Sportmanagerin und Spielerberaterin Samira Samii: Eine Frau mit Fachkompetenz und der richtigen Balance zwischen Nähe und Distanz

Samira Samii-Blog-Lisa Schatz
Samira Samii ist international als Sportmanagerin und Spielerberaterin tätig. Foto: Sportives

Internationale Spielerberatung. Samira Samii hat Ihren MBA in Sportmanagement mit Auszeichnung abgeschlossen und arbeitet heute als international renommierte Sportmanagerin und Spielerberaterin in ihrer eigenen Agentur. Auf Grund ihres familiären Hintergrunds (sie stammt aus einer Königsfamilie; Anm. von Lisa Schatz) hätte sie die Füße hochlegen können und nie arbeiten müssen. Doch das passt nicht zu ihr, das wollte sie nicht. Sie hat hart gearbeitet, wollte von Anfang an auf eigenen Beinen stehen und das Business von der Pike auf lernen. So hat sie sich nach und nach Respekt in der Welt des Profifußballs verschafft. Sie hat ihre Karriere als Marketing Managerin beim FC Ingolstadt begonnen, der damals noch in der Regionalliga Süd spielte. Heute kooperiert sie mit internationalen Stars und Top-Clubs. Zu ihren Mandanten zählen Stars wie Giovane Elber und zu ihren Gesprächspartnern gehören Weltmeister wie Zinédine Zidane und der frühere Bundestrainer Berti Vogts. Im Interview hat mir Samira Samii verraten, wie sie zum Fußball gekommen ist, mit welchen Schwierigkeiten sie in ihrem Beruf zu kämpfen hat, was sie motiviert und welche Tipps sie für diejenigen hat, die Spielerberater/-in werden möchten…

 

Frau Samii, zunächst bitte ich Sie, Ihren Beruf kurz zu beschreiben.

Es ist ein toller Job mit vielen Emotionen und Gefühlen. Egal, um welche Kultur, welches Land oder welche Gesellschaftsschicht es geht, alle feuern ihre Mannschaft an. Als Spielerberaterin und Sportmanagerin arbeitet man dort, wo Fans gerne sein würden und man hat mit vielen interessanten Menschen zu tun. Aber natürlich ist es auch sehr stressig. Ich muss viel reisen und rund um die Uhr erreichbar sein. Die Transferperioden sind im Sommer und im Winter in der Haupturlaubszeit, in diesen Monaten muss ich die ganze Zeit arbeiten und mache das gerne. Der Stress ist für mich positiver Stress. Ich liebe diesen Stress, daher liebe ich meinen Job.

 

„SpielerberaterInnen kümmern sich nicht nur um Verträge!“

Welche sind Ihre wichtigsten Aufgaben? Bitte konkretisieren Sie Ihre Ausführungen.

Es gibt viele Menschen, die denken, dass es bei der Arbeit von Spielerberater/-innen bloß um das Erstellen von Verträgen geht und darum, dass wir die Spieler nur von Verein zu Verein transferieren oder uns um Vertragsverlängerungen kümmern. Aber es ist ein vielseitigeres Aufgabengebiet: Es geht um die Abwicklung von Spielertransfers, die rechtliche Betreuung und unsere Aufgaben reichen von der PR- und Marketingberatung bis hin zum Alltagsleben meiner Mandanten. Ich betreue nicht nur aktuell aktive Profis, sondern in anderen Bereichen, zum Beispiel in Bezug auf Werbeaufträge, auch ehemalige Profis. Ich versuche immer das Bestmögliche für meine Mandanten herauszuholen. Egal, ob es um die Verträge geht oder um Marketing-, Sponsoring- und Werbe-Aufträge. Das Ganze hat nicht immer nur mit Geld zu tun, sondern auch mit dem persönlichen Glück meiner Mandanten. Das Wichtigste zwischen einem Profifußballer und uns ist eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit, sodass sich der Spieler immer gut aufgehoben fühlt. Ich meine, viele renommierte Unternehmen suchen bekannte Werbepartner aus dem Sportbereich. Hier suche ich stets nach der idealen Vermarktung meiner Mandanten. Nicht zu vergessen ist aber auch die persönliche Unterstützung. Wenn ein Spieler beispielsweise aus dem Ausland nach Deutschland wechselt, kümmere ich mich um seine Familie und um die Organisation des Alltagslebens, damit er sich erstmal auf seine Aufgaben und auf seine Leistungen konzentrieren kann. Zudem versuche ich, für alle meine Mandanten eine persönliche Stütze zu sein. Wenn sie private oder karrierebezogene Probleme haben, bin ich für sie da. Hans Meyer, von dem ich viel gelernt habe, hat mir einmal gesagt: „Samira, wenn ein Spieler den Kopf frei hat, kann er sich am besten konzentrieren und die beste Leistung im Training und im Spiel abrufen“, und damit hat er recht. Die von uns betreuten Spieler sollen, wenn sie abends ins Bett gehen, beruhigt mit dem Gedanken einschlafen können, dass alles außerhalb des Fußballplatzes von uns zu ihrer vollsten Zufriedenheit geregelt wird. Wir glauben, dass nur bei einer solch umfassenden Betreuung eine optimale Leistungsfähigkeit des Spielers erreicht werden kann.

Ich bin in allen Lebenslagen für meine Spieler da. Meine Spieler sollen glücklich sein, jedoch sollte die sportliche Perspektive auch stimmen. Zusammen mit meinen Scouts bin ich jedes Wochenende im Stadion, um Präsenz zu zeigen, Spieler zu beobachten und um zu schauen, welchen Bedarf die Clubs haben. Eine gute Beobachtungsgabe ist sehr wichtig, um Vereine einschätzen zu können und die Stärken sowie Schwächen der Mannschaften beurteilen zu können. Es geht darum, dass eine Karriere gut geplant ist, entwickelt wird und Vermarktungsmöglichkeiten im Bereich Sponsoring erschlossen und genutzt werden. Ebenso sollten mit guter PR das Image und die Präsenz des Spielers entwickelt werden, um mögliche Werbeverträge abzuschließen. Eine weitere Aufgabe von uns ist die Vorbereitung auf ein Leben nach der Karriere. Am Ende einer Profilaufbahn fallen Fußballspieler nicht selten in ein (finanzielles) Loch. Eine weitere wichtige Aufgabe entsteht, wenn ein Spieler beispielsweise von einem Land in ein anderes wechselt. In diesem Fall kümmere ich mich um seine Familie und um die Organisation des Alltagslebens, damit er sich erstmal auf seine Aufgaben und Leistungen konzentrieren kann. Bei einem plötzlichen und schnellen Wechsel muss z.B. innerhalb weniger Stunden ein kompletter Umzug organisiert werden. Die Telefonabmeldung, das Ausräumen der Wohnung und das Einbeziehen eines Steuerberaters sind nur einige Punkte, die umgehend abgewickelt werden müssen. Ein Spieler, der vor drei Tagen noch nicht gewusst hat, dass er morgen in einem ganz anderen Land ist, hat keine Zeit, seine Sachen zu ordnen. Wir machen hier einen Rundumservice, der 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr da ist, sodass sich der Spieler voll und ganz auf seinen Sport konzentrieren kann.

Worin liegen die größten Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Die größte Herausforderung ist für mich, Win-Win-Lösungen zu erarbeiten. Ich möchte meine Spieler glücklich machen aber natürlich auch die Vereine! Wenn wir das schaffen, bin ich auch glücklich.

Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Seit meiner Kindheit haben wir in unserem Heimkino häufig mit meiner Familie und mit Freunden Fußballspiele, vor allem wichtige und internationale Spiele – EM, WM, Champions League – angeschaut. Danach haben wir oft diskutiert und so hatte ich schon lange ein großes Interesse an Fußball. Mein Vater ist einer der bekanntesten Augenchirurgen und es wurden immer schon viele Fußballstars in seiner Augenklinik behandelt, dadurch habe ich schon früh viele dieser Stars persönlich kennengelernt, zu welchen wir heute noch gute Kontakte haben. Das war ein weiterer Gesichtspunkt, durch den ich immer wieder etwas mit Fußball zu tun hatte. Einer der Patienten ist Ali Daei, der unter anderem beim FC Bayern München gespielt hat. Er ist eine iranische Fußball-Legende, eine Art „Franz Beckenbauer des Iran“. Für mich ist er wie ein Bruder, ich hole mir oft Rat von ihm. Viele inländische und europäische Spiele haben mich schon in der Kindheit interessiert: Diese extremen Emotionen haben mich begeistert. Die Emotionen der Fans und der Vereine, sowohl im Glück, als auch in der Trauer.

Haben Sie schon einmal selbst Fußball gespielt?

Nein, ich habe noch nie selbst Fußball gespielt. Das ist mein Nachteil gegenüber vieler meiner männlichen Kollegen, aber ich habe dafür zwei Hochschulstudien abgeschlossen (Internationaler MBA, Abschluss mit Auszeichnung, sechs Sprachen fließend; Anm. von Lisa Schatz) und das ist mein Vorteil. Außerdem gehört mir die Aufmerksamkeit, wenn ich mit 14 Zentimeter-High-Heels auf dem Fußballplatz oder auf Veranstaltungen einen Ball zurückspiele (lacht).

Was gefällt Ihnen am Fußballsport an sich?

Die Emotionen der Spieler, der Trainer, der Verantwortlichen und natürlich auch die der Fans. Für mich sind sie sehr wichtig. Sie sind unabhängig von Bildung, vom gesellschaftlichen Status und von Geld. Ich mag diese Momente, in denen man die Freude mit dem eigenen Club, der Mannschaft teilt. Egal, welche Bildung man hat, egal, welche Gesellschaft um einen herum ist, egal, wie viel Geld man auf dem Konto hat. In diesem Moment sind alle Menschen auf der gleichen Ebene und es zählt nur die eigene Mannschaft. Das gefällt mir am Fußball.

 

Die Entstehung der Idee, Spielerberaterin zu werden

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Spielerberaterin zu werden?

Durch mein Sportmanagement-Studium. Meinen ersten Job hatte ich als Marketingmanagerin beim FC Ingolstadt 04. Und wie der konkrete Einfall kam? Das war während der WM 2006, beim Spiel Deutschland gegen Italien. Das habe ich auf Premiere gesehen und gemeint: „Das gibt’s gar nicht. Es gibt keine einzige Frau in dieser Branche“. Heute sieht man, wie viele Frauen als Moderatorinnen bei Sky arbeiten. Man sieht, wie viele Frauen als Zuschauerinnen in den Stadion sind. Natürlich hat es mich als Frau gereizt und ich habe gesagt: „Ich will dabei sein, ich werde in den Fußball mit einsteigen. Frauen können das gleiche, was die Männer können“. Das war meine Idee. Damals hat man keine einzige Frau in diesem Berufsfeld gesehen.

Welche Eigenschaften sollte man als SpielerberaterIn mitbringen?

Man braucht natürlich ein gutes Know-how. Ein fundiertes Fachwissen und gute Kontakte sind sehr wichtig. Zudem sollte man eine gute Netzwerkerin sein und seine Kontakte regelmäßig pflegen. Natürlich sollte man diszipliniert sein. Ich verstehe überhaupt keinen Spaß im Job. Man sollte direkt sein, transparent arbeiten und in gewisser Weise auch Künstler sein. Es ist eine Kunst, die richtige Balance zwischen den Geschäftspartnern und Mandanten sowie zwischen Nähe und Distanz zu finden. In Verhandlungen bin ich sehr hartnäckig und selbstbewusst. Ich denke, dass es sehr bedeutend ist, dass man ein bestimmtes Selbstbewusstsein beim eigenen Auftreten hat. Meiner Meinung nach bin ich in Verhandlungen wirklich äußerst hart, härter als männliche Kollegen. Der gegenseitige Respekt gegenüber Geschäftspartnern und Mandanten ist mir sehr, sehr wichtig.

Was macht Ihnen am meisten Spaß an Ihrem Beruf?

Ich arbeite mit vielen interessanten Menschen zusammen, das gefällt mir. Jeder Mandant ist individuell und möchte auch individuell beraten werden. Ich finde, dass mein Job sehr international ist und auch deshalb macht er mir viel Spaß. Ich arbeite mit zahlreichen unterschiedlichen Kulturen zusammen. Darum wird es nie langweilig. Über Fußball kann man sich mit jedem unterhalten – selbst, wenn man die Sprache des anderen nicht versteht. Über Fußball kann man sich immer austauschen. Es ist nur ein Ball mit 32 Flecken, aber trotzdem kann man pausenlos darüber sprechen. Ganz besonders viel Freude macht mir die Zusammenarbeit mit jungen Spielern. Sie sind für mich wie eine Familie und es ist toll zu sehen, wie sie für ihren Traum alles geben.

Welches war Ihr bislang tollstes Erlebnis in Ihrer Zeit als Spielerberaterin?

Jeder Aufstieg und Titel eines Vereins, in welchem Mandanten aktiv waren, war ein super Erlebnis für mich. Unabhängig vom Land und von der Liga. Der Höhepunkt aller Erlebnisse in meiner Beratungszeit war für mich die Weltmeisterschaft 2014. Ich hatte das große Glück live dabei zu sein, als Deutschland in Rio Weltmeister wurde. Dies war ein historischer Sieg, als erste europäische Mannschaft in Südamerika.

 

„Als Frau muss man sich den Respekt hart erarbeiten“

Welchen Schwierigkeiten und Problemen begegnen Sie am meisten in Ihrem Beruf?

Ich meine, dass es in jedem Beruf und in jeder Branche Schwierigkeiten gibt. Wie auch im normalen Leben. Ich denke, ohne Probleme wäre es vielleicht auch ein bisschen langweilig. Natürlich muss man sich als Frau in einer Männerdomäne ständig beweisen und darf sich als solche keine Fehler erlauben. Ab und zu kommt es auch vor, dass man angemacht wird. Ich kann mich an den Anfang meiner Karriere erinnern, als ich überhaupt nicht ernst genommen wurde. Ich bin kein Mensch, der mit Turnschuhen und Jogginghose herumläuft. Ich mag es, mich elegant zu kleiden und bin auch so erzogen worden. Meiner Meinung nach gehören ein gepflegtes, klassisches Outfit und ein selbstbewusstes Auftreten zu einer Business-Lady. Heute begegnen mir meine Geschäftspartner auf Augenhöhe und respektieren meine Leistungen. Natürlich gibt es auch heute noch Macho-Sprüche, aber ich habe gelernt diese zu ignorieren. Was wichtig ist als Frau: Man muss sich seinen Respekt mit Ausdauer und Fachkompetenz hart erarbeiten.

Wo grenzt sich Ihr Job nochmal speziell von SportpsychologInnen und SportmentorInnen ab?

Wir unterscheiden uns sehr von ihnen. Ich finde, eine Psychologin oder eine Mentorin arbeitet rein mental, wenn ich das mit uns vergleiche. Ich berate meine Mandanten, verhandle Verträge, entwickle Karrieren und unterstütze Spieler mental, wenn ich glaube, sie hierbei unterstützen zu können. Wie ich vorher gesagt habe, ist diese Nähe und Distanz wichtig.

 

Zu den Problemen der Nachwuchsspieler

Sie betreuen unter anderem Nachwuchsprofis. Werden diese Ihres Erachtens ganzheitlich von den Vereinen unterstützt oder denken Sie, dass es da noch Besserungsbedarf gibt – z. B. in dem Bereich, dass sie nochmal zusätzlich SportpsychologInnen oder SportmentorInnen als Ansprechpersonen haben? Es gibt ja inzwischen eine Studie, dass Fußballer öfter psychische Probleme haben als die durchschnittliche Bevölkerung.

Ich finde, dass die Vereine der deutschen Bundesliga sehr professionelle Nachwuchsarbeit leisten. In Clubs wie Leverkusen, Bayern, Dortmund, Schalke und einigen anderen Vereinen wird hochprofessionell gearbeitet. Das Ziel dieser Nachwuchsleistungszentren ist eine ganzheitliche Betreuung. Sie haben qualifizierte Sportpsychologen und Mentaltrainer in ihren Reihen. Die jungen Spieler haben im Wesentlichen zwei Aufgaben: Sie sollen trainieren und in die Schule gehen, um Leistung zu bringen. Sicherlich kann diese Doppelbelastung manchmal zu groß werden, sodass die Jugendlichen einen Ausgleich benötigen und mental betreut werden müssen. Dadurch werden sie natürlich auch auf den hohen Druck im professionellen Bereich vorbereitet. Nachdem, was ich erlebt habe, werden die Nachwuchsspieler in den Nachwuchsleistungszentren gut betreut.

Wo sehen Sie die größten Probleme, die Nachwuchsprofis haben? Würden Sie sagen, dass es wirklich der Stress und der Druck ist? Oder ist es eher der Aspekt, Schule und Fußball gut unter einen Hut zu bekommen?

Die Erwartungen an die jungen Spieler sind unendlich hoch. Der Druck kommt von den Eltern, den Trainern und den Spielern selbst. Man erwartet immer, dass ein U19-Spieler sofort im Profibereich in der Bundesliga Fuß fassen kann. Manchmal denke ich, dass es gut wäre, diese Talente zunächst über eine U21-Mannschaft oder U23-Mannschaft aufzubauen und erst dann in den Kader des Profibereichs zu integrieren.

 

Samira Samii über ihre Ziele und darüber, was Glück für sie bedeutet

Nun zu Ihrer Person. Welche Ziele haben Sie beruflich und privat?

Jeder Mensch hat Ziele und ohne Ziele würde jegliche Motivation fehlen. „Wer sein Leben nicht plant, der plant zu scheitern“, lautet ein altes Sprichwort. In meinem Leben habe ich immer Ziele gehabt, versuche diese zu erreichen und habe sie nie aus den Augen verloren. Ich bin stolz auf das, was ich bisher geschafft habe. Ich bin kein Mensch, der aufgibt, bin sehr positiv eingestellt und versuche, immer meine Wege zu gehen. Noch sehe ich mich nicht am Ende meiner Karriere. Vielleicht schaffe ich es eines Tages als erste Frau, einen Profiverein zu managen. Das ist ein Ziel von mir. Persönlich bin ich ganz glücklich, ich bin genau dort, wo ich sein will. Privat bin ich glücklich und zufrieden und ich hoffe, dass das auch so bleibt.

Was bedeutet Glück für Sie?

Glück ist für mich in erster Linie Gesundheit. Glück ist für mich Familie, Zufriedenheit und Liebe. Meiner Meinung nach ist Glück auch völlig unabhängig von wirtschaftlichem Erfolg und Geld. Für mich bedeutet Glück auch, anderen Menschen helfen zu können. Ich denke da an meine Mandanten, aber auch ganz besonders an meine Charity-Projekte für Kinder. Schon Albert Schweitzer hat gesagt: „Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt“.

Was ist das Wichtigste in Ihrem Leben?

Meine Familie ist für mich das Wichtigste. Sie ist immer für mich da, sie gibt mir immer Halt und unterstützt mich, egal wann, wie und wo. Deshalb ist sie für mich das Wichtigste, das es gibt.

 

Empfehlungen an zukünftige SpielerberaterInnen

Welche Tipps haben Sie für Frauen und Männer, die Spielerberaterin bzw. Spielerberater werden möchten?

Wichtig für diesen Beruf ist ein gutes Fachwissen und, wie in jeder Branche, das Lernen von der Pike auf. Das gilt ganz speziell für Frauen in unserem Beruf, in welchem man immer um den Respekt kämpfen muss. Als SpielerberaterIn sollte man gut im Netzwerken sein, eine gute Menschenkenntnis besitzen und immer seriös auftreten und arbeiten. Denn in jedem Beruf gibt es schwarze Schafe. Man sollte transparent arbeiten und direkt kommunizieren. Ich lege viel Wert auf direkte Kommunikation. Zudem ist – wie schon erwähnt – die richtige Balance von Nähe und Distanz sehr, sehr wichtig. Die Nähe zwischen Spieler und Manager/-in ist wichtig für eine gute, offene Kommunikation und um bei Problemen helfen zu können sowie den Spieler ideal beraten zu können. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass die geschäftliche Distanz zwischen Spielerberater/-in und Mandant gewahrt bleibt und respektvoll miteinander umgegangen wird. Für diesen Balanceakt ist ein gutes Fingerspitzengefühl sehr hilfreich. Auf keinen Fall sollte man nur das Geld vor Augen haben, sondern die Priorität auf die Karriere und den Erfolg der Mandanten legen. Der Schlüssel zum Erfolg in diesem Beruf, und vielleicht auch in vielen anderen, ist: „Liebe deinen Job, arbeite mit Leidenschaft und Hingabe und denke immer zuerst an das Glück und den Erfolg deiner Mandanten“.

Mit welchen bekannten Spielern und Trainern arbeiten Sie zusammen?

Mein Team und ich arbeiten mit vielen nationalen und internationalen Profis zusammen, welche wir während und nach ihren Karrieren betreuen. Die Liste reicht dabei von jungen, hoffnungsvollen Talenten über aktuelle Bundesliga-Stars bis hin zu Weltmeistern, welche wir nach ihren Karrieren im Bereich Marketing und PR betreuen. Meine Einstellung ist, dass ich mich nicht mit den Namen meiner Mandanten schmücken möchte.

 

Reaktionen anderer Menschen und „eine schöne Geschichte aus dem Leben einer Sportmanagerin“

Wie hat Ihr Umfeld aus der High Society reagiert, als Sie begonnen haben, als Tochter einer Adelsfamilie als Sportmanagerin in der Fußballwelt zu arbeiten?

Natürlich hat jeder geschaut, als ich in den Fußballbereich eingestiegen bin und gefragt: „Was macht sie im Fußball? Warum geht sie in diese Branche?“ Ich kann nicht beeinflussen, was andere über mich sagen und denken, aber ich kann entscheiden, ob es mich interessiert oder nicht. Ich gehe meinen Weg und ich glaube an mich. Es war mein Ziel, diesen Weg zu gehen. Nur Du selbst kannst Dir eine Vorstellung davon machen, wo Du hin willst und wie der Weg dorthin aussehen könnte. Ebenfalls hatte ich das Glück, dass meine Eltern immer hinter mir standen und mich voll unterstützt haben. „I am tough, ambitious and I know exactly what I want and this makes me a successful Sport Manager!“.

Gibt es noch etwas, das Sie den LeserInnen mit auf den Weg geben wollen?

Wie gesagt gibt es viele berühmte Persönlichkeiten im Fußball, mit denen ich zusammenarbeite. Dazu möchte ich eine nette Geschichte erzählen, an die ich mich gerne erinnere. Ich hatte einen Fernsehauftritt und saß danach mit einem meiner Mandanten und anderen Herrschaften aus dem Profifußball zusammen. Einer davon war anfangs skeptisch, hat mich von oben bis unten gescannt und schob mich wahrscheinlich in die Schublade „Lady aus der Modebranche“. Das konnte ich genau an seinem überraschten Gesichtsausdruck erkennen. Später saßen wir alle in einer Lounge und haben uns ein Spiel angeschaut. Ich sagte plötzlich: „Ich verstehe nicht, warum der Trainer heute nicht im 4-2-3-1-System spielen lässt“. Daraufhin haben alle Anwesenden überrascht zu mir geschaut und mussten mir zustimmen. Eine Woche später erhielt ich eine E-Mail mit folgendem Inhalt von ihm: „Liebe Samira, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe viel über Sie, Ihren Job und Ihre Familie gehört. Wow, was Sie im Fußball aufgebaut haben und das als Frau!“. Er war und ist eine sehr bekannte Persönlichkeit und noch immer im Fußball aktiv. Mittlerweile arbeiten wir zusammen. Aber wenn ich zurückdenke, dann passte seine anfängliche Bemerkung genau in dieses Macho-Klischee, obwohl er gar nicht der Typ dafür ist. Wenn man sich dann unterhält und wenn ich seinen Lebenslauf anschaue, denke ich mir: „Es ist unglaublich und es macht mich ein wenig stolz, dass diese Person sich bei mir entschuldigt hat“. Viele Menschen, die mit bekannten Persönlichkeiten im Fußball zusammensitzen, denken vielleicht: „Oh Gott, darf ich überhaupt meine Meinung sagen?“. Aber ich habe meine Meinung gesagt und das war richtig so. Ich empfehle allen, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten, denn dies bedeutet zu führen und führen zu können. Nur Menschen, die eine eigene Meinung entwickeln, sind Führungspersönlichkeiten und verkörpern Stärke.

Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für das Interview genommen haben, Frau Samii.

Bitte, sehr gerne.

Teil II des Interviews mit Marco Kostmann

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Marco Kostmann beim Training an der Elfenbeinküste. Dort arbeitete er von 2006 bis 2008 als Torwarttrainer. Foto: Stefan Meisel

Kein wirkliches Elfmetertrainingsgeheimnis…

Wie sieht es mit Elfmetertraining aus? Wie bereiten Sie Ihre Spieler auf Elfmeter vor?

Im Jugendbereich mache ich gar kein Elfmetertraining. Da geht es vor allen Dingen um die Körpersprache der Torhüter. Darum, dass sie einen Teil des Tors verdecken. Ein spezielles Elfmetertraining habe ich bisher nur in der direkten Spielvorbereitung gemacht.

In Bielefeld haben Sie Alexander Schwolow, Arminias Pokalhelden von 2015, trainiert. Wie haben Sie ihn auf das Elfmeterschießen eingestellt?

Wir haben uns hauptsächlich per Videoanalyse vorbereitet. Dabei haben wir vor allem auf den Anlauf der Schützen geachtet. Es ging darum, in welchen Situationen der Spieler den Ball in die eine und in welchen in die andere Ecke schießt. Dabei lag unser Schwerpunkt darauf zu erkennen, wann die Spieler gestresst sind und bei Elfmeterschießen hat ein Spieler grundsätzlich totalen Stress. Aber das haben wir auch in den Meisterschaftsspielen gemacht, dass wir uns Videos angeschaut und die am Trainingsplatz nachgestellt haben. Wir haben im Training nicht explizit Elfmetersituationen geübt, sondern folgendes: Das explosive Abdruckverhalten, das lange Stehen und im letzten Moment die Entscheidung zu treffen und in welche Ecke Alex springt. Wir haben es „Katzentraining“ genannt. Schließlich geht es zunächst darum, wie eine Katze zu lauern und im letzten Moment abzuspringen.

Jetzt zum Torhüterspiel an sich. Wie hat sich das Spiel Ihrer Meinung nach in den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren verändert?

Grundlegend durch die Änderung der Rückpassregelung. Das war ein revolutionärer Einschnitt in das Torwartspiel und demzufolge auch in das Torwarttraining. Parallel dazu begann die Zeit, dass Torhüter eigene Trainer haben. Vorher haben sie ja mit ihren Teams unter den Cheftrainern mittrainiert. Zeitgleich wurden die Torwarte in ihren fußballerischen Fähigkeiten gestärkt, welche von da an ein Talentkriterium darstellten. Man begann Torhüter zu scouten. Vorher waren die fußballerischen Fähigkeiten kein Kriterium, zumindest nicht, wenn der Ball am Boden war. Vielleicht beim Abschlag oder Abwurf, aber ansonsten eben nicht. Das war so der gravierendste Einschnitt, der von außen kam. Und dann gab es noch einen großen Wandel: Das hat sich in den vergangenen fünf, sechs Jahren nochmal ein bisschen verändert, dass Torhüter noch deutlich mutiger geworden sind. Sie agieren offensiver, greifen auch außerhalb des Sechzehners ein. Das gab es meines Erachtens ab der WM 2010 in Südafrika nochmal eine Trendwende. Jetzt sind die Torhüter viel mehr ins Offensivspiel eingebunden. Sie sind Aufbauspieler und zugleich Spieler für die Spielverlagerung. Das hat sich in den vergangenen Jahren wirklich herauskristallisiert. Was meiner Erfahrung nach weniger geworden ist, ist das Abfangen von Flanken, weil die Bälle wesentlich flacher und deutlich schärfer reinkommen als noch vor zehn Jahren. Damals war die Quote der abgefangenen Flanken viel höher als jetzt, weil es jetzt nicht mehr möglich ist. Schließlich kommen die Bälle inzwischen nicht mehr so hereingesegelt wie früher. Da gab es noch die sogenannten Torwartflanken.

 

Über seine Schüler und die Probleme der Nachwuchsprofis

Mit welchen Spielern haben Sie hauptsächlich zusammengearbeitet?

In meiner Zeit als U20-Torwarttrainer beim DFB habe ich über einen längeren Zeitraum Ron-Robert Zieler, Lorenz Karius, Bernd Leno oder Timo Horn gecoacht. Auch Alexander Schwolow habe ich lange trainiert. In Rostock habe ich Alexander Walke, in Bielefeld gehörten Patrick Platins und Stefan Ortega zu meinen Schützlingen. Ich denke, dass Patrick damals eine sehr stabile Drittligasaison gespielt hat und dann eine vernünftige Zweitligasaison. Stefan Ortega hat meines Erachtens auch einen Schritt nach vorne gemacht in Bielefeld.

Als Torwarttrainer-Koordinator, Mitarbeiter des Nachwuchsleistungszentrums des HSV und langjähriger Torwarttrainer stehen Sie in engem Kontakt zu den Nachwuchsprofis, deren Eltern, Lehrern etc.. Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten aus Sicht der Nachwuchsprofis?

Der limitierteste Faktor, den wir im Jugendbereich haben, ist die Zeit. Also, ich möchte auch nochmal Spieler sein, aber kein Schüler mehr. Das Training ist deutlich professioneller und individualisierter geworden, das hat sich sehr verbessert. Aber der Schulalltag ist eben viel strammer geworden. Ich sehe, in welchem Zustand unsere Spieler bzw. Torhüter manchmal zum Training kommen. Die Balance zwischen der schulischen Aktivität und dem Fokussieren auf das Training hinzubekommen, das ist eine enorme Herausforderung. Darin liegt meines Erachtens noch die größte Ressource im Umgang mit den Spielern: Es geht darum, wie sie ihr Zeitmanagement auf ihren Tagesablauf einstellen können. Das finde ich sehr schwierig, daran arbeiten wir mit den Schulleitern und den Psychologen. Das ist immer ein Thema. Die Spieler haben einen 12-Stunden-Tag und müssen nach der Schule noch ins Training. Dort erwarten wir natürlich ihre beste Leistung, und das hinzubekommen, das zu unterstützen, dazu sind wir da. Es ist sehr viel, was auf die Jungs einprasselt: Einerseits wollen wir Trainer ihre Topleistung, andererseits müssen sie für die Schule lernen und die Familien und die Freundinnen und Freunde möchten auch, dass sie Zeit für sie haben.

 

Quergefragt

Welches war Ihr bislang prägendstes und was war Ihr erfolgreichstes Erlebnis im Fußball?

Der Aufstieg mit Arminia 2013 war der größte sportliche Erfolg für mich. Der dramatische Abstieg ein Jahr später war auch ein Erlebnis, aus welchem ich nochmal viel mitgenommen habe und das mich geprägt hat in meiner Sichtweise auf Fußballspiele, Emotionen und Stress. Ansonsten ist jede Zusammenarbeit mit einem Cheftrainer, die auf absolutem Vertrauen basiert, ein absoluter Erfolg für mich, weil sich das in der Mannschaftsleistung zeigt. Das sind Erlebnisse, die ich wertschätze, weil es nicht selbstverständlich ist und nicht immer und überall geht und man die Situation nicht erzwingen kann.

Welche Hobbies haben Sie?

Über Weihnachten habe ich immer sechs Tage frei und fahre mit meiner Familie zum Ski fahren nach Obertauern. Das ist mir heilig. Dabei ist mir Obertauern sehr wichtig, wichtiger als das Skifahren. Das ist ein liebgewordenes Ritual für mich. Das Problem ist, dass es heißt: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, aber damit habe ich ja kein Hobby mehr. Ansonsten hat man als Trainer keine Zeit für Hobbies. Also, ich lese das Hamburger Abendblatt und fahre im Winter Ski…

Wie wichtig ist Querdenken für Sie und wo spielt es eine Rolle in Ihrem Beruf?

Querdenken ist grundsätzlich Alltag. Ich muss immer wieder versuchen neue Reize zu setzen, in der Ansprache zu variieren. Für die Torhüter bin ich ja ein „Brain-Activator“, wir Torwarttrainer müssen den Jungs immer wieder etwas anbieten, wodurch sie sich weiterentwickeln und das geht nicht mit einem stupiden Programm. Da gibt es immer wieder Abwechslungen und jede Abwechslung bedeutet quer zu denken und Trends zu setzen, nicht irgendwelchen Trends hinterherzulaufen. Querdenken erhöht bei mir die Sensibilität kreativ zu sein. Ich muss kreativ sein, damit meine Torhüter besser werden. Querdenken ist also eine Grundvoraussetzung für mich.

Das ist ein perfektes Schlusswort. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.

Alles gut, bitte.

Torwarttrainer Marco Kostmann: „Querdenken ist Alltag“

Marco Kostmann
Marco Kostmann fungierte von 2006 bis 2008 als Torwarttrainer der ivorischen Fußball-Nationalmannschaft. Foto: Stefan Meisel

Hamburg. Marco Kostmann, vielen Arminen als ehemaliger Torwarttrainer des DSC bekannt, arbeitet inzwischen als Torwarttrainerkoordinator und U23-Torwarttrainer beim HSV. Allerdings war er bislang nicht nur auf Vereins-, sondern auch auf Verbandsebene tätig. Von 2006 bis 2008 hat er die Torhüter der Elfenbeinküste und von 2010 bis 2013 die der deutschen U20-Nationalmannschaft gecoacht. Im Interview hat er mir von seiner Arbeit mit den Profis in Afrika erzählt und beschrieben, welche Eigenschaften ein guter Torwarttrainer mitbringen muss…

Herr Kostmann, was haben Sie aus Ihrer Zeit als Torwarttrainer der Elfenbeinküste mitgenommen?

Das, was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe und auch heute noch in meinen Jugendteams bespreche, ist die unfassbare Professionalität von absoluten Fußballstars. Da waren Didier Drogba und die Touré-Brüder. Das war das Beeindruckendste, dass sie sich so schnell mit nicht so guten Platz-, Hotel- und Reisebedingungen arrangiert haben. Ihre Begründung lautete: „Wenn kein anderer Platz da ist, dann spielen wir auf diesem Platz. Wenn ein anderer Platz da wäre, dann würden wir auch meckern. Aber es gibt nichts zu meckern, weil kein anderer Platz da ist. Also verschwenden wir keine Energie“. Ich fand es sehr bemerkenswert, dass sich diese Superstars total auf diese Bedingungen eingestellt haben. Sie wussten, was auf sie zukommt und haben das alles professionell durchgezogen. Und bei ihnen ging es nicht darum, dass sie immer wieder froh sind, für ihr Vaterland spielen zu können oder zu Hause sind oder Ähnliches. Ich habe festgestellt: Sie treibt wirklich das Spiel an, sie haben wirklich Lust darauf, miteinander Fußball zu spielen. Manchmal haben sie es auch übertrieben und hatten Lust, für sich Fußball zu spielen. Dadurch haben die vielen Einzelkönner nicht zu einer Mannschaft gefunden, die Weltmeister werden konnte. Auf Grund der Einzelkönner hätten sie es gekonnt. Aber das war wirklich das Eindrucksvollste dort: Wie professionell sie sich auf die Spiele und auf das Training eingestellt haben. Ein bisschen demütig Uli Stielike (damals Cheftrainer des ivorischen Nationalteams; Anm. von Lisa Schatz) gegenüber, absolut respektvoll mir gegenüber, dem gesamten Staff. Ob das jetzt ein Zeugwart war oder ein Vereinsmitarbeiter – wir wurden alle gleich respektvoll behandelt und das fand ich toll.

Wie würden Sie die damaligen Trainingsbedingungen an der Elfenbeinküste beschreiben?

Ich habe neben den Nationaltorhütern auch Torhüter in der Akademie von ASEC Mimosas (international als ASEC Abidjan bekannt; Anm. von LS) trainiert. Das war natürlich schon ein Unterschied. Die Bedingungen bei der Nationalmannschaft waren sicherlich nicht ganz vergleichbar mit europäischen Standards, aber es war schon in Ordnung dort. Manchmal mussten wir auf den Bus warten. In Mitteleuropa wäre das undenkbar für eine Mannschaft, die sich beispielsweise auf eine EM vorbereitet. Und manchmal war der Platz nicht gewässert oder gekreidet oder nicht gemäht, aber das war alles noch im Maße im Vergleich zu dem, was bei den Jugendmannschaften los war. Da war es sehr chaotisch: Die Spieler hatten zum Teil nicht ausreichend Bälle zur Verfügung und keine richtigen Schuhe.

Weshalb die Faszination am Fußball? – „Perfekte Einstellung und Boxermentalität“

Was genau gefällt Ihnen so gut am Fußballsport? Es klingt immer so logisch: „Er ist Trainer und macht das und das“. Aber was genau fasziniert Sie an dem Spiel?

Meine Position, also die des Torhüters, weil jede Aktion spielentscheidend ist. Jede verdammte, kleine Aktion ist spielentscheidend: Jeder Rückpass, jeder Abwurf, jede Antizipation beim Schuss. Also, das Fußballspiel im Prinzip durch unsere Aktionen zu stören. Das ist das, was mich antreibt und was mich fasziniert. Dass man perfekt eingestellt sein und diese Boxermentalität haben muss, sobald angepfiffen wird. Ein Torhüter kann nicht abwarten, wie seine Mannschaft ins Spiel kommt in einer Situation – vielleicht kommt nur eine und die ist schon spielentscheidend. Da kann er nicht sagen: „Ach, mach nochmal“. Wenn der erste Pass nicht gelingt – beim Mittelfeldspieler ist es meist kein Gegentor –, aber bei uns ist meist ein Gegentor die direkte Konsequenz.

Jetzt zu Ihrem Beruf. Wo liegen die größten Herausforderungen für einen Torwarttrainer?

Im professionellen Bereich ist es am wichtigsten, in einer Torwartgruppe die Balance zu finden. In jeder Mannschaft besteht eine direkte Konkurrenzsituation: Die Torhüter trainieren mit mir und sind dabei Konkurrenten. Meine Aufgabe ist, dass der erste Torwart erster bleibt und der zweite Torwart erster wird. Das ist eigentlich die größte Herausforderung. Dass man allen Seiten Exklusivität bietet und sie auf dem Niveau fordert und fördert, auf das sie hinwollen. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass man sich nicht nur um den ersten Torwart kümmert und den zweiten links liegen lässt oder sich nur um den zweiten kümmert, damit dieser stärker wird. Diese Balance zu finden, jedem Spieler die größte Exklusivität zu bieten, das ist das Wichtigste.

Welche Eigenschaften sind für einen Torwarttrainer am wichtigsten?

Die Eigenschaft zu erkennen, welchen Charakter man vor sich hat, ist entscheidend. Relativ schnell zu erkennen, wie der Torhüter aktuell drauf ist. Es gibt Tage, an denen wir ein bisschen auf die Befindlichkeit eingehen können. Wir müssen versuchen das Trainingsziel zu erreichen, auch wenn der Spieler mal nicht so gut drauf ist. Ich will das natürlich nicht erzwingen, sondern ich versuche das zu kanalisieren, was aus ihm raus will. Empathie, Einfühlungsvermögen, das Erkennen der einzelnen Situation sind ganz wichtige Eigenschaften, unabhängig von den fachlichen Dingen. Dann geht es natürlich darum, dass unsere Torhüter mit einer starken Mentalität ins Spiel gehen. Das muss ich vorleben und das muss ich versuchen irgendwie in sie hineinzuprojizieren, um dann zu sehen, ob sie in der Lage sind – wenn man jetzt einen Torhüter im Jugendbereich beim HSV als Beispiel nimmt – Torhüter im Spitzenfußball zu werden. Torwarte ohne Mut und intrinsische Motivation kann ich nicht gebrauchen, diese werden es auf keinen Fall schaffen. Und das herauszukitzeln ist schon auch eine Herausforderung – neben dem korrigierenden Auge. Das korrigierende Auge ist dann schon das fachliche. Also, jetzt nicht zu sagen: „Der hält den Ball unten rechts nicht“, sondern sich zu fragen: „Warum kriegt er den Ball unten rechts nicht?“ und vor allem: „Wie bekomme ich den Kerl dahin, dass er den unten rechts hält?“.

Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich im Büro?

Ich lese viel über Stressresilienz, also über den Umgang mit Stress. Wir bekommen den Stress ja nicht weg, der ist da. Es geht somit um die Frage, wie wir mit ihm umgehen. Damit befasse ich mich äußerst stark. Demzufolge beschäftige ich mich hauptsächlich mit Trainingsformen und Stress: „Wie bekomme ich im Training spielnahe Situationen hingebastelt und das nicht nur von der Situation der Spieler her, sondern auch bezogen auf die Stressbewältigung?“ Ich möchte, dass wir den Stress im Training möglichst spielnah darstellen können.

-> COMING SOON… In Teil 2 des Interviews (erscheint am 24.6.2016) berichtet Marco Kostmann davon, ob und wie er seine Jungs auf Elfmeter trainiert, welche Hobbies er hat und warum querdenken so wichtig für ihn ist…