Vollblutarmine Wendelin Bohrenkämper

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Wendelin Bohrenkämper arbeitet als ehrenamtlicher Pressebetreuer auf der Alm. Foto: Schatz

Ehrenamt. Ich betrete den Eingangsbereich vor dem Presseraum auf der Alm. Er begrüßt mich mit einem freundlichen „Hallo, Lisa, schön dich zu sehen“ und lächelt. Gute Laune. Trotz einer gerade verlorenen Partie der Arminen. In mehr als zwei Jahren habe ich ihn stets freundlich erlebt: Wendelin Bohrenkämper. Er arbeitet als ehrenamtlicher Pressebetreuer für den DSC Arminia Bielefeld. Seit über fünfzehn Jahren. Ich habe ihn mir als Gesprächspartner ausgesucht, weil er meines Erachtens zu den wichtigsten Menschen für den Verein gehört. Sein professioneller Umgang mit den JournalistInnen trägt zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre im Presseraum bei. Er repräsentiert den Verein und sorgt für ein positives DSC-Image wie kaum ein anderer. Unabhängig vom Bekanntheitsgrad. Denn: Welcher Spieler hat mehr als fünfzehn Jahre für Arminia gespielt? Welcher Vereinsverantwortliche arbeitet schon so lange und mit so viel Herzblut für diesen Verein wie dieser Mann? Anpfiff für ein Interview mit einem Vollblutarminen und „Respekt“ vor seiner Leistung!

Herr Bohrenkämper, wie lange arbeiten Sie inzwischen ehrenamtlich für den DSC Arminia Bielefeld?

Ganz genau kann ich es nicht sagen, aber so fünfzehn Jahre kommen schon ganz gut hin. Das fing damals mitten in der Saison an. Ich bin eigentlich für jemanden eingesprungen, der ausgeschieden ist.

Wie sind Sie zu Ihrer Tätigkeit als ehrenamtlicher Pressebetreuer gekommen?

Der ehemalige Mannschaftsbetreuer Udo Gessler hat mich darauf angesprochen. Er war früher der Arbeitskollege meiner Mutter. Als Dankeschön, dass wir dem DSC bei den Weihnachtsfeiern mit den Kindern der Spieler weiterhelfen konnten (dort hat Herr Gessler immer den Weihnachtsmann gespielt und wir hatten ihm einige Jahre ein Kostüm dafür geliehen), hat er mich einmal in den VIP-Raum mitgenommen. Dort hat er mich einfach mal gefragt, ob die Pressebetreuung etwas für mich wäre und ob ich das gerne machen würde. Ich habe mir eine Woche Bedenkzeit erbeten. Man muss das ja mit der Arbeit koordinieren. Ich habe mir das Angebot dann mal durch den Kopf gehen lassen. Wenn man sich überlegt, wie nah man durch diese Tätigkeit am Geschehen dran ist, ist das natürlich super interessant. Die Chance haben nicht viele. Ich habe das schließlich mit meinem Arbeitgeber abgeklärt. Ich bekomme hier kein Geld. Die einzige Bezahlung ist, dass ich auf einem schönen Platz neben der Pressetribüne das Spiel sehen darf und dass ich noch ein bisschen was zu essen erhalte, wenn nach dem Spiel noch etwas da ist. Zu Bundesligazeiten haben wir ja hier noch königlich gespeist, das Catering war da noch für alle drin.

Die Entscheidung für dieses Ehrenamt hieß auch, dass das Stadionleben, wie ich es zuvor kannte, damit enden würde. Ich war ja ein Fan, der seit 1982 auf Block 3 gegangen ist – Stehplatz, ich sag immer die „Sitzbänke hinterm Tor am Zaun“. Da war es dann nix mehr mit zwei Stunden vorm Spiel da sein – drei Stunden vorher da zu sein, gerade als Bayern kam, sich durch die Mengen zu drängeln und dort zu stehen. Nee, da hieß es dann eben lange vorher da zu sein, bevor die Fans ins Stadion kommen, sich aufstellen und mit den Kleinigkeiten beginnen. Aber ich meine – die Alm war immer schon so ein Wohnzimmer für mich – aufgewachsen bin ich in Sichtweite, da steht mein Elternhaus. Früher, als ich noch klein war und das Fenster auf Kippe stand, habe ich hier alle schreien hören, wenn Tore gefallen sind. Irgendwann habe ich rausgefunden, dass Arminia einen Bundesligisten beherbergt und wurde neugierig. Dann hat mich der Vater eines Schulkameraden mal mitgenommen und wie das so ist, erwischte es mich und ich wurde zum Fußballfan. Ich erinnere mich an das erste DSC-Spiel, das ich gesehen habe: Arminia – Kaiserslautern. Da haben wir 2:0 gewonnen. Es war rappelvoll bei schönstem Wetter. Über all die Jahre bin ich anschließend regelmäßig hier gewesen.

Bitte beschreiben Sie Ihre Aufgaben.

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Wendelin Bohrenkämper (li.) übergibt dem Fotografen Christian Weische ein Leibchen. Foto: Schatz

Die Hauptaufgabe ist die Leibchenausgabe, das heißt, jede/-r, der/die mir eine Akkreditierung vorzeigt und als Pressevertreter/-in auf einer der Listen steht, bekommt – entsprechend der Farbe – ein Leibchen ausgehändigt. Zu Bundesligazeiten war das mit den Farben etc. noch sehr kompliziert. Aber im Moment ist der Stand der Dinge: Grau sind Fotoleibchen, Braun, Rot und Beige sind Fernsehleibchen (das hängt davon ab, wer Erst- und wer Zweitverwerter ist). Und dann gibt’s noch Weiß für Stadion-TV und z. B. Schwarz für den Hörfunkreporter. Das sind die wichtigsten. Ich trage die Pressevertreter/-innen ein bzw. aus. Es kam nur ganz selten vor, dass jemand ein Leibchen tatsächlich mit nach Hause genommen hat. Da muss ich eben der Pressestelle Bescheid geben und diese kümmert sich anschließend darum. Außerdem kontrolliere ich natürlich die Akkreditierungen, sodass auch nur diejenigen den Presseraum betreten, die dafür zugelassen sind. Ansonsten versuche ich zu helfen, wo ich kann. Und wenn’s nur mal der Fall ist, dass ein Fan seinen Block sucht und bei mir nachfragt.

Haben Sie in Ihrer Zeit als Pressebetreuer Anekdoten erlebt?

Ja, in der Aufstiegssaison 2012/2013 sind ein paar andere Leibchen aufgetaucht. Man guckt sich ja immer jedes Detail eines Leibchens an, wenn man es herausgibt. Da war es dann wirklich so, dass zwei Pressevertreter mit Osnabrückleibchen herumgelaufen sind.

 

Die Alm: „Das ist mein Zuhause!“

Sie investieren sehr viel Zeit in dieses Ehrenamt. Wie lange sind Sie pro Spieltag in etwa im Stadion?

Bewusst achte ich nicht darauf. Es hängt davon ab, welches Spiel ansteht. Ob das Stadion ausverkauft ist, ob große Gegner kommen und dadurch eher mehr Pressevertreter da sind. An einem „normalen Samstag“ z. B. treffen wir uns um 11:30 Uhr. Vor dem Spiel ist es eigentlich stressiger als danach. Man muss die Journalisten versorgen, damit sie nicht zu lange warten. Geöffnet wird neunzig Minuten vor dem Anpfiff. Nach dem Spiel warte ich, bis alle Leibchen zurückgegeben wurden. Meist sitze ich noch länger im Presseraum und finde es einfach schön, dass ich noch hier sein darf. Wie ich vorher schon meinte: Es ist wie mein eigenes Wohnzimmer. Meine Mutter hatte damals, als ich noch klein war und alleine ins Stadion gegangen bin, keine Angst, dass mir etwas passieren könnte. Weil sie wusste: Ich kenne die Fluchtwege, ich kenne mich hier aus, ich bin hier aufgewachsen. Das ist meine Heimat, ich bin hier nebenan auf zwei Schulen gegangen. So ist es auch mit dem Stadion: Ich habe das alte miterlebt und kenne das neue. Ich hab hier nie Angst gehabt, auch wenn Gästefans böse waren, wenn sie eins drauf gekriegt haben. Ich hab mir immer gedacht: „Was soll mir hier passieren? Das ist mein Zuhause.“.

Sollte Ihre Tätigkeit nicht entlohnt werden? Schließlich verbringen Sie hier sehr viel Zeit und leisten – wie ich nach ca. zwei Jahren Live-Zusammenarbeit im Presseraum empfinde – äußerst wichtige und gute Arbeit.

Nein, mir reicht das vollkommen. Ich würde auch nie Geld dafür haben wollen, ich finde das toll hier, es macht einfach Spaß. Auch, wenn ich hier zusammen mit Dirk Grote einer der letzten bin, die vom alten Stamm da sind. Ich hab da einfach Spaß dran, ich mach das gerne und so soll’s ruhig weitergehen.

Was macht Arminia für Sie so besonders?

Ich kenne eigentlich nur diesen Club. Ich habe gar keine Zeit und Kraft, mich mit anderen Vereinen zu beschäftigen. Ich bin mit Arminia gut ausgefüllt, ich stehe komplett hinter dem DSC. Natürlich freue ich mich – auch eher unsportlich – wenn die „Kleinen“ mal gewinnen. Was Arminia für mich ausmacht, ist wahrscheinlich, dass ich mich wohl auch gerne aufrege. Man geht mit, man regt sich auf, man ist voll dabei. Es ist einem nie egal, was hier passiert. Man freut sich riesig. Ne ganze Woche kann gut laufen, wenn Arminia gewonnen hat. Aber ne ganze Woche kann auch unten durch sein, wenn man böse verloren hat. Mir graust jedes Mal nach einer Niederlage oder einem Unentschieden vor dem nächsten Montag im Büro. Die Kollegen haben alle schon mitbekommen, dass ich ein bisschen auf ihre Sticheleien reagiere. Sie übertreiben dann natürlich ein wenig, was mein Klümbchenverein wieder gemacht habe. Das ist aber alles auf humoristischer Ebene. Ich habe mich noch nie mit jemandem ernsthaft wegen Arminia oder wegen Fußball gezankt.

rden Sie sagen, dass dieser Leitspruch „stur, hartnäckig, kämpferisch“ auf Arminia zutrifft?

Ich muss schon sagen, dass Arminia immer etwas Kämpferisches gehabt hat, weil es für das Spielerische nie so ganz gereicht hat. Die ganz großen Talente konnte man sich nicht leisten. Wir sind eigentlich alle zu Kämpfern geworden. Und „hartnäckig“? Ich denke mal: Wie lange probieren wir, wieder zurück in die Bundesliga zu kommen und wir sind immer noch da nach so vielen Finanzkrisen?! Arminia hat es immer wieder geschafft, auch nach dem Bundesligaskandal 1971. Wir sind wieder in der zweiten Liga. Das ist ja schon etwas Besonderes. Ja und das Sture passt auch. Es ist zwar nicht sportlich, aber ich liebe diesen Spruch: „Wenn wir schon nicht gewinnen können, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt“. Der hat ja schon ein bisschen was Böses. Aber das Traurige oder Lustige ist: Ich stehe da voll hinter. Insgeheim ist es dieser Trotz, dass man diesen Spruch herauslässt.

Welche waren Ihre prägendsten Erlebnisse beim DSC – als Fan und als Ehrenamtlicher?

Sagen wir’s mal so: Ich habe Bielefeld in der ersten Bundesliga kennen gelernt. Damals war das so, da gab es nur die erste Bundesliga: „Zweite Liga, was ist das? Da gibt es auch noch was? Keine Ahnung!“. Dann kam die Zeit 1984, 1985, und auf einmal: Peng! Man ist in der Relegation und verliert 0:2 gegen Saarbrücken. Im Rückspiel auf der Alm spielten die Jungs 1:1 und auf einmal – eine vollkommen neue Situation: Zweite Bundesliga. Der Verein brach fast auseinander – viele, viele Spieler gingen. Am nächsten Tag nach dem Abstieg: Ich werde es nie vergessen. Ich hatte die Neue Westfälische vor mir auf dem Tisch liegen und da waren zehn Gesichter abgebildet von den Spielern, die den Verein verließen. Es war furchtbar. Da brach etwas auseinander und man wusste ja gar nicht, was mit der zweiten Liga so auf einen zukommt. Ich meine, da waren andere Mannschaften, andere Stadien, was war da noch anders? Ich wusste es nicht, ich hatte mich nie zuvor mit der zweiten Liga beschäftigt. Und ich meine auch, dass ich die erste Saison nach dem Abstieg einige Zeit nicht auf die Alm gegangen bin. Aus Enttäuschung. Was mir auffiel war, dass die Medienberichterstattung viel geringer war als in der ersten Bundesliga. Früher war es nochmal etwas anderes, als samstagnachmittags nur drei Spiele in der Sportschau gezeigt wurden. Heute ist das ja ganz anders. Wir sind sehr medienverwöhnt, da kann man sich ja inzwischen sogar die Regionalligaspiele im Fernsehen anschauen. Das ist auch gut so, aber damals gab’s das eben nicht. Man musste jedes Mal vor der Sportschau bibbern: „Welche drei Spiele zeigen sie?“. Dann wurden am Anfang die drei Spiele eingeblendet und ich rief „Papa, Arminia wird gezeigt, komm schnell!“. Wenn das nicht der Fall war, dann musste man sich das aktuelle Sportstudio am späten Abend angucken, in welchem nur Interviews geführt wurden und kaum Bildmaterial gezeigt wurde. Deshalb hab ich das aktuelle Sportstudio damals auch nie so richtig gemocht. Ich wollte einfach wirklich was von den Spielen sehen.

 

Als ein Aufstieg den anderen jagte

Ich war damals 14, 15 Jahre alt und echt enttäuscht von der Situation. Als das noch schlimmer wurde, mit der dritten Liga, da hat sich meine Einstellung gewandelt. Ich dachte mir „Jetzt erst Recht!“ und bin mit zwei, drei Freunden zu fast jedem Auswärtsspiel gefahren. Das war quasi alles um die Ecke. Wir sind zusammen mit einem Gladbacher Fan überall hingefahren: Oberliga Westfalen. In dieser Liga, da waren wir wieder wirklich die großen Arminen, vor denen alle gezittert haben. Wenn die Bielefelder kamen, dann war die gesamte Polizeimacht mobilisiert mit Kampfausrüstung, Schlagstöcken und allem. Da gab es Autokontrollen an der Stadtgrenze, Kreuzungen wurden gesperrt. Wenn wir gewonnen haben, sind wir mit der großen Arminiafahne durch die Straßen gelaufen und haben sie über die Autos gezogen. Das war ein Triumph, da konnten wir Stärke zeigen, da war man wieder jemand! Da hat sich wieder alles ganz neu entwickelt: Ein neuer Stolz, eine neue Zuversicht, dass es doch irgendwann mal wieder passieren könnte, dass man aufsteigt. Als es dann Anfang der 90er losging mit Oberliga, Regionalliga, zweite Liga, erste Liga – und das vier Jahre hintereinander – und ein Aufstieg den anderen gejagt hat. Das war eine tolle Zeit, eine riesen Begeisterung  (strahlt). Da haben wir auch jedes Mal auf dem Rathausplatz gefeiert – es war ein Triumph, das war klasse! Es war eine große Freude, ein Selbstbewusstsein und wir waren dann endlich wieder mit den ganz Großen zusammen in einer Liga.

Was war Ihr schönstes Erlebnis mit Arminia?

Ich kann das nicht genau festmachen. Natürlich waren die drei Aufstiege hintereinander grandios. Ein Punkt, den man wirklich hervorheben kann und eine Zeit, die ich nie vergessen werde. Es war natürlich sehr schön, als wir mit Norbert Meier in die zweite Liga zurückgekommen sind. Das war auch noch einmal ein ganz besonderer Aufstieg. Über Darmstadt möchte ich jetzt nichts sagen. Ich gebe nur zu, dass ich hier geheult habe. Wie einige andere hier auch. Ich war nach dem Spiel wirklich fertig. Die Darmstädter hatten zwei, drei Sonntagsschüsse. Aber man hat schon im Stadion gemerkt, dass es schon auch eine andere Stimmung war. Das Publikum hat ganz anders mitgemacht: Es war begeistert, auch die Choreographie der Ultras war sensationell. Ich dachte: „Da ist aber mehr drin, das kann’s doch nicht gewesen sein!“. Mit diesem „Jetzt erst Recht“-Gedanken hatte dann die Drittligasaison angefangen, das hat irgendwie auch Kampfkräfte mobilisiert und Arminia hat die Saison als Meister beendet und so sind wir voller Freude wieder zurück in die zweite Liga. Dieser Prozess vom Abstieg, der Relegation über das Jahr in der Dritten Liga bis zum Aufstieg in die zweite Liga – das war ein ganz langes, schönes Erlebnis mit Arminia. Das ist das, was ich herausheben würde. Ich würde gar nicht sagen, dass so ein Meistertitel das Schönste ist. Da gehört immer das ganze Drumherum mit dazu.

Welche Persönlichkeiten haben Arminia Ihres Erachtens am stärksten geprägt?

Wolfgang Kneib war eines meiner größten Idole. Uli Stein hat für mich auch immer Arminia bedeutet. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass Uli Zwetz (Radio-Sportreporter für Radio Bielefeld; Anm. von LS) für mich ein „Götter-Reporter“ ist. Ich meine, er mag in mancher Situation ein wenig übertreiben und laut werden, aber das ist doch das, was Arminia nun wirklich ausmacht: Diese Begeisterung und einfach mal ins Mikrofon zu brüllen, wenn etwas Tolles passiert. Es ist wirklich toll, dass Uli Zwetz inzwischen kommentiert. Früher, als es Radio Bielefeld noch nicht gab, kommentierte jemand vom WDR, der seinen Bericht runtererzählte. Da war keinerlei Emotion dabei. Als ich noch klein war und meine Omi in Lüneburg besuchte, wartete ich auf einen Bericht, in welchem erzählt werden würde, wie Arminia spielte. Und dann kam so eine langweilige Geschichte daher. Und wenn ich jetzt bedenke, wie Uli Zwetz seine Reportagen mit Leben gestaltet – mit Dynamik, mit Action, mit Freude! Dann muss ich sagen: Das ist doch genau das, was ein Armine braucht. Uli Zwetz ist einfach ein ganz besonderer Armine.

Welche sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Leute, die an den Spieltagen im Stadion arbeiten?

Das, was im Stadion abläuft, ist ja ein riesiges Uhrwerk, in welchem viele, viele Zähnchen ineinandergreifen und wenn nur eins von diesen Zahnrädern nicht richtig funktioniert, hat man keine aktuelle Uhrzeit mehr. Dann läuft da etwas nicht. Deswegen: Ob es nun die Spieler sind – klar, ohne Spieler kein Fußball. Aber selbst die Volunteers, die die Kühlschränke auffüllen, die Einlaufkinder betreuen, die HALBVIER (Clubmagazin; Anm. von LS) verteilen und den Presseraum aufräumen, damit der nächste Spieltag kommen kann, sind wichtig. Genauso wie der Volunteer, der die Käsebrötchen (Link: genauere Erklärung der „Käsebrötchengeschichte“ für alle Nicht-Arminen; Anm. von LS) für die Trainer an den richtigen Platz im Presseraum stellt, für den reibungslosen Ablauf sorgt und zum Wohlbefinden der Trainer beisteuert, wenn diese vorher am Platz herumgeschrien haben und wieder etwas zu essen brauchen, um einen anderen Geschmack zu erhalten. Jeder ist wichtig: Ob es der hochbezahlte Spieler auf dem Platz ist oder ein Volunteer. Also jemanden, der am allerwichtigsten ist, gibt es nicht.

Bitte beenden Sie folgenden Satzanfang…

Arminia ist für mich… schon so eine Art Familie.

Das ist ein schönes Schlusswort. Danke für das Interview, Herr Bohrenkämper.

Bitte, sehr gerne.

Teil II des Interviews mit Armin Wolf

Wie versprochen folgt nun der zweite Teil des Interviews mit Sportreporter Armin Wolf…

Zu seinen Erlebnissen mit den Regensburger Vereinen

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Sportreporter Armin Wolf (li.) beim Interview mit Ex-Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp (re.). Foto: Armin Wolf

Themenwechsel. Welche waren Ihre tollsten Momente als Sportreporter ?

Auf alle Fälle die Interviews mit Franz Beckenbauer, Ottmar Hitzfeld sowie Uwe Krupp. Dazu gehörten natürlich viele, viele Tore – sei es beim Fußball oder beim Eishockey – vor allem die in letzter Minute oder Sekunde. Legendäre Tore: Sechs Sekunden vor Schluss, zwei Sekunden vor Schluss, tolle und spannende Übertragungen, worauf ich riesen Feedbacks bekommen habe.

Welche waren Ihre prägendsten Auf- und Abstiege oder dramatischsten Momente?

Einer der dramatischsten Momente war sicherlich, als der SSV Jahn in der zweiten Liga 2:0 in Köln geführt, und dann das 2:1 bekommen hat – und in den letzten beiden Minuten das 2:2 und 2:3. Das war der moralische Knacks damals und mit ausschlaggebend für den Abstieg. Diese zwei Tore zu schildern war schon brutal.

Die schwärzeste Minute, die ich als Sportreporter erlebt habe, war eine, in der ich bei einem Live-Kommentar einen Fehler gemacht habe. Der EV Regensburg hat in Wolfsburg gespielt, ich saß damals ganz oben, in der letzten Reihe unterm Dach. Von dort aus konnte ich das Tor, auf das das Penaltyschießen erfolgte, nicht richtig sehen. Auch den Stadionsprecher konnte ich dort nicht verstehen. Ich hab den letzten Penalty der Regensburger nicht richtig gesehen und dachte, dass es vorbei sei, wenn der Wolfsburger treffen würde. Ich hatte auf Grund der schlechten Sicht die falschen Schlüsse aus dem Schuss des Regensburgers zuvor gezogen. Dieser Penalty war ein Tor. Der Wolfsburger traf nicht und das Spiel war beendet. Ich musste mich also korrigieren. Das war meine schwärzeste Stunde. Ich habe nächtelang vor Ärger nicht geschlafen. Im Endeffekt hatte ich mich richtig korrigiert. Aber dennoch war das meine schlimmste Reporterstunde. Daran hatte ich lange zu leiden.

Welche waren Ihre schönsten Erlebnisse mit den Vereinen aus Regensburg und der Umgebung?

Sicherlich das Tor des EVR gegen Bayreuth in den letzten Sekunden vor Schluss in der regulären Spielzeit vergangene Saison. Dazu gibt es auch ein Video, worauf mein O-Ton  gespielt wurde. Das wurde daraufhin in der DonauArena als Intro gezeigt, online gab es dazu viele Kommentare. Aber ansonsten – es ist einfach immer toll, wenn ich jemanden bei den Läufen ins Ziel bringe. Was noch schön war, waren die Europapokal-Auswärtsreisen mit dem TSV Abensberg. Wenn du da aus Russland vom Judo-Europapokal Sambo Moskau gegen TSV Abensberg eine Live-Übertragung für Radio Charivari machst – das war einfach super (strahlt). Diesbezüglich habe ich auch viele Rückmeldungen von den Judofans aus Abensberg erhalten.

Inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Sportvereinen und den JournalistInnen verändert?

Sehr stark. Den Ausdruck „Mixed Zone“ konnte vor dreißig Jahren wohl noch niemand schreiben. Ich bin früher in der Donau-Arena und im Jahnstadion durch die Katakomben gegangen. Das gibt’s heute nicht mehr in der Art. Nur noch beim Eishockey. Da bin ich sehr verwurzelt und die Spieler haben Respekt vor mir. Aber beim Jahn ist es nicht mehr wie damals und dort gibt es kaum Ausnahmen. Die Mitarbeiter sind inzwischen alle besser geschult. Früher gab es das Internet nicht in dem Ausmaß wie heute und damit auch nicht den Liveticker. Das bedeutet, dass ich damals neben meinem Kollegen von der Mittelbayerischen Zeitung der einzige Berichterstatter war. Heute gibt es mehrere Liveticker und Kamerateams. Da spiele ich als Radioreporter eine untergeordnete Rolle. Vor mir als Lokalreporter kommen immer noch Antenne Bayern und der Bayerische Rundfunk. Deshalb bin ich da weit hintendran. In Regensburg hilft mir dann mein „Bekanntheitsgrad“, sodass das kein Problem für mich ist. Insgesamt ist die Arbeit im Medienbereich in den verschiedenen Vereinen professioneller geworden.

Welche Lieblingsclubs haben Sie oder möchten Sie sich da nicht festlegen?

Den EVR, SSV Jahn, die Buchbinder Legionäre und den TSV Abensberg – das sind die Vereine, mit denen ich das größte sportliche Leid, aber auch ganz, ganz schöne Momente erlebt habe.

 

Querdenken durch Vernetzung von Eishockey und Baseball

In welchen Situationen ist Querdenken in Ihrem Beruf wichtig?

Das mache ich meines Erachtens automatisch. Für mich ist eine Fußballübertragung nicht nur eine Fußballübertragung, sondern es bedeutet auch, das einfließen zu lassen, was der Trainer vorher gesagt hat. Außerdem ist folgendes wichtig: Wie bringe ich meine eigenen Trainingseindrücke in die Übertragung ein? Das geht alles über eine normale Übertragung hinaus. Haben die Spieler viel Konditionstraining absolviert? Deshalb bin ich ja auch im Trainingslager dabei. Ich schaue mir das Eishockeytraining an und das Baseballtraining. Letztens war ich begeistert, als mir meine Baseballer erzählten, dass sie kürzlich eine Stunde Yoga mit einer Yogalehrerin gemacht hätten. Ich lasse mir erklären, wie Philipp Pflieger trainiert, höre mir an, was Herr Dr. Möckel sagt, wie die Eishockeyspieler trainieren sollten und was sie nicht machen sollten. Ich finde diese Vernetzung zwischen dem EVR und den Buchbinder Legionären genial: Dadurch, dass mir beide Sportarten sehr am Herzen liegen, habe ich immer versucht, sie miteinander zu kombinieren. Ein Beispiel ist der Aufruf an die Eishockeyfans, die Baseballer zu unterstützen. Wer eine Eishockeykarte hatte, kam umsonst zum Baseball. Aber nochmal allgemein: Wenn ich im Fernsehen etwas sehe – wie zum Beispiel Life Kinetik – dann integriere ich das auch.

 

Zum sozialen Engagement des Sportreporters

Sie engagieren sich sehr stark im sozialen Bereich. Für welche Projekte setzen Sie sich ein und welche haben Sie selbst initiiert?

Vor allem organisiere ich viele Aktionen für Kinder. Wenn man jetzt ein paar Schwerpunkte setzt: Mir ist es wichtig, Kinder und – soweit es möglich ist – Menschen mit Behinderung zum Sport zu bringen. Ich war im Juli beim Inklusionssporttag, an welchem es darum ging, Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Wir unterstützen viele kleine karikative Einrichtungen, für die 300 Euro sehr viel Geld sind. Dazu gehört beispielsweise „Mukoviszidose e.V. Regensburg“, welcher sonst um die 3000 Euro im Jahr zur Verfügung hat. Wir haben 350 Euro für ihn gespendet. Wobei wir in den vergangenen Jahren am meisten für die Leukämiehilfe getan haben. Dadurch, dass meine Schwester an Leukämie gestorben ist, liegt mir das besonders am Herzen. Ich bin seit Juni Botschafter der Leukämiehilfe. Man bekommt unwahrscheinlich viel zurück.

Ich würde gerne auf zwei der Projekte verstärkt eingehen. Und zwar auf die Flüchtlinge, für die Sie sich einsetzen, und auf die DKMS-Aktion für Herrn Klinger von der Albert-Schweitzer-Realschule Regensburg.

Zunächst zu den Flüchtlingen: Ich habe im Thomas-Wiser-Haus angerufen und zufällig erfahren, dass es die „Gruppe Sindbad“ gibt, die aus zehn Jugendlichen besteht. Diese sind auf Grund ihrer Vergangenheit traumatisiert. Wir haben mit ihnen Fußball gespielt. Durch einen Zufall habe ich dem Präsidenten vom FC Bayern-Fanclub Nabburg von den Jugendlichen erzählt, woraufhin sich dieser erkundigt hat, ob sie genug zu essen hätten: eines seiner Ehrenmitglieder hätte gute Kontakte zu einem Milchproduktehersteller. Sie haben gemanagt, dass die Flüchtlinge neue Kühlschränke und jede Menge zu essen bekamen. Da hat sich unglaublich viel drumherum entwickelt. Die Jungs selbst wollten unbedingt boxen. Afghanistan ist ja eine Boxregion. Ich habe mit Boxfit einen Deal bezüglich der Mitgliedsbeiträge gemacht. Darüber hinaus haben wir sie in unser Laufteam integriert. Sie begegnen uns mit sehr großem Respekt. Es gab nie Probleme, das ist eine wirklich schöne Sache. Ihre Sorgen bekommen wir ab und zu mit und wir versuchen zu helfen. In unserer Gegenwart sind sie immer freundlich und sprachlich haben sie sich auch super entwickelt – Wahnsinn, toll (wirkt kurz nachdenklich und ist sprachlos).

 

Armin Wolf holte Profisportler an einem Spieltag (!) zur Typisierung

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Armin Wolf holte die Profis des EV Regensburg an einem Auswärts(!)-Spieltag zur Typisierungsaktion in die Albert-Schweitzer-Realschule Regensburg. Foto: Günter Staudinger

Dann der zweite Punkt. Zur Spendersuche für den damals an Blutkrebs erkrankten Lehrer Herrn Klinger. Sie haben die Aktion sehr stark unterstützt und es sogar geschafft, dass Eishockeyprofis, die am selben Abend ein Auswärtsspiel hatten, zur Typisierung gekommen sind.

Wir haben schon mal eine Aktion dieser Art gemacht. Von Herrn Klinger hatte ich gelesen und wir hatten auch im Radio darüber berichtet. Daraufhin habe ich zu Alexandra (Ehefrau von Armin Wolf; Anm. von LS) gesagt, dass das „eine Sache wäre, in die wir uns nochmal richtig hineinknien könnten – auch, wenn wir diesen Menschen noch gar nicht kennen, da stellen wir einen Kontakt her“. Dann hat sich noch herausgestellt, dass unser Kontaktmann ein riesen Eishockeyfan war. Zum EVR haben wir gesagt, dass das eine tolle Sache sei, zunächst Blut zu spenden und dann am Abend zum Spiel zu fahren – und eine riesen Werbung für die DKMS. Die meisten Jungs hatten die falsche Vorstellung: „Blutentnahme? Da kann ich ja am Abend nicht mehr spielen, Armin“. Letztendlich waren fast alle dabei. Da hat alles wunderbar zusammengepasst. Der Tag der Aktion war sehr günstig, da auch meine Baseballer alle Zeit hatten.

Nun ein großer Schwenk. Fällt Ihnen eine Frage ein, die Ihnen noch nicht gestellt wurde?

Was ich schon ganz lange nicht mehr gefragt wurde, ist, warum ich in Regensburg geblieben bin. Die Antwort ist einfach: Weil ich wahrscheinlich in einer anderen großen Großstadt eingegangen wäre wie eine Primel. Ich brauche mein Umfeld. Ich brauche meine Familie, meine Freunde, meine Frau. Aber ich brauche auch den Armin Zimmermann (Vorstandsvorsitzender der Buchbinder Legionäre Regensburg; Anm. von LS; macht eine Pause). Das brauche ich. Ich brauche meine Vereine, meinen EVR, kurze Wege.

Ist Regensburg für Sie die schönste Stadt der Welt?

Regensburg ist einfach meine Heimat. Ich kann es nicht beurteilen, weil ich kein Städtereisender bin. Es mag schönere geben, aber ich war bei der Siegerehrung des Challenge und im Anschluss daran sind wir an der Donau entlang gegangen. Da hab ich zu meiner Frau gesagt: „Du, wir leben doch eigentlich im Paradies, oder? Wennst da siggst: Die Donau fließt da dahi – die Bäume, die Sträucher – toll!“.

Welche Ziele haben Sie – sportlich, beruflich, privat?

Also sportlich ist das nächste Ziel, im kommenden Jahr mit gut strukturiertem Training beim Triathlon besser zu werden. Ich bin jetzt das 500. Mitglied im Biketeam. Dort werde ich mich der schlechtesten Gruppe anschließen. Ich habe überall noch Potenzial. Wenn ich nicht mehr so viel Angst habe, abwärts zu fahren, dann wird das besser. Beruflich sag ich mir, ich kann eigentlich nichts mehr erreichen. Ich weiß nicht, was da auf mich zukommt. Ich schreibe jetzt wieder mehr, mache viel für die Sonntagszeitung der Mittelbayerischen Zeitung. Meine KollegInnen sind dort total begeistert – warum auch immer. Ich war da zunächst mal vorsichtig, weil ich nicht wusste, ob ich das kann. Frau Sigl, die das macht, meinte, dass ich einen so eigenen Stil hätte. Mir ist es wichtig, ganz genau zu recherchieren. Inzwischen habe ich dort eine kleine Eishockeyseite und schreibe Portraits über Sportler.

Privat ist mir die Gesundheit am Wichtigsten. Wenn man so viel mit kranken Menschen und Menschen mit Behinderung zu tun hat, dann verspürt man umso mehr, wie gut es einem geht. Meine Eltern sind jetzt beide 86 Jahre alt und es wäre super, wenn sie noch lange gesund bleiben. Wir sind von schweren Schicksalsschlägen im Moment verschont. Ob ich jetzt 1 Stunde und 49 Minuten schwimme oder 1 Stunde und 50 Minuten ist egal – Hauptsache, ich hab’s geschafft!

 

Armin Wolf über die „Armin-Wolf-Arena“

Seit 1998 steht in Regensburg die nach Ihnen benannte Armin-Wolf-Arena. Bitte beschreiben Sie, wie Sie das empfinden.

Ich bin stolz darauf, Namensgeber zu sein. Das mögen manche Leute kindisch finden – ich finde das super. Aber ich habe auch für die Namensgebung immer gerne meine Pflicht und Schuldigkeit getan, was den Sponsorenbereich angeht. Die Eröffnung war natürlich total bewegend, das ist klar. Es gibt ein Stadion, das ist nach dir benannt: Armin-Wolf-Arena. Bewegende Momente. Du weißt dann eigentlich nicht: Sollst du jetzt weinen oder total professionell schauen? Sollst du dich jetzt freuen oder nicht? Die richtig große Freude kommt dann erst danach – vor allem Jahre danach, wenn man sieht, wie begeistert die Menschen bei den Spielen im Stadion sind. Und die Krönung ist jetzt, wo das Leistungsinternat steht, in der Nacht vorbeizufahren und es steht in großen Lettern beleuchtet „Armin-Wolf-Baseball-Arena“ drauf. Ich mein: Das ist eigentlich nicht zu fassen. Und es beeindruckt Menschen. Es gibt sicherlich welche, die sind neidisch, ok. Oder es gibt Leute, die sagen, dass ich narrisch (Hochdeutsch: verrückt; Anm. von LS ) bin. Das muss man auch akzeptieren. Aber wenn so jemand wie Heiko Herrlich, den ich sehr schätze, sagt, dass er so etwas einfach toll finde und er wisse, dass man sich so etwas auch erst verdienen muss, finde ich das sehr schön.

Was bedeutet das Internat für Sie?

Damit ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen! Dass dreißig Baseball- und Eishockeyspieler von zweien meiner Lieblingsvereine unter einem Dach leben, finde ich großartig. Das habe ich mir immer gewünscht, dass das einmal so wird und das finde ich klasse.

Zum Schluss des Interviews stelle ich Ihnen noch drei Entscheidungsfragen. Strand und Meer oder Städtereisen mit Sehenswürdigkeiten?

Strand und Meer überhaupt nicht – nein, nein – das wäre mein Tod. Ich bin der Burgen- und Schlossreisende! Wir schauen immer: Wo ist eine Burg, wo ist ein Schloss, wo können wir was angucken? Und das wird dann mit Sport verbunden. Ich bin quasi immer im Trainingslager (lacht).

Olympia oder Fußball-Weltmeisterschaft?

Poh, poh (überlegt), total schwer. Eher Olympia, wegen der Vielseitigkeit.

Altehrwürdiges Jahnstadion oder Continental Arena?

Altehrwürdiges Jahnstadion, auf jeden Fall. So viele Erinnerungen, Emotionen und Erlebnisse.

Vielen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für das Interview genommen haben, Herr Wolf.

Bitte, gerne.

Interview mit Sportreporter Armin Wolf

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Armin Wolf moderierte den MZ-Einsteigertriathlon 2016 in Regensburg. Foto: Schatz

Darf ich vorstellen? Armin Wolf, 55 Jahre, Sportreporter mit Leib und Seele. Deshalb auch bekannt als „die Sportstimme Ostbayerns“. Er kommentiert, moderiert und organisiert die unterschiedlichsten Sportveranstaltungen. Hauptsächlich kennen ihn die Hörerinnen und Hörer durch seine Eishockey-, Fußball- und Judo-Liveübertragungen. Da Armin Wolf sehr vielseitig im Einsatz ist, hatte er im Interview viel zu erzählen und gibt dadurch einen umfassenden Einblick in seine Arbeits- und Sportwelt. Noch vor seinem Start beim Regensburger Leukämielauf am Sonntag erklärt er hier, wie er zum Radio gekommen ist, was ihn dazu bewogen hat, Anfang August 3,8 km zu schwimmen und welche sozialen Projekte er gemeinsam mit seinem Laufteam unterstützt…

Herr Wolf, bitte erzählen Sie zunächst mal, wie Ihre Sportbegeisterung allgemein entstanden ist.

Ich war schon als kleines Kind total von Sport fasziniert. Mein Vater hat mich im Alter von fünf Jahren zu einem Auswärtsspiel des SSV Jahn Regensburg in Weiden mitgenommen. Das waren damals absolut zugkräftige Spiele, 14.000 bis 15.000 Zuschauer waren keine Seltenheit. Wir haben das Spiel 3:0 gewonnen. Alle Regensburger haben gesungen: „Hihaho, Weiden ist k.o.“. Bei uns zu Hause wurde immer über Fußball, über Sport gesprochen. Wir haben alle vier Jahre zu den Olympischen Spielen einen neuen Fernseher bekommen. Mit Zehn bin ich erstmals zu einem Eishockeyspiel gegangen: EV Regensburg gegen Fürstenfeldbruck. Seit diesem Zeitpunkt bin ich vom Eishockeyvirus infiziert. Schon mit elf, zwölf Jahren war ich alleine bei Auswärtsspielen dabei und bin nach Essen gefahren. Das galt damals als ungewöhnlich. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar, weil sich sonst nicht alles so entwickelt hätte.

Was genau hat Sie am Eishockey so stark begeistert?

Die Schnelligkeit, die Stimmung im alten Eisstadion an der Nibelungenbrücke. Als ich zehn, elf Jahre alt war und die Leute ihre Sterndlwerfer (Wunderkerzen) ausgepackt haben und alles in einen Lichterglanz gehüllt war – das war einfach toll!

 

Wie Armin Wolf zum Radio kam

Wie ist es dann dazu gekommen, dass Sie Sportreporter geworden sind? Sie haben ja auf Lehramt studiert…

Genau. Schon am Ende meiner Schulzeit habe ich für die Mittelbayerische Zeitung gearbeitet und Spielberichte über die unteren Klassen geschrieben. Damals lief das Ganze noch über ein Telefon in der Sportgaststätte (lacht). Ich saß im Büro im Verlagsgebäude und habe von dort aus in der Sportgaststätte angerufen. Mir wurde dann z. B. gesagt, dass 150 Zuschauer beim Spiel zwischen Barbing und Illkofen seien, der Huber und der Meier das 1:0 und 2:0 geschossen hätten und Barbing überlegen sei. So habe ich für zwei Klassen die Berichte geschrieben – mit der Schreibmaschine (lacht erneut). Diese wurden nochmal gegengelesen, ehe sie veröffentlicht wurden. Damals war ich zwischen 18 und 22 Jahre alt. Als die Lokalradios entstanden sind, habe ich den TV Hemau trainiert. Bei Radio Donauspatz wurden damals eine Woche lang Ortschaften vorgestellt und an den Samstagen wurde in der Sportsendung über den Sport in diesen Ortschaften gesprochen. Als Trainer war ich an einem Samstag Studiogast und am Sonntagmorgen rief mich der damalige Chef Eberhard Rosenhauer an und meinte: „Du konntest so gut reden, wir brauchen dringend freie Mitarbeiter“.

Welche waren Ihre ersten Aufgaben?

Mein erster Auftrag war – ich hatte mir ein altertümliches Aufnahmegerät mit Kassette abgeholt – nach Schwandorf zu fahren und dort Dettmar Cramer zu interviewen. Das muss man sich so vorstellen, als würden Pep Guardiola oder Jupp Heynckes nach Schwandorf kommen. Ich erklärte ihm gleich: „Herr Cramer, ich sag‘ es Ihnen ganz ehrlich: Ich bin total aufgeregt, ich habe schweißnasse Hände. Das ist mein erstes Interview“. Er antwortete daraufhin: „Machen Sie sich keine Sorgen, wir bekommen das hin. Sie müssen nur schauen, dass das Gerät läuft, denn das kann ich nicht“. Immer, wenn ich ihn später im Fernsehen gesehen habe, musste ich an dieses Interview denken. Eine Woche später wurde mir beim Radio erzählt, dass ein Anschluss ins Jahnstadion gelegt worden sei. Mir wurde das Telefon in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich mich zehnmal melden solle. Also von wegen Rhetorikkurs, Sprachkurs, Ablauf… Es hieß einfach nur: „Mach das so wie die Reporter bei Bayern 1“. So ging’s los.

Welche Eigenschaften finden Sie in Ihrem Beruf am Wichtigsten, was sollte man draufhaben?

Als Sportreporter/-in braucht man natürlich eine große Liebe zum Beruf, weil die Arbeitszeiten grausam sind. Da braucht man ein verständnisvolles Umfeld, eine verständnisvolle Familie und vor allem eine/-n verständnisvolle/-n Partner/-in. Damals wie heute, finde ich, sind Ehrlichkeit und Respekt wichtig. Mit dem Respekt ist es vielleicht ein bisschen abwärts gegangen, auch bei den Sportlern. Das merke ich oft. Allerdings – das mag jetzt kurios klingen – je älter ich werde, umso mehr geht es damit wieder aufwärts. Ich werde jetzt eher als ein älterer Herr betrachtet, der das alles schon viel länger macht, als sie überhaupt auf der Welt sind. Ich habe das kürzlich im Interview mit Marvin Knoll (Spieler des SSV Jahn Regensburg; Anm. von Lisa Schatz) gemerkt. Als ich ihm gesagt habe, dass ich schon seit 29 Jahren für das Radio arbeite, hat er mich mit großen Augen angeschaut. Aber insgesamt ist es seit zehn, zwölf Jahren – vor allem bei den Fußballprofis – nicht mehr so wie früher.

 

Ein/-e gute/-r Radioreporter/-in schafft es, „jemandem, der mit einer Erkältung in der Badewanne sitzt, das Gefühl zu geben, er sei live in der Donau-Arena“

Zudem sollte man über einen großen Sprachschatz verfügen. Ich bin heute noch dankbar für mein Studium und die vielen Bücher, die ich gelesen habe. Man braucht natürlich Fachwissen, das ist ganz klar. Man braucht das Talent, dass man jemanden, der am Freitag um 20:45 Uhr in der Badewanne sitzt, das Gefühl vermittelt, dass er eigentlich live in der Donau-Arena dabei ist. Eigentlich sitzt er auf seinem Platz, auf dem er nicht ist, weil er mit einer dicken Erkältung daheim liegt.

Und als Lokalreporter/-in braucht man – sei es Fernsehen oder Radio – die nötige Begeisterungsfähigkeit und den Enthusiasmus, den man jetzt nicht zeigen kann, wenn man für das ZDF arbeitet und der FC Bayern gegen Borussia Dortmund spielt. Aber wenn der EVR gegen Weiden spielt und ich für Charivari arbeite, dann darf ich einfach jubeln, wenn der EVR ein Tor schießt und darf weinen, wenn Weiden trifft.

 

Armin Wolf als Sportler

Dann kommen wir zu Ihnen als Sportler. 2015 sind Sie erstmals beim Berlin Marathon gestartet, in diesem Jahr waren Sie erneut dabei. Inwieweit hatten Sie vorher schon Lauferfahrung?

Den ersten Marathon bin ich vor 21 Jahren in Regensburg gelaufen. Zwei Jahre später war ich beim Charivari-Schlauch-Marathon dabei. Danach bin ich in Regensburg noch einige Halbmarathons gelaufen. Nachdem ich 2000 den Hitzemarathon ins Ziel geschafft habe – mehr tot als lebendig – bin ich nicht mehr gestartet, bis es 2015 in Berlin wieder an den Start ging.

Wieso wollten Sie im vergangenen Jahr ausgerechnet in Berlin laufen? Was hatte Sie dazu motiviert und wie sind Sie an das ganze herangegangen?

Ein ganz enger Freund von mir hatte mir völlig unvermittelt eine SMS geschickt: Er überlege, am Berlin Marathon teilzunehmen, da er den zehn Jahre zuvor schon einmal gelaufen sei. Daraufhin habe ich mit meiner Frau gesprochen und wir haben beschlossen, dass ich mitlaufe. Ich habe meine Kontakte spielen lassen und zunächst bei Herrn Dr. Frank Möckel im Rückenzentrum eine Leistungsdiagnostik gemacht. Daneben habe ich mir von Ernährungsexperte Sebastian Koschel Trainingstipps geholt.

Was war das Wichtigste? Wie lief die Koordination von Trainingsplan und Ihren vielen Terminen als Sportreporter?

Das war das Schwierigste. Ich konnte keinen Trainingsplan einhalten – weder den von Herrn Dr. Frank Möckel noch den von Sebastian Koschel. Das war unmöglich. Als ich den ersten richtigen Härtetest gemacht habe, dachte ich: „Das schaff‘ ich nie. Das schaff‘ ich nie, nein“. Nach sechzehn Kilometern bin ich das erste Mal stehen geblieben und dachte mir: „Armin, jetzt musst du Gas geben, sonst schaffst du das nicht!“.

Dann habe ich mich in kürzester Zeit mit schnellen und langen Läufen fit gemacht. Die weiteste Strecke, die ich dann irgendwann am Stück zurückgelegt hatte, war aber nur 29,30 Kilometer lang. Das war nicht die optimale Vorbereitung. Aber was mir geholfen hat: Ich war eine Woche vor dem Marathon beim mehrfachen Ironman-Teilnehmer  Ludwig Eglmeier. Er meinte, dass das zu schaffen sei. Ich müsse einfach Disziplin halten, dürfe das Ganze nicht zu schnell angehen und das Wichtigste sei das Essen und Trinken. Er hat mir viele von seinen Gels mitgegeben. Ich habe beim Marathon nach 30 Kilometern erstmals überlegt, ob ich mein Tempo erhöhe. Ich war gut in der Zeit, habe das dann aber nicht gemacht, weil ich nicht völlig entkräftet ins Ziel kommen wollte. Nach 38 Kilometern bin ich zum ersten Mal gegangen. Auch dafür hatte ich einen Schlachtplan: Wie gehe ich, in welchem Rhythmus? Ich bin im Wechsel 28 Schritte gegangen und 28 gelaufen. Meine Gesamtzeit betrug letztendlich 5:17:26 Stunden.

Wie war die Stimmung auf der Strecke?

Sensationell! Nach offiziellen Angaben waren 1,1 Millionen Zuschauer auf der Strecke. Du bist in Berlin keinen Kilometer alleine. Mir war klar, dass ich kämpfen muss, also wusste ich, dass ich mentale Unterstützung brauche. Der Name steht ja auf der Startnummer, weshalb ich diese so platziert habe, dass alle Zuschauer meinen Namen sehen konnten. Sie haben mich dann ohne Ende angefeuert. Die Atmosphäre war grandios. Das einzig negative war, dass ich im Ziel meine Frau zunächst nicht mehr gefunden habe.

 

Schwimmbrillenersatz: „Ungewohnt. Dunkler. Drückender.“

Jetzt schwenken wir zum Challenge Regensburg. Sie waren in diesem Jahr als Schwimmer in der Medienstaffel dabei. Wie ist Ihr Team auf die Idee gekommen, teilzunehmen? Wie haben Sie trainiert?

Die Idee kam von mir. Ich dachte, wir könnten als Unterstützung für den Challenge eine Medienstaffel gründen. Deshalb habe ich mit Claus Wotruba von der Mittelbayerischen Zeitung und mit Evi Reiter, die für TVA moderiert, gesprochen. Evi ist eine gute Läuferin, Claus meinte, er könnte nur Rad fahren. Somit ist für mich der Schwimmpart übrig geblieben. Ich habe während meines normalen Schwimmtrainings mit meiner Trainerin geredet. Sie meinte, ich sei verrückt – fügte aber an, dass wir das Training auf weitere Strecken umstellen könnten. Bis dato war die weiteste Strecke, die ich am Stück geschwommen bin, 1,6 Kilometer lang. Da hatte ich immer auf die kleine Distanz für den Triathlon trainiert. Danach bin ich immer um die 2 Kilometer geschwommen. Zwei Wochen vor dem Challenge habe ich im Guggenberger See unter Wettkampfbedingungen trainiert. Kurze Zeit später bin ich beim Triathlon in Regensburg gestartet und habe eine meiner schlechtesten Leistungen abgeliefert. Das war ein absolutes Fiasko und ich wusste, dass bis zum Challenge ist nur noch eine Woche Zeit ist. Ich habe mich bei 500 Metern in der Donau katastrophal präsentiert. Am Dienstag bin ich 25 Minuten im Guggi geschwommen, um Sicherheit zu bekommen. Am Donnerstag bin ich 1,6 Kilometer geschwommen und habe meine Schwimmtasche stehen lassen. Da war meine Schwimmbrille drin. Somit musste ich am Sonntag beim Challenge mit einer anderen Schwimmbrille ins Wasser gehen. Wir haben diese am Samstagabend 25 Minuten lang umgebaut. Ungewohnt. Dunkler. Drückender. Mit so einem Nasenbügel, welchen ich ja überhaupt nicht mag (verzieht das Gesicht). Somit war der erste Schrecken am Sonntag schon mal: „Wie verkrafte ich die Schwimmbrille?“. Ich hab erstmal den Kopf ins Wasser getaucht und gemerkt, dass das klappt. Im Nachhinein ist meine Tasche wieder aufgetaucht…

 

Spenden in Höhe von rund 65.000 Euro für soziale Projekte

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Im Juni 2016 startete das Armin Wolf Laufteam beim Mühlbauer Lauf in Roding für den guten Zweck. Foto: Tanja Scholz

Jetzt kommen wir auf das „Armin Wolf Laufteam“ zu sprechen. Was ist dessen Hintergrundgedanke und wie setzt sich das Team zusammen?

Beim ersten MZ-Landkreislauf wurde ich als Moderator und Helfer der ersten Stunde verpflichtet und wollte etwas zurückgeben. Meine Frau hatte den Einfall, mit einem eigenen Team anzutreten. Wir haben mit unserem Freund Ludwig Eglmeier von der IRON Trizone gesprochen und er hat das Team zusammengetrommelt. Er führte an, dass Trikots schön wären. Für die Trikots brauchten wir Sponsoren. Wir hatten die Idee, dass wir etwas für den Benefizgedanken der Veranstaltung tun könnten. Das war die Geburt des „Armin Wolf Laufteam“. Damals waren wir zehn Sportler. Bei dieser Veranstaltung haben wir 1.000 Euro gespendet. Alle waren begeistert und haben gefragt: „Warum nur einmal?“. Die Anzahl der Sponsoren wurde größer und sie haben mehrfach angefragt, sodass wir bei mehreren Läufen starten konnten. Wir hatten von Anfang an auch immer einen Fotografen und ein Filmteam dabei. Inzwischen haben wir ein Team von 27 Damen und Herren sowie auch eine Nordic Walking-Sparte. Diese besteht aus einem Mann, Vize-Europameister Wolfgang Scholz. Vor einem Jahr haben wir das „Armin Wolf Laufteam Future“ gegründet, welches aus Kindern besteht, die sind zwischen zweieinhalb und zwölf Jahre alt sind. Nächstes Jahr würde ich gerne eine Kindertriathlon-Mannschaft gründen. Insgesamt konnten wir inzwischen um die 65.000 Euro an Geld- und Sachspenden zusammenbringen. Das freut mich, weil wir dadurch schon viel bewirken und vielen Menschen helfen konnten. Ein Beispiel ist der Bau eines behindertengerechten Bads.

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Armin Wolf (Mi.) und seine Frau Alexandra (1. v. re.) mit den Kindern des „Armin Wolf Laufteam Future“, die die Challenge-SiegerInnen ins Ziel begleiteten. Foto: Schatz

-> COMING SOON… Im zweiten Teil des Interviews (erscheint am 14.10.) erzählt Armin Wolf von seinen beeindruckendsten Momenten als Sportreporter. Außerdem spricht er darüber, wie sich die Zusammenarbeit der Sportvereine mit der Presse verändert hat. Und er erklärt, weshalb er sich so stark im sozialen Bereich engagiert und geht dabei verstärkt auf zwei Aktionen ein… Das Warten lohnt sich!