Almuth Schult über die Elternzeit im Profifußball, das Pendeln zwischen Spielen und Hochschule sowie die DFB-Trainerausbildung

Almuth Schult äußert: „Ich würde mich darüber freuen, wenn ein Mann sagen würde er geht jetzt in Elternzeit, um einfach ein Zeichen zu setzen. Foto: DFB

Aktuell bist du vereinslos. Wie ist die Situation für Spielerinnen mit Kind bzw. Kindern? Du warst ein paar Monate in den USA. Wenn du dahingehend einen Vergleich ziehst – oder wenn wir uns Chelsea anschauen, sie sind da schon sehr weit mit ihrem „Rundumpaket“: Sie bieten einen Tarifvertrag und viele Zusatzleistungen an, auch für die Büromitarbeitenden. Was sollte sich in der Hinsicht in Deutschland möglichst schnell ändern? Es ist wichtig, dass sich etwas tut. Du hast mehrfach erwähnt, dass man sich als Spielerin durchrechnen muss, was man sich leisten kann. Viele Bundesligaspielerinnen sind noch nebenberuflich tätig. „NEBENbei!“

Das ist so. Als Spielerin hat man in Deutschland, wenn man blauäugig herangeht, erstmal keine Ahnung, was man verdienen kann. Was man verdienen sollte. Welche Hintergründe und Rechte es gibt. Klar hat man in Bezug auf Deutschland die üblichen Arbeitnehmerrechte, wenn man angestellt ist und Mindestlohn verdient. Das heißt es gibt klare Regeln in Richtung Mutterschutz usw. Auf der anderen Seite ist immer noch die Frage: Wie funktioniert die Reintegration?

Und die Kinderbetreuung,…

Ja, es gibt eben keinen Übergang. Man hat nach der Geburt die acht Wochen Mutterschutz und theoretisch müsste man danach wieder voll ins Training einsteigen.

Was nicht geht, von Null auf Hundert…

Genau. Das ist normalerweise nicht möglich. Dafür muss eine Lösung gefunden werden. Natürlich möchte der Arbeitgeber keine volle Kraft bezahlen, wenn sie nicht voll arbeiten kann. Aber wie soll es gehen? Sagt man, man setzt jedes zweite oder dritte Training aus und bekommt nur 50 Prozent des Gehalts?

Es existieren noch viele Fragen. In manchen Ländern ist das tarifvertraglich geregelt. In den USA gibt es sogar noch einen extra Topf, aus dem die Mütter für die Kinderbetreuung Geld erhalten. Also jede Mutter hat Anspruch auf einen monatliche bzw. jährliche Auszahlung. Zusätzlich. Man verdient in dem Sinne mehr Geld. Was richtig ist, weil Kinder einfach viel Geld kosten und ohne Betreuung geht’s nicht. Man kann als Profisportlerin nicht auf eine Kinderbetreuung in der Kita oder im Kindergarten hoffen. Das kann zwar einen Teil abdecken, wenn man vormittags trainiert, aber sagen wir mal: Man hätte um 15:30 Uhr Trainingsstart und die Kita macht um 15:00 Uhr oder 14:00 Uhr dicht…

Oder im Fall von Champions League-Spielen…

Ja, oder am Wochenende: samstags oder sonntags. Das ist die Hauptarbeitszeit, man ist unterwegs, auch zu den Auswärtsspielen. Das sind unregelmäßige Arbeitszeiten. In Deutschland ist es sehr verpönt, privates und berufliches zu vermischen – egal in welchem Beruf. Das ist also im Profisport sehr, sehr schwierig. In den USA ist das gewachsen, dass Kinder überall mithindürfen. Dass sie vor dem Spiel in der Kabine sind, dass sie mit dem Mannschaftsbus zum Stadion fahren. Das ist nach meiner Erfahrung kein Problem. In Deutschland wäre das undenkbar. Das kann sich selbst ein Fan nicht vorstellen, dass das in Deutschland gemacht würde. In den USA ist es normal und sie gucken dich eher an, wenn du sagst: „Ach echt, darf man das hier?“ – „Ja, warum denn nicht?“. Da sind die Kinder ein Teil der Fußballfamilie. Von daher gibt es noch ein bisschen was zu tun, um Kompromisse und Lösungen zu finden. Der Fußball in Deutschland ist sehr männlich geprägt. Er ist über die Männerstruktur gewachsen. Da ist es normal gewesen, dass Kinder kein Teil davon sind. Auch die Sportwissenschaft ist so gewachsen, dass sie sich hauptsächlich auf Männer konzentriert. Das fängt schon damit an – das ist immer das Thema: zyklusbasiertes Training. Aber es geht auch darum: Bis wann kann man trainieren? Wann darf man nach einer Geburt wieder trainieren? Wie trainiert man? Welche Übungen macht man, worauf muss man achten? Da herrscht nicht viel Erfahrung. Diese muss erst aufgebaut werden. Da sind andere Länder schon weiter. Es wird auch immer der Faktor Geld angesprochen: Dass man sagt, dass Mütter einfach mehr Geld kosten. Ja. Auf der anderen Seite wollen wir immer gerne Nachwuchs gewinnen für unsere Sportart.

Man kann prominente Beispiele aufzählen von Profispielern und deren Kindern. Nehmen wir Kasper Schmeichel. Vielleicht wäre er niemals Fußballtorwart geworden, wenn sein Vater das nicht gewesen wäre. Er ist es selbst auf Weltklasseniveau geworden. Man kann noch weitere Spieler benennen, die ihre Kinder in Akademien haben. Die prominentesten sind vielleicht Messi und Ronaldo, aber auch welche aus Deutschland. Beispielsweise die Söhne von Klinsmann oder Kirsten. Auch die Jungs haben es irgendwie geschafft, in den Profisport reinzukommen. Vielleicht sollte man dies als Investition in die Zukunft betrachten.

Ich bemerke es an meinen Kindern: Dass sie vermutlich im Alter von drei Jahren an Fußball so interessiert sind wie wenige Gleichaltrige. Dass sie auch schon gegen den Ball treten und die Spielerinnen kennen, weil sie mit ihnen zusammen Zeit verbracht haben.

Ich glaube, dass da ein Umdenken stattfinden sollte. Dass man sich die Situation ganzheitlich anschaut und guckt, was dabei herauskommt. Aber es ist schon mal ein Schritt gemacht, weil für dieses Thema in den letzten Jahren eine Sensibilisierung stattgefunden hat. Auch von Seiten der FIFA: Sie hat ihre Regularien so geändert, dass beispielsweise der Mutterschutz für alle Ligen gilt. Das ist gut. Es geht voran. Aber es gibt noch sehr, sehr viel zu tun, um auch Müttern – oder sagen wir mal Frauen – die Angst zu nehmen, dass sie sich für Kind oder Karriere entscheiden müssen. Natürlich will man niemanden unter Druck setzen. Jede Frau sollte das handhaben, wie sie das möchte. Es sollte einfach nur die Möglichkeit geben. Und auch die Möglichkeit mit einem vernünftigen Gefühl.

„Ich würde mich darüber freuen, wenn ein Mann sagen würde er geht jetzt in Elternzeit, um einfach ein Zeichen zu setzen.“

Es ist aber auch krass, wenn man den Fußball der Männer anschaut. Wenn ich aus eigener Erfahrung spreche: Ich übe hauptberuflich einen Bürojob aus und natürlich gehen Männer in diesem Umfeld in Elternzeit. Wenn wir uns die Bundesliga der Männer anschauen: Das ist m. E. in Deutschland in den Köpfen undenkbar, dass jetzt ein Spieler mehrere Monate fehlen würde, um auf sein Kind aufzupassen.

Ich kann’s ja auf der anderen Seite auch verstehen. Sie haben gar keinen Bedarf daran. Sie verdienen so viel Geld, dass sie sich Tagesmütter leisten können. Man muss sehen, von welchen Gehaltseinbußen sie leben würden. Wenn man jetzt ein „normales Gehalt“ von – sagen wir mal 3.000 Euro netto hätte – und man würde in der Elternzeit auf diese 1.500 Euro fallen, dann sag‘ ich: „Hey, ich kann das vielleicht verkraften“. Aber wenn ich netto ein Monatsgehalt von 40.000 Euro hätte und würde auf 1.500 Euro fallen, dann überlegt sich jeder normale Mensch, ob er das macht oder nicht..

Meiner Meinung nach sammeln die männlichen Profis über die Jahre schon sehr viel Geld an, also im Vergleich zu einer hohen Anzahl anderer Berufe. Sie sind dann einen gewissen Lebensstandard gewohnt, dass sie wohl auch anders leben.

Es ist ja auch für die Zukunft: Es geht dann nicht nur um einen Prozent der kompletten Arbeitszeit bis zum Alter von 67 Jahren, sondern es kann jeden Monat vorbei sein. Man kann sich jederzeit verletzen und es läuft vielleicht auf ein Karriereende hinaus. Man weiß, dass es eine natürliche Altersgrenze gibt. Klar gibt es einen japanischen Profi, der mit 56 Jahren immer noch spielt. Normalerweise ist zwischen 30 und 36 Jahren Schluss. Das kann man sich dann ausrechnen. Jeder normal denkende Mensch würde sagen: „Puh, wenn ich bis zu dem Zeitpunkt noch 500.000 Euro mehr scheffeln kann, die ich mir als Privatier auf die Seite lege“ – also, wenn sie es überhaupt machen – würde sich jeder dafür entscheiden. Deswegen ist es nachvollziehbar. Aber natürlich würde ich mich darüber freuen, wenn ein Mann sagen würde er geht jetzt in Elternzeit, um einfach ein Zeichen zu setzen. Weil er es sich leisten kann für zwei, drei Monate.

Wir hatten über die USA [1. Teil des Interviews siehe hier; Anm. von LS] gesprochen. Wie ist das: Ein Teil der Einnahmen des Angel City FC wird an soziale Zwecke gespendet?

Almuth Schult (3. von links) während ihrer Zeit in den USA. [unbezahlte Werbung wegen Markenerkennung] Foto: Angel City FC

Beim Angel City FC ist es so, dass zehn Prozent aller Sponsoreneinnahmen in soziale Projekte fließen müssen. Die Sponsoren können sich aussuchen, wohin. Es muss aber regional sein, also z. B. nicht in New York, sondern wirklich direkt in Los Angeles. Dadurch haben sie einen Mehrwert für die Region.

Wenn man sich vorstellen würde: Real Madrid, Manchester United und Bayern würden zehn Prozent ihrer Sponsoreneinnahmen nehmen und diese in soziale Projekte stecken, dann kämen Millionenbeträge zusammen. Das ist eine Eigenschaft von Angel City, die ich sehr bewundert habe.

War das ausschließlich in LA oder kennst du ähnliche Beispiele anderer Clubs in den USA?

Ich habe das das erste Mal bei Angel City gehört. Mir ist nicht bekannt, ob es schon Nachahmer gab. Aber dadurch, dass sie sich neu gegründet hatten, konnten sie Konzepte erstellen. Wenn du von Anfang an nur mit 90 Prozent planst, fehlt dir nichts im Haushalt. Aber du kannst dich noch einmal anders mit der Region identifizieren und wirst vermutlich auch nochmal eine andere Unterstützung aus der Region bekommen, weil die Menschen wissen: Mit jedem einzelnen Sponsor tun wir etwas für die Region. Und du willst ja immer eine Identifikation mit dem Verein haben.

Das kommt sehr sympathisch rüber. Hast du vor Ort etwas vom Kansas City FC erfahren – dass sie ein Stadion bauen? Sie wollen dort Stillräume integrieren und alles sehr modern gestalten.

Hab‘ ich mitbekommen. Sie haben noch nicht angefangen zu bauen, aber das Stadion ist in Planung. Dahinter steckt ein großer Investor. Sie haben bereits das Trainingsgelände gebaut. Das habe ich gesehen. In den USA ist es so, dass man bei Auswärtsfahrten immer beim Heimteam trainieren darf. Das wäre in Deutschland nicht möglich – dass plötzlich Dortmund kommt und sagt: „Ja, wir würden gerne an der Säbener Straße [Trainingsgelände des FC Bayern München; Anm. von LS] trainieren“. In den USA ist es im Tarifvertrag inkludiert, dass man den Heimtrainingsplatz für die Auswärtsteams zur Verfügung stellen muss, damit gleiche Bedingungen herrschen. Man muss dazu sagen: Es ist schön, dass das passiert. Aber es sollte auch mit Sinn und Verstand sein. Auf dem Trainingsgelände des Kansas City FC sind manche Dinge nicht funktional für den Fußball gewesen, weil es jemand geplant hat, der da nicht so dringesteckt hat. Ich bin gespannt, wie das Stadion letztendlich aussehen wird und hoffe, dass sie Fehlplanungen vermeiden.

Wie meinst du das im Detail?

Dass Räume nicht so groß waren, dass man sie für den Zweck nutzen konnte, der angedacht war. Was passieren kann, wenn das jemand außerhalb einer Mannschaft plant. Ich kenne Stadien, in denen der Physiobereich für die Mannschaft vergessen wurde und dies erst hinterher aufgefallen ist. Das gibt’s überall. Auch bei anderen Bauunternehmungen. Fehlplanungen wie vielleicht bei Stuttgart 21.

Aber so ein Physiobereich ist ja eigentlich ein Standard…

Es wird immer mal was vergessen, wenn ein Architekt damit keine Berührungspunkte hat. Es ist gut, wenn man das vorher abfragt. Deswegen, ja, Kansas City – aber sie sind ja nicht die einzigen. Man merkt, dass die neuen Lizenzen verkauft sind, dass die Liga auf 14 Mannschaften aufgestockt wird, und da stehen wieder Großinvestoren dahinter: Dort, wo in der Liga in den USA etwas neu gebaut wird, ist ein richtiger Boom. Es ist allerdings noch unterschiedlich, wenn man die Ost- und Westküste betrachtet. Gerade an der Westküste hat man das Gefühl, dass die Sportart richtig angekommen ist. Dort sind die Stadien nahezu immer ausverkauft.

In Orlando sind hingegen nicht viele Zuschauer. In North Carolina kommt es immer darauf an, welches Auswärtsteam zu Gast ist. Aber wenn man das mit Portland vergleicht, mit San Diego, mit Los Angeles, ist das ein ganz anderes Level.

Als Nächstes eine ganz allgemeine Frage: Was bedeutet Fußball für dich, wenn du es in drei Worten ausdrücken müsstest?

Zum einen ist Fußball für mich eine Gemeinschaft, was ich toll finde. Es wird nie langweilig, weil jedes Spiel anders ist und damit ist es immer etwas Neues. Und er ist auch immer Emotion. Das kann man nicht ausklammern. Ob man jetzt hier im Garten mit den Kindern spielt oder mit den Nachbarn auf dem Dorfplatz. Man wird immer Emotionen finden, das Spiel ist nie gleich und es ist immer ein Zusammenschluss von Menschen in kurzer Zeit. Wir haben im Urlaub erlebt, dass sich plötzlich innerhalb von ein paar Minuten ein Fünf gegen Fünf aufgetan hat, und wir dachten: „Hey, wir haben die Leute vorher nicht mal gekannt, wir können noch nicht mal ihre Sprache sprechen, aber wir können mit ihnen Fußball spielen.“ Das geht auch mit anderen Sportarten, aber der Fußball ist sehr leicht zu organisieren, weil man an sich keine Tore bräuchte. Man kann Schuhe oder Dosen oder Flaschen hinstellen und braucht nur einen Ball. Selbst in der Schule hat man mit einem Stein oder mit einer Dose gespielt. Es gibt an sich immer Möglichkeiten, Fußball zu spielen. Deswegen verbinde ich diese drei Begriffe damit.

Almuths Botschaft an fußballbegeisterte Mädchen: „Habt Spaß!“

Was würdest du jungen Mädels, die professionell Fußball spielen wollen – oder, ich will mich nicht darauf beschränken – Mädchen, die im Fußballbereich arbeiten wollen, mit auf den Weg geben wollen?

Das Wichtigste und was ich jedem auf den Weg gebe, ist immer, dass man Spaß haben muss. Man muss immer glücklich sein mit der Aufgabe, die man hat und mit dem, was man macht. Wenn man morgens aufsteht und sich schon quält – klar, gibt es auch solche Tage – aber wenn sich an 90 Prozent der Tage fragt: „Was mach‘ ich hier eigentlich?“, dann müsste man etwas verändern. Genauso sollte es im Fußball auch sein. Ob man dort arbeitet oder spielt: dass man seine Leidenschaft und seine Emotionen entwickelt und dann ist der Fußball als Familie normalerweise sehr dankbar.

Direkt nach den Punktspielen in Richtung Hochschule

Ist es richtig, dass du an der SpoHo [Deutsche Sporthochschule Köln; Anm. von LS] studiert hast? Wie konntest du das Studium und den Profifußball verbinden, weil du ja nicht durchgehend in Köln gelebt hast?

Almuth Schult stand beim VfL Wolfsburg im Tor. Nach ihren Spielen pendelte sie zur Deutschen Sporthochschule. [unbezahlte Werbung wegen Markenerkennung]
Foto: VfL Wolfsburg

Das stimmt. Ich habe während des Studiums zwei Jahre in Köln gewohnt. Danach bin ich gependelt. Zu der Zeit damals bin ich auch gependelt, weil ich nicht in Köln spielen konnte. In Köln gab’s da noch keinen Verein, der ein Frauenteam in der ersten Liga  hatte. Ich habe Sport und Leistung, also Trainingswissenschaft und Diagnostik, studiert bzw. ich muss noch meine Bachelorarbeit schreiben. Ich bin seit Jahren scheinfrei, aber ich habe mich noch nicht in die Bibliothek gesetzt. Es ist mein größtes Hindernis, mir mein Quellenverzeichnis herauszusuchen. Ich hasse das. Bis jetzt war es glücklicherweise noch nicht so, dass ich damit anfangen musste und es kamen viele andere Projekte rein, die spannend sind. Aber es ist noch nicht abgehakt, ich bin noch als Langzeitstudentin eingeschrieben. Das Studium an sich hatte ich relativ schnell fertig. In der Regelstudienzeit habe ich es dennoch nicht geschafft. Das hätte geklappt, wenn ich weiterhin in Köln gewohnt hätte. Aber mit meinem damaligen Verein Bad Neuenahr ging’s nicht weiter und somit bin ich von Wolfsburg aus gependelt. Ich habe auch vorher schon zwei Semester in Magdeburg studiert, konnte leider meine Credit Points nicht anrechnen lassen. Obwohl Bachelor und Master extra geschaffen worden sind: Kein Kurs wurde angerechnet, ich musste komplett von Neuem starten, weil die Sporthochschule sagte, dass bei ihnen die Prüfungen bestimmt schwerer seien.

Von Wolfsburg aus war es eine verrückte Pendelei für zwei bis drei Jahre. Da habe ich versucht, die Kurse abzudecken. Man hat an der Sporthochschule sehr viel Präsenzzeit, das heißt, man kann nicht sagen, dass man sich die Vorlesungen online anschaut oder nur durch die Papers durchgeht. Das funktioniert nicht. Ich bin zweimal pro Woche von Wolfsburg nach Köln zur Uni gependelt. Montags und donnerstags hatte ich Unitag. Das bedeutet: Ich bin immer im Anschluss an die Spiele, also jeweils am Sonntagabend von Wolfsburg oder Freiburg, oder wo auch immer das Auswärtsspiel war, direkt nach Köln gefahren. Dort war ich meist von 07:00 Uhr bis 19:30 Uhr. In die Mittagspause habe ich oft meine Regeneration oder mein Krafttraining reingelegt. Das durfte ich unabhängig von der Mannschaft am Olympiastützpunkt machen. Montagabends bin ich nach Hause gefahren, damit ich dienstags beim Training war. Mittwochs bin ich nach Champions League-Spielen auch nach Köln gefahren, um donnerstags einen halben, dreiviertelten Tag – meist bis 14:00 Uhr – in Köln zu verbringen und bin anschließend losgefahren, damit ich um 17:00 Uhr, 18:00 Uhr in Wolfsburg trainieren konnte. Freitags war ich wieder regulär im Training.

Wow. Richtig starke Sache.

Anders ging’s nicht. Bei einem Uniwechsel hätte ich vermutlich wieder von vorne beginnen müssen.

Das war noch nicht diese Fernstudienzeit, gell…

Überhaupt nicht. Es war so: Wolfsburg hat keine Uni, das nächste wäre Braunschweig, Magdeburg oder Hannover gewesen.

Welche Ziele hast du – wenn du auf die Zeit nach dem Profifußball blickst? Hast du schon etwas konkretes im Kopf? Vielleicht im Sportmedienbereich, weil du bereits einiges für das Fernsehen machst? Oder – da du aktuell die Kleinen im lokalen Verein trainierst – möchtest du eher eine Karriere als Trainerin einschlagen? Oder willst du dich noch nicht festlegen?

Ich bin da komplett offen, ich habe mich auf gar nichts festgelegt. Das würde ich nie machen. Ich habe einen Trainerschein und könnte jetzt in einem Nachwuchsleistungszentrum einsteigen. Zudem arbeite ich im Medienbereich, war oder bin ehrenamtlich tätig. Ich habe schon immer versucht, etwas neben dem Fußball zu machen. Auch als junges Mädchen. Im Alter von 14 Jahren habe ich meinen Schirischein gemacht und auch meinen ersten Trainerlehrgang.

Es gibt so viele andere Projekte, für die ich angefragt bin: Ob das jetzt „Fußball kann mehr“ ist oder eine Spielervereinigung, viele internationale Projekte. Mir wird nicht langweilig und ich bin froh, dass ich das jetzt in meiner vermeintlich fußballfreien Zeit Freiraum dafür habe. Aber wohin es geht, keine Ahnung. Vielleicht wird es ja noch etwas komplett anderes. Schauen wir mal.

DFB-Trainerausbildung: Als gemeinnützige Einrichtung muss man den Profi- und Amateurfußball abbilden

Zurück zum DFB. Wie siehst du die Entwicklung: Entfernt sich der DFB generell viel zu sehr von der Basis, vor allem mit diesem „Zurück an die Weltspitze“ – was m. E. eher aus dem Männerbereich kommt – oder findest du, dass er jetzt doch auch viel macht, mit der DFB-Akademie etc.? Ich sehe ehrlich gesagt die zwei Seiten der Medaille.

Jeder wird da seine subjektive Meinung haben, was vollkommen in Ordnung ist. Was man nicht abstellen kann in einer bunten Gesellschaft. Es gibt Menschen, die garantiert davon profitieren, dass sich der DFB umstrukturiert und dass er auch eine Akademie gegründet hat. Genauso wird es Menschen geben, die das total bescheuert finden.

Ich sehe manche Sachen, die ich echt gut finde, und es gibt Dinge, über die ich mich aufrege. Jetzt gerade gab es eine neue Diskussion in Richtung der Trainerausbildung: ein neu geschaffenes Punktesystem, was es für ehemalige Profispieler erleichtert in Trainerlehrgänge zu kommen. Allerdings ist es zweifelhaft für Menschen, die nicht so hoch gespielt haben, ob ihnen tatsächlich eine Chance gegeben wird. Wir haben für solche Menschen genug Beispiele in der Bundesliga. Der bekannteste ist wahrscheinlich Julian Nagelsmann. Er wäre mit dem Punktesystem vermutlich nicht derart eingestiegen in die Trainerlizenz. Das ist in gewisser Weise schade, weil der DFB sich irgendwie einen zweiten Zweig offenhalten muss, um die komplette Gesellschaft abzubilden.

Wie würdest du das regeln? Ich finde es brutal schwierig. Der DFB hat da ein Monopol inne, du musst die Lizenzen beim DFB absolvieren. Dann werden so wenige Leute in die Lehrgänge aufgenommen. Einen aktuellen Fall gibt es in Unterhaching: Der Verein ist in die Dritte Liga aufgestiegen. Marc Unterberger ist seit 2010 als Trainer bei der SpVgg Unterhaching tätig, hat von der U11 bis zur U19-Bundesliga bzw. U21 alles durchlebt. Er hat die A-Lizenz und identifiziert sich zu 100 Prozent mit dem Verein. Das erinnert ein bisschen an Julian Nagelsmann, der lange im Jugendbereich tätig war. Jetzt wird diskutiert, dass Marc Unterberger noch nicht einmal in den Fußballlehrer-Lehrgang aufgenommen ist. Der Verein ist seit Herbst 2022 in engem Austausch mit den Gremien des DFB und geht stark davon aus, eine gemeinschaftliche Lösung zu finden.

Das ist das Problem. Ich glaube, der DFB will gerne den Profifußball und den Amateurfußball abbilden. Von daher muss er auch zwei Zweige schaffen. Warum denn nicht? Du kannst ja zu einem Lehrgang eine gewisse Anzahl an ehemaligen Profis zulassen und dann hast du noch ein anderes Zulassungsverfahren für die „Amateure“ in dem Sinne. Dass man guckt: Wie lange arbeitet man schon im Verein, wie viele verschiedene Jugenden hat man trainiert? Was ist vielleicht auch als Rückmeldung von dem Verein als eine Art Zeugnis herausgekommen?

Man hat nicht umsonst in den vorherigen Lizenzlehrgängen Empfehlungen bekommen für eine vermeintliche höhere Lizenz oder nicht. Welche Punkte hat man erreicht? Das System war nicht komplett falsch. Sonst wären deutsche Trainer im Ausland nicht derart angesehen. Auf der anderen Seite muss man auch zu Gute halten: Natürlich ist es für einen Sportwissenschaftler leichter, Dinge in der Trainerlizenz zu adaptieren als für jemanden, der vielleicht eine BWL-Ausbildung hat. Aber wo ist da das Kriterium, wenn jemand etwas mit Leidenschaft macht? Und Fußballtalent in dem Sinne, dass du selbst spielst, das muss dir in die Wiege gelegt sein, weil es etwas Körperliches ist. Aber du kannst trotzdem einen Fußballverstand entwickeln und den sollte man nicht zu niedrigschwellig ansetzen.

Ich bin da auch sehr zwiegespalten und würde mir wünschen, dass der DFB es schafft, Amateure und Profis abzubilden. Das ist auch der Wunsch von vielen Vereinen: dass man auch als Amateur gehört wird, dass die Landesverbände gehört werden. Das darf der DFB definitiv nicht verlieren. Aber natürlich ist eine qualitative Auswahl immer mit mehr Aufwand und Ressourcen verbunden und dadurch schwieriger breit gefächert und gerecht zu gestalten.

Es sind viel zu wenige Plätze vorhanden, das ist definitiv ein Problem. Klar wird man nie alle reinbringen, weil einfach viel zu viele den Lehrgang machen wollen. Aber es sind extrem wenige Plätze… (nachdenklich)

Ja, und es ist mittlerweile wirklich teuer. Wenn du für die A-Lizenz 10.000 Euro bezahlen sollst – wer kriegt’s hin? Es gibt immer Verbesserungspotenzial und eigentlich ist es gut, wenn nicht die breite Masse meckert, sondern nur vereinzelte Leute. Man allerdings zur Zeit das Gefühl, dass  die breite Masse meckert. Hoffen wir mal, dass die Stimmung wieder besser wird, und der DFB seinen Auftrag als gemeinnützige Einrichtung erfüllt.

Vielen Dank für deine Zeit, Almuth!

Teil II: Anson Dorrance über Sportpsychologie und die Revolution im Fußball der Frauen

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die mentale Gesundheit oder die Sportpsychologie für Ihre Arbeit? Denn in meinen Augen sind die USA in der Hinsicht viel besser als Deutschland aufgestellt. Es war so, als ob Jürgen Klinsmann die Themen 2004 erstmal überhaupt aus den USA nach Deutschland gebracht hätte, und alle in Deutschland dachten: Oh, was macht der denn da?. Er installierte einen Sportpsychologen, mehrere Fitnesstrainer und so weiter. In meinen Augen war das so: „Oh, lass es ihn einfach machen“, und dann erreichte Deutschland bei der Weltmeisterschaft 2006 den dritten Platz – was eine großartige Leistung war. Wie wichtig ist das für Ihre Arbeit und wie hat sich das von der Zeit, als Sie als Trainer begonnen haben, bis heute entwickelt?

Nun, ich denke, alle großen Trainer sind Sportpsychologen. Auch wenn sie das nicht studiert haben und auch wenn sie sich nicht dazu bekennen, es zu zeigen. Denn eines der wichtigsten Elemente auf höchstem Niveau ist natürlich das Management von Männern und Frauen, die Art und Weise, wie man seine Spielerinnen unterrichtet.

Und das ist eine Form der Sportpsychologie. Denn wir müssen verstehen, dass jeder Mensch anders ist und jeder anders behandelt werden muss, weshalb das Klischee sehr zutreffend ist. Ja, die meisten Spielerinnen, die durchschnittlich sind, wollen in Ruhe gelassen werden. Und es gibt gute Spielerinnen, die trainiert werden wollen. Aber man muss vorsichtig sein, WIE man sie coacht. Deine Fähigkeit, einzuschätzen, wie du mit jeder Spielerin umgehen wirst, weil jede Spielerin anders ist, ist also ein entscheidender Maßstab für deine Fähigkeit, die Lebenslage jeder Spielerin zu verstehen. Das ist Sportpsychologie.

Wir haben hier bei der UNC eine wunderbare Sportpsychologin. Als ich 1976 als Trainer der Männer angestellt wurde, hatten wir hier keinen Sportpsychologen. Wir haben nicht viel darüber gesprochen. Wer war also der Sportpsychologe? Nun, ich denke, ich war es. Ohne eine Ausbildung zu haben. Ich hatte einen Abschluss in Englisch und Philosophie.

Aber mit einigen der Jungs aus dem Männerteam hatte ich sogar selbst zusammen gespielt. Weil ich so jung eingestellt wurde. Ich habe Jungs trainiert, mit denen ich schon zwei oder drei Jahre zuvor gespielt hatte. Ich denke also, dass wir alle in unserem Beruf als eine Art Sportpsychologe anfangen.

Aber es gibt natürlich einige, die sehr gut sind. Weil sie es studiert haben. Und diese Leute haben wir jetzt. Wir haben eine wunderbare Sportpsychologin namens Jeni Shannon, die sich alle paar Wochen mit meinem Team trifft, und das ganze Team liebt sie. Sie ist in allem sehr gut. Sie kann gut mit den Elementen umgehen, die wir in unserem Spiel verwenden. Aber sie kann auch sehr gut mit anderen Problemen umgehen, die unsere Kinder während dieser Pandemie haben. Das ist eine ganz andere Stärke, mit der die Kinder auf das College kommen. Denn früher bedeutete das College zum ersten Mal Freiheit. Sie können ihre Heimat verlassen, ihre Eltern sind nicht da, um sie zu wecken und zum Unterricht zu schicken. Oder ihnen zu sagen, was sie essen oder wann sie ins Bett gehen sollen. Jetzt sind sie zum ersten Mal in ihrem Leben der Kapitän ihres eigenen Schiffes. Und wenn man jung ist, macht man natürlich die Hälfte der Zeit etwas mit dem Schiff, und am Ende lässt man es auf Grund laufen, weil man ein Idiot ist.

Anson Dorrance findet, dass die Sportpsychologinnen der University of North Carolina einen super Job machen.
Foto: Athletic Department, University of North Carolina

Was man tut, ist zu lernen, sich oft selbst langsam aber sicher durch Trial and Error zu organisieren. Aber auch, wenn man ein gutes Wertesystem hat und richtig erzogen wurde, kann man sich selbst langsam anpassen. Doch genau hier kommen die Sportpsychologen mit dieser Pandemie ins Spiel. Die Sache mit der psychischen Gesundheit ist ein ernstes Problem. Diese Fachleute können so viel besser damit umgehen als ich. Ich möchte Jenni Shannon und den Sportpsychologen hier an der UNC ein Lob aussprechen, und ich gehe davon aus, dass sie im ganzen Land, und auch in deinem Land, fantastische Arbeit leisten, um diese jungen Frauen und Männer ins gelobte Land zu bringen. Und das ist nicht nur das gelobte Land der Leistung der Spielerinnen, sondern auch das gelobte Land der Anpassung an die reale Welt, des Erwachsenwerdens und all dieser verschiedenen Dinge, die offensichtlich für uns alle eine Herausforderung beim Heranwachsen darstellen.

Nimmt Jenni Shannon an den Trainingseinheiten teil oder hat sie ein Büro, in das jede junge Frau oder jeder junge Mann mit Schwierigkeiten oder Problemen kommen und mit ihr sprechen kann? Wie funktioniert das?

Ja, das ist eine Möglichkeit, wie es abläuft. Sie können Termine mit ihr vereinbaren, und sie kann sich mit ihnen unter vier Augen treffen. Bei uns ist es aber auch so, dass wir uns alle paar Wochen am Ende des Trainings treffen. Wir haben einen Pavillon, der ein offener Unterstand ist, und dort trifft sie sich mit ihnen. Wenn es also regnet, kann sie trotzdem mit der ganzen Mannschaft sprechen. Wir haben kein Training auf dem Campus. Sie müssen sich nicht ins Auto setzen, irgendwohin fahren und sich mit ihr treffen, denn sie ist bereit, direkt zu ihnen zu kommen. Sie kommt also zum Team.

Offensichtlich geht es dann um allgemeine Themen. Aber jede weiß – und das sagt sie ihnen auch: „Wenn du ein persönliches Problem hast, das du in dieser Sitzung nicht zur Sprache bringen kannst, und das du mit mir persönlich und unter vier Augen besprechen möchtest, dann steht meine Tür immer offen. Schicke mir bitte eine E-Mail, und wir werden eine Zeit finden, die für uns beide passt, und dann können wir uns in meinem Büro treffen“. Für uns ist es also beides. Sie trifft sich mit dem Team und sie trifft sich mit den Jugendlichen, die sich privat mit ihr treffen wollen.

Wow, das ist großartig. Ich habe nämlich den Eindruck, dass es in Deutschland sehr langsam vorangeht, dass sich wirklich alle diesem Thema annehmen. Vor allem beim Fußball der Männer oder im Juniorenbereich – in den besten Ligen wird teilweise gesagt: „Ach, die spinnen doch. Sportpsychologen – ich bin nicht verrückt“. In meinen Augen verstehen viele den wirklichen Sinn dahinter nicht.

„An meiner Hochschule hier, der University of North Carolina, werden Männer und Frauen im Grunde genommen gleich behandelt.“

Lassen Sie uns über ein anderes Thema sprechen. Wie hat sich der Fußball der Frauen in den letzten Jahrzehnten, seitdem Sie angefangen haben, bis heute entwickelt? Glauben Sie, dass Sie die besten Trainingseinrichtungen haben? Ich habe mich im Internet informiert. Sie haben ein großartiges Trainingsgelände, ein großartiges Stadion… Fehlt da noch etwas oder ist es so, dass Sie perfekt arbeiten können und alles haben, was Sie für die Trainingseinheiten und für die Ausstattung brauchen?

An meiner Hochschule hier, der University of North Carolina, werden Männer und Frauen im Grunde genommen gleich behandelt. Wir bekommen also alles, was die Männer bekommen, und umgekehrt spielen wir im selben Stadion, das wir uns übrigens auch mit den Lacrosse-Teams teilen. Wir haben hier also eine Lacrosse-Mannschaft für Männer und Frauen. Sie spielen im Winter und im Frühjahr. Wir spielen im Herbst.

Für uns Deutsche wäre das ein Traum. Bei uns läuft das nicht so. Vielleicht wissen Sie, dass in Deutschland immer mehr Frauenteams zu den Bundesligavereinen der Männer kommen. Sie gründen Frauenteams. Aber sehr, sehr langsam… Wir schreiben das Jahr 2022.

Offensichtlich haben wir eine andere wirtschaftliche Plattform. Diese wird vollständig von zwei Teams unterstützt. Sie wird von der American-Football-Mannschaft und dem Männer-Basketball unterstützt. Diese beiden Teams erwirtschaften das Geld für uns alle. Es gibt also keinen Grund für eine Diskriminierung, wenn das Footballteam oder die Fußballmannschaft der Herren mehr Geld bekommt als wir. Nein. Wir alle teilen uns die Einnahmen aus dem Fußball und dem Basketball der Männer zu gleichen Teilen auf.

In Deutschland habt ihr ein anderes Modell, das Vereinsmodell. Danach gilt: Je mehr Geld man ausgibt, desto besser muss man sein. Wenn die Spitzenteams in Deutschland also einen Spieler kaufen wollen, wollen sie natürlich so viel Geld wie möglich ausgeben. Und die Vereine, die viel Geld verdienen, wollen es nicht teilen. Das ist verständlich, da ein direkter Zusammenhang zwischen der Höhe der Ausgaben der einzelnen Vereine in Deutschland und ihrem Erfolg besteht. Eine der Gefahren für die Hierarchie in Deutschland besteht also darin, dass die Herrenmannschaften beschließen, in die Frauenmannschaften zu investieren. Denn dann ist das Geld, das sie für die Frauen ausgeben, Geld, das sie nicht für die Männer ausgeben. Und die Frauen bringen kein Geld ein.

Das ist das Problem.

Ja, das ist das Problem. Im Grunde weiß ich es also zu schätzen, dass du dieses Thema ansprichst. Denn was ich meinen Mädels immer wieder sage, ist, dass es hier einen Rechtsstreit gab (Cindy Parlow, die Präsidentin des Fußball-Verbandes der Vereinigten Staaten, hat geholfen, ihn beizulegen), bei dem das Fußballnationalteam der Frauen den Verband US Soccer auf gleichen Lohn verklagte. Und natürlich wollen sie – weil unser Nationalteam der Frauen viel erfolgreicher ist als unser Nationalteam der Männer – wie die Männer bezahlt werden.

Ich habe über Megan Rapinoe gelesen, ich mag sie wirklich sehr! Sie ist großartig.

Ja, sie kämpft für gleiche Bezahlung. Was Rapinoe noch nicht verstanden hat, ist, dass man für die gleiche Bezahlung auch die gleichen Einnahmen haben muss. Und im Moment gibt es auf professioneller Ebene und bei der Weltmeisterschaft keine gleichen Einnahmen. Es wird also unmöglich sein, überall eine gleiche Bezahlung zu erreichen, ohne die Lücke bei den Zuschauerzahlen zu schließen.

Das sage ich meinem Frauenteam auch immer wieder: Wir haben eine Profimannschaft, die nur 25 Minuten von uns entfernt ist. Sie heißt „North Carolina Courage“. Und was wirklich interessant ist, ist der Unterschied zu den Männern: Die männlichen Spieler hier, das sind alles College-Kids, das sind alles Amateure – was sie die ganze Zeit tun, ist nichts anderes als Fußball zu schauen. Sie sehen sich die EPL [Premier League; Anm. von LS] an, sie sehen sich die Bundesliga an, Bayern ist eine großartige Mannschaft, die man beobachten kann. Sie sehen sich die Champions League an, aber auch Borussia Dortmund, weil sie für die amerikanischen Spieler erfolgreich sind. Das sind also die Mannschaften, deren Spiele die Männer die ganze Zeit anschauen.

Schaut mein Frauenteam irgendetwas? Auf keinen Fall. Sie gucken gar nichts. Deshalb sage ich meinen Mädels immer: „Wenn ich dich über gleiche Bezahlung schwadronieren höre, nenne ich dich eine Heuchlerin. Denn solange du hier bei der UNC bist, hast du kein einziges Fußballspiel angeschaut. Und du bist nie rübergegangen und hast Geld bezahlt, um North Carolina Courage spielen zu sehen. Und jetzt, wo du selbst bei den Carolina Courages spielst, willst du nicht heucheln, dass jeder kommen soll, um dich spielen zu sehen, obwohl du nie hingegangen bist, um sie spielen zu sehen?“

Ich versuche also unter anderem, diese Kultur des Fußballs der Frauen zu ändern. Und ich versuche, unsere Kultur des Fußballs der Männer anzunähern. Was hat denn der Fußball der Männer, was wir nicht haben? Der Fußball der Männer hat Menschen, die ihn unterstützen. All die Menschen, die gleichen Lohn für Frauen fordern, müssen sich also überlegen, wie sie die Leute dazu bringen können, deren Spiel zu sehen.

Das ist es also, was man tun muss. Obwohl ich Rapinoe sehr bewundere: Sie hat den geschäftlichen Aspekt dieser Sache nicht erkannt. Sie begreift nicht, dass Bayern München seine Position in der Bundesliga verlieren würde. Sie verstehen also nicht, dass 15 Millionen Dollar pro Jahr für ein Frauenteam 15 Millionen Dollar Verlust für die Männer bedeuten würden. Sie könnten einen weiteren Linksverteidiger von Borussia Dortmund abwerben und so weiter und so fort. Das muss also irgendwie unter einen Hut gebracht werden.

In meinen Augen ist es schade, aber das lässt sich nicht ändern, weil es zu schwierig ist. Der Fußball der Männer ist viel weiter entwickelt.

Nein, nein, nein, ich meine, man kann sich entwickeln. Das Beste ist, nicht darüber zu jammern, sondern etwas dagegen zu tun. Und der Weg, etwas dagegen zu tun, besteht darin, dass die Menschen mehr Spiele ansehen und unsere Zuschauerzahlen steigen, so wie in Barcelona, wo kürzlich bei zwei Spielen in Folge über 91.000 Zuschauende kamen.

Ich schaue sehr gerne dem Frauenteam von Bayern München zu. Es ist so verrückt im Stadion, ich mag es wirklich. Es ist so familiär, man kommt zusammen – auch die verletzten Spielerinnen, die nicht spielen können, sitzen auf der Tribüne, schreiben Autogramme, machen Fotos mit den jungen Fans und so etwas könnte man bei einem Spiel der Männer in der Allianz Arena nie erwarten. Das wäre nicht möglich. Niemals.

Das liegt daran, dass die Männer das nicht machen müssen. Die Frauen müssen es. Und das wird übrigens eine Revolution. Eine Revolution muss die Art und Weise sein, wie wir unsere Gesellschaft einbeziehen, wir werden es hier mit unserem Stadion tun. Und ich habe viel Geld ausgegeben, um den Fußball der Frauen in meinem Stadion [das Stadion der UNC ist nach Anson Dorrance benannt; Anm. von LS] zu fördern. Und wir haben sogar mehr Zuschauende als die Männer. Das hat seinen Grund, denn ich tue alles, um das Stadion voll zu bekommen. Früher habe ich einen großen Teil meines persönlichen Einkommens für das Marketing unserer Mannschaft verwendet. Ich verstehe, dass ein weiterer Schritt getan werden muss. Und was ist das für ein Schritt? Wir müssen gleiche Zuschauerzahlen haben.

Part II: Anson Dorrance about sports psychology and the revolution in women’s soccer

How important would you say is mental health or sports psychology for your work? Cause in my eyes, the US are much better than Germany and it has been like Jürgen Klinsmann has brought it from the US to Germany in 2005 and everybody in Germany was like ‘Oh, what is he doing?’. He installed a sports psychologist, fitness coaches and so on. In my eyes, it was like: ‘Oh, let him just try’ and then Germany reached the 3rd place – which was such a great achievement – at the World Cup 2006. So, how important is it for your work and how did it develop from the time you started as a coach until today?

Well, I generally think all the great coaches are sport psychologists. Even if they haven’t studied it and even if they don’t profess to exhibit it. Because, obviously one of the most critical elements on the highest level is man or women management, the way you teach your players.

And that’s a form of sports psychology. Because what we have to understand is that everyone is different and everyone has to be treated differently which is why the cliché is a very accurate one. Yeah, most players that are average do want to be left alone. And there are good players who do want to be coached. But you have to be careful HOW you coach them. So your ability to assess how you are going to relate to each player because each player is different is a critical measure of your capacity to understand each player’s circumstance. Which is sports psychology.

We have a wonderful sport psychologist here at UNC. When I was hired in 1976 to coach the men, we did not have a sports psychologist here. We didn’t talk about it much. So, who was the sports psychologist? Well, I guess I was. With no training. I had an English and philosophy degree.

But some of the guys on the men’s team I actually played with. Because I was hired so young. I was actually coaching guys that I have played with two or three years before-hand. So for me, initially, in our profession, I think we all start as a form of sports psychologist.

But clearly there are those that are so good. Because they studied it. And we have those people now. And we have one wonderful sports psychologist by the name of Jeni Shannon that meets with my team once every couple weeks and the whole team loves her. She is very good with everything. She is good with the elements that we are playing with in our game. But she is also very good with other struggles that our kids would have during this pandemic. This is a different strength for kids to come to college with. Because in the old days, college was about freedom for the first time. They get to leave home, their parents aren’t there to wake them up and send them to class. Or tell them what to eat or when to go to bed. So now, for the first time in their lives, they are the captains of their own ships. And of course, when you are young, what you end up doing with that ship half the time, well, you end up having it run into the ground because you are an idiot.

Anson Dorrance thinks UNC’s sports psychologists do a super job.
Photo: Athletic Department, University of North Carolina

What you are doing is learning to manage yourself slowly but surely through trial and error often times. But also, if you do have a good value system and even raised properly, you can slowly adjust governing yourself. But this is where the sports psychologist comes in. Because they came in here with this pandemic going on. The mental health thing is a serious issue. And these professionals are so much better at handling it than I am. And I give Jenni Shannon and the sports psychologists here at UNC and my assumption is, across the country, and across your country as well, I am sure they are doing a fantastic job trying to take these young women and young men to the promised land. And not just a promised land of the player performance, it’s the promised land of adjusting to the real world, maturing into adulthood and all these different things that are obviously our challenge for all of us growing up.

Is Jenni Shannon a part of the training sessions or does she have an office and every young woman or man who has some struggles or problems can go to her and talk to her? How does it work?

Yes, that’s one way it happens. They can schedule appointments with her and she can meet with them privately. But the way it also happens here is every couple weeks at the end of practice we come together. We have a gazebo which is an open shelter, and she would meet with them there. So if it is raining she can still speak to the entire team. We don’t have practice on campus. They don’t have to jump into their cars, drive somewhere and meet with her because she is willing to come right to them. So she comes to the team.

Obviously during those moments, what she is telling them is about general issues. But everyone knows that – and she tells them this: ‘Please, if you have a personal issue you can’t bring up into this meeting, and you want to speak with me about it personally and privately, please know that my door is always open. Please email me and we’ll find a time that is mutually agreeable for both of us and then you can meet with me privately in my office.’ So, for us, it is both things. She meets with the team and she meets with the kids who want to meet with her privately.

Wow, that’s great. Cause in my impression, in Germany, it goes very slowly that they really all accept this topic. Especially in men’s soccer or youth men’s soccer – in the best leagues, they also partly tell like ‘Oh, they are crazy. Sports psychologists – I am not crazy’. Lots do not understand the real sense behind in my eyes. Well, let’s talk about another topic.

‘Basically, at my school here, the University of North Carolina, they treat the men and the women the same.’

How did women’s soccer develop in the last decades, when you have started until now? Do you think you have got the best training facilities – I looked it up on the Internet. So, you have a great training ground, you have a great stadium… Is there still something missing or is it like perfect work and have got all what you need for the training sessions and all facilities?

Basically, at my school here, the University of North Carolina, they treat the men and the women the same. So everything the men get we get and vice versa we play in the same stadium that we also share with the Lacrosse teams, by the way. So we have a men’s and women’s lacrosse team here. They play in the winter and spring. We play in the fall.

That’s a dream for Germans. Does not work the same way here. Maybe you know about Germany, now, more and more women’s teams come to the men’s Bundesliga Clubs. They start women’s teams. But very, very slowly… It’s 2022.

Obviously, we have a different economic platform. The economic platform is totally supported by two teams. It’s supported by the American football team and by men’s basketball. And those two teams make all the money for all the rest of us. So, there is no reason to discriminate, to have the men’s football team, soccer team, get more money than we do. No. So, we all basically sort of divide up the revenue from football and men’s basketball and it is shared equally.

In Germany, your model is different. You have the club model. This one is a model where the more money that is spent, the better you have to be. So, the top teams in Germany, obviously, if they want to buy a player, they want to spent a maximum out of money. And so these clubs that are making lots of money don’t want to share it. And it’s understandable because there is a direct correlation between the amount of money each club spent in Germany and their success. So, one of the things which threaten hierarchy in Germany for the men’s teams is if they decide to splurge on the women’s teams. Because then obviously, the amount of money they are spending on the women is money they are not spending on the men. And the women are not making money.

That’s the problem.

Yeah, that is the problem. So, basically, I appreciate that you are bringing this up. Because what I tell my girls all the time, because there was a lawsuit here (Cindy Parlow the US Soccer President helped settle it), where the US women’s national team sued US Soccer for equal pay. And of course, what they want – because our women’s national team is much more successful than our men’s team – they want to be paid like the men.

I read about Megan Rapinoe, I really like her so much! She is great.

Yes, she is in on the fight for equal pay. The element that Rapinoe doesn’t understand yet is that for equal pay you gotta have equal revenue. And right now, at a professional level, and at a World Cup level, there is not equal revenue. So, it’s gonna be impossible to structure equal pay everywhere without closing the gap with attendance.

So I told my girls this all the time: We have a professional team within 25 minutes of us. They are called ‘The North Carolina Courage’. And what’s really interesting is this is unlike the men: The men’s players here, and these are all college kids, they are all amateurs – what they do all the time is nothing but watch football. They are watching the EPL, they are watching the Bundesliga, Bayern is a great team to watch. They watch the Champions League, but also, Borussia Dortmund because they have success for the American players. So, these are teams that the men watch all the time.

Do my girls watch anything? Absolutely not. They don’t watch anything. So I tell my girls all the time: ‘If I hear you, basically, bloviating, about equal pay, I’ll call you a hypocrite. Because while you are here at UNC, you never turned on a football game. And you never went over and paid money to watch the North Carolina Courage play. And now that you are even playing on the Carolina Courage, don’t want you to have that hypocrisy to now pretend that everyone should come watch you play, when you never went over to watch them play?’

So, part of what I am trying to change is that culture of women’s football. And I am trying to get our culture close to the men’s game. So what does the men’s game have that we don’t have? Men’s game has people that are supporting. So, all these people that want equal pay on the women’s side, well, what you have to do, is to figure out ways to get people to watch your game.

So, that’s what you have to do. So though I have huge admiration for Rapinoe, she doesn’t embrace the business aspect of this. She doesn’t embrace that fact that Bayern Munich would lose their position in the Bundesliga. So, they don’t understand that 15 million dollars a year on a women’s team would be 15 million dollars lost for the men. They could steal another left-back from Borussia Dortmund etc etc etc. So, this has to be somehow reconciled.

In my eyes, it’s a pity but it can’t be changed cause it’s too hard. It’s much more developed.

No, no, no, I mean you can develop. The best thing to do is not to whine about it but to do something about it. And the way to do something about it is to have people watch more games and build our gate like Barcelona with over 91,000 in attendance for two games in a row recently.

I like it so much, watching the women of Bayern Munich. It’s so crazy in the stadium, I really like it. It’s so familiar, you can come together, also the players with injuries who can’t play, they’re sitting on the tribune, they write autographs, take pictures with the young fans and you could never expect something like this at a men’s game in the Allianz Arena. Wouldn’t be possible. Never.

That’s because the men don’t have to do that. Women have to. And, by the way, that`s going to be a revolution. A revolution has to be the way to embrace our communities, we are going to do it here with our stadium. And I’ve spent a lot of money to promote women’s football in my stadium. And we actually outdraw the men. So we get more attendance than the men and there is a reason for that because I kill myself to pack the stadium. I used to use a lot of my personal income to pay for marketing for our team. I understand that there is another step that has to be taken. And what’s that step? We got to have equal attendance.