Teil II des Interviews mit Armin Wolf

Wie versprochen folgt nun der zweite Teil des Interviews mit Sportreporter Armin Wolf…

Zu seinen Erlebnissen mit den Regensburger Vereinen

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Sportreporter Armin Wolf (li.) beim Interview mit Ex-Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp (re.). Foto: Armin Wolf

Themenwechsel. Welche waren Ihre tollsten Momente als Sportreporter ?

Auf alle Fälle die Interviews mit Franz Beckenbauer, Ottmar Hitzfeld sowie Uwe Krupp. Dazu gehörten natürlich viele, viele Tore – sei es beim Fußball oder beim Eishockey – vor allem die in letzter Minute oder Sekunde. Legendäre Tore: Sechs Sekunden vor Schluss, zwei Sekunden vor Schluss, tolle und spannende Übertragungen, worauf ich riesen Feedbacks bekommen habe.

Welche waren Ihre prägendsten Auf- und Abstiege oder dramatischsten Momente?

Einer der dramatischsten Momente war sicherlich, als der SSV Jahn in der zweiten Liga 2:0 in Köln geführt, und dann das 2:1 bekommen hat – und in den letzten beiden Minuten das 2:2 und 2:3. Das war der moralische Knacks damals und mit ausschlaggebend für den Abstieg. Diese zwei Tore zu schildern war schon brutal.

Die schwärzeste Minute, die ich als Sportreporter erlebt habe, war eine, in der ich bei einem Live-Kommentar einen Fehler gemacht habe. Der EV Regensburg hat in Wolfsburg gespielt, ich saß damals ganz oben, in der letzten Reihe unterm Dach. Von dort aus konnte ich das Tor, auf das das Penaltyschießen erfolgte, nicht richtig sehen. Auch den Stadionsprecher konnte ich dort nicht verstehen. Ich hab den letzten Penalty der Regensburger nicht richtig gesehen und dachte, dass es vorbei sei, wenn der Wolfsburger treffen würde. Ich hatte auf Grund der schlechten Sicht die falschen Schlüsse aus dem Schuss des Regensburgers zuvor gezogen. Dieser Penalty war ein Tor. Der Wolfsburger traf nicht und das Spiel war beendet. Ich musste mich also korrigieren. Das war meine schwärzeste Stunde. Ich habe nächtelang vor Ärger nicht geschlafen. Im Endeffekt hatte ich mich richtig korrigiert. Aber dennoch war das meine schlimmste Reporterstunde. Daran hatte ich lange zu leiden.

Welche waren Ihre schönsten Erlebnisse mit den Vereinen aus Regensburg und der Umgebung?

Sicherlich das Tor des EVR gegen Bayreuth in den letzten Sekunden vor Schluss in der regulären Spielzeit vergangene Saison. Dazu gibt es auch ein Video, worauf mein O-Ton  gespielt wurde. Das wurde daraufhin in der DonauArena als Intro gezeigt, online gab es dazu viele Kommentare. Aber ansonsten – es ist einfach immer toll, wenn ich jemanden bei den Läufen ins Ziel bringe. Was noch schön war, waren die Europapokal-Auswärtsreisen mit dem TSV Abensberg. Wenn du da aus Russland vom Judo-Europapokal Sambo Moskau gegen TSV Abensberg eine Live-Übertragung für Radio Charivari machst – das war einfach super (strahlt). Diesbezüglich habe ich auch viele Rückmeldungen von den Judofans aus Abensberg erhalten.

Inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Sportvereinen und den JournalistInnen verändert?

Sehr stark. Den Ausdruck „Mixed Zone“ konnte vor dreißig Jahren wohl noch niemand schreiben. Ich bin früher in der Donau-Arena und im Jahnstadion durch die Katakomben gegangen. Das gibt’s heute nicht mehr in der Art. Nur noch beim Eishockey. Da bin ich sehr verwurzelt und die Spieler haben Respekt vor mir. Aber beim Jahn ist es nicht mehr wie damals und dort gibt es kaum Ausnahmen. Die Mitarbeiter sind inzwischen alle besser geschult. Früher gab es das Internet nicht in dem Ausmaß wie heute und damit auch nicht den Liveticker. Das bedeutet, dass ich damals neben meinem Kollegen von der Mittelbayerischen Zeitung der einzige Berichterstatter war. Heute gibt es mehrere Liveticker und Kamerateams. Da spiele ich als Radioreporter eine untergeordnete Rolle. Vor mir als Lokalreporter kommen immer noch Antenne Bayern und der Bayerische Rundfunk. Deshalb bin ich da weit hintendran. In Regensburg hilft mir dann mein „Bekanntheitsgrad“, sodass das kein Problem für mich ist. Insgesamt ist die Arbeit im Medienbereich in den verschiedenen Vereinen professioneller geworden.

Welche Lieblingsclubs haben Sie oder möchten Sie sich da nicht festlegen?

Den EVR, SSV Jahn, die Buchbinder Legionäre und den TSV Abensberg – das sind die Vereine, mit denen ich das größte sportliche Leid, aber auch ganz, ganz schöne Momente erlebt habe.

 

Querdenken durch Vernetzung von Eishockey und Baseball

In welchen Situationen ist Querdenken in Ihrem Beruf wichtig?

Das mache ich meines Erachtens automatisch. Für mich ist eine Fußballübertragung nicht nur eine Fußballübertragung, sondern es bedeutet auch, das einfließen zu lassen, was der Trainer vorher gesagt hat. Außerdem ist folgendes wichtig: Wie bringe ich meine eigenen Trainingseindrücke in die Übertragung ein? Das geht alles über eine normale Übertragung hinaus. Haben die Spieler viel Konditionstraining absolviert? Deshalb bin ich ja auch im Trainingslager dabei. Ich schaue mir das Eishockeytraining an und das Baseballtraining. Letztens war ich begeistert, als mir meine Baseballer erzählten, dass sie kürzlich eine Stunde Yoga mit einer Yogalehrerin gemacht hätten. Ich lasse mir erklären, wie Philipp Pflieger trainiert, höre mir an, was Herr Dr. Möckel sagt, wie die Eishockeyspieler trainieren sollten und was sie nicht machen sollten. Ich finde diese Vernetzung zwischen dem EVR und den Buchbinder Legionären genial: Dadurch, dass mir beide Sportarten sehr am Herzen liegen, habe ich immer versucht, sie miteinander zu kombinieren. Ein Beispiel ist der Aufruf an die Eishockeyfans, die Baseballer zu unterstützen. Wer eine Eishockeykarte hatte, kam umsonst zum Baseball. Aber nochmal allgemein: Wenn ich im Fernsehen etwas sehe – wie zum Beispiel Life Kinetik – dann integriere ich das auch.

 

Zum sozialen Engagement des Sportreporters

Sie engagieren sich sehr stark im sozialen Bereich. Für welche Projekte setzen Sie sich ein und welche haben Sie selbst initiiert?

Vor allem organisiere ich viele Aktionen für Kinder. Wenn man jetzt ein paar Schwerpunkte setzt: Mir ist es wichtig, Kinder und – soweit es möglich ist – Menschen mit Behinderung zum Sport zu bringen. Ich war im Juli beim Inklusionssporttag, an welchem es darum ging, Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Wir unterstützen viele kleine karikative Einrichtungen, für die 300 Euro sehr viel Geld sind. Dazu gehört beispielsweise „Mukoviszidose e.V. Regensburg“, welcher sonst um die 3000 Euro im Jahr zur Verfügung hat. Wir haben 350 Euro für ihn gespendet. Wobei wir in den vergangenen Jahren am meisten für die Leukämiehilfe getan haben. Dadurch, dass meine Schwester an Leukämie gestorben ist, liegt mir das besonders am Herzen. Ich bin seit Juni Botschafter der Leukämiehilfe. Man bekommt unwahrscheinlich viel zurück.

Ich würde gerne auf zwei der Projekte verstärkt eingehen. Und zwar auf die Flüchtlinge, für die Sie sich einsetzen, und auf die DKMS-Aktion für Herrn Klinger von der Albert-Schweitzer-Realschule Regensburg.

Zunächst zu den Flüchtlingen: Ich habe im Thomas-Wiser-Haus angerufen und zufällig erfahren, dass es die „Gruppe Sindbad“ gibt, die aus zehn Jugendlichen besteht. Diese sind auf Grund ihrer Vergangenheit traumatisiert. Wir haben mit ihnen Fußball gespielt. Durch einen Zufall habe ich dem Präsidenten vom FC Bayern-Fanclub Nabburg von den Jugendlichen erzählt, woraufhin sich dieser erkundigt hat, ob sie genug zu essen hätten: eines seiner Ehrenmitglieder hätte gute Kontakte zu einem Milchproduktehersteller. Sie haben gemanagt, dass die Flüchtlinge neue Kühlschränke und jede Menge zu essen bekamen. Da hat sich unglaublich viel drumherum entwickelt. Die Jungs selbst wollten unbedingt boxen. Afghanistan ist ja eine Boxregion. Ich habe mit Boxfit einen Deal bezüglich der Mitgliedsbeiträge gemacht. Darüber hinaus haben wir sie in unser Laufteam integriert. Sie begegnen uns mit sehr großem Respekt. Es gab nie Probleme, das ist eine wirklich schöne Sache. Ihre Sorgen bekommen wir ab und zu mit und wir versuchen zu helfen. In unserer Gegenwart sind sie immer freundlich und sprachlich haben sie sich auch super entwickelt – Wahnsinn, toll (wirkt kurz nachdenklich und ist sprachlos).

 

Armin Wolf holte Profisportler an einem Spieltag (!) zur Typisierung

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Armin Wolf holte die Profis des EV Regensburg an einem Auswärts(!)-Spieltag zur Typisierungsaktion in die Albert-Schweitzer-Realschule Regensburg. Foto: Günter Staudinger

Dann der zweite Punkt. Zur Spendersuche für den damals an Blutkrebs erkrankten Lehrer Herrn Klinger. Sie haben die Aktion sehr stark unterstützt und es sogar geschafft, dass Eishockeyprofis, die am selben Abend ein Auswärtsspiel hatten, zur Typisierung gekommen sind.

Wir haben schon mal eine Aktion dieser Art gemacht. Von Herrn Klinger hatte ich gelesen und wir hatten auch im Radio darüber berichtet. Daraufhin habe ich zu Alexandra (Ehefrau von Armin Wolf; Anm. von LS) gesagt, dass das „eine Sache wäre, in die wir uns nochmal richtig hineinknien könnten – auch, wenn wir diesen Menschen noch gar nicht kennen, da stellen wir einen Kontakt her“. Dann hat sich noch herausgestellt, dass unser Kontaktmann ein riesen Eishockeyfan war. Zum EVR haben wir gesagt, dass das eine tolle Sache sei, zunächst Blut zu spenden und dann am Abend zum Spiel zu fahren – und eine riesen Werbung für die DKMS. Die meisten Jungs hatten die falsche Vorstellung: „Blutentnahme? Da kann ich ja am Abend nicht mehr spielen, Armin“. Letztendlich waren fast alle dabei. Da hat alles wunderbar zusammengepasst. Der Tag der Aktion war sehr günstig, da auch meine Baseballer alle Zeit hatten.

Nun ein großer Schwenk. Fällt Ihnen eine Frage ein, die Ihnen noch nicht gestellt wurde?

Was ich schon ganz lange nicht mehr gefragt wurde, ist, warum ich in Regensburg geblieben bin. Die Antwort ist einfach: Weil ich wahrscheinlich in einer anderen großen Großstadt eingegangen wäre wie eine Primel. Ich brauche mein Umfeld. Ich brauche meine Familie, meine Freunde, meine Frau. Aber ich brauche auch den Armin Zimmermann (Vorstandsvorsitzender der Buchbinder Legionäre Regensburg; Anm. von LS; macht eine Pause). Das brauche ich. Ich brauche meine Vereine, meinen EVR, kurze Wege.

Ist Regensburg für Sie die schönste Stadt der Welt?

Regensburg ist einfach meine Heimat. Ich kann es nicht beurteilen, weil ich kein Städtereisender bin. Es mag schönere geben, aber ich war bei der Siegerehrung des Challenge und im Anschluss daran sind wir an der Donau entlang gegangen. Da hab ich zu meiner Frau gesagt: „Du, wir leben doch eigentlich im Paradies, oder? Wennst da siggst: Die Donau fließt da dahi – die Bäume, die Sträucher – toll!“.

Welche Ziele haben Sie – sportlich, beruflich, privat?

Also sportlich ist das nächste Ziel, im kommenden Jahr mit gut strukturiertem Training beim Triathlon besser zu werden. Ich bin jetzt das 500. Mitglied im Biketeam. Dort werde ich mich der schlechtesten Gruppe anschließen. Ich habe überall noch Potenzial. Wenn ich nicht mehr so viel Angst habe, abwärts zu fahren, dann wird das besser. Beruflich sag ich mir, ich kann eigentlich nichts mehr erreichen. Ich weiß nicht, was da auf mich zukommt. Ich schreibe jetzt wieder mehr, mache viel für die Sonntagszeitung der Mittelbayerischen Zeitung. Meine KollegInnen sind dort total begeistert – warum auch immer. Ich war da zunächst mal vorsichtig, weil ich nicht wusste, ob ich das kann. Frau Sigl, die das macht, meinte, dass ich einen so eigenen Stil hätte. Mir ist es wichtig, ganz genau zu recherchieren. Inzwischen habe ich dort eine kleine Eishockeyseite und schreibe Portraits über Sportler.

Privat ist mir die Gesundheit am Wichtigsten. Wenn man so viel mit kranken Menschen und Menschen mit Behinderung zu tun hat, dann verspürt man umso mehr, wie gut es einem geht. Meine Eltern sind jetzt beide 86 Jahre alt und es wäre super, wenn sie noch lange gesund bleiben. Wir sind von schweren Schicksalsschlägen im Moment verschont. Ob ich jetzt 1 Stunde und 49 Minuten schwimme oder 1 Stunde und 50 Minuten ist egal – Hauptsache, ich hab’s geschafft!

 

Armin Wolf über die „Armin-Wolf-Arena“

Seit 1998 steht in Regensburg die nach Ihnen benannte Armin-Wolf-Arena. Bitte beschreiben Sie, wie Sie das empfinden.

Ich bin stolz darauf, Namensgeber zu sein. Das mögen manche Leute kindisch finden – ich finde das super. Aber ich habe auch für die Namensgebung immer gerne meine Pflicht und Schuldigkeit getan, was den Sponsorenbereich angeht. Die Eröffnung war natürlich total bewegend, das ist klar. Es gibt ein Stadion, das ist nach dir benannt: Armin-Wolf-Arena. Bewegende Momente. Du weißt dann eigentlich nicht: Sollst du jetzt weinen oder total professionell schauen? Sollst du dich jetzt freuen oder nicht? Die richtig große Freude kommt dann erst danach – vor allem Jahre danach, wenn man sieht, wie begeistert die Menschen bei den Spielen im Stadion sind. Und die Krönung ist jetzt, wo das Leistungsinternat steht, in der Nacht vorbeizufahren und es steht in großen Lettern beleuchtet „Armin-Wolf-Baseball-Arena“ drauf. Ich mein: Das ist eigentlich nicht zu fassen. Und es beeindruckt Menschen. Es gibt sicherlich welche, die sind neidisch, ok. Oder es gibt Leute, die sagen, dass ich narrisch (Hochdeutsch: verrückt; Anm. von LS ) bin. Das muss man auch akzeptieren. Aber wenn so jemand wie Heiko Herrlich, den ich sehr schätze, sagt, dass er so etwas einfach toll finde und er wisse, dass man sich so etwas auch erst verdienen muss, finde ich das sehr schön.

Was bedeutet das Internat für Sie?

Damit ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen! Dass dreißig Baseball- und Eishockeyspieler von zweien meiner Lieblingsvereine unter einem Dach leben, finde ich großartig. Das habe ich mir immer gewünscht, dass das einmal so wird und das finde ich klasse.

Zum Schluss des Interviews stelle ich Ihnen noch drei Entscheidungsfragen. Strand und Meer oder Städtereisen mit Sehenswürdigkeiten?

Strand und Meer überhaupt nicht – nein, nein – das wäre mein Tod. Ich bin der Burgen- und Schlossreisende! Wir schauen immer: Wo ist eine Burg, wo ist ein Schloss, wo können wir was angucken? Und das wird dann mit Sport verbunden. Ich bin quasi immer im Trainingslager (lacht).

Olympia oder Fußball-Weltmeisterschaft?

Poh, poh (überlegt), total schwer. Eher Olympia, wegen der Vielseitigkeit.

Altehrwürdiges Jahnstadion oder Continental Arena?

Altehrwürdiges Jahnstadion, auf jeden Fall. So viele Erinnerungen, Emotionen und Erlebnisse.

Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für das Interview genommen haben, Herr Wolf.

Bitte, gerne.

Teil II des Interviews mit Marco Kostmann

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Marco Kostmann beim Training an der Elfenbeinküste. Dort arbeitete er von 2006 bis 2008 als Torwarttrainer. Foto: Stefan Meisel

Kein wirkliches Elfmetertrainingsgeheimnis…

Wie sieht es mit Elfmetertraining aus? Wie bereiten Sie Ihre Spieler auf Elfmeter vor?

Im Jugendbereich mache ich gar kein Elfmetertraining. Da geht es vor allen Dingen um die Körpersprache der Torhüter. Darum, dass sie einen Teil des Tors verdecken. Ein spezielles Elfmetertraining habe ich bisher nur in der direkten Spielvorbereitung gemacht.

In Bielefeld haben Sie Alexander Schwolow, Arminias Pokalhelden von 2015, trainiert. Wie haben Sie ihn auf das Elfmeterschießen eingestellt?

Wir haben uns hauptsächlich per Videoanalyse vorbereitet. Dabei haben wir vor allem auf den Anlauf der Schützen geachtet. Es ging darum, in welchen Situationen der Spieler den Ball in die eine und in welchen in die andere Ecke schießt. Dabei lag unser Schwerpunkt darauf zu erkennen, wann die Spieler gestresst sind und bei Elfmeterschießen hat ein Spieler grundsätzlich totalen Stress. Aber das haben wir auch in den Meisterschaftsspielen gemacht, dass wir uns Videos angeschaut und die am Trainingsplatz nachgestellt haben. Wir haben im Training nicht explizit Elfmetersituationen geübt, sondern folgendes: Das explosive Abdruckverhalten, das lange Stehen und im letzten Moment die Entscheidung zu treffen und in welche Ecke Alex springt. Wir haben es „Katzentraining“ genannt. Schließlich geht es zunächst darum, wie eine Katze zu lauern und im letzten Moment abzuspringen.

Jetzt zum Torhüterspiel an sich. Wie hat sich das Spiel Ihrer Meinung nach in den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren verändert?

Grundlegend durch die Änderung der Rückpassregelung. Das war ein revolutionärer Einschnitt in das Torwartspiel und demzufolge auch in das Torwarttraining. Parallel dazu begann die Zeit, dass Torhüter eigene Trainer haben. Vorher haben sie ja mit ihren Teams unter den Cheftrainern mittrainiert. Zeitgleich wurden die Torwarte in ihren fußballerischen Fähigkeiten gestärkt, welche von da an ein Talentkriterium darstellten. Man begann Torhüter zu scouten. Vorher waren die fußballerischen Fähigkeiten kein Kriterium, zumindest nicht, wenn der Ball am Boden war. Vielleicht beim Abschlag oder Abwurf, aber ansonsten eben nicht. Das war so der gravierendste Einschnitt, der von außen kam. Und dann gab es noch einen großen Wandel: Das hat sich in den vergangenen fünf, sechs Jahren nochmal ein bisschen verändert, dass Torhüter noch deutlich mutiger geworden sind. Sie agieren offensiver, greifen auch außerhalb des Sechzehners ein. Das gab es meines Erachtens ab der WM 2010 in Südafrika nochmal eine Trendwende. Jetzt sind die Torhüter viel mehr ins Offensivspiel eingebunden. Sie sind Aufbauspieler und zugleich Spieler für die Spielverlagerung. Das hat sich in den vergangenen Jahren wirklich herauskristallisiert. Was meiner Erfahrung nach weniger geworden ist, ist das Abfangen von Flanken, weil die Bälle wesentlich flacher und deutlich schärfer reinkommen als noch vor zehn Jahren. Damals war die Quote der abgefangenen Flanken viel höher als jetzt, weil es jetzt nicht mehr möglich ist. Schließlich kommen die Bälle inzwischen nicht mehr so hereingesegelt wie früher. Da gab es noch die sogenannten Torwartflanken.

 

Über seine Schüler und die Probleme der Nachwuchsprofis

Mit welchen Spielern haben Sie hauptsächlich zusammengearbeitet?

In meiner Zeit als U20-Torwarttrainer beim DFB habe ich über einen längeren Zeitraum Ron-Robert Zieler, Lorenz Karius, Bernd Leno oder Timo Horn gecoacht. Auch Alexander Schwolow habe ich lange trainiert. In Rostock habe ich Alexander Walke, in Bielefeld gehörten Patrick Platins und Stefan Ortega zu meinen Schützlingen. Ich denke, dass Patrick damals eine sehr stabile Drittligasaison gespielt hat und dann eine vernünftige Zweitligasaison. Stefan Ortega hat meines Erachtens auch einen Schritt nach vorne gemacht in Bielefeld.

Als Torwarttrainer-Koordinator, Mitarbeiter des Nachwuchsleistungszentrums des HSV und langjähriger Torwarttrainer stehen Sie in engem Kontakt zu den Nachwuchsprofis, deren Eltern, Lehrern etc.. Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten aus Sicht der Nachwuchsprofis?

Der limitierteste Faktor, den wir im Jugendbereich haben, ist die Zeit. Also, ich möchte auch nochmal Spieler sein, aber kein Schüler mehr. Das Training ist deutlich professioneller und individualisierter geworden, das hat sich sehr verbessert. Aber der Schulalltag ist eben viel strammer geworden. Ich sehe, in welchem Zustand unsere Spieler bzw. Torhüter manchmal zum Training kommen. Die Balance zwischen der schulischen Aktivität und dem Fokussieren auf das Training hinzubekommen, das ist eine enorme Herausforderung. Darin liegt meines Erachtens noch die größte Ressource im Umgang mit den Spielern: Es geht darum, wie sie ihr Zeitmanagement auf ihren Tagesablauf einstellen können. Das finde ich sehr schwierig, daran arbeiten wir mit den Schulleitern und den Psychologen. Das ist immer ein Thema. Die Spieler haben einen 12-Stunden-Tag und müssen nach der Schule noch ins Training. Dort erwarten wir natürlich ihre beste Leistung, und das hinzubekommen, das zu unterstützen, dazu sind wir da. Es ist sehr viel, was auf die Jungs einprasselt: Einerseits wollen wir Trainer ihre Topleistung, andererseits müssen sie für die Schule lernen und die Familien und die Freundinnen und Freunde möchten auch, dass sie Zeit für sie haben.

 

Quergefragt

Welches war Ihr bislang prägendstes und was war Ihr erfolgreichstes Erlebnis im Fußball?

Der Aufstieg mit Arminia 2013 war der größte sportliche Erfolg für mich. Der dramatische Abstieg ein Jahr später war auch ein Erlebnis, aus welchem ich nochmal viel mitgenommen habe und das mich geprägt hat in meiner Sichtweise auf Fußballspiele, Emotionen und Stress. Ansonsten ist jede Zusammenarbeit mit einem Cheftrainer, die auf absolutem Vertrauen basiert, ein absoluter Erfolg für mich, weil sich das in der Mannschaftsleistung zeigt. Das sind Erlebnisse, die ich wertschätze, weil es nicht selbstverständlich ist und nicht immer und überall geht und man die Situation nicht erzwingen kann.

Welche Hobbies haben Sie?

Über Weihnachten habe ich immer sechs Tage frei und fahre mit meiner Familie zum Ski fahren nach Obertauern. Das ist mir heilig. Dabei ist mir Obertauern sehr wichtig, wichtiger als das Skifahren. Das ist ein liebgewordenes Ritual für mich. Das Problem ist, dass es heißt: „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, aber damit habe ich ja kein Hobby mehr. Ansonsten hat man als Trainer keine Zeit für Hobbies. Also, ich lese das Hamburger Abendblatt und fahre im Winter Ski…

Wie wichtig ist Querdenken für Sie und wo spielt es eine Rolle in Ihrem Beruf?

Querdenken ist grundsätzlich Alltag. Ich muss immer wieder versuchen neue Reize zu setzen, in der Ansprache zu variieren. Für die Torhüter bin ich ja ein „Brain-Activator“, wir Torwarttrainer müssen den Jungs immer wieder etwas anbieten, wodurch sie sich weiterentwickeln und das geht nicht mit einem stupiden Programm. Da gibt es immer wieder Abwechslungen und jede Abwechslung bedeutet quer zu denken und Trends zu setzen, nicht irgendwelchen Trends hinterherzulaufen. Querdenken erhöht bei mir die Sensibilität kreativ zu sein. Ich muss kreativ sein, damit meine Torhüter besser werden. Querdenken ist also eine Grundvoraussetzung für mich.

Das ist ein perfektes Schlusswort. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.

Alles gut, bitte.