit“ hatte die Schule die Werberechte, und es war nicht erlaubt, mit Dingen Geld zu verdienen, bei denen dein Gesicht oder deine Unterschrift verwendet wurde.

Aber im letzten Jahr wurden die Regeln geändert und studierende Athleten dürfen nun Geld verdienen. Man lebt im Grunde wie ein Profi und erhält gleichzeitig eine Ausbildung, und ich denke, das ist das Beste aus beiden Welten. Die Veränderung, die ich mir zu meiner Studienzeit gewünscht habe, ist also vor kurzem eingetreten, und sie verändert das Leben der studierenden Sportler auf so positive Weise. Was die Entwicklung des Fußballs angeht, so trainieren immer mehr Mädchen schon in jüngeren Jahren gemeinsam mit den Profis. Ich habe zum Beispiel mein letztes Jahr, in dem ich spielberechtigt war, nicht wahrgenommen, um Profifußballerin zu werden, weil ich bezahlt werden wollte. Ich spiele gegen die beste Konkurrenz, gegen internationale Superstars aus der ganzen Welt. Und ich war einfach bereit für etwas Neues. Die National Women’s Soccer League (NWSL) [nationale Frauenfußballliga in den USA; Anm. von LS] wird also immer nachhaltiger und ist bereit, alle Spielerinnen zu unterstützen. Immer mehr Mädchen wechseln in einem früheren Alter von der College-Liga zu den Profis, wie man es in Europa sieht. Das ist eine großartige Erfahrung, aber es ist definitiv etwas anderes.

Nun ein ganz anderes Thema. Du bist eine Schwarze und ich möchte dich fragen: Hast du jemals Erfahrungen mit Rassismus gemacht, denn ich denke, in deinem früheren Verein in New Jersey – ich habe Bilder auf Instagram gesehen und ich glaube, dass das kein Thema mehr ist? Gibt es verrückte Fans?

Weil ich denke, dass Frauenfußball nicht mit Männerfußball verglichen werden kann, da es nicht so sehr ein Thema ist: zum Beispiel schwul zu sein. In meinen Augen ist das für uns im Frauenfußball kein „Thema“. Wie sind denn deine Erfahrungen in den USA?

Mittelfeldspielerin Brianna Pinto (weißes Trikot) und Houston Dash -Verteidigerin Katie Naughton kämpfen in der zweiten Halbzeit im Texaner PNC Stadium um den Ball.
Foto: Maria Lysaker – USA TODAY Sports

Ich würde sagen, dass ich zwar viele Privilegien genieße, mir aber auch die Schwierigkeiten bewusst sind, mit denen viele schwarze Spielerinnen konfrontiert sind, wenn sie in den Vereinigten Staaten aufsteigen wollen. Zum Beispiel werden schwarze Spielerinnen von den Trainern oft nach ihren körperlichen Eigenschaften eingeteilt, was oft dazu führt, dass sie Flügelspieler oder Außenverteidiger werden, weil sie schnell sind. Es ist nicht üblich, dass schwarze Spieler im Mittelfeld spielen, und das ist meine Aufgabe. Ich glaube, ich bin eine der technisch versiertesten Spielerinnen auf dem Feld. Aber in den Vereinigten Staaten werden schwarze Spieler oft nur für ihre Schnelligkeit geschätzt. Ich denke, es ist schwierig, und das ist mir besonders im Profibereich aufgefallen, dass es eine Menge „movement for justice“ gibt, aber nicht unbedingt für Rassengerechtigkeit. Ich bin zum Beispiel eine große Befürworterin der LGBTQ+-Gemeinschaft, ich würde sie gerne auf jede erdenkliche Weise unterstützen. Meines Erachtens leistet die Liga hier gute Arbeit.

Ich würde jedoch gerne die gleichen Bemühungen für Schwarze sehen, die mit der Rassenungleichheit in den Vereinigten Staaten zu kämpfen haben. Ich habe das Gefühl, dass wir unsere schwarzen Spielerinnen nicht so unterstützen, wie wir es bei anderen Minderheiten tun. Dazu gehört auch, wie wir die Mittel verteilen und wie wir unsere Demonstrationen gestalten: Sind sie einheitlich? Stehen alle für die gleiche Sache ein? Und ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass dies durchgängig der Fall ist.

Dann würde ich gerne zu deiner Geschichte kommen. Ich denke, du hast in den letzten Jahren so viel erlebt, also wie hast du die Entscheidung getroffen, worüber du schreiben willst? Und du hast mir auch von einem Foto erzählt… Wie lange hat es gedauert, bis du dich entschieden hast, und was ist die Geschichte dahinter?

Also, es ist die Geschichte, wie ich zum 60. FIFA-Kongress kam. Der Grund dafür, dass ich als Vertreterin der US-Jugend für diese Position ausgewählt wurde, war: Ich habe eine Geschichte erzählt, in der es darum ging, im ersten Länderspiel der U19 gegen den Iran zu spielen. Wir spielten bei einem Turnier in China. Es war die erste internationale Erfahrung für die Iranerinnen. Ich glaube nicht, dass die Punktzahl ausgeglichen war, aber das Spiel war wichtiger als das.

Wir konnten Beziehungen zu den iranischen Mädchen aufbauen und sie nach dem Spiel auch abseits des Spielfelds als Menschen kennenlernen. Es war eine wirklich schöne Erfahrung, weil sie meine Mannschaftskameradinnen und mich daran erinnerten, wie viel Glück wir hatten, dass wir alle Mittel und Möglichkeiten hatten, auf höchstem Niveau zu spielen, vor allem in diesem Alter, in welchem dies für sie ihre erste Gelegenheit war. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Was können wir als gut ausgestattete Nationen tun, um den Ländern, die gerade erst mit dem Frauensport beginnen, mehr Chancengleichheit zu bieten?

Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind zwei der Weltmächte im Frauenfußball. Damit sich der Sport auf der ganzen Welt entwickeln kann, müssen wir mehr tun: Unterstützen wir andere Nationen? Ich weiß, dass wir natürlich daran interessiert sind, dass unsere eigenen Länder gewinnen. Aber ich denke, dass alles, was wir tun können, um gleiche Bedingungen für alle zu schaffen, das Spiel in Zukunft viel besser machen wird.

Wie bin ich dazu gekommen, darüber zu schreiben? Ich meine, jeder kann über ein Spiel berichten, das er gewonnen hat, oder über den Gewinn einer Meisterschaft. Aber ich denke: Ich habe mich entschieden, diese Geschichte zu erzählen, weil sie auf den Punkt bringt, worum es beim Fußball geht. Denn so wurde ich für diese Position bei der FIFA-Veranstaltung ausgewählt, bei der wir uns die Gastgeberrechte für die Weltmeisterschaft sicherten. Es ging darum, dass Kulturen zusammenkommen und sich gegenseitig unterstützen. Das war eine großartige Sache, die innerhalb der FIFA passieren kann. Also wollte ich die Geschichte erzählen.

Wo hat das Turnier in China stattgefunden?

Es fand in Guangzhou statt.

Als wir uns weiter unterhielten, kamen wir darauf zu sprechen, dass Brianna kurz zuvor Lutz (Pfannenstiel; der auch einer der Autoren des Fußballbuches ist) getroffen hatte.

Ich habe ihn bei der Mac-Hermann-Veranstaltung getroffen. Ich war dort mit zwei anderen College-Spielern. Es war eine Veranstaltung zur Ehrung der drei besten Spieler im College-Fußball. Ihn in dem Buch zu sehen, war also wirklich einzigartig. (Sie blättert durch das Buch und zeigt mir ein Foto…) Dieses Bild ist mein Agent.

Nein, wirklich?! Oh mein Gott, ich muss das Urs erzählen, dem ehemaligen Schiedsrichter, der die Geschichte geschrieben hat und der die Geschichte liebt. Er war der Initiator dafür, dass diese Leute [Spieler aus den USA und aus dem Iran] für ein Bild zusammenkamen.

Ich habe tatsächlich ein Bild, das dem hier sehr ähnlich ist. Also, die Geschichte, von der ich erzählt habe, als wir gegen den Iran gespielt haben. Wir haben ein Foto wie dieses gemacht. Ich schicke es dir zu. Und ich kann es auch auf meine Seite kleben, wenn ich sie schreibe.

Wahnsinn!

(Sie zeigt mit dem Finger auf einen Mann auf dem Bild.) Er ging auch nach Carolina, an die University of North Carolina, Chapel Hill.

Und wie heißt er?

Eddie Pope. Und das ist Claudio Reyna (sie zeigt auf einen anderen Mann auf dem Bild), seine Frau hat für meinen Trainer in Carolina gespielt.

Oh, wow!

Ja, das ist wirklich einzigartig.

Das ist so cool! Das ist Fußball, so eine kleine Welt…

Die Welt ist klein! (wir lachen…)

So, die Welt ist wieder klein… 😊 Vielen Dank an Brianna, dass sie ein Teil unseres internationalen Fußballbuch-Teams ist!

Mal sehen, welche Station in der kleinen, weiten Fußballwelt das Buch als Nächstes ansteuert!

Christian Heidel über seine Schlaganfälle, Reha-Erfahrungen und einen Fußballkurztrip mit Übernachtung am Flughafen

Christian Heidel geht offen mit seinen Schlaganfällen um – auch, um anderen Menschen dadurch zu helfen. Foto: Bernd Legien

Nun ein ziemlich krasser Schnitt, ein totaler Themensprung. Zu dir selbst. Zu deinem Schlaganfall 2019. Du gehst ja sehr offen damit um. Inwiefern lebst du seitdem anders oder bewusster?

Ich gehe da sehr, sehr offen mit um. Auch, weil ich den Leuten da gerne helfen würde. Dass ihnen das, was ich da erlebt habe, möglichst erspart bleibt. Und das kann ich auch gerne sagen: Ich habe die Ratschläge der Ärzte nicht so ganz ernst genommen, weil wir es mir eigentlich recht gut ging. Das Einzige, was ich hatte, war ab und zu ein Vorhofflimmern oder Herzrhythmusstörungen. So, und dann wirfst du ein Tablettchen ein und glaubst dann ist alles gut. Es ist auch meistens wieder gut nach einer halben Stunde. Wie ich das das erste Mal hatte, hab ich gedacht ich sterbe und habe schon überlegt. Ich war gerade in Wiesbaden und mein größtes Problem war: „Wie komme ich ganz schnell mit dem Krankenwagen nach Mainz? Weil: Ich will in Mainz sterben und nicht in Wiesbaden sterben.“ (lacht)

Das war damals wirklich so, also das war völlig verrückt. Meine Frau ist bald durchgedreht damals. Und dann kamen drei Krankenwagen angefahren und unseren Mannschaftsarzt hab ich auch angerufen. „Mein Puls – ach du lieber Gott!“ Da war für mich klar: „Ich sterbe jetzt. Aber ich will nach Mainz!“ Dann hat sich der Krankenwagen noch verfahren, weil die eigentlich nicht nach Mainz fahren dürfen. So und dort hat sich herausgestellt, dass ich so ein bisschen Herzrasen hatte, also Vorhofflimmern, und das haben sie schnell in den Griff bekommen. Das Problem war, dass das immer wieder kam. Auf einmal. Von heute auf morgen kam das. Ich habe dann Tablettchen eingeworfen und habe zweimal versucht, es mit einer kleinen Operation wegzubekommen.

Wie hast du das eigentlich gemerkt?

Das ist ganz schwer zu beschreiben. Es ist nicht so, dass du Herzrasen bekommst, sondern das Herz schlägt nicht mehr im üblichen Rhythmus. Das macht mal: Dapp-dapp, dapp-dapp-dapp-dupp, dapp-dapp. Einfach ein bisschen verrückt. Das ist sehr unangenehm. Du merkst, dass du nicht mehr so diese Kraft hast. Also diese Power fehlt dir auf einmal. Zum Beispiel, wenn du das hast und gehst Treppen hoch, da läufst du wie ein alter Mann, weil das Herz das in diesem Rhythmus irgendwie nicht hinbekommt. Aber das Hauptproblem ist: Nach einer Zeit ist das normal. Also, wenn ich jetzt mal irgendwo eine Rede gehalten habe, und das hat angefangen… Es war sau unangenehm. Du stehst da vor den Leuten und merkst „Orrrrhhh“. (verzieht das Gesicht) Mit einer Tablette hat es meist eine halbe Stunde gedauert, bis das wieder weg war. Aber ich Idiot hab mich halt irgendwie dran gewöhnt. Die Ärzte hatten schließlich zweimal eine sogenannte Appladierung [Dies ist der Fachbegriff für das Veröden von krankhaften oder überzähligen Leitungsbahnen / Erregungsherden am Herzen mit Hilfe eines Katheters. Ziel ist die Beseitigung von Herzrhythmusstörungen; Anm. von LS] gemacht. Das hat nicht funktioniert. Es kam immer wieder. Also habe ich gedacht: „Okay, dann lebe ich halt damit“. Was mir nicht so bewusst war: Wenn du das auf Dauer hast, ist das Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts viel, viel größer. So. Hätte mir das vorher mal jemand deutlich gesagt! Ich bin ja eh der größte Hypochonder, also ich habe immer alle Krankheiten. Ich kann im Fernsehen keine Krankenhausserie gucken, da muss ich sofort umschalten, sonst hab ich das gleich alles.

Hätte mir das jemand deutlich gesagt, hätte ich mich wohl mehr drum gekümmert. Das habe ich nicht gemacht. Und dann: Aus dem Nichts, ohne jegliche Vorwarnung, in der Türkei im Urlaub, gehe ich völlig ausgeruht mit meiner Tochter am Strand spazieren und auf einmal hab ich gedacht, mir fährt grad ein Laster durch die Birne! Keine Schmerzen, gar nix. Aber so „rrrrrrrrrrrrrrratz“ hat’s gemacht und anschließend habe ich nur gemerkt: Ich muss umgefallen sein. Mir war schwindelig, irgendwas stimmte nicht. Aber ich konnt‘s gar nicht beschreiben. Dann bin ich zu unserer Liege und habe zu meiner Frau gesagt: „Ich glaube, ich hatte einen Schlaganfall eben“. Panik. Ich wusste ja gar nicht, wie sich sowas anfühlt, ein Schlaganfall. Es war irgendwie so ein Gefühl. Die Ärzte kamen und ich wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort haben sie es leider bestätigt. Ich hatte leider sogar zwei Schlaganfälle. Und ja, dann liegst du da in der Türkei im Krankenhaus. Wenn du das von außen gesehen hättest: „Ach du lieber Gott!“ Aber ich hatte einen überragenden Arzt. Der kam zu mir: „Mein Name ist Emerly Türkeliy“. Da hab ich erstmal gedacht: „Oje“. Aber das war ein Schweizer, der von der Schweiz in die Türkei ausgewandert war. Er war super, super! Ich war in den allerbesten Händen und bin zwei Tage später mit Hilfe von Clemens Tönnies mit dem Flieger nach Mainz gebracht worden und war dann hier zehn Tage in der Uniklinik. Nach elf Tagen war ich wieder auf Mallorca. Also das ging ratzfatz.


Schlaganfall oder Tumor – „Ich glaub, noch nie hat sich jemand so über einen Schlaganfall gefreut.“

Und jetzt zu der eigentlichen Frage: „Was hat sich geändert?“. Als ich im Krankenhaus gelegen habe… Da kommst du ins MRT, wirst in diese Röhre reingefahren, und dann kommen die Ärzte raus und sagen dir: „Ja, Sie haben da zwei dunkle Stellen im Gehirn“. Ich hab gesagt: „Ja, prima, und was heißt das jetzt?“. Sie müssten das genauer untersuchen, aber: „Schlaganfall oder Tumor“. Also ich hab mich noch nie so über einen Schlaganfall gefreut, als die Diagnose kam. Das erste, was ich gemacht habe: Ich habe noch in der Nacht meinen Notar in Mainz angerufen und erstmal mein Testament gemacht. Weil für mich wieder klar war: Ja, das war’s jetzt. Habe also für mich völlig, ganz merkwürdige Entscheidungen getroffen. Und dann redet man mit sich selber: „Also, wenn das alles gut geht, das machst du alles nimmer, und das machst du jetzt“. Und ich habe gesagt, „ich gehe jetzt in den Dom anschließend und ich spende“ und „Du veränderst dein Leben. Nimmer so hektisch alles.“ Also ich hab mir alles selbst versprochen und am Anfang fast alles eingehalten. Da war ich sehr geläutert, weil ich froh war, dass ich noch lebe und dass das ich das gut überstanden habe.

Und dann geht es leider los: Je länger dieses Ereignis zeitlich nach hinten rückt, ertappst du dich dabei, dass du vieles wieder über Bord wirfst. Aber ich glaube, wie ich mich verändert habe, ist, dass ich nicht mehr alles so dramatisch nehme. Das ist so, weil ich jetzt einfach mitbekommen habe, was wirklich dramatisch ist. Ich habe inzwischen starke Probleme mit dem Begriff „Schicksalsspiele“. Wir reden immer noch über Fußball, über Sport. Also Schicksal ist etwas anderes. Es gibt Menschen, die es viel härter getroffen hat als mich. Aber ich habe das auf einmal so ein bisschen gespürt, also wie schnell etwas aus dem Nichts beendet sein kann, und ich hatte das große Glück, dass es bei mir ja überhaupt keine Folgeerscheinungen gab. Ich habe ein ganz kleines Problem mit einem Auge, weil das eine Ding in die Sehrinde reingeknallt ist, aber das merke ich im normalen Leben nahezu gar nicht. Ich hatte null Sprachprobleme, Mobilitätsprobleme. Im Vergleich zu anderen hatte ich sehr viel Glück. (wirkt nachdenklich und dankbar)

Und, das ist auch eine ganz nette Geschichte: Ich habe in Mallorca eine Reha gemacht. Eigentlich hat die Krankenkasse gesagt, dass ich gar nicht in eine Reha müsste, weil ich fit sei. Ich meinte aber, dass ich eine Reha machen möchte, dass ich ein bisschen was für mich selbst tun möchte. In Mallorca habe ich dann gesucht und ein Krankenhaus gefunden. Durch eine riesige Glasscheibe konntest du von dort aus direkt aufs Meer schauen. Was ich nicht gewusst hab: Da war kein einziger Deutscher drin, sondern nur Spanier. Und mein Spanisch umfasst maximal die Speisekarte. (lacht) Dort waren alle Schlaganfallpatienten, die wieder aufgebaut wurden. Jetzt muss ich dazu sagen, dass ich derjenige war, der am wenigsten hatte. Ich hab auch ein solches Programm gemacht mit einem Trainer, also Fahrrad fahren usw. Ich hatte am Anfang große Probleme mit den Augen. Mit der rechten Seite habe ich nicht richtig gesehen. Das wurde so ein bisschen bearbeitet. Irgendwann war das auch wieder weg. Sonst war ich viel auf dem Laufband, auf dem Ergometer, immer unter ärztlicher Aufsicht.

Dann waren da schon viele Leute mit Mobilitätsproblemen, mit Sprachproblemen, einige waren halbseitig gelähmt. Da habe ich gemerkt, wie gut es mir wieder ging. Aber das lustige war: Sie haben immer geglaubt, ich sei ein Arzt, weil ich als einziger herumgelaufen bin als ob ich nichts hätte. Ich war vier Wochen dort und mit der Zeit habe ich sie alle kennengelernt. Ich wusste ihre Namen und ich habe immer viel Spaß mit ihnen gemacht, obwohl wir gar viel nicht miteinander reden konnten. Irgendwie bekam ich den Spitznamen „Doctore“. Ich habe ihnen zum Teil geholfen. Zum Beispiel gab es dort Manolo. Der hat den ganzen Tag nichts anderes gemacht als die Wasserflaschen von dem einen Wasserkasten in den anderen Wasserkasten umzusortieren. Wenn der zweite Kasten voll war, ging das wieder andersherum. Er musste das trainieren. Ich hab also einen Spaß gemacht und gefragt, weshalb er denn keinen Bierkasten nehme. Und dann sagte er immer „Cerveza, cerveza“ [=“Bier“ auf Spanisch] und wir haben uns wieder totgelacht. Da habe ich so ein richtiges Verhältnis zu allen aufgebaut und bin dann auf einmal jeden Morgen da hin. Ich musste eigentlich nur alle zwei Tage kommen. Jeden Morgen bin ich also da hingefahren und habe meist zwei, drei Stunden mit den anderen gearbeitet.

Dann habe ich diese Reha freiwillig auf eigene Kosten verlängert. Ich hätte gar nicht mehr hingehen müssen, aber mir hat das richtig Spaß gemacht. Ich habe es selbst bezahlt, die Krankenkasse wollte das nicht mehr. Insgesamt war ich drei Monate dort. Es waren viele ältere Menschen, aber auch junge Menschen, die das Schicksal da erlitten haben… Irgendwann kam der letzte Tag und sie haben das alle gewusst: Also, der „Doctore“ kommt jetzt. Und das war so süß! Ich wusste schon: Die hecken irgendetwas aus, da war so eine komische Stimmung. Man hat dort schon ein bisschen gearbeitet. Ich bin also duschen gegangen. Als ich rauskam, standen sie alle Spalier. Jeder hat mir ein kleines Geschenk gegeben. Ich habe Rotz und Wasser geheult. Da gehst du da durch und alle klatschen. Also du hast da echt so ein Gefühl mit denen dort aufgebaut. Ab und zu bin ich dann noch hingefahren, aber mit der Zeit waren sie dann zum Glück auch alle entlassen.

Hast du dort auch Freunde gefunden, wenn sie auch aus der Gegend waren?

Ja, mit zwei, drei Leuten treffe ich mich ab und zu…

Manolo?

Nein, Manolo kam aus Ibiza. Der musste wieder dorthin zurück. Mit ein paar Leuten treffe ich mich im Lokal auf ein Glas Wein. Den meisten geht’s jetzt besser, aber bei vielen wurde es nicht mehr hundertprozentig so wie vorher. Es war eine sehr, sehr nette Zeit, angenehme Zeit, aber auch eine bewegende Zeit, die mir persönlich viel gebracht hat. Du gehst dann raus und denkst nicht darüber nach: „Wieso das Auge? Wieso fehlen dir da zehn Prozent?“ Das interessiert dich überhaupt gar nicht, wenn du siehst, was wirklich Schicksale sind. Es war eine sehr, sehr gute Entscheidung, dort hinzugehen. Heute geht es mir gut, ich habe gar nichts mehr. Also ich hatte da riesiges Glück und da bin ich auch wirklich sehr, sehr dankbar, dass ich das so gut überstanden habe.


 Über die Bedeutung seiner Familie, Fußballreisen und eine spontane Nacht- und Nebelaktion

Hast du eine Art Bucket List, wovon heutzutage immer wieder gesprochen wird? Also, was du unbedingt nochmal im Leben machen willst – vielleicht gibt es noch einen Ort, an den du reisen willst?

Hm, das hört sich blöd an, aber ich bin eigentlich sehr, sehr glücklich und zufrieden, so wie es ist. Ich hab mir meinen Traum, Teile meines Lebens im Warmen zu verbringen, also auf Mallorca, erfüllt. Das war schon immer etwas Besonderes für mich. Das hat auch gut geklappt. Wir haben jetzt zwei Lebensmittelpunkte. Das Problem ist, dass wir die meiste Zeit leider nicht zusammenleben. Meine kleine Tochter, sie ist acht Jahre alt, und meine Frau, leben jetzt in Mallorca. Vier Wochen bevor ich nach Mainz zurück bin, sind wir gerade innerhalb von Mallorca umgezogen. In ein neues Haus und das ist jetzt noch nicht mal komplett eingerichtet. Daran erkennt man, dass das alles ganz anders geplant war. Wir haben dort wirklich einen schönen Lebensmittelpunkt mit tollen Freunden gefunden und fühlen uns da total wohl. Für mich ist schon längst beschlossen: Wenn das Kapitel Mainz 05 irgendwann beendet ist, dann werde ich wieder fest nach Mallorca gehen, weil das Leben dort schon einfach viel lockerer ist. Du hast schönes Wetter, du sitzt im Freien. Das ist einfach etwas ganz Besonderes. Und was die meisten Leute überhaupt nicht verstehen, ist: Da redest du über Mallorca und dann fangen sie alle mit dem Ballermann an. Also ich war noch nie auf dem Ballermann – ok, als junger Kerl war ich jedes Jahr am Ballermann. Aber nicht heute.

Mallorca ist viel mehr als Ballermann. Also wir haben mit dem Ballermann überhaupt nichts zu tun, sondern wir leben da! Man lebt, wenn man dort wohnt, anders, als wenn man dort in den Urlaub fährt. Die Leute glauben jetzt: Du bist in Mallorca und morgens holst du das Handtuch raus und legst dich dort auf eine Liege. Ich hab in zwei Jahren vielleicht zehn Mal auf einer Liege gelegen. Das machst du gar nicht, weil du da ganz normal deinen Tagesablauf hast. Das Einzige ist: Du gehst am Abend öfter als wenn du hier in Mainz bist, schön essen, gehst ans Meer, isst Fisch. Das ist einfach ein anderes Leben. Aber ansonsten machst du das gleiche, als ob du in Deutschland leben würdest. Nur in einem wesentlich angenehmeren Ambiente. Auch wenn Mainz sehr schön ist – ich liebe diese Stadt – also das will ich nicht schlecht machen. Deswegen habe ich mir diesen Wunschtraum erfüllt und wenn es irgendwann in Richtung Lebensabend – ich hoffe das dauert noch ein bisschen – gehen sollte, würde ich das gerne mit der Familie auf Mallorca machen.

Für meine Tochter ist das ihr Zuhause, sie hat alle ihre Freunde auf Mallorca. Sie spricht inzwischen fließend Deutsch, Spanisch und Englisch und das nach drei Jahren Schule. Sie ist dort auf einer überragenden internationalen Schule. Sie spielt Klarinette, spricht mehrere Sprachen, lernt jetzt in einem Sonderfach noch Chinesisch, entwickelt sich einfach überragend und deswegen bleibt die Familie auch auf Mallorca. Wir haben lange darüber diskutiert: „a) Mache ich das überhaupt mit Mainz?“, und „b) Wenn ich es mache, wie machen wir das?“ Aber ich hätte ein ganz, ganz schlechtes Gewissen gehabt, hätten wir jetzt entschieden, wir gehen wieder komplett nach Mainz und die Kleine muss die Schule verlassen. Sie ist dort glücklich und deshalb kann ich das nicht machen. Deswegen jetzt diese räumliche Trennung. Ja, ich habe auch gesagt, dass ich jede Woche komme. Da war aber der Wunsch Vater des Gedanken. Ich versuche zweimal im Monat für drei Tage hinzufliegen, aber das klappt nicht immer. Das Problem ist, dass sie nie nach Mainz kommen können, weil meine Tochter Schule hat. Sie haben im Sommer drei Monate Schulferien und dann haben sie gar keine Ferien mehr bis zum Winter. Da gibt es also keine Möglichkeiten und die Schule steht jetzt im Vordergrund. Deswegen ist das das Einzige, was mir im Moment am Leben nicht ganz so gut gefällt, aber das haben wir natürlich gewusst. Da müssen wir durch.

So, jetzt zu den Reisen. Ich war fast auf der ganzen Welt und zwar, muss ich sagen, nicht als Funktionär von Mainz 05, sondern als ganz normaler Fußballfan, weil ich hier einen sehr netten und guten Freundeskreis habe. Wir fliegen und fahren seit Mitte der 80er Jahre eigentlich zu jeder Fußball-EM und Fußball-WM. Wir waren in Spanien, Mexiko, Italien, in den USA, in Frankreich, Japan und in Deutschland sowieso. Wir waren überall unterwegs und haben bis auf wenige Teile der Welt alles kennengelernt. Ich war auch öfters in Asien, in China, Singapur, also ich bin überall rum, in Afrika, Südafrika. Auch bei der WM in Südafrika waren wir. Ich habe sehr viel erlebt. Ich war nicht in Australien, aber ich muss jetzt nicht unbedingt nach Australien. Ich will irgendwann nochmal einen USA-Ausflug machen. Aber da hab ich jetzt nichts, worüber ich sage: Also das muss ich jetzt noch erleben. Ich habe zum Glück die Möglichkeit gehabt sehr, sehr viel zu sehen und jetzt geht’s mir einfach darum, irgendwann mal wirklich ein schönes Leben zu haben, die Dinge zu machen, die mir Freude bereiten. Wenn ich irgendwann auf die Idee komme, dass ich mal nach Australien muss, hoffe ich, dass ich dann in der Lage bin, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Ansonsten: Ich habe zwei erwachsene Kinder, die ich sehr, sehr vernachlässigt habe. Als sie klein waren, war ich nie mit ihnen im Urlaub.

Nie? (überrascht)

Sie sind immer mit ihrer Mutter allein in den Urlaub gefahren. Ein oder zwei Mal war ich im Urlaub mit dabei. Bei dem einen Mal war ich mit ihnen auf Mallorca. Wir hatten an diesem Wochenende aber ein Spiel in Lübeck, das weiß ich heute noch, mit Mainz 05, Trainer Wolfang Frank – ich hatte meiner Familie versprochen, dass wir in den Urlaub fahren und ich mal ich nicht zum Spiel gehe. Doch es kam wirklich zu einer Nacht- und Nebelaktion. In der Nacht zum Samstag konnte ich nicht schlafen und habe beschlossen, dass ich doch abhaue. Dann habe ich meiner Frau wirklich erzählt, dass ich joggen gehe, habe aber in der Nacht schon mein Täschchen gepackt, und bin wirklich gejoggt, aber nur bis zum Taxistand, und bin zum Flughafen gefahren. Meine Frau, die hat schon gewusst: Der geht joggen, dann trifft er jemanden, geht in die Kneipe… Ich habe dann wirklich drei Stunden später aus Hamburg angerufen. Denn ich wollte nicht mit ihr diskutieren in der Zeit, als ich noch auf Mallorca war, weil es einen Aufstand gegeben hätte. Also hab ich mich erst wieder aus Hamburg gemeldet. Als ich ihr gesagt habe, ich sei in Hamburg, naja, da hat das Telefonat nicht so lange gedauert…

Und dann habe ich noch den Rückflug verpasst. Deshalb musste ich noch einen Tag in Hamburg am Flughafen verbringen. Ich war von Hamburg nach Lübeck und dann wieder nach Hamburg gereist und habe eben dort den Flieger verpasst. Als ich zurück kam, war der Urlaub nicht mehr ganz so schön… Ich habe da vieles falsch gemacht, als ich noch sehr jung war, und habe gedacht ich müsse überall dabei sein, und habe die Kinder schon sehr vernachlässigt. Wir haben heute ein überragendes Verhältnis, aber ich habe heute ab und zu ein schlechtes Gewissen. Wenn ich jetzt mit meiner kleinen Tochter zusammen bin, dann überlege ich: „Wie habe ich das eigentlich mit den großen gemacht?“ Das will ich jetzt nicht noch mal falsch machen, ja und was mache ich? Ich hau ab und bin in Mainz und sie sind auf Mallorca. Das will ich aber wieder gut machen, ja, das ist mir extrem wichtig, da steht Familie schon sehr im Vordergrund. Wenn das hier mal erledigt ist, dann wird sich glaub vieles um meine Familie drehen.

Vielen Dank für deine Zeit, Christian.

Gerne, hat Spaß gemacht.

Ankündigung des Interviews mit Christian Heidel

Hinweis: Bitte beachtet, dass dieser Text vor den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine verfasst wurde und dass das Interview mit Christian Heidel auch vorher geführt und geschrieben wurde. Trotz der russischen Invasion habe ich mich entschieden, das Interview in diesen Tagen zu veröffentlichen. Auch, weil wir meines Erachtens nach all den schrecklichen Meldungen bzgl. des Krieges in den vergangenen Tagen und auf Grund der vielen negativen Nachrichten in den letzten zwei Jahren rund um Corona wieder ein paar positive Eindrücke brauchen. Geschichten, die uns Hoffnung und Mut geben, ein wenig Freude bereiten, positive Gedanken erzeugen und die uns – trotz der widrigen Umstände – ein bisschen Kraft und Stärke schenken.

In der Hoffnung, dass der grausame Krieg in der Ukraine schnellstmöglich ein Ende findet! Und mit viel Kraft sowie in Gedanken an die Menschen in der Ukraine!

Für Frieden!

Lisa Blue

Liebe Fußballfans rund um den Globus!

Die fünfte Jahreszeit rückt näher und ich darf euch ein besonderes Schmankerl präsentieren. Wie bereits angekündigt, hat es mich mal wieder in ein Bundesligastadion verschlagen. Ich habe ein Wochenende in Mainz genossen und jeden Moment „Freiheit“ aufgesaugt.

Der Grund für meine Reise entstand aus einer E-Mail, die ich nachts um Zwei an Mainz 05-Vorstand Christian Heidel schrieb. Der Betreff: „positiv Fußballverrückte an positiv fußballverrückten Vorstand“. Sechs Wochen später saß dann die positiv Fußballverrückte bei eben jenem positiv fußballverrückten Vorstand im Büro und durfte dort ein Interview mit ihm führen.

Herausgekommen ist ein unterhaltsames, aber auch bewegendes und wirklich mainzigartiges Gespräch, das meiner Meinung nach für kurzweilige Lesemomente bei euch sorgen dürfte.

Ich freue mich, morgen um 11:11 Uhr den ersten Teil des Interviews veröffentlichen zu dürfen. Teil 2 folgte am 01.03.2022 um 18:00 Uhr.

Sportliche Grüße und bleibt gesund!

Eure

Lisa Blue

 

Ein Mainzelmännchen auf Reisen. Foto: Lisa Schatz [unbezahlte Werbung wegen Markenerkennung]