Fußballbuch-Update Nr. 11: Von Brianna Pinto zu Anson Dorrance

Liebe Fußballfans,

…und wieder gibt es Neuigkeiten: Brianna Pinto hat sich entschieden, das Fußballbuch an Anson Dorrance weiterzugeben. Der Trainer, der mit seinem Team die erste Frauen-WM im Fußball (1991) gewonnen hat, hatte keine andere Wahl. Er musste sich darauf einlassen. Weshalb? Das könnt ihr selbst im Interview nachlesen…

Da Anson Dorrance im Fußball schon viel erlebt hat, wurde unser Gespräch immer länger. Seine Aussagen gaben mir Anlass zu immer mehr Fragen. Deshalb feiern wir heute eine Premiere: Das erste dreiteilige Interview auf meinem Blog folgt… Teil 1 heute, Teil 2 am 8.7.2022 und Teil 3 am 10.7.2022.

Viel Spaß beim Sammeln von Eindrücken!

Eure

Lisa Blue

Anson Dorrance, Trainer des Frauenteams der University of North Carolina, bei der Arbeit. Foto: Athletic Department, University of North Carolina

Herr Dorrance, als Erstes würde ich gerne wissen, warum Sie sich entschieden haben, am Fußballbuchprojekt mitzuwirken? Wie haben Sie reagiert, als Sie das Buch bekommen haben?

Eigentlich hatte ich gar keine große Wahl. Brianna Pinto hat es mir einfach mit einer Notiz auf den Schreibtisch gelegt. Ich war also nicht im Besitz des Buches. Ich war also nicht in der Lage, es abzulehnen. Ich mag Brianna sehr. Das Buch lag also da, und es sah sehr interessant aus, also habe ich mich darauf gestürzt.

Ehrlich gesagt dachte ich: „Oh mein Gott, was für eine Nervensäge?“ Ich brauche drei bis vier Stunden am Tag, um meine E-Mails zu bearbeiten. Meine Tage sind also sehr, sehr arbeitsreich. Ich spreche die ganze Zeit mit vielen Leuten, wie mit dir. Ich rede viel mit meinen Spielerinnen. Im Moment bringe ich meine Profispielerinnen in die Mannschaft. Sie wollen während dieses Transferfensters spielen.

Für mich war es also eine Sache nach der anderen. Mein erster Gedanke, als ich das Buch gesehen habe, war: „Oh mein Gott, noch mehr Arbeit, das ist ja langweilig“. Aber dann schlug ich es auf, schaute es an und meinte: „Was für ein interessantes Projekt“. Ich fand es also wirklich spannend. Als ich angefangen habe zu schreiben, bin ich irgendwie hineingekommen. Und was mich dazu brachte, war Rainer Maria Rilke. Weil ich so viel anders über das Spiel nachdachte als die meisten Leute, weil ich ein Philosoph bin. Für mich ist das eine andere Sichtweise. Ich denke, diese Perspektive, durch das außergewöhnliche Rilke-Gedicht „Der Schauende“ auf das Spiel zu blicken, ist eine wirklich interessante.

Rilke ist ein berühmter deutscher Dichter. Ich habe dieses Gedicht am Ende eingefügt, weil ich wirklich glaube, dass unser Spiel uns alle möglichen wertvollen Dinge lehren kann. Was wirklich interessant ist: Wir lernen in unserem Spiel nicht durch Erfolg. Wir lernen in unserem Spiel durch das Scheitern. Denn dann werden wir widerstandsfähiger. Wir wissen die Tatsache zu schätzen, dass wir durch Misserfolge wachsen. Habt also keine Angst vor dem Scheitern. Habt keine Angst vor Herausforderungen. Und was ich jetzt langsam sehe, was nicht gut ist, ist: Wir werden alle so zerbrechlich. Das ist der Punkt, an dem ich immer noch sehe, dass Sport einen Wert hat. Und sogar einen Wert im universitären Umfeld. Denn wir sind alle das, was man den Elfenbeinturm nennt. Der Elfenbeinturm sind all jene Professoren, die denken, dass dies eine absolute Verschwendung unserer Vereinigung ist: eine Sportmannschaft in Verbindung mit einer Universität zu haben. Das lenkt von der Mission ab. Und die Mission ist eine normale Mission. Ich stimme dem Auftrag der Akademie im Elfenbeinturm vollkommen zu. Es geht darum, unsere jungen Leute zu erziehen, ihren Horizont zu erweitern. Um sie produktiver zu machen. Ich schätze, ich habe eine praktischere Sicht auf den Wert der Leichtathletik. Denn ich glaube wirklich, dass ich die „Theorie des großen Mannes“ der Bildung voll und ganz unterstütze. Dass man lernen kann, ein großer Mann zu sein, indem man die großen Männer und natürlich auch Frauen unserer Kulturen studiert, um herauszufinden, wie wir unser eigenes Leben leben wollen. Für mich hat der Sport also einen großen Wert, weil er uns sehr praktische Dinge darüber lehrt, wie wir unser eigenes Leben führen können, und er ist von großem Nutzen. Und auch für die Akademie ist er von großem Wert, weil man dann belastbarer ist. Damit ist man gerüstet.

Er lehrt uns auch den Respekt und die sozialen Aspekte, Freundschaften, das sich gegenseitige Helfen.

Ja. Und das sind Themen, die in der Akademie oder im Elfenbeinturm im akademischen Umfeld nicht wirklich direkt angesprochen werden. Werden sie denn direkt angesprochen? Ja, natürlich. Wenn man Shakespeare liest, lernt man auch etwas über Beziehungen. Und man erhält eine Ausbildung auf so viele verschiedene positive Arten. Aber ich denke, Sport hat auch einen Wert. Für mich haben also all diese verschiedenen Dinge einen Wert. Und was mir an dem Buch wirklich Spaß macht, ist, dass ich meinen kleinen Einblick in den Wert der Leichtathletik geben kann. Und ich habe meine kleine Einführung in das gegeben, was die Akademie zu schätzen wüsste, nämlich das Studium brillanter Schriftsteller wie Rilke, die einen außergewöhnlichen und kraftvollen unschätzbaren Wert in sich tragen, und wie wir auf die außergewöhnlichste Weise in der Welt aufwachsen können.

Was ich an dem Rilke-Gedicht „Der Schauende“ so liebe, ist: Er spricht über die Art, wie man wächst. Und die Art, wie man wächst, besteht darin, dass man von immer größeren Wesen besiegt wird. Meiner Meinung nach gibt es einen großen Zusammenhang zwischen dem Kampf, zu lernen, wie man das Spiel spielt, und den Herausforderungen, das Spiel zu gewinnen. Und im Grunde auch mit dem echten Leben. Also habe ich ein Gedicht geteilt, das ich absolut liebe, das meiner Meinung nach unser Spiel einfängt. Ich denke, dass unser Spiel einen Wert hat, weil es uns etwas über das Leben lehrt, und ich finde, dass unser Spiel so viel Ähnlichkeit mit der Lebenserfahrung selbst hat. Deshalb habe ich dieses Gedicht ausgewählt.

Perfekt. Ich bin nur ein bisschen überrascht, dass Sie Rainer Maria Rilke kennen. Er ist in Deutschland ziemlich berühmt, aber ich wusste nicht, dass er auch in den USA so bekannt ist.

Du solltest dieses Gedicht lesen, weil es sehr kraftvoll ist. Du wirst sehen, warum ich dieses Gedicht als Metapher für den Fußball ausgewählt habe. Ich denke, wenn du es gelesen hast, wirst du beeindruckt sein, weshalb ich es ausgewählt habe.

Danke, das werde ich machen. Das führt mich zur nächsten Frage. Was mögen Sie am meisten am Fußball? Ist es das Spiel selbst oder ist es das Zusammenkommen mit den Menschen, die Kommunikation mit ihnen? Die Teamarbeit, oder sind es die internationalen Turniere? Oder ist es das Kennenlernen anderer Kulturen?

Meine Liebe zu diesem Spiel hat sich mit der Zeit entwickelt. Als ich jung war, war es natürlich der Ball selbst, den ich liebte. Deshalb denke ich, dass man mit der Liebe zum Ball und der Liebe zum Spiel beginnt. Abgesehen davon, dass man das Spiel spielt, spielt man mit seinen Freunden. Es gibt also sicherlich einen sozialen Aspekt, der das Spiel einzigartig macht. Aber es ist auch das Fühlen des Balls am Fuß, die Befriedigung, etwas zu erreichen, was sehr schwierig ist, denn etwas mit den Füßen zu tun, ist eine wunderbare Herausforderung.

Ich denke, am Anfang steht die Liebe zum Ball, die Liebe zum Spiel, die Liebe zum Spiel mit Freunden. Und ich bin ein Weltbürger. Ich bin im Ausland geboren und aufgewachsen. Was man zu schätzen lernt, und ich als Amerikaner sicherlich auch, ist: Das ist das Spiel der Welt. Ich bin in Bombay, Indien, geboren. Als ich drei Jahre alt war, zogen wir nach Kalkutta, wo ich aufgewachsen bin. Von dort nach Kenia, von Nairobi, Kenia, nach Addis Abeba, Äthiopien, dann nach Singapur, Malaysia und nach Brüssel, Belgien. Während ich in Brüssel war, wurde ich auf ein Schweizer Internat in Freiburg in der Schweiz geschickt. Für mich ist das also mein Leben. Ich bin ein Bürger dieser Welt. Und natürlich: Was ist das Spiel der Welt? Fußball ist das Spiel der Welt. Als ich anfing, mich für Fußball zu interessieren, war es das Spiel, das ich an der University of North Carolina auf College-Ebene spielen konnte.

Ich liebe alle Sportarten. Die Sportart, in der ich am besten war, um auf College-Ebene zu spielen, war Fußball. Also fing ich mit Fußball an und liebte es einfach. Ich liebte den Wettbewerb. Ich liebte die Herausforderung. Und dann hat mich meine Liebe zum Spiel langsam aber sicher dazu gebracht, das Spiel zu organisieren, sodass ich eine führende Rolle im Bundesstaat North Carolina übernahm und versuchte, den US-Fußball mit den Ligen in North Carolina zu verbinden. Als ich dann Nationaltrainer der US-Frauen wurde, wurde ich zu einer nationalen Führungspersönlichkeit, die den Frauenfußball förderte. Denn als ich bei der UNC angestellt wurde, wurde ich eingestellt, um die Spieler zu trainieren, mit denen ich zusammen gespielt habe. Ich war also sehr jung. Aber mein Ziel war es nicht, Fußballtrainer zu werden. Ich wollte Anwalt werden, weil mein Vater seine eigene Ölfirma gründete und er wollte, dass ich sein Firmenanwalt werde. Ich liebte meinen Vater, ich war ein pflichtbewusster Sohn. Ich habe also Jura studiert, weil mein Vater das so wollte. Und der Witz in der Familie lautete damals: Wenn ich sein Firmenanwalt würde, würde ich wenigstens nicht die Dreistigkeit besitzen, mein eigenes Vermögen zu stehlen. Das war der Familienhumor. Dass ich der Familie und dem Unternehmen dienen würde und nicht – du weißt schon – Geld aus dem Unternehmen stehlen und es in meine eigene Tasche stecken würde.

Dann habe ich Jura studiert und ich habe es absolut gehasst. Während des Studiums trainierte ich in Teilzeit die Männer hier an der UNC, weil mein Vorgänger in den Ruhestand gegangen ist und mich dem Sportdirektor empfohlen hatte. Die meisten Leute schließen ihr Jurastudium hier in drei Jahren ab. Ich brauchte bis ins vierte Jahr, weil ich ein Semester nahm, um die Männer hier zu trainieren. Die Teilzeitstelle bei den Männern wurde dann in eine Vollzeitstelle umgewandelt, weil man mir auch ein Frauenteam anvertraute.

Ich trainierte also die Männer und die Frauen UND studierte gleichzeitig Jura. Ich habe jede Nacht vier bis sechs Stunden Schlaf bekommen. Das ist nicht genug für mich. Und so kam ich eines Tages nach Hause und meine arme Frau, die dachte, sie würde sich in einer Villa am Mittelmeer zur Ruhe setzen und mit einem Mann verheiratet sein, der eine Ölgesellschaft leitete, war nun mit einem Fußballtrainer verheiratet. Du kannst dir die unglaubliche Tragödie vorstellen, die ich mit nach Hause brachte, als ich ihr sagte, dass ich das Jurastudium aufgeben würde. Aber ganz ehrlich: Sie wusste, dass ich den Fußball liebe, und sie wollte, dass ich glücklich bin. Sie hatte also kein Problem damit. Der Einzige, der ein Problem damit hatte, war mein Vater, der offensichtlich enttäuscht war, weil er wollte, dass ich mit ihm zusammenarbeite und das Ölimperium der Familie Dorrance aufbaue. Aber der Fußball und das Coaching haben mir zu viel Spaß gemacht, und dann habe ich zehn Jahre lang die Männer und Frauen trainiert. Dazu gehörte auch, dass ich 1986 zum Nationaltrainer der Frauen ernannt wurde. Als ich eingestellt wurde, waren wir eine neue Nation im internationalen Fußball. Als ich eingestellt wurde, hatten wir noch nie ein Spiel in einem internationalen Wettbewerb gewonnen. Fünf Jahre später waren wir Weltmeister*in. Darauf bin ich natürlich sehr stolz, denn wir haben die Welt in ihrem eigenen Spiel geschlagen. Es ist nicht unser Spiel. Es ist dein Spiel, es ist das Spiel der Welt. Und wir waren tatsächlich Weltmeister*in.

Der Beginn des Pressings im Fußball…

Mein Lieblingsmoment bei der Weltmeisterschaft 1991 war der Sieg gegen Deutschland. Denn die Deutschen hatten eine hervorragende Mannschaft, und der Trainer der Mannschaft war der Trainer, der die Trainer in der Männer-Bundesliga ausgebildet hat. Dieser Mann war also nicht dafür bekannt, Frauen zu trainieren. Er war berühmt dafür, Männer zu trainieren, die auf der höchsten Ebene des deutschen Fußballs trainierten. Sein Name war Gero Bisanz. Wir haben ihn mit 4:2 geschlagen, und das war ihm sehr peinlich. Und zu seiner Rechten saß Tina Theune [damals Theune-Meyer, Anm. von LS], seine Assistentin. Im Grunde hat er der Welt und der Presse erzählt, dass wir geschummelt haben. Und wie haben wir geschummelt? Nun, wir haben gepresst. Und damals hat niemand gepresst. Alle spielten ein sehr klassisches und formelles 4-4-2. Es gab eine niedrige Konfrontationslinie, bei der man die andere Mannschaft im Defensivdrittel einen Raum schaffen ließ, indem man den Ball nach hinten spielte und dann einen Ball ins Mittelfeld spielte, um einen Verteidiger ins Mittelfeld zu schicken, der sich um den Ball herum aufbaute, und dann einen weiteren Ball nach vorne spielte. Und natürlich liefen wir in sie hinein. Wir haben die andere Mannschaft an der Gurgel gepackt und ihnen die Luft abgedrückt. Wenn die Deutschen den Ball gewonnen haben, haben wir ihnen keine Plattform gegeben, von der aus sie spielen konnten. Wir haben hoch gepresst.

In der Pressekonferenz behauptete er, dass dies eine Form von Betrug sei. Und natürlich presst heute jeder. Aber damals waren wir damit einzigartig. Weil niemand presste. Wir waren die einzige Mannschaft auf der Welt, die gepresst hat. Was dann wirklich schön war, war, dass Tina Theune, die eine sehr anmutige und wunderbare Frau war, zu mir kam, und sich für Geros Bemerkungen in der Pressekonferenz entschuldigte, nachdem sie von Gero wegen Betrugs beschimpft worden war – was wir natürlich nicht getan hatten. Sie sagte im Grunde, dass unser Team großartig gewesen sei und wir den Sieg verdient gehabt hätten. Und das war nur ein weiterer Beweis für meinen Respekt vor ihr, die schließlich natürlich Deutschland trainiert und hervorragende Arbeit geleistet hat. Ich habe also großen Respekt vor Tina. Sie hat mir eine Menge über das Spiel beigebracht. Sie hatte mich zu einem Lehrgang in Kanada eingeladen, und ich war dabei. Ich hörte mir ihre Rede an, und viele ihrer Ideen habe ich von ihr übernommen und in mein College-Programm und auch in die US-Nationalmannschaft einfließen lassen.

Als ich nach Kanada gebracht wurde, um Tina zuzuhören, hatte Deutschland einen Feldhockeytrainer eingestellt, um das deutsche Feldhockey zu verändern. Und was dieser Trainer umgesetzt hat, was zu dieser Zeit revolutionär war: die alte traditionelle Idee für die Spielerentwicklung, nämlich die maximale Wiederholung.

Das heißt, man hat diese anstrengenden drei bis dreieinhalb Stunden Training. Die Idee dahinter war natürlich: Je öfter du den Ball berührst, oder im Feldhockey, je öfter du den Ball triffst, desto besser wirst du werden. Den Ball zu berühren und zu treffen ist alles. Und dieser deutsche Feldhockeytrainer hat das deutsche Feldhockey mit diesen revolutionären Ideen aus dem Nichts an die Weltspitze geführt. Und was waren diese revolutionären Ideen? Sie lauteten, dass das Training maximal anderthalb Stunden dauern sollte, und auch wenn man nicht so viele Wiederholungen wie bei einem drei-, dreieinhalb- oder vierstündigen Training macht, so gewinnt man doch eine unglaubliche Begeisterung für das Spiel, und man kommt ausgeruht, gestärkt und spielfreudig zum Training und verliebt sich in das Spiel. Und mit diesem Enthusiasmus kommt man am nächsten Tag mit der gleichen Leidenschaft zurück, um das Spiel wieder zu spielen, mit dem Sprint und so weiter und so fort. Und natürlich hat mein Training damals zwei oder zweieinhalb Stunden gedauert, und ich dachte, das ist verrückt, als ich Tina über diesen deutschen Feldhockeytrainer zuhörte, der nicht nur das deutsche Feldhockey revolutioniert hat. Das hat dann auch der Deutsche Fußball-Bund als Trainerprinzip übernommen. Ich habe diese Idee von Tina geklaut, bin zurück in die Vereinigten Staaten zu meiner College-Mannschaft gekommen und plötzlich ging ich sehr nervös von diesen zweieinhalb Trainingsstunden zu eineinhalb Stunden über, weil ich dachte, ich würde meine Spieler ruinieren. Aber ich hatte Vertrauen in das, was Tina mir sagte, und völlig überraschend hatte sie absolut Recht.

Wir kamen mit mehr Energie zum Training, wir waren aggressiver im Training, und all diese Dinge sind, wie jeder Trainer sagen wird, entscheidend für die Entwicklung der Spielerinnen. Ich habe also eine Menge von ihr gelernt. Und ich bin froh, dass ich das in dieser Form mitteilen kann, denn ich bewundere sie sehr für das, was sie mir gesagt hat. Aber auch, wie gnädig sie bei der Weltmeisterschaft 1991 war, als sie mir diese Lektionen beibrachte. Sie hat es mir nicht nach ’91 beigebracht. Sie hat es mir vor ’91 beigebracht, also vielleicht in den Jahren ’87, ’88, ’89, und so schulde ich ihr einfach eine wunderbare Tat für ihre Bereitschaft zu teilen, wie viel sie vom Feldhockey gelernt haben.

Der Wettbewerbskessel und die kritischen Säulen

Das ist eine tolle Geschichte. Sie hatten also z. B. Einflüsse aus Deutschland. Was würden Sie jungen Menschen empfehlen, die unser Interview lesen und Trainer*in werden wollen? Was können sie tun, um ein guter Coach zu werden?

Nun, wenn du dir mein Programm ansiehst… Ich spreche von drei Säulen, die in meinem Programm, aber auch in den Vereinigten Staaten den Unterschied ausmachen. Die erste Säule, die wir sehr früh etablieren, heißt „Competitive Cauldron“. Und das hat viel mit Druck zu tun. Es handelt sich um ein sehr kampfbetontes Training, bei dem alles aufgezeichnet wird. Bei jedem einzelnen Aspekt der Trainingsumgebung gibt es einen Gewinner oder einen Verlierer. Wenn wir, sagen wir, ein Trainingsraster mit 30 Spielerinnen haben und vier davon sind Torhüterinnen, dann haben wir einen Wettbewerb zwischen den 26 Feldspielerinnen, um in 28 verschiedenen Wettbewerbskategorien die Beste zu sein. Und einige dieser Wettbewerbskategorien sind Kategorien, die jeder verstehen würde. Zum Beispiel Schnelligkeit. Mit Laser-Zeitmessern stellen wir die Mannschaft auf und sie sprintet, damit wir wissen, wer unsere schnellste und wer unsere langsamste Spielerin ist. Wir haben auch Laser-Zeitmesser in 10 und 30 Metern Entfernung vom Start. Beim Sprint über 30 Meter werden also zwei Aspekte gemessen. Der eine ist die Beschleunigung, also die Zeit, die man braucht, um die 10-Meter-Laser zu treffen. Wir messen also deine Beschleunigung, wir messen deine Geschwindigkeit. Wir messen deine Sprunghöhe, wir messen deine Beweglichkeit. Alle Feldspielerinnen werden auf einer Skala von 1 bis 26 eingestuft. Die Torhüterinnen machen dasselbe, aber ihr Programm ist natürlich anders als das der Feldspielerinnen. Die Torwartinnen wetteifern also auf einer Skala von 1 bis 4: Vielleicht nach der Entfernung des Dropkicks, des Abstoßes, der des Torschusses oder der Entfernung, wie weit sie den Ball werfen können. Sie wetteifern also in ähnlichen Dingen. Und bei den Feldspielerinnen werden auch technische Aspekte gefordert: Wie weit sie den Ball schlagen können, wie weit sie einen Ball köpfen können. Wir haben also all diese verschiedenen technischen Aufgaben. Da Baseball in den Vereinigten Staaten ein so beliebtes Spiel ist, kennt jeder von uns Radarpistolen. Bei einer Radarpistole steht ein Trainer hinter dem Fänger beim Baseball. Und der Pitcher versucht, den Ball so schnell wie möglich zum Fänger zu werfen. Das Radargerät misst, wie schnell sich der Ball bewegt. Die besten Pitcher in Amerika werfen den Ball mit 95 bis 100 Meilen pro Stunde. Die meisten Pitcher verdienen Millionen von Dollar in der Major League Baseball, und die Pitcher, die nur 70 bis 80 Meilen pro Stunde werfen, enden natürlich als Jugend-Baseballtrainer. Sie haben es nie geschafft.

Wir messen also die Stärke eines Strikes. Unser Trainer sitzt also hinter dem Tor, und die Spielerinnen haben vier Mal die Gelegenheit, den Ball so hart wie möglich zu schlagen. Sie erhalten ein Maßzahl, wie hart sie den Ball getroffen haben. Wir erhalten eine Maßzahl für ihren durchschnittlichen Treffer. Eine Sache, die ich im Frauenfußball gelernt habe: Ohne überhaupt zu wissen, wer die Anführerin des Frauenteams ist, könnte ich das Team aufstellen und den Ball ins Tor schießen lassen, während ich mit der Radarpistole dahinter stehe. Und ich werde dir fast der Reihe nach sagen, wer die führenden Torschützinnen sind. Denn im Frauenfußball entscheidet die Kraft und natürlich die Genauigkeit, mit der man den Ball treffen kann, darüber, ob man Torschützenkönigin wird oder nicht. Bei den Männern spielt die Kraft sicherlich eine Rolle. Bei den Männern ist die Treffsicherheit sogar noch wichtiger. Aber bei den Frauen übertrifft die Kraft die Genauigkeit. Mit der Radarpistole kann man also feststellen, wer die besten Torschützinnen sind.

Wir haben auch Turniere. Der Prozentsatz an gewonnenen und verlorenen Turnieren ist ein Faktor, und all diese verschiedenen Elemente fließen in den „Competitive Cauldron“ ein. Wir schaffen also ein unglaubliches Trainingsumfeld. Wir haben auch fünf verschiedene Eins-gegen-Eins-Ranglisten, in denen man gegen jede Spielerin des Teams antritt, um zu sehen, wer – wie wir es nennen – das „Alpha“ ist. Wer ist die beste Eins-gegen-Eins-Spielerin?

Und jetzt sehen wir alle Spielerinnen. Die Verteidigerinnen zusammen mit den Angreiferinnen. Denn eine Verteidigerin kann oft gewinnen, weil sie die Angreiferin zwar nicht so gut vom Dribbling abhalten kann wie die Angreiferin, dafür aber sehr konsequent ist. Manchmal verliert eine gute Angreiferin gegen eine gute Verteidigerin. Denn die großen Angreifer – und es gibt kein besseres Beispiel als „The Man Watching“ – der deutsche Trainer, der versuchte, Cristiano Ronaldo bei Manchester United zum Verteidigen zu erziehen. Denn das Letzte, was Cristiano Ronaldo jemals tun will, ist, zu verteidigen. Er will seine ganze Energie für den Angriff aufsparen, und jetzt kam dieser deutsche Trainer und verlangte von Cristiano, dass er verteidigt, was natürlich lächerlich ist. Denn dieser Mann hat Millionen mit seiner Fähigkeit verdient, Tore zu schießen und Spieler aus dem Dribbling heraus zu schlagen. Da das Pressing jetzt ein so wichtiger Faktor für den Erfolg auf höherem Niveau ist, wurde der arme Cristiano gebeten, zu verteidigen. Es reichte also nicht mehr aus, dass er mit perfektem Haar und perfektem Körperbau gut aussieht, jetzt musste er auch noch verteidigen.

Wir haben also all diese verschiedenen Elemente, die erforderlich sind, um im Grunde genommen konkurrenzfähig zu sein. Du weißt also, wo du stehst. Wir haben 28 verschiedene Kategorien. Wir haben einen Algorithmus, denn wir haben x Faktoren, die mit den 28 Wettbewerbselementen des Kessels verbunden sind. Es gibt einen Algorithmus, der am Ende der Saison die beste Spielerin im Training ermittelt. Und natürlich spiegelt diese beste Spielerin fast perfekt die beste Spielerin des Teams wider. Denn die Mädels, die im Training am härtesten arbeiten, sind auch die besten Spielerinnen. Und diejenigen, die am meisten gewinnen, spielen am härtesten und so weiter und so fort. Das ist also eine sehr wichtige Säule.

Eine weitere wichtige Säule, über die jetzt viele Trainer sprechen und die auf professioneller Ebene immer mehr zum Bestandteil des Dialogs wird, ist der Charakter der Spielerinnen. Wenn sie über den Charakter einer Spielerin sprechen, geht es natürlich oft darum, dass er die Mannschaft und ihre Ziele ohne Beanstandung unterstützt. Es gibt nichts Schlimmeres, und übrigens ist das Fernsehen von diesem Drama so begeistert – einer der Lieblingsmomente des Fernsehens bei der Übertragung eines Fußballspiels ist sicherlich, wenn ein Tor fällt oder eine rote Karte gezeigt wird. Oder wenn es ein schweres Foul gibt oder wenn es eine Gelegenheit gibt, zu sehen, ob dieses Tor ein Abseitstor ist oder nicht, oder ob es ein Elfmeter ist oder nicht. Ein weiterer beliebter Moment für das Fernsehen ist, wenn eine Spielerin ausgewechselt wird. Und warum ist dies ein beliebter Moment für das Fernsehen? Weil die Kamera der Spielerin vom Spielfeld folgt, wenn sie ausgewechselt wurde. Warum macht die Fernsehkamera das? Weil alle Welt neugierig darauf ist, zu sehen, wie wütend die Spielerin auf den Trainer ist, weil er sie aus dem Spiel genommen hat.

Wenn Trainer über den Charakter und die Belastbarkeit einer Spielerin sprechen, verlässt diese das Feld anmutig für eine Ersatzspielerin. Und ich schaue mir das an, wie alle anderen auch, weil es menschlich und dramatisch ist. Aber der Trainer geht natürlich auf die Spielerin zu, um ihm für die gespielten Minuten zu danken. Und man kann die Spielerinnen sehen, die absolut sauer sind. Sie meiden den Trainer, meiden die Hand des Trainers, meiden die Berührung des Trainers. Und dann folgt die Kamera der Spielerin weiter bis zur Bank. Die Spielerin spricht mit ihren Teamkameradinnen: „Ich kann nicht glauben, dass ich ausgewechselt wurde. Wir sehen das menschliche Drama der unglaublich egoistischen Spielerin, die keinen persönlichen Charakter hat, der die Mannschaft in der Mission egal ist, der es nur um sich selbst geht und darum, dass sie vom Trainer nicht respektiert und schlecht behandelt wurde und blablablablabla… Das ist eine ekelhafte und kindische Art zu reagieren.

Die zweite wichtige Säule ist also für uns: Wirst du von Grund auf geschätzt? Das sind Grundsätze, die wir erwarten, dass sie gelebt werden. Und das sind nicht nur Verhaltensweisen auf dem Fußballplatz. Es geht darum, wer du bist. Aber wer du bist, bestimmt auch die Art und Weise, wie du auf Widrigkeiten reagierst. Die Art und Weise, wie du den Trainer, dessen einzige Aufgabe es ist, zu gewinnen, höflich umarmen oder zurückweisen kannst. Und Ihre einzige Aufgabe als Mensch ist es, ehrlich gesagt, mit all diesen schwierigen Umständen und Situationen umzugehen. Das Wichtigste ist also meiner Meinung nach diese Charaktereigenschaft. Alle unsere Mädchen lernen jedes Zitat der dreizehn Grundwerte auswendig. Sie müssen in der Lage sein, sie öffentlich zu rezitieren. Jedes Mal, wenn ich mich mit ihnen treffe – und ich treffe mich dreimal im Jahr offiziell mit ihnen – müssen sie sie mir vortragen, weil sie sich auf die Rezitation ihrer Grundwerte geeinigt haben. Aber die Spielerinnen bewerten sich auch alle gegenseitig auf einer Fünf-Punkte-Skala, wie gut sie diese Grundwerte leben.

Jede Mannschaftskameradin lebt diese Grundwerte. Die wichtigste Auszeichnung ist nicht der MVP [Most Valuable Player Award; Anm. von LS]. Es ist der Kelly-Muldoon-Preis für Charakter.

Für mich ist das also sehr, sehr wichtig. Und wenn ein Mädchen das Grundwertsystem nicht unterstützt und es nicht lebt, versuchen wir, sie zu einem Wechsel zu bewegen, wenn sie ein Stipendium hat. Wenn sie kein Stipendium haben, versuchen wir, sie zum Austritt zu bewegen. Denn sie gehören eindeutig nicht in unser Team. Denn das ist der richtige Weg. Das ist also die zweite wichtige Säule.

Der dritte Punkt ist eine meiner Hauptaufgaben: die persönliche Erzählung einer jeden auf die Wahrheit zu bringen. Wenn eine Spielerin in einem Profispiel das Feld verlässt, ist das eine Respektlosigkeit gegenüber dem Trainer. Die persönliche Erzählung dieser Spielerin entspricht nicht der Wahrheit. Es gibt nämlich einen Grund, warum sie vom Platz gestellt wurde.

Entweder verliert sie Energie – ist also nicht fit genug – oder sie schüttelt die Verantwortung ab. Oder es gibt eine taktische Änderung, weil die Mannschaft in Rückstand geraten ist, und deshalb wurde eine Verteidigerin aus-, und eine Offensivspielerin eingewechselt, und diese Spielerin hat eine persönliche Geschichte, welche besagt: „Nein, es geht nicht um die Mannschaft. Es geht um mich.“ Die dritte wichtige Säule ist also, dass ich die persönliche Geschichte jeder Spielerin so schnell wie möglich der Wahrheit näher bringe. Denn jede Spielerin kommt mit ihrer persönlichen Geschichte in unser Umfeld. Und nur sehr wenige Spielerinnen haben eine Erzählung, die der Wahrheit entspricht.

Und jetzt kommt ein Klischee, das ich von Nick Saban geklaut habe, der ein berühmter American-Football-Trainer an der Universität von Alabama ist. Und kein Fußballtrainer. Das ist die Version aus dem American Football. Seine Aussage lautet: Durchschnittliche Spieler wollen in Ruhe gelassen werden. Gute Spieler wollen gecoacht werden. Großartige Spieler wollen die Wahrheit wissen. Meine Aufgabe ist es also, zunächst einmal davon auszugehen, dass jede eine großartige Spielerin ist oder zumindest sein möchte. Und dann versuche ich, ihnen die Wahrheit zu vermitteln. Und während du versuchst, diesen Spielerinnen die Wahrheit zu vermitteln, kannst du selbst an ihrem Verhalten erkennen, ob sie durchschnittliche oder gute Spielerinnen sind oder nicht. Denn die durchschnittliche Spielerinnen wollen keine Kritik hören. Sie wollen einfach in Ruhe gelassen werden. Die guten Spielerinnen, ja, die wollen trainiert werden, aber sie wollen nicht wirklich die Wahrheit hören. Sie wollen, dass man sie sozusagen mit der alten Psychologie umgibt, mit der Methodik von guten Kommentaren, Kritik, guten Kommentaren. Im Grunde ist die Kritik also von Positivem umgeben. So kann dieser arme, zerbrechliche Mensch die Trainer-Spielerinnen-Konferenz mit intaktem Selbstwertgefühl verlassen. Aber die wirklich großen Spielerinnen kümmern sich nicht um all das. Sie wollen mutig werden. Sie wollen wissen, woran sie sofort arbeiten müssen. Eine der besten Spielerinnen, die ich je trainiert habe, ist eine Frau namens Michelle Akers, die eine außergewöhnliche Spielerin der Vereinigten Staaten war. Die meisten Leute sind der Meinung, dass sie weltweit die beste Spielerin aller Zeiten und aller Kulturen ist. Sie war eine Spielerin ohne Schwächen. Sie war eine der besten Kopfballspielerinnen der Welt. Sie konnte mit dem linken Fuß treffen. Sie konnte mit dem rechten Fuß ein Tor erzielen. Sie konnte an dir vorbeilaufen. Sie war stark genug, um sich aufzustellen. Sie war brillant am Ball und konnte auf jeder Position spielen: Man konnte sie die Neun spielen lassen, man konnte die Zehn spielen lassen, man konnte sie die Fünf spielen lassen, man konnte sie überall spielen lassen.

Und sie war auf jeder Position genauso gut. Sie wäre die beste der Welt auf dieser Position. Und was interessant war, als ich sie trainierte: Jedes einzelne Mal, wenn ich mich mit ihr traf, wollte sie nur Kritik bekommen. Sie schob meine Komplimente schnell beiseite, um das zu bekommen, wofür sie da war. Sie wollte, dass ich ihr sage, was sie tun muss, um die beste Spielerin der Welt zu werden. Es war also wunderbar, sie zu coachen. Sie und ich stehen uns immer noch sehr, sehr nahe, und das gefällt mir. Ich musste mir keine Gedanken darüber machen, was ich zu ihr sagen würde. So viele Spielerinnen sind so zerbrechlich. Man kann nicht wirklich etwas zu ihnen sagen. Sie sind so zerbrechlich, und wenn man das erwähnt, ist ihr Selbstvertrauen auf einmal erschüttert. Wir hatten Spielerinnen, die ihrer Mutter sagten, dass sie so schlecht spielen würden, weil ich sie kritisiert habe. Und das habe ihr Selbstvertrauen zerstört. Ich bekam dann immer diese SMS von einer Mutter, wie ich ihre Tochter zerstört hätte. Wie habe ich ihre Tochter zerstört? Ich hätte ihre Tochter zerstört, indem ich sie trainiert habe. Was ist also die Aufgabe eines Coaches? Unsere Hauptaufgabe ist es, jede Spielerin zur Verantwortung zu ziehen.

Und doch gibt es einige, die aus einem so zerbrechlichen Umfeld kommen, mit Eltern, die nichts anderes getan haben, als sie mit Lob zu überhäufen. Die Kritik erschüttert sie. Das ist ziemlich schwierig. Sie finden heraus, dass sie nicht Gottes Geschenk für dieses Spiel sind. Und doch werden Sie die Kraft haben, das zu überleben.

Und zu reflektieren und damit umzugehen.

Ja, genau. Die meisten der drei Hauptsäulen – der Wettbewerbskessel, die Grundwerte, der Versuch, die persönliche Geschichte eines jeden zur Wahrheit zu bringen – wahrscheinlich sind das die drei wichtigsten Aspekte dessen, was wir hier an der University of North Carolina tun. Wenn man sich das US-Team anschaut, dann ist es natürlich das, was wir ihnen damals wie heute eingeimpft haben, was die Vereinigten Staaten auszeichnet: unsere Fähigkeit zu konkurrieren. Denn im Moment sind die Deutschen taktisch wahrscheinlich fortschrittlicher als die Niederländerinnen, als die Französinnen und wahrscheinlich auch die Engländerinnen. Die Französinnen und die Japanerinnen sind taktisch besser. Die Französinnen sind sportlich sicherlich genauso gut wie die Vereinigten Staaten. Warum spielen die Vereinigten Staaten also immer noch auf höchstem Niveau?

Nun, es ist unsere Fähigkeit, zu konkurrieren. Das ist der Bereich, der die Vereinigten Staaten noch immer auszeichnet. Denn wir haben keine Fußballkultur wie ihr. Wir schalten nicht den Fernseher ein und alle reden nur über Fußball, nein. Wir reden über Basketball, wir reden über Baseball,…

Eishockey…

Ja, ich meine, es gibt so viele Ablenkungen durch Sport. Und das ist die Qualität, die die Vereinigten Staaten immer noch auszeichnet. Unsere Fähigkeit zu gewinnen, zu konkurrieren. Und als ich acht Jahre lang Nationaltrainer war, haben wir das der US-Nationalmannschaft eingeimpft. Sie lebt es bis heute.

Teil II des Interviews mit Armin Wolf

Wie versprochen folgt nun der zweite Teil des Interviews mit Sportreporter Armin Wolf…

Zu seinen Erlebnissen mit den Regensburger Vereinen

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Sportreporter Armin Wolf (li.) beim Interview mit Ex-Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp (re.). Foto: Armin Wolf

Themenwechsel. Welche waren Ihre tollsten Momente als Sportreporter ?

Auf alle Fälle die Interviews mit Franz Beckenbauer, Ottmar Hitzfeld sowie Uwe Krupp. Dazu gehörten natürlich viele, viele Tore – sei es beim Fußball oder beim Eishockey – vor allem die in letzter Minute oder Sekunde. Legendäre Tore: Sechs Sekunden vor Schluss, zwei Sekunden vor Schluss, tolle und spannende Übertragungen, worauf ich riesen Feedbacks bekommen habe.

Welche waren Ihre prägendsten Auf- und Abstiege oder dramatischsten Momente?

Einer der dramatischsten Momente war sicherlich, als der SSV Jahn in der zweiten Liga 2:0 in Köln geführt, und dann das 2:1 bekommen hat – und in den letzten beiden Minuten das 2:2 und 2:3. Das war der moralische Knacks damals und mit ausschlaggebend für den Abstieg. Diese zwei Tore zu schildern war schon brutal.

Die schwärzeste Minute, die ich als Sportreporter erlebt habe, war eine, in der ich bei einem Live-Kommentar einen Fehler gemacht habe. Der EV Regensburg hat in Wolfsburg gespielt, ich saß damals ganz oben, in der letzten Reihe unterm Dach. Von dort aus konnte ich das Tor, auf das das Penaltyschießen erfolgte, nicht richtig sehen. Auch den Stadionsprecher konnte ich dort nicht verstehen. Ich hab den letzten Penalty der Regensburger nicht richtig gesehen und dachte, dass es vorbei sei, wenn der Wolfsburger treffen würde. Ich hatte auf Grund der schlechten Sicht die falschen Schlüsse aus dem Schuss des Regensburgers zuvor gezogen. Dieser Penalty war ein Tor. Der Wolfsburger traf nicht und das Spiel war beendet. Ich musste mich also korrigieren. Das war meine schwärzeste Stunde. Ich habe nächtelang vor Ärger nicht geschlafen. Im Endeffekt hatte ich mich richtig korrigiert. Aber dennoch war das meine schlimmste Reporterstunde. Daran hatte ich lange zu leiden.

Welche waren Ihre schönsten Erlebnisse mit den Vereinen aus Regensburg und der Umgebung?

Sicherlich das Tor des EVR gegen Bayreuth in den letzten Sekunden vor Schluss in der regulären Spielzeit vergangene Saison. Dazu gibt es auch ein Video, worauf mein O-Ton  gespielt wurde. Das wurde daraufhin in der DonauArena als Intro gezeigt, online gab es dazu viele Kommentare. Aber ansonsten – es ist einfach immer toll, wenn ich jemanden bei den Läufen ins Ziel bringe. Was noch schön war, waren die Europapokal-Auswärtsreisen mit dem TSV Abensberg. Wenn du da aus Russland vom Judo-Europapokal Sambo Moskau gegen TSV Abensberg eine Live-Übertragung für Radio Charivari machst – das war einfach super (strahlt). Diesbezüglich habe ich auch viele Rückmeldungen von den Judofans aus Abensberg erhalten.

Inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Sportvereinen und den JournalistInnen verändert?

Sehr stark. Den Ausdruck „Mixed Zone“ konnte vor dreißig Jahren wohl noch niemand schreiben. Ich bin früher in der Donau-Arena und im Jahnstadion durch die Katakomben gegangen. Das gibt’s heute nicht mehr in der Art. Nur noch beim Eishockey. Da bin ich sehr verwurzelt und die Spieler haben Respekt vor mir. Aber beim Jahn ist es nicht mehr wie damals und dort gibt es kaum Ausnahmen. Die Mitarbeiter sind inzwischen alle besser geschult. Früher gab es das Internet nicht in dem Ausmaß wie heute und damit auch nicht den Liveticker. Das bedeutet, dass ich damals neben meinem Kollegen von der Mittelbayerischen Zeitung der einzige Berichterstatter war. Heute gibt es mehrere Liveticker und Kamerateams. Da spiele ich als Radioreporter eine untergeordnete Rolle. Vor mir als Lokalreporter kommen immer noch Antenne Bayern und der Bayerische Rundfunk. Deshalb bin ich da weit hintendran. In Regensburg hilft mir dann mein „Bekanntheitsgrad“, sodass das kein Problem für mich ist. Insgesamt ist die Arbeit im Medienbereich in den verschiedenen Vereinen professioneller geworden.

Welche Lieblingsclubs haben Sie oder möchten Sie sich da nicht festlegen?

Den EVR, SSV Jahn, die Buchbinder Legionäre und den TSV Abensberg – das sind die Vereine, mit denen ich das größte sportliche Leid, aber auch ganz, ganz schöne Momente erlebt habe.

 

Querdenken durch Vernetzung von Eishockey und Baseball

In welchen Situationen ist Querdenken in Ihrem Beruf wichtig?

Das mache ich meines Erachtens automatisch. Für mich ist eine Fußballübertragung nicht nur eine Fußballübertragung, sondern es bedeutet auch, das einfließen zu lassen, was der Trainer vorher gesagt hat. Außerdem ist folgendes wichtig: Wie bringe ich meine eigenen Trainingseindrücke in die Übertragung ein? Das geht alles über eine normale Übertragung hinaus. Haben die Spieler viel Konditionstraining absolviert? Deshalb bin ich ja auch im Trainingslager dabei. Ich schaue mir das Eishockeytraining an und das Baseballtraining. Letztens war ich begeistert, als mir meine Baseballer erzählten, dass sie kürzlich eine Stunde Yoga mit einer Yogalehrerin gemacht hätten. Ich lasse mir erklären, wie Philipp Pflieger trainiert, höre mir an, was Herr Dr. Möckel sagt, wie die Eishockeyspieler trainieren sollten und was sie nicht machen sollten. Ich finde diese Vernetzung zwischen dem EVR und den Buchbinder Legionären genial: Dadurch, dass mir beide Sportarten sehr am Herzen liegen, habe ich immer versucht, sie miteinander zu kombinieren. Ein Beispiel ist der Aufruf an die Eishockeyfans, die Baseballer zu unterstützen. Wer eine Eishockeykarte hatte, kam umsonst zum Baseball. Aber nochmal allgemein: Wenn ich im Fernsehen etwas sehe – wie zum Beispiel Life Kinetik – dann integriere ich das auch.

 

Zum sozialen Engagement des Sportreporters

Sie engagieren sich sehr stark im sozialen Bereich. Für welche Projekte setzen Sie sich ein und welche haben Sie selbst initiiert?

Vor allem organisiere ich viele Aktionen für Kinder. Wenn man jetzt ein paar Schwerpunkte setzt: Mir ist es wichtig, Kinder und – soweit es möglich ist – Menschen mit Behinderung zum Sport zu bringen. Ich war im Juli beim Inklusionssporttag, an welchem es darum ging, Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Wir unterstützen viele kleine karikative Einrichtungen, für die 300 Euro sehr viel Geld sind. Dazu gehört beispielsweise „Mukoviszidose e.V. Regensburg“, welcher sonst um die 3000 Euro im Jahr zur Verfügung hat. Wir haben 350 Euro für ihn gespendet. Wobei wir in den vergangenen Jahren am meisten für die Leukämiehilfe getan haben. Dadurch, dass meine Schwester an Leukämie gestorben ist, liegt mir das besonders am Herzen. Ich bin seit Juni Botschafter der Leukämiehilfe. Man bekommt unwahrscheinlich viel zurück.

Ich würde gerne auf zwei der Projekte verstärkt eingehen. Und zwar auf die Flüchtlinge, für die Sie sich einsetzen, und auf die DKMS-Aktion für Herrn Klinger von der Albert-Schweitzer-Realschule Regensburg.

Zunächst zu den Flüchtlingen: Ich habe im Thomas-Wiser-Haus angerufen und zufällig erfahren, dass es die „Gruppe Sindbad“ gibt, die aus zehn Jugendlichen besteht. Diese sind auf Grund ihrer Vergangenheit traumatisiert. Wir haben mit ihnen Fußball gespielt. Durch einen Zufall habe ich dem Präsidenten vom FC Bayern-Fanclub Nabburg von den Jugendlichen erzählt, woraufhin sich dieser erkundigt hat, ob sie genug zu essen hätten: eines seiner Ehrenmitglieder hätte gute Kontakte zu einem Milchproduktehersteller. Sie haben gemanagt, dass die Flüchtlinge neue Kühlschränke und jede Menge zu essen bekamen. Da hat sich unglaublich viel drumherum entwickelt. Die Jungs selbst wollten unbedingt boxen. Afghanistan ist ja eine Boxregion. Ich habe mit Boxfit einen Deal bezüglich der Mitgliedsbeiträge gemacht. Darüber hinaus haben wir sie in unser Laufteam integriert. Sie begegnen uns mit sehr großem Respekt. Es gab nie Probleme, das ist eine wirklich schöne Sache. Ihre Sorgen bekommen wir ab und zu mit und wir versuchen zu helfen. In unserer Gegenwart sind sie immer freundlich und sprachlich haben sie sich auch super entwickelt – Wahnsinn, toll (wirkt kurz nachdenklich und ist sprachlos).

 

Armin Wolf holte Profisportler an einem Spieltag (!) zur Typisierung

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Armin Wolf holte die Profis des EV Regensburg an einem Auswärts(!)-Spieltag zur Typisierungsaktion in die Albert-Schweitzer-Realschule Regensburg. Foto: Günter Staudinger

Dann der zweite Punkt. Zur Spendersuche für den damals an Blutkrebs erkrankten Lehrer Herrn Klinger. Sie haben die Aktion sehr stark unterstützt und es sogar geschafft, dass Eishockeyprofis, die am selben Abend ein Auswärtsspiel hatten, zur Typisierung gekommen sind.

Wir haben schon mal eine Aktion dieser Art gemacht. Von Herrn Klinger hatte ich gelesen und wir hatten auch im Radio darüber berichtet. Daraufhin habe ich zu Alexandra (Ehefrau von Armin Wolf; Anm. von LS) gesagt, dass das „eine Sache wäre, in die wir uns nochmal richtig hineinknien könnten – auch, wenn wir diesen Menschen noch gar nicht kennen, da stellen wir einen Kontakt her“. Dann hat sich noch herausgestellt, dass unser Kontaktmann ein riesen Eishockeyfan war. Zum EVR haben wir gesagt, dass das eine tolle Sache sei, zunächst Blut zu spenden und dann am Abend zum Spiel zu fahren – und eine riesen Werbung für die DKMS. Die meisten Jungs hatten die falsche Vorstellung: „Blutentnahme? Da kann ich ja am Abend nicht mehr spielen, Armin“. Letztendlich waren fast alle dabei. Da hat alles wunderbar zusammengepasst. Der Tag der Aktion war sehr günstig, da auch meine Baseballer alle Zeit hatten.

Nun ein großer Schwenk. Fällt Ihnen eine Frage ein, die Ihnen noch nicht gestellt wurde?

Was ich schon ganz lange nicht mehr gefragt wurde, ist, warum ich in Regensburg geblieben bin. Die Antwort ist einfach: Weil ich wahrscheinlich in einer anderen großen Großstadt eingegangen wäre wie eine Primel. Ich brauche mein Umfeld. Ich brauche meine Familie, meine Freunde, meine Frau. Aber ich brauche auch den Armin Zimmermann (Vorstandsvorsitzender der Buchbinder Legionäre Regensburg; Anm. von LS; macht eine Pause). Das brauche ich. Ich brauche meine Vereine, meinen EVR, kurze Wege.

Ist Regensburg für Sie die schönste Stadt der Welt?

Regensburg ist einfach meine Heimat. Ich kann es nicht beurteilen, weil ich kein Städtereisender bin. Es mag schönere geben, aber ich war bei der Siegerehrung des Challenge und im Anschluss daran sind wir an der Donau entlang gegangen. Da hab ich zu meiner Frau gesagt: „Du, wir leben doch eigentlich im Paradies, oder? Wennst da siggst: Die Donau fließt da dahi – die Bäume, die Sträucher – toll!“.

Welche Ziele haben Sie – sportlich, beruflich, privat?

Also sportlich ist das nächste Ziel, im kommenden Jahr mit gut strukturiertem Training beim Triathlon besser zu werden. Ich bin jetzt das 500. Mitglied im Biketeam. Dort werde ich mich der schlechtesten Gruppe anschließen. Ich habe überall noch Potenzial. Wenn ich nicht mehr so viel Angst habe, abwärts zu fahren, dann wird das besser. Beruflich sag ich mir, ich kann eigentlich nichts mehr erreichen. Ich weiß nicht, was da auf mich zukommt. Ich schreibe jetzt wieder mehr, mache viel für die Sonntagszeitung der Mittelbayerischen Zeitung. Meine KollegInnen sind dort total begeistert – warum auch immer. Ich war da zunächst mal vorsichtig, weil ich nicht wusste, ob ich das kann. Frau Sigl, die das macht, meinte, dass ich einen so eigenen Stil hätte. Mir ist es wichtig, ganz genau zu recherchieren. Inzwischen habe ich dort eine kleine Eishockeyseite und schreibe Portraits über Sportler.

Privat ist mir die Gesundheit am Wichtigsten. Wenn man so viel mit kranken Menschen und Menschen mit Behinderung zu tun hat, dann verspürt man umso mehr, wie gut es einem geht. Meine Eltern sind jetzt beide 86 Jahre alt und es wäre super, wenn sie noch lange gesund bleiben. Wir sind von schweren Schicksalsschlägen im Moment verschont. Ob ich jetzt 1 Stunde und 49 Minuten schwimme oder 1 Stunde und 50 Minuten ist egal – Hauptsache, ich hab’s geschafft!

 

Armin Wolf über die „Armin-Wolf-Arena“

Seit 1998 steht in Regensburg die nach Ihnen benannte Armin-Wolf-Arena. Bitte beschreiben Sie, wie Sie das empfinden.

Ich bin stolz darauf, Namensgeber zu sein. Das mögen manche Leute kindisch finden – ich finde das super. Aber ich habe auch für die Namensgebung immer gerne meine Pflicht und Schuldigkeit getan, was den Sponsorenbereich angeht. Die Eröffnung war natürlich total bewegend, das ist klar. Es gibt ein Stadion, das ist nach dir benannt: Armin-Wolf-Arena. Bewegende Momente. Du weißt dann eigentlich nicht: Sollst du jetzt weinen oder total professionell schauen? Sollst du dich jetzt freuen oder nicht? Die richtig große Freude kommt dann erst danach – vor allem Jahre danach, wenn man sieht, wie begeistert die Menschen bei den Spielen im Stadion sind. Und die Krönung ist jetzt, wo das Leistungsinternat steht, in der Nacht vorbeizufahren und es steht in großen Lettern beleuchtet „Armin-Wolf-Baseball-Arena“ drauf. Ich mein: Das ist eigentlich nicht zu fassen. Und es beeindruckt Menschen. Es gibt sicherlich welche, die sind neidisch, ok. Oder es gibt Leute, die sagen, dass ich narrisch (Hochdeutsch: verrückt; Anm. von LS ) bin. Das muss man auch akzeptieren. Aber wenn so jemand wie Heiko Herrlich, den ich sehr schätze, sagt, dass er so etwas einfach toll finde und er wisse, dass man sich so etwas auch erst verdienen muss, finde ich das sehr schön.

Was bedeutet das Internat für Sie?

Damit ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen! Dass dreißig Baseball- und Eishockeyspieler von zweien meiner Lieblingsvereine unter einem Dach leben, finde ich großartig. Das habe ich mir immer gewünscht, dass das einmal so wird und das finde ich klasse.

Zum Schluss des Interviews stelle ich Ihnen noch drei Entscheidungsfragen. Strand und Meer oder Städtereisen mit Sehenswürdigkeiten?

Strand und Meer überhaupt nicht – nein, nein – das wäre mein Tod. Ich bin der Burgen- und Schlossreisende! Wir schauen immer: Wo ist eine Burg, wo ist ein Schloss, wo können wir was angucken? Und das wird dann mit Sport verbunden. Ich bin quasi immer im Trainingslager (lacht).

Olympia oder Fußball-Weltmeisterschaft?

Poh, poh (überlegt), total schwer. Eher Olympia, wegen der Vielseitigkeit.

Altehrwürdiges Jahnstadion oder Continental Arena?

Altehrwürdiges Jahnstadion, auf jeden Fall. So viele Erinnerungen, Emotionen und Erlebnisse.

Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für das Interview genommen haben, Herr Wolf.

Bitte, gerne.

Interview mit Sportreporter Armin Wolf

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Armin Wolf moderierte den MZ-Einsteigertriathlon 2016 in Regensburg. Foto: Schatz

Darf ich vorstellen? Armin Wolf, 55 Jahre, Sportreporter mit Leib und Seele. Deshalb auch bekannt als „die Sportstimme Ostbayerns“. Er kommentiert, moderiert und organisiert die unterschiedlichsten Sportveranstaltungen. Hauptsächlich kennen ihn die Hörerinnen und Hörer durch seine Eishockey-, Fußball- und Judo-Liveübertragungen. Da Armin Wolf sehr vielseitig im Einsatz ist, hatte er im Interview viel zu erzählen und gibt dadurch einen umfassenden Einblick in seine Arbeits- und Sportwelt. Noch vor seinem Start beim Regensburger Leukämielauf am Sonntag erklärt er hier, wie er zum Radio gekommen ist, was ihn dazu bewogen hat, Anfang August 3,8 km zu schwimmen und welche sozialen Projekte er gemeinsam mit seinem Laufteam unterstützt…

Herr Wolf, bitte erzählen Sie zunächst mal, wie Ihre Sportbegeisterung allgemein entstanden ist.

Ich war schon als kleines Kind total von Sport fasziniert. Mein Vater hat mich im Alter von fünf Jahren zu einem Auswärtsspiel des SSV Jahn Regensburg in Weiden mitgenommen. Das waren damals absolut zugkräftige Spiele, 14.000 bis 15.000 Zuschauer waren keine Seltenheit. Wir haben das Spiel 3:0 gewonnen. Alle Regensburger haben gesungen: „Hihaho, Weiden ist k.o.“. Bei uns zu Hause wurde immer über Fußball, über Sport gesprochen. Wir haben alle vier Jahre zu den Olympischen Spielen einen neuen Fernseher bekommen. Mit Zehn bin ich erstmals zu einem Eishockeyspiel gegangen: EV Regensburg gegen Fürstenfeldbruck. Seit diesem Zeitpunkt bin ich vom Eishockeyvirus infiziert. Schon mit elf, zwölf Jahren war ich alleine bei Auswärtsspielen dabei und bin nach Essen gefahren. Das galt damals als ungewöhnlich. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar, weil sich sonst nicht alles so entwickelt hätte.

Was genau hat Sie am Eishockey so stark begeistert?

Die Schnelligkeit, die Stimmung im alten Eisstadion an der Nibelungenbrücke. Als ich zehn, elf Jahre alt war und die Leute ihre Sterndlwerfer (Wunderkerzen) ausgepackt haben und alles in einen Lichterglanz gehüllt war – das war einfach toll!

 

Wie Armin Wolf zum Radio kam

Wie ist es dann dazu gekommen, dass Sie Sportreporter geworden sind? Sie haben ja auf Lehramt studiert…

Genau. Schon am Ende meiner Schulzeit habe ich für die Mittelbayerische Zeitung gearbeitet und Spielberichte über die unteren Klassen geschrieben. Damals lief das Ganze noch über ein Telefon in der Sportgaststätte (lacht). Ich saß im Büro im Verlagsgebäude und habe von dort aus in der Sportgaststätte angerufen. Mir wurde dann z. B. gesagt, dass 150 Zuschauer beim Spiel zwischen Barbing und Illkofen seien, der Huber und der Meier das 1:0 und 2:0 geschossen hätten und Barbing überlegen sei. So habe ich für zwei Klassen die Berichte geschrieben – mit der Schreibmaschine (lacht erneut). Diese wurden nochmal gegengelesen, ehe sie veröffentlicht wurden. Damals war ich zwischen 18 und 22 Jahre alt. Als die Lokalradios entstanden sind, habe ich den TV Hemau trainiert. Bei Radio Donauspatz wurden damals eine Woche lang Ortschaften vorgestellt und an den Samstagen wurde in der Sportsendung über den Sport in diesen Ortschaften gesprochen. Als Trainer war ich an einem Samstag Studiogast und am Sonntagmorgen rief mich der damalige Chef Eberhard Rosenhauer an und meinte: „Du konntest so gut reden, wir brauchen dringend freie Mitarbeiter“.

Welche waren Ihre ersten Aufgaben?

Mein erster Auftrag war – ich hatte mir ein altertümliches Aufnahmegerät mit Kassette abgeholt – nach Schwandorf zu fahren und dort Dettmar Cramer zu interviewen. Das muss man sich so vorstellen, als würden Pep Guardiola oder Jupp Heynckes nach Schwandorf kommen. Ich erklärte ihm gleich: „Herr Cramer, ich sag‘ es Ihnen ganz ehrlich: Ich bin total aufgeregt, ich habe schweißnasse Hände. Das ist mein erstes Interview“. Er antwortete daraufhin: „Machen Sie sich keine Sorgen, wir bekommen das hin. Sie müssen nur schauen, dass das Gerät läuft, denn das kann ich nicht“. Immer, wenn ich ihn später im Fernsehen gesehen habe, musste ich an dieses Interview denken. Eine Woche später wurde mir beim Radio erzählt, dass ein Anschluss ins Jahnstadion gelegt worden sei. Mir wurde das Telefon in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich mich zehnmal melden solle. Also von wegen Rhetorikkurs, Sprachkurs, Ablauf… Es hieß einfach nur: „Mach das so wie die Reporter bei Bayern 1“. So ging’s los.

Welche Eigenschaften finden Sie in Ihrem Beruf am Wichtigsten, was sollte man draufhaben?

Als Sportreporter/-in braucht man natürlich eine große Liebe zum Beruf, weil die Arbeitszeiten grausam sind. Da braucht man ein verständnisvolles Umfeld, eine verständnisvolle Familie und vor allem eine/-n verständnisvolle/-n Partner/-in. Damals wie heute, finde ich, sind Ehrlichkeit und Respekt wichtig. Mit dem Respekt ist es vielleicht ein bisschen abwärts gegangen, auch bei den Sportlern. Das merke ich oft. Allerdings – das mag jetzt kurios klingen – je älter ich werde, umso mehr geht es damit wieder aufwärts. Ich werde jetzt eher als ein älterer Herr betrachtet, der das alles schon viel länger macht, als sie überhaupt auf der Welt sind. Ich habe das kürzlich im Interview mit Marvin Knoll (Spieler des SSV Jahn Regensburg; Anm. von Lisa Schatz) gemerkt. Als ich ihm gesagt habe, dass ich schon seit 29 Jahren für das Radio arbeite, hat er mich mit großen Augen angeschaut. Aber insgesamt ist es seit zehn, zwölf Jahren – vor allem bei den Fußballprofis – nicht mehr so wie früher.

 

Ein/-e gute/-r Radioreporter/-in schafft es, „jemandem, der mit einer Erkältung in der Badewanne sitzt, das Gefühl zu geben, er sei live in der Donau-Arena“

Zudem sollte man über einen großen Sprachschatz verfügen. Ich bin heute noch dankbar für mein Studium und die vielen Bücher, die ich gelesen habe. Man braucht natürlich Fachwissen, das ist ganz klar. Man braucht das Talent, dass man jemanden, der am Freitag um 20:45 Uhr in der Badewanne sitzt, das Gefühl vermittelt, dass er eigentlich live in der Donau-Arena dabei ist. Eigentlich sitzt er auf seinem Platz, auf dem er nicht ist, weil er mit einer dicken Erkältung daheim liegt.

Und als Lokalreporter/-in braucht man – sei es Fernsehen oder Radio – die nötige Begeisterungsfähigkeit und den Enthusiasmus, den man jetzt nicht zeigen kann, wenn man für das ZDF arbeitet und der FC Bayern gegen Borussia Dortmund spielt. Aber wenn der EVR gegen Weiden spielt und ich für Charivari arbeite, dann darf ich einfach jubeln, wenn der EVR ein Tor schießt und darf weinen, wenn Weiden trifft.

 

Armin Wolf als Sportler

Dann kommen wir zu Ihnen als Sportler. 2015 sind Sie erstmals beim Berlin Marathon gestartet, in diesem Jahr waren Sie erneut dabei. Inwieweit hatten Sie vorher schon Lauferfahrung?

Den ersten Marathon bin ich vor 21 Jahren in Regensburg gelaufen. Zwei Jahre später war ich beim Charivari-Schlauch-Marathon dabei. Danach bin ich in Regensburg noch einige Halbmarathons gelaufen. Nachdem ich 2000 den Hitzemarathon ins Ziel geschafft habe – mehr tot als lebendig – bin ich nicht mehr gestartet, bis es 2015 in Berlin wieder an den Start ging.

Wieso wollten Sie im vergangenen Jahr ausgerechnet in Berlin laufen? Was hatte Sie dazu motiviert und wie sind Sie an das ganze herangegangen?

Ein ganz enger Freund von mir hatte mir völlig unvermittelt eine SMS geschickt: Er überlege, am Berlin Marathon teilzunehmen, da er den zehn Jahre zuvor schon einmal gelaufen sei. Daraufhin habe ich mit meiner Frau gesprochen und wir haben beschlossen, dass ich mitlaufe. Ich habe meine Kontakte spielen lassen und zunächst bei Herrn Dr. Frank Möckel im Rückenzentrum eine Leistungsdiagnostik gemacht. Daneben habe ich mir von Ernährungsexperte Sebastian Koschel Trainingstipps geholt.

Was war das Wichtigste? Wie lief die Koordination von Trainingsplan und Ihren vielen Terminen als Sportreporter?

Das war das Schwierigste. Ich konnte keinen Trainingsplan einhalten – weder den von Herrn Dr. Frank Möckel noch den von Sebastian Koschel. Das war unmöglich. Als ich den ersten richtigen Härtetest gemacht habe, dachte ich: „Das schaff‘ ich nie. Das schaff‘ ich nie, nein“. Nach sechzehn Kilometern bin ich das erste Mal stehen geblieben und dachte mir: „Armin, jetzt musst du Gas geben, sonst schaffst du das nicht!“.

Dann habe ich mich in kürzester Zeit mit schnellen und langen Läufen fit gemacht. Die weiteste Strecke, die ich dann irgendwann am Stück zurückgelegt hatte, war aber nur 29,30 Kilometer lang. Das war nicht die optimale Vorbereitung. Aber was mir geholfen hat: Ich war eine Woche vor dem Marathon beim mehrfachen Ironman-Teilnehmer  Ludwig Eglmeier. Er meinte, dass das zu schaffen sei. Ich müsse einfach Disziplin halten, dürfe das Ganze nicht zu schnell angehen und das Wichtigste sei das Essen und Trinken. Er hat mir viele von seinen Gels mitgegeben. Ich habe beim Marathon nach 30 Kilometern erstmals überlegt, ob ich mein Tempo erhöhe. Ich war gut in der Zeit, habe das dann aber nicht gemacht, weil ich nicht völlig entkräftet ins Ziel kommen wollte. Nach 38 Kilometern bin ich zum ersten Mal gegangen. Auch dafür hatte ich einen Schlachtplan: Wie gehe ich, in welchem Rhythmus? Ich bin im Wechsel 28 Schritte gegangen und 28 gelaufen. Meine Gesamtzeit betrug letztendlich 5:17:26 Stunden.

Wie war die Stimmung auf der Strecke?

Sensationell! Nach offiziellen Angaben waren 1,1 Millionen Zuschauer auf der Strecke. Du bist in Berlin keinen Kilometer alleine. Mir war klar, dass ich kämpfen muss, also wusste ich, dass ich mentale Unterstützung brauche. Der Name steht ja auf der Startnummer, weshalb ich diese so platziert habe, dass alle Zuschauer meinen Namen sehen konnten. Sie haben mich dann ohne Ende angefeuert. Die Atmosphäre war grandios. Das einzig negative war, dass ich im Ziel meine Frau zunächst nicht mehr gefunden habe.

 

Schwimmbrillenersatz: „Ungewohnt. Dunkler. Drückender.“

Jetzt schwenken wir zum Challenge Regensburg. Sie waren in diesem Jahr als Schwimmer in der Medienstaffel dabei. Wie ist Ihr Team auf die Idee gekommen, teilzunehmen? Wie haben Sie trainiert?

Die Idee kam von mir. Ich dachte, wir könnten als Unterstützung für den Challenge eine Medienstaffel gründen. Deshalb habe ich mit Claus Wotruba von der Mittelbayerischen Zeitung und mit Evi Reiter, die für TVA moderiert, gesprochen. Evi ist eine gute Läuferin, Claus meinte, er könnte nur Rad fahren. Somit ist für mich der Schwimmpart übrig geblieben. Ich habe während meines normalen Schwimmtrainings mit meiner Trainerin geredet. Sie meinte, ich sei verrückt – fügte aber an, dass wir das Training auf weitere Strecken umstellen könnten. Bis dato war die weiteste Strecke, die ich am Stück geschwommen bin, 1,6 Kilometer lang. Da hatte ich immer auf die kleine Distanz für den Triathlon trainiert. Danach bin ich immer um die 2 Kilometer geschwommen. Zwei Wochen vor dem Challenge habe ich im Guggenberger See unter Wettkampfbedingungen trainiert. Kurze Zeit später bin ich beim Triathlon in Regensburg gestartet und habe eine meiner schlechtesten Leistungen abgeliefert. Das war ein absolutes Fiasko und ich wusste, dass bis zum Challenge ist nur noch eine Woche Zeit ist. Ich habe mich bei 500 Metern in der Donau katastrophal präsentiert. Am Dienstag bin ich 25 Minuten im Guggi geschwommen, um Sicherheit zu bekommen. Am Donnerstag bin ich 1,6 Kilometer geschwommen und habe meine Schwimmtasche stehen lassen. Da war meine Schwimmbrille drin. Somit musste ich am Sonntag beim Challenge mit einer anderen Schwimmbrille ins Wasser gehen. Wir haben diese am Samstagabend 25 Minuten lang umgebaut. Ungewohnt. Dunkler. Drückender. Mit so einem Nasenbügel, welchen ich ja überhaupt nicht mag (verzieht das Gesicht). Somit war der erste Schrecken am Sonntag schon mal: „Wie verkrafte ich die Schwimmbrille?“. Ich hab erstmal den Kopf ins Wasser getaucht und gemerkt, dass das klappt. Im Nachhinein ist meine Tasche wieder aufgetaucht…

 

Spenden in Höhe von rund 65.000 Euro für soziale Projekte

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Im Juni 2016 startete das Armin Wolf Laufteam beim Mühlbauer Lauf in Roding für den guten Zweck. Foto: Tanja Scholz

Jetzt kommen wir auf das „Armin Wolf Laufteam“ zu sprechen. Was ist dessen Hintergrundgedanke und wie setzt sich das Team zusammen?

Beim ersten MZ-Landkreislauf wurde ich als Moderator und Helfer der ersten Stunde verpflichtet und wollte etwas zurückgeben. Meine Frau hatte den Einfall, mit einem eigenen Team anzutreten. Wir haben mit unserem Freund Ludwig Eglmeier von der IRON Trizone gesprochen und er hat das Team zusammengetrommelt. Er führte an, dass Trikots schön wären. Für die Trikots brauchten wir Sponsoren. Wir hatten die Idee, dass wir etwas für den Benefizgedanken der Veranstaltung tun könnten. Das war die Geburt des „Armin Wolf Laufteam“. Damals waren wir zehn Sportler. Bei dieser Veranstaltung haben wir 1.000 Euro gespendet. Alle waren begeistert und haben gefragt: „Warum nur einmal?“. Die Anzahl der Sponsoren wurde größer und sie haben mehrfach angefragt, sodass wir bei mehreren Läufen starten konnten. Wir hatten von Anfang an auch immer einen Fotografen und ein Filmteam dabei. Inzwischen haben wir ein Team von 27 Damen und Herren sowie auch eine Nordic Walking-Sparte. Diese besteht aus einem Mann, Vize-Europameister Wolfgang Scholz. Vor einem Jahr haben wir das „Armin Wolf Laufteam Future“ gegründet, welches aus Kindern besteht, die sind zwischen zweieinhalb und zwölf Jahre alt sind. Nächstes Jahr würde ich gerne eine Kindertriathlon-Mannschaft gründen. Insgesamt konnten wir inzwischen um die 65.000 Euro an Geld- und Sachspenden zusammenbringen. Das freut mich, weil wir dadurch schon viel bewirken und vielen Menschen helfen konnten. Ein Beispiel ist der Bau eines behindertengerechten Bads.

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Armin Wolf (Mi.) und seine Frau Alexandra (1. v. re.) mit den Kindern des „Armin Wolf Laufteam Future“, die die Challenge-SiegerInnen ins Ziel begleiteten. Foto: Schatz

-> COMING SOON… Im zweiten Teil des Interviews (erscheint am 14.10.) erzählt Armin Wolf von seinen beeindruckendsten Momenten als Sportreporter. Außerdem spricht er darüber, wie sich die Zusammenarbeit der Sportvereine mit der Presse verändert hat. Und er erklärt, weshalb er sich so stark im sozialen Bereich engagiert und geht dabei verstärkt auf zwei Aktionen ein… Das Warten lohnt sich!