Rückblick und Lesetipps

Ein sportliches „Servus“ an alle Sportfreundinnen und Sportfreunde!

Der erste „richtige“ Blogbeitrag ist vor knapp sechs Monaten online gegangen. Da inzwischen viele neue Leser/-innen hier vorbeischauen, habe ich beschlossen, euch einen kleinen Zwischenüberblick über die bisherigen Artikel zu geben – denn die älteren sind auf Grund des Layouts leider nicht so schnell auffindbar.

 

KURZÜBERSICHT ZU DEN BISHERIGEN INTERVIEWPARTNER/-INNEN UND THEMEN

(EHEMALIGE) FUßBALLPROFIS, SPORTMANAGER/-INNEN UND TRAINER

 

SPORTPSYCHOLOGIE/MENTALTRAINING

 

EHRENAMTLICHE UND FANS

  • Thomas Sandgathe: Ein Fan, der häufig die Einnahmen seiner Gitarrenkonzerte an das Projekt „Herzenswünsche“ spendet
  • Thorsten Röwekamp: Zur Arbeit als ehrenamtlicher Sehbehindertenkommentator

 

SOZIALES ENGAGEMENT UND INTEGRATION IM BZW. DURCH FUßBALL

Also: Lest gerne quer und informiert euch über andere Bereiche des Fußballs.

Sportliche Grüße

Lisa Blue

Die Welt ist rund...
Überdimensionaler WM-Ball beim Empfang der Männerfußball-Weltmeister 2014 in Berlin. Foto: Schatz

 

…in diesem Sinne wünsche ich den Jungs von Horst Hrubesch heute in Rio viel Glück!

Thorsten Röwekamp ist ehrenamtlicher Sehbehindertenkommentator

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Thorsten „Totti“ Röwekamp (re.) und Alexander Friebel (li.) arbeiten als ehrenamtliche Sehbehindertenkommentatoren auf der Alm (=SchücoArena). Foto: Röwekamp

Bielefeld. Thorsten Röwekamp, vielen Arminen als „Totti“ bekannt, ist seit elf Jahren als Sehbehindertenkommentator auf der Alm (SchücoArena; Anm. von Lisa Schatz) im Einsatz. Arminiafan ist er schon seit seiner Kindheit. Er war zudem der erste große Trommler dort und gründete zusammen mit Carsten Vogt den Fanclub „Blue bandits“.

Totti, wie ist es dazu gekommen, dass du Sehbehindertenkommentator geworden bist?

Als die Rollstuhlplätze auf die andere Seite der Alm verlegt und ausgebaut wurden, wurde mehr Personal benötigt. Alexander Friebel (s. Foto; Anm. von Lisa Schatz) hat mich gefragt, ob ich dort als Behindertenbetreuer mitarbeiten möchte und das habe ich gemacht. Einige Zeit später wurde ein Blindenkommentator gesucht. Das habe ich dann einfach mal ausprobiert. Anfangs haben wir mit einem Blinden getestet, ob es überhaupt klappt und so bin ich dabei geblieben.

Hast du in dieser Richtung eine spezielle Ausbildung oder ein Training absolviert oder war das alles Learning by Doing?

Es war wirklich Learning by Doing und auch das Netzwerken hat mir sehr geholfen. Aber im Grunde genommen kam das alles mit der Zeit. Man wird ja nie als Reporter oder Kommentator geboren. Das ist eine Sache, die sich entwickelt.

Verdienst du etwas bei dieser Arbeit oder kommentierst du ehrenamtlich?

Das ist alles ehrenamtlich und Geld würde ich dafür auch nicht haben wollen. Behindertenarbeit ist für mich immer ehrenamtlich und eine Herzensangelegenheit gewesen.

Mit wem arbeitest du zusammen?

Inzwischen sind wir ein großes Team. Begonnen mit dem Kommentieren habe ich damals alleine. Als das von der DFL professionalisiert wurde, wurde gesagt, wir sollten das immer zu zweit machen. Jetzt sind wir ein Team aus sechs, sieben Leuten und haben einen Plan, in welchen wir uns dann immer eintragen. Fast professionell (lacht).

Bist du bei Heim- und Auswärtsspielen dabei?

Zunächst war es so, dass ich als Sehbehindertenkommentator auf der Alm gearbeitet habe. Dann haben wir uns überlegt, dass wir die Hardware haben, um auch zu Auswärtsspiele zu kommentieren. Also haben wir mit dem ASC-Fanradio (ASC steht für Arminia Supporters Club; Anm. von Lisa Schatz) begonnen. Beim ersten Punktspiel mit Stefan Krämer als Cheftrainer auswärts (Spiel gegen die Offenbacher Kickers am 15.10.11; Anm. von Lisa Schatz) hatten wir unsere Premiere mit unserem Auswärts-Livestream. Das hat damals super geklappt und seitdem sind wir für den ASC in wechselnder Besetzung bei jedem Auswärtsspiel dabei.

 

Die Schwarz-Weiß-Blauen spielen „von links nach rechts“

Was ist das wichtigste, worauf du bei deinem Job achten musst? Man kommentiert für Sehbehinderte sicherlich anders als für Sehende.

Was beispielsweise ein Sky-Reporter macht, ist mit unserer Arbeit gar nicht zu vergleichen. Ein solcher kann das Spiel auch mal zwei Minuten laufen lassen, weil der Zuschauer ja sieht, was auf dem Feld passiert. Der Kommentator muss also nicht jeden Ballkontakt zu kommentieren. Einen Blinden hingegen kannst du nicht eben mal zwei Minuten des Spiels alleine lassen. Es fängt ja schon bei der Kleidung der Spieler an. Der Nutzer im Internet weiß, was ich meine, wenn ich sage: „Zur Südtribüne hin“. Wenn ich für Sehbehinderte kommentiere, muss ich sagen: „Von links nach rechts“ oder „von rechts nach links“. Außerdem beschreibe ich, wie die Kleidung der Spieler aussieht. Zudem nenne ich den Namen des Schiedsrichters und erzähle, woher dieser kommt. Wichtig ist vor allem die Verortung: Wo ist der Ball? Was passiert gerade? Wer ist am Ball? Warum? Wieso? Also, immer detailliert zu beschreiben. Es ist auch wichtig, die Spieler körperlich zu beschreiben. Klos ist zum Beispiel 1,94 m groß und wiegt um die neunzig Kilo. Ein Mensch ohne Sehbehinderung sieht das, der denkt dann auch: „Was reden die denn da?“. Es ist schon ein riesengroßer Unterschied zwischen dem Heim- und dem Auswärtsspiele-Kommentieren. Unsere Hörerinnen und Hörer möchten auf jeden Fall möglichst genaue Informationen.

Worüber sprichst du als Erstes?

Wir starten immer fünf Minuten vor dem Spiel und versuchen möglichst viel in diese Zeit hineinzupacken – ohne, dass es zu viel wird. Zuerst sprechen wir die Aufstellung ein. Bei der Hymne sind wir immer ganz ruhig – einfach, weil uns währenddessen überhaupt keiner zuhören würde. Unsere Hörerinnen und Hörer sitzen dann unten, singen und feiern mit und heben die Schals hoch. Sie sind eben wirklich Fans.

Wie bereitet ihr euch genau auf die Partien vor?

Vor dem Spiel lesen wir den kicker. Außerdem werden wir von der DFL mit einer Informationsmappe ausgestattet. Da steht wirklich drin, wer wann welche Socken getragen hat. Am wichtigsten sind für uns die ersten fünf der vierzig Seiten. Der Rest ist sehr viel Statistik. Man darf die Zuhörerinnen und Zuhörer auch nicht überfordern. Wir versuchen die ersten fünf Minuten Randerscheinungen reinzupacken: Infos über den Schiedsrichter, zur Aufstellung. Alles andere versuchen wir ins Spiel einfließen zu lassen. Das hat mitunter Längen, in die wir viel einbauen können. Jetzt, da das 111-jährige Jubiläum von Arminia ansteht, machen wir auch mal Werbung dafür.

Wie viele Plätze gibt es in Bielefeld für Sehbehinderte?

Es gibt zehn Plätze plus zehn Plätze für Begleitpersonen. Die Begleitpersonen zahlen keinen Eintritt. Auf Dauer wird die Anzahl der Plätze aufgestockt. Wenn sich Arminia in der zweiten Liga hält, wird es mehr Plätze geben, weil dann auch mehr sehbehinderte Fans der Gästevereine kommen. Gerade hier aus der Nähe, vor allem aus Paderborn oder Köln. Zum Vergleich: In Paderborn müssen die Begleitpersonen Eintritt bezahlen. Das ist in Deutschland einzigartig, da ist der SCP ganz hinten. Jedes Jahr wird neu darüber diskutiert, aber der SCP braucht das Geld.

Kommentierst du neutral, wenn Gästefans zuhören?

Nein, das nicht. Wenn ich weiß, dass Gästefans mithören, werden diese begrüßt. Ich probiere dann auch möglichst neutral zu sein. Aber ich bin im Herzen DSC-Fan und wenn Arminia ein Tor schießt, dann freue ich mich natürlich immer mehr.

Welche Anekdoten hast du in Zusammenhang mit Arminia erlebt?

Schön sind natürlich die Aufstiegsspiele gewesen, als wir über den Äther die Stühle fliegen hörten. Wenn man einfach aufspringt, weil man sich so freut, und die Stühle, die auf der Pressetribüne sind, erstmal wieder aufkramen muss. Oder wenn sich während dem Kommentieren der komplette Kaffee über das Equipment ergießt (lacht). Alles schon passiert. Wenn wir nach den Spielen mit unseren Zuhörerinnen und Zuhörern reden, werden wir natürlich auf derartige Vorkommnisse angesprochen. Wir versuchen sowieso, alles nicht so stocksteif zu kommentieren. Ich glaube, wir haben da eine ganz gesunde Mischung. Im Laufe der Jahre haben sich Teams herauskristallisiert. Alex Friebel und ich, wir verstehen uns blind. Uns kannst du nachts um zwei wecken und wir bringen dir immer noch eine 100%-Reportage auf den Tisch. Das ist einfach schön und ein gutes Gefühl, wenn man sich auch privat super versteht.

Was war das Lustigste, das du bisher erlebt hast?

Witzige Erlebnisse hatten wir oft auf Grund unserer Presseplätze in verschiedenen Städten. So zum Beispiel in Münster, worüber jeder sagt: „Da kannst du nicht sitzen!“. Da sitzt man und macht sich neunzig Minuten lang Gedanken, wie man dort jemals wieder herauskommt. Und da fragt man sich eben schon, wer so etwas baut. Alle regen sich darüber auf. Ich erinnere mich an ein Auswärtsspiel gegen Preußen Münster. Zwei Kollegen wollten nach dem Spiel in die Mixed Zone und hatten wirklich keine Wahl, als über uns hinüberzuklettern. Sie waren kurz davor, zu stolpern und zu fallen. Eine andere Geschichte sind die Auswärtsfahrten in den Süden: Wenn wir lange Fahrten haben und an Kirchheim vorbeikommen, dann gibt es dort immer Eifrühstück. Das sind Riten, die wir uns über Jahre angeeignet haben. Auf der Rückfahrt gibt es dort immer Schnitzel. Lustig, witzig und auch informativ sind die zweitägigen Treffen, die von der DFL organisiert werden. Diese finden meist in Kamen-Kaiserau statt. Das ist immer eine richtig tolle Sache. Die Atmosphäre ist hochproduktiv und man kennt die Kollegen schon über Jahre hinweg. Natürlich ist es auch toll, von der DFL ein bisschen gebauchpinselt zu werden. Das wird auch von Arminia übernommen. Die Behindertenarbeit wird in Bielefeld sehr groß geschrieben. Im Sehbehindertenbereich haben wir mit den Stadtwerken auch einen Partner, der sich sehr generös zeigt.

 

„Bei Arminia ist niemand abgespaced“

Was fasziniert dich am meisten an Arminia und am Umfeld?

Arminia ist halt Arminia und da gibt’s auch keine Alternative. Ich kann das nicht beschreiben. Wenn du einmal auf der Alm warst, dann ist das so eine Art Magie. Es ist wirklich so. Wenn du vierzig Jahre da warst, dann hast du alles mitgemacht. Arminia ist eine ganz große Familie. Da ist ja nie jemand, der in einer anderen Ära spielt. Fabian Klos triffst du morgens beim Brötchen holen. Bei Arminia ist niemand abgespaced oder in einer anderen Welt. Das hat in Bielefeld keiner nötig und das würde auch nicht gut ankommen.

Welches war dein persönlich schönstes Arminia-Erlebnis?

Der erste Aufstieg zurück in den bezahlten Fußball. Das war schon eine riesen Nummer. Der Verein kratzt ja immer zwischen den Welten. Aber damals, das waren ja elf Jahre, in denen man nicht im bezahlten Fußball gespielt hat. Klar, wurde da viel Geld investiert und auch verbrannt. Der Aufstieg war schon der wichtigste.

Wie würdest du Arminia mit drei Worten beschreiben?

„Ich liebe dich.“

Vielen Dank für das Interview.

Sehr gerne.

 

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

-> Einen Reisebegleiter für barrierefreie Stadionbesuche hat die Bundesliga-Stiftung online gestellt (-> hier klicken).

-> Weitere Informationen zum Almbesuch für Menschen mit Behinderungen findet ihr hier.