Kurzinterview mit den Machern des Team Bananenflanke e.V.

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Stefan Plötz (1. v. li.), Ben Rückerl (1. v. re.) und BFL-Profi Tobias Kessel freuen sich über den Goldenen Stern des Sports. Foto: Team Bananenflanke e.V.

Fußballwelt. 2012 haben Stefan Plötz und Ben Rückerl den Verein Team Bananenflanke e.V. gegründet. Der Club wurde speziell für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung geschaffen. Inzwischen gibt es sogar eine Bananenflankenliga, die in der internationalen Presse Aufmerksamkeit erlangte. Ich habe die beiden Macher getroffen und mit ihnen über die Entstehung ihrer Idee, ihr Konzept und ein paar Anekdoten gesprochen…

Ben und Stefan, wie habt ihr euch kennen gelernt?

Ben Rückerl: Wir sind beide staatlich anerkannte Heilerziehungspfleger und haben uns durch die Arbeit in einer Regensburger Einrichtung  kennen gelernt. Wir haben uns sofort verstanden, weil Stefan einen Clubschal getragen hat und ich auch Nürnbergfan bin. Da wusste ich gleich: Das ist mein „Bruder im Geiste“.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, das Team Bananenflanke zu gründen?

Stefan Plötz: Ben hatte einen jungen Erwachsenen in der Wohngruppe, Lukas, der Hobby-Journalismus betrieben hat. Er ist immer auf Amateurfußballplätze gefahren, hat sich die Spiele angeschaut, Fotos gemacht und kleinere Berichte geschrieben. Ende des Monats hat er immer eine kleine Zeitung herausgebracht, ein geheftetes DIN-A4-Blatt. Da stand zu jedem Spiel ein Zehnzeiler drin. Er selbst hatte Zerebralparese (Bewegungsstörung) und tat sich deshalb schwer beim Schreiben und Sprechen. Uns hat er auch mal interviewt. Als wir ihn gefragt haben, was er gerne mal werden möchte, hat er uns erzählt, dass er gerne Journalist geworden wäre, aber das nicht ginge. Lukas hat angemerkt, dass er gern mal einen Profi interviewen würde. Bald entstand die Idee, eine Pressekonferenz mit Jahnspielern und Kindern und Jugendlichen mit Behinderung zu organisieren. Der Vereinsname „Team Bananenflanke e.V.“ entstand bei einem Vorbereitungstreffen mit den Kindern. Die Pressekonferenz ist super gelaufen. Sowohl die Jugendlichen als auch die Spieler hatten vorher bedenken. Die Heranwachsenden wussten nicht, was auf sie zukommt, weil es ihre erste PK war. Die Spieler konnten vorher nicht einschätzen, wie die Kinder reagieren, wenn sie sie auf ihre Behinderungen ansprechen. Doch die Berührungsängste waren schnell verflogen und Begegnungen auf Augenhöhe sind entstanden. Das ist auch das, was das Team Bananenflanke auszeichnet.

Ben: Wir haben die Pressekonferenz von außen beobachtet. Es war ein ganz toller Moment, als wir gesehen haben, wie sich die Grenzen vermischen und zugleich war es der Kick-Off bzw. die Geburtsstunde des Team Bananenflanke (21.3.2011). Uns war und ist es wichtig, langsam und gesund zu wachsen.

Stefan: Nach der Aktion haben wir erstmal einige Monate gar nichts gemacht. Im Herbst 2011 sind wir mit den Kindern mit Behinderung zu einem U21-Spiel nach Ingolstadt gefahren – mit Presseausweisen. Zur PK am 21.3.11 und zum Ausflug nach Ingolstadt gab es Zeitungsartikel von Claus Wotruba. Diese waren und sind unser wertvollstes Gut.

Stefan: Von März 2011 bis August 2012, als wir dann ein Verein geworden sind, gab es drei Eckpfeiler. Die erste Aktion war die Pressekonferenz, die zweite die Fahrt nach Ingolstadt und als drittes gab es eine Charity-Aktion, bei der ein Trikot von Tobias und Bastian Schweinsteiger der Haupterlös war. Nach letzterer Aktion haben wir gemerkt, dass wir das eigenständig schaffen können. Wir wollten uns dort verwirklichen.

 

Vereinsmotto: „Fußball kennt keine Grenzen“

Wie haben die Eltern zu Beginn auf eure Idee reagiert?

Stefan: Anfangs waren die Eltern skeptisch, ob die Kinder das können. Das Problem ist folgendes: Ein Kind mit einer geistigen Behinderung kommt meist nicht richtig aus einer Einrichtung heraus. Es hat dort seinen Physiotherapeuten, seinen Arzt, seine Lehrer und Psychologen und ist immer an diese eine Einrichtung gebunden. Sogar die Freizeitangebote werden zum Teil von der Einrichtung organisiert. Das ist ja alles toll, aber dadurch ist das Kind immer in den selben Mauern und wird nach außen in gewisser Weise abgekapselt.

Wie habt ihr die Eltern von eurem Konzept überzeugt?

Stefan: Wir haben unsere Idee auf einem Elternabend beim Jahnwirt am Kaulbachweg vorgestellt und haben sie durch unseren Enthusiasmus eingefangen. Unser Konzept mussten wir dann zunächst ein bisschen zurückschrauben, weil wir uns für das erste Jahr zu viel vorgenommen hatten. Inzwischen konnten wir alles umsetzen, was wir damals geplant hatten.

 

„30 Stunden Ehrenamt pro Woche – MINIMUM“

Wie viele Stunden pro Woche arbeitet ihr ehrenamtlich?

Ben: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Wochen, da arbeiten wir 70:30, Banane zu normaler Arbeit. Man muss im Hinterkopf behalten: Wir müssen ja auch leben.

Stefan: Wenn man von einem normalen Arbeitnehmer ausgeht, dann arbeitet der 40 Wochenstunden. Vor kurzem hab ich zum Beispiel um 23 Uhr gesagt, ich höre jetzt auf, weil es nix mehr bringt. Das wäre ins Uferlose hineingegangen.

Ben: Man switcht ständig hin- und her, mindestens fünfmal am Tag. An den Wochenenden haben wir so gut wie nie frei.

Stefan: Insgesamt sind es mindestens dreißig Stunden, die wir beide jeweils pro Woche für das Team Bananenflanke ehrenamtlich arbeiten.

 

Normalität schaffen. Durch Normalität.

Ben: Was uns von anderen unterscheidet, ist eben unser Konzept. Das zielt eben nicht auf Inklusion, beim Team Bananenflanke sollen eben nicht Behinderte und Nicht-Behinderte zusammen Fußball spielen. Unser Grundgedanke ist, die Kinder, mit der Beeinträchtigung oder Behinderung, die sie haben, in die Gesellschaft zu bringen. Und dann findet Inklusion statt. Da hat es schon einige Kritiker gegeben. Aber wir kommen aus dem Bereich. Wir haben das extra deswegen so gemacht, weil wir das wussten. Als wir in einer Einrichtung Fußballturniere organisiert haben, gab es fünf Teams und bei der Siegerehrung dann fünf Sieger. Wenn der eine 100 Tore geschossen hat und der andere minus 80, dann ist das schon ein riesen Unterschied. Dennoch werden beide Sieger genannt. Wir wollen einen ehrlichen Wettkampf: Man muss lernen, mit Niederlagen umzugehen. Auch die behinderten Kinder müssen damit umgehen. Irgendwann sind die Eltern, ist die Oma weg, die sie jetzt noch in einen Wattebausch packen. Irgendwann werden sie mit Niederlagen konfrontiert, genauso wie du und ich, und auf einmal sind sie dann völlig vor den Kopf gestoßen, damit umzugehen. In dem Umfeld, das wir aufgebaut haben, lernen sie durch den Trainer und das pädagogische Betreuungspersonal, mit Niederlagen umzugehen. Natürlich weinen sie manchmal, aber solche Emotionen sind im Sport ja völlig normal.

Stefan: Im Prinzip schafft man Normalität durch Normalität.

Ben: Im schulischen Bereich ist das was anderes, wenn Kinder mit und Kinder ohne Behinderung zusammen sind. Aber im sportlichen Bereich wollen die Kinder mit Behinderung einen Wettkampf und zwar mit ihresgleichen. Wir sagen nicht, dass es falsch ist, was andere machen. Aber wir gehen eben den Weg, den wir für richtig halten. Jeder, der etwas im Inklusionsbereich macht, ist super.

Was sind die Ziele des Team Bananenflanke für die Kinder?

Stefan: An oberster Stelle steht das positive Selbstwertgefühl und der Spaß der Kinder. Das war eine unserer ersten Beobachtungen, dass dieser Effekt – wir nennen ihn Bananenflankeneffekt – erzielt werden konnte. Zudem ist uns die Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Hinzu kommt Sozialkompetenz. Der soziale Kontakt kann durch den Fußball vereinfacht vermittelt werden. Kinder mit Behinderung kommen durch den Fußball viel einfacher ins Gespräch mit anderen. Ein weiteres Ziel ist die Förderung des Teamgedankens.

Was kann man sich unter der Bananenflankenliga vorstellen?

Ben: Im Prinzip läuft das nicht anders als bei einem „normalen“ Verein ab. Wir haben Trainingseinheiten und Spieltage. Die Liga in Regensburg besteht aus sechs Teams, die drei Spieltage austragen. „Spieltag“ bedeutet, dass es drei Veranstaltungen gibt, bei denen Punktspiele ausgetragen werden. Dadurch, dass wir im Street-Soccer-Court spielen und das meist ca. 2×8 Minuten, können pro Tag mehrere Punktspiele stattfinden. Am letzten Tag wird dann abgerechnet. Wer Erster ist, ist Bananenflankenligameister und bekommt den BFL-Teampokal überreicht.

Was hat es mit dem Round Table auf sich?

Stefan: Ein Round Table ist ein Club für Männer unter 40. Wer eintritt, hilft bei Sozialprojekten mit. Der Club besteht aus zwanzig, dreißig Leuten vor Ort. Diese suchen sich dann je ein soziales Projekt aus, das sie unterstützen. In Regensburg wurde unser Verein, Team Bananenflanke e.V., vor drei Jahren ausgewählt und unterstützt. Das läuft folgendermaßen ab: Der Club erwirtschaftet durch verschiedene Aktionen Gelder und spendet diese dann an unseren Verein. Darüber hinaus packen die Mitglieder auch bei der einen oder anderen unserer Aktionen mit an.

Wie ist es dazu gekommen, dass nun quer durch Deutschland Bananenflankenligen eingeführt werden?

In Deutschland gibt es insgesamt 220 Tische und ein sogenanntes NSP, nationales Serviceprojekt. Das bedeutet, dass ein soziales Projekt ausgewählt wird, mit dem Ziel, es großflächig in Deutschland zu verbreiten. Hierfür haben wir uns beworben und wurden ausgewählt. Seit Sommer 2015 läuft das ganze nun. Wir haben gemeinsam einen Leitfaden entworfen, der an alle Tische herangetragen wurde. Jede Stadt konnte das Projekt dann selbst durchführen oder etwas dafür spenden. Viele Städte haben inzwischen eine Bananenflankenliga eingeführt. Wir beide fahren jetzt quer durch Deutschland und sind dort bei den Elternabenden und Kick-Off-Veranstaltungen dabei. Jede Stadt hat einen eigenen e.V. gegründet. Konzeptionelle Inhalte werden zu etwa neunzig Prozent von uns aus Regensburg übernommen, der Rest hängt vom jeweiligen Ort ab. In Berlin sind die Entfernungen zum Beispiel viel größer als in Regensburg. Insgesamt wurde in rund fünfzehn Städten ein Verein gegründet.

Was war euer schönster Moment mit dem Team Bananenflanke?

Beide: Der goldene Stern. Nicht nur der Sieg an sich, sondern der ganze Wettbewerb. Die Fahrt mit den Kindern nach Berlin.

Stefan: Wir haben im April 2014 einen Elternabend wegen des Wettbewerbs gemacht und hatten zu dem Zeitpunkt noch kein einziges Kind dafür begeistern können. Ein halbes Jahr später waren wir schon innerhalb Bayerns Erster. Das ist schon irre, wie nahe alles zusammenliegt.

Ben: Unsere Herzenswunscherfüllungen waren auch superschön. Als wir Lukas Schmid seinen Traum erfüllt haben, Per Mertesacker zu treffen. Lukas kannte ich schon sehr lange und das war wirklich ein wunderbares Erlebnis für uns alle.

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Tobias Schweinsteiger (li.) und BFL-Profi Florian Sperlich (re.) jubeln. Foto: Team Bananenflanke e.V.

Wer unterstützt euren Verein?

Ben: Tobias Schweinsteiger ist als Botschafter der Bananenflankenliga goldwert für uns. Eine riesen Unterstützung von Anfang an hatten wir durch den SSV Jahn. Aus dem aktuellen Regionalligakader helfen uns vor allem Markus Ziereis, Thomas Kurz und Sebastian Nachreiner. Sie haben Patenschaften für die Mannschaften übernommen. Ansonsten unterstützen uns Mario Neunaber, Ronny Philp, Philipp Ziereis und Jim-Patrick Müller sehr aktiv.

Vielen Dank für das Interview.

Beide: Bitte, sehr gern.

 

Ihr wollt noch mehr über das Team Bananenflanke erfahren?

Dann lest am besten das ausführliche Interview (zunächst Teil I) oder schaut auf den Seiten des Vereins Team Bananenflanke e.V. vorbei:

Thorsten Röwekamp ist ehrenamtlicher Sehbehindertenkommentator

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Thorsten „Totti“ Röwekamp (re.) und Alexander Friebel (li.) arbeiten als ehrenamtliche Sehbehindertenkommentatoren auf der Alm (=SchücoArena). Foto: Röwekamp

Bielefeld. Thorsten Röwekamp, vielen Arminen als „Totti“ bekannt, ist seit elf Jahren als Sehbehindertenkommentator auf der Alm (SchücoArena; Anm. von Lisa Schatz) im Einsatz. Arminiafan ist er schon seit seiner Kindheit. Er war zudem der erste große Trommler dort und gründete zusammen mit Carsten Vogt den Fanclub „Blue bandits“.

Totti, wie ist es dazu gekommen, dass du Sehbehindertenkommentator geworden bist?

Als die Rollstuhlplätze auf die andere Seite der Alm verlegt und ausgebaut wurden, wurde mehr Personal benötigt. Alexander Friebel (s. Foto; Anm. von Lisa Schatz) hat mich gefragt, ob ich dort als Behindertenbetreuer mitarbeiten möchte und das habe ich gemacht. Einige Zeit später wurde ein Blindenkommentator gesucht. Das habe ich dann einfach mal ausprobiert. Anfangs haben wir mit einem Blinden getestet, ob es überhaupt klappt und so bin ich dabei geblieben.

Hast du in dieser Richtung eine spezielle Ausbildung oder ein Training absolviert oder war das alles Learning by Doing?

Es war wirklich Learning by Doing und auch das Netzwerken hat mir sehr geholfen. Aber im Grunde genommen kam das alles mit der Zeit. Man wird ja nie als Reporter oder Kommentator geboren. Das ist eine Sache, die sich entwickelt.

Verdienst du etwas bei dieser Arbeit oder kommentierst du ehrenamtlich?

Das ist alles ehrenamtlich und Geld würde ich dafür auch nicht haben wollen. Behindertenarbeit ist für mich immer ehrenamtlich und eine Herzensangelegenheit gewesen.

Mit wem arbeitest du zusammen?

Inzwischen sind wir ein großes Team. Begonnen mit dem Kommentieren habe ich damals alleine. Als das von der DFL professionalisiert wurde, wurde gesagt, wir sollten das immer zu zweit machen. Jetzt sind wir ein Team aus sechs, sieben Leuten und haben einen Plan, in welchen wir uns dann immer eintragen. Fast professionell (lacht).

Bist du bei Heim- und Auswärtsspielen dabei?

Zunächst war es so, dass ich als Sehbehindertenkommentator auf der Alm gearbeitet habe. Dann haben wir uns überlegt, dass wir die Hardware haben, um auch zu Auswärtsspiele zu kommentieren. Also haben wir mit dem ASC-Fanradio (ASC steht für Arminia Supporters Club; Anm. von Lisa Schatz) begonnen. Beim ersten Punktspiel mit Stefan Krämer als Cheftrainer auswärts (Spiel gegen die Offenbacher Kickers am 15.10.11; Anm. von Lisa Schatz) hatten wir unsere Premiere mit unserem Auswärts-Livestream. Das hat damals super geklappt und seitdem sind wir für den ASC in wechselnder Besetzung bei jedem Auswärtsspiel dabei.

 

Die Schwarz-Weiß-Blauen spielen „von links nach rechts“

Was ist das wichtigste, worauf du bei deinem Job achten musst? Man kommentiert für Sehbehinderte sicherlich anders als für Sehende.

Was beispielsweise ein Sky-Reporter macht, ist mit unserer Arbeit gar nicht zu vergleichen. Ein solcher kann das Spiel auch mal zwei Minuten laufen lassen, weil der Zuschauer ja sieht, was auf dem Feld passiert. Der Kommentator muss also nicht jeden Ballkontakt zu kommentieren. Einen Blinden hingegen kannst du nicht eben mal zwei Minuten des Spiels alleine lassen. Es fängt ja schon bei der Kleidung der Spieler an. Der Nutzer im Internet weiß, was ich meine, wenn ich sage: „Zur Südtribüne hin“. Wenn ich für Sehbehinderte kommentiere, muss ich sagen: „Von links nach rechts“ oder „von rechts nach links“. Außerdem beschreibe ich, wie die Kleidung der Spieler aussieht. Zudem nenne ich den Namen des Schiedsrichters und erzähle, woher dieser kommt. Wichtig ist vor allem die Verortung: Wo ist der Ball? Was passiert gerade? Wer ist am Ball? Warum? Wieso? Also, immer detailliert zu beschreiben. Es ist auch wichtig, die Spieler körperlich zu beschreiben. Klos ist zum Beispiel 1,94 m groß und wiegt um die neunzig Kilo. Ein Mensch ohne Sehbehinderung sieht das, der denkt dann auch: „Was reden die denn da?“. Es ist schon ein riesengroßer Unterschied zwischen dem Heim- und dem Auswärtsspiele-Kommentieren. Unsere Hörerinnen und Hörer möchten auf jeden Fall möglichst genaue Informationen.

Worüber sprichst du als Erstes?

Wir starten immer fünf Minuten vor dem Spiel und versuchen möglichst viel in diese Zeit hineinzupacken – ohne, dass es zu viel wird. Zuerst sprechen wir die Aufstellung ein. Bei der Hymne sind wir immer ganz ruhig – einfach, weil uns währenddessen überhaupt keiner zuhören würde. Unsere Hörerinnen und Hörer sitzen dann unten, singen und feiern mit und heben die Schals hoch. Sie sind eben wirklich Fans.

Wie bereitet ihr euch genau auf die Partien vor?

Vor dem Spiel lesen wir den kicker. Außerdem werden wir von der DFL mit einer Informationsmappe ausgestattet. Da steht wirklich drin, wer wann welche Socken getragen hat. Am wichtigsten sind für uns die ersten fünf der vierzig Seiten. Der Rest ist sehr viel Statistik. Man darf die Zuhörerinnen und Zuhörer auch nicht überfordern. Wir versuchen die ersten fünf Minuten Randerscheinungen reinzupacken: Infos über den Schiedsrichter, zur Aufstellung. Alles andere versuchen wir ins Spiel einfließen zu lassen. Das hat mitunter Längen, in die wir viel einbauen können. Jetzt, da das 111-jährige Jubiläum von Arminia ansteht, machen wir auch mal Werbung dafür.

Wie viele Plätze gibt es in Bielefeld für Sehbehinderte?

Es gibt zehn Plätze plus zehn Plätze für Begleitpersonen. Die Begleitpersonen zahlen keinen Eintritt. Auf Dauer wird die Anzahl der Plätze aufgestockt. Wenn sich Arminia in der zweiten Liga hält, wird es mehr Plätze geben, weil dann auch mehr sehbehinderte Fans der Gästevereine kommen. Gerade hier aus der Nähe, vor allem aus Paderborn oder Köln. Zum Vergleich: In Paderborn müssen die Begleitpersonen Eintritt bezahlen. Das ist in Deutschland einzigartig, da ist der SCP ganz hinten. Jedes Jahr wird neu darüber diskutiert, aber der SCP braucht das Geld.

Kommentierst du neutral, wenn Gästefans zuhören?

Nein, das nicht. Wenn ich weiß, dass Gästefans mithören, werden diese begrüßt. Ich probiere dann auch möglichst neutral zu sein. Aber ich bin im Herzen DSC-Fan und wenn Arminia ein Tor schießt, dann freue ich mich natürlich immer mehr.

Welche Anekdoten hast du in Zusammenhang mit Arminia erlebt?

Schön sind natürlich die Aufstiegsspiele gewesen, als wir über den Äther die Stühle fliegen hörten. Wenn man einfach aufspringt, weil man sich so freut, und die Stühle, die auf der Pressetribüne sind, erstmal wieder aufkramen muss. Oder wenn sich während dem Kommentieren der komplette Kaffee über das Equipment ergießt (lacht). Alles schon passiert. Wenn wir nach den Spielen mit unseren Zuhörerinnen und Zuhörern reden, werden wir natürlich auf derartige Vorkommnisse angesprochen. Wir versuchen sowieso, alles nicht so stocksteif zu kommentieren. Ich glaube, wir haben da eine ganz gesunde Mischung. Im Laufe der Jahre haben sich Teams herauskristallisiert. Alex Friebel und ich, wir verstehen uns blind. Uns kannst du nachts um zwei wecken und wir bringen dir immer noch eine 100%-Reportage auf den Tisch. Das ist einfach schön und ein gutes Gefühl, wenn man sich auch privat super versteht.

Was war das Lustigste, das du bisher erlebt hast?

Witzige Erlebnisse hatten wir oft auf Grund unserer Presseplätze in verschiedenen Städten. So zum Beispiel in Münster, worüber jeder sagt: „Da kannst du nicht sitzen!“. Da sitzt man und macht sich neunzig Minuten lang Gedanken, wie man dort jemals wieder herauskommt. Und da fragt man sich eben schon, wer so etwas baut. Alle regen sich darüber auf. Ich erinnere mich an ein Auswärtsspiel gegen Preußen Münster. Zwei Kollegen wollten nach dem Spiel in die Mixed Zone und hatten wirklich keine Wahl, als über uns hinüberzuklettern. Sie waren kurz davor, zu stolpern und zu fallen. Eine andere Geschichte sind die Auswärtsfahrten in den Süden: Wenn wir lange Fahrten haben und an Kirchheim vorbeikommen, dann gibt es dort immer Eifrühstück. Das sind Riten, die wir uns über Jahre angeeignet haben. Auf der Rückfahrt gibt es dort immer Schnitzel. Lustig, witzig und auch informativ sind die zweitägigen Treffen, die von der DFL organisiert werden. Diese finden meist in Kamen-Kaiserau statt. Das ist immer eine richtig tolle Sache. Die Atmosphäre ist hochproduktiv und man kennt die Kollegen schon über Jahre hinweg. Natürlich ist es auch toll, von der DFL ein bisschen gebauchpinselt zu werden. Das wird auch von Arminia übernommen. Die Behindertenarbeit wird in Bielefeld sehr groß geschrieben. Im Sehbehindertenbereich haben wir mit den Stadtwerken auch einen Partner, der sich sehr generös zeigt.

 

„Bei Arminia ist niemand abgespaced“

Was fasziniert dich am meisten an Arminia und am Umfeld?

Arminia ist halt Arminia und da gibt’s auch keine Alternative. Ich kann das nicht beschreiben. Wenn du einmal auf der Alm warst, dann ist das so eine Art Magie. Es ist wirklich so. Wenn du vierzig Jahre da warst, dann hast du alles mitgemacht. Arminia ist eine ganz große Familie. Da ist ja nie jemand, der in einer anderen Ära spielt. Fabian Klos triffst du morgens beim Brötchen holen. Bei Arminia ist niemand abgespaced oder in einer anderen Welt. Das hat in Bielefeld keiner nötig und das würde auch nicht gut ankommen.

Welches war dein persönlich schönstes Arminia-Erlebnis?

Der erste Aufstieg zurück in den bezahlten Fußball. Das war schon eine riesen Nummer. Der Verein kratzt ja immer zwischen den Welten. Aber damals, das waren ja elf Jahre, in denen man nicht im bezahlten Fußball gespielt hat. Klar, wurde da viel Geld investiert und auch verbrannt. Der Aufstieg war schon der wichtigste.

Wie würdest du Arminia mit drei Worten beschreiben?

„Ich liebe dich.“

Vielen Dank für das Interview.

Sehr gerne.

 

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

-> Einen Reisebegleiter für barrierefreie Stadionbesuche hat die Bundesliga-Stiftung online gestellt (-> hier klicken).

-> Weitere Informationen zum Almbesuch für Menschen mit Behinderungen findet ihr hier.

DFB-Integrationspreis für großes Engagement

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Die Preisträger des DFB- und Mercedes-Benz-Integrationspreises. Foto: Schatz

Dortmund. Am Montagabend fand im Deutschen Fußballmuseum die Verleihung des DFB- und Mercedes-Benz-Integrationspreises statt. Rund 200 Ehrenamtliche, Prominente und Funktionäre aus dem Fußball erlebten eine feierliche Gala in Dortmund, bei welcher die Ehrenamtlichen im Vordergrund standen.

Neben dem 1. DFB-Vizepräsidenten Dr. Reinhard Rauball, DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel und dem Manager des deutschen Nationalteams, Oliver Bierhoff, waren auch Ex-Nationalspielerin Celia Sasic und BVB-Spieler Ilkay Gündogan gekommen, um das großartige Engagement der vielen Ehrenamtlichen zu würdigen. Die Preise wurden in den Kategorien „Schule“, „Freie und kommunale Träger“ sowie „Verein“ verliehen. Der Gewinner erhielt jeweils einen Kleinbus (Vito) von Mercedes-Benz, die zwei anderen Preisträger bekamen ein Preisgeld in Höhe von 10.000€.

 

Preise für Schulen, Vereine und freie bzw. kommunale Träger

Insgesamt hatten sich 170 Projekte beworben. In der Kategorie Schule konnte die Bachschule aus Offenbach die Jury überzeugen. Die Schülerinnen und Schüler dort kommen aus fast 50 Nationen, die Mitglieder des Lehrerkollegiums aus zwanzig. In drei Arbeitsgemeinschaften spielen die Jungen und Mädchen der Schule zusammen Fußball. Darüber hinaus haben sie selbst ein Turnier organisiert und sich so noch einmal mehr für Integration eingesetzt.

Ebenfalls über einen neuen Kleinbus durfte sich Champions ohne Grenzen e. V. aus Berlin freuen. Der Verein setzt sich vor allem für eine nachhaltige Integration ein und bietet neun Fußballtrainings auf sieben verschiedenen Plätzen an. Darüber hinaus unterstützt er Asylsuchende bei der Berufsorientierung und kümmert sich um deren Bildung.

In der Kernkategorie Verein bekam der FC Vorwärts Drögeheide von Ilkay Gündogan den Busschlüssel überreicht. Der Club setzt sich für Geflüchtete ein – und das nicht nur auf dem Platz. Auch bei der Suche nach Arbeit helfen die Drögeheider Menschen mit Migrationshintergrund. René Samuel, Vorsitzender des Clubs, strahlte bei der Preisverleihung über das ganze Gesicht. Was die Jury am meisten überzeugte? Nachdem er mitbekam, dass die NPD auf ihrer „Asylantentour“ in Drögeheide Halt machen wolle, war dem Fußballbegeisterten klar, dass er und sein Verein das „auf keinen Fall stehen lassen“ konnten. Er stattete der Flüchtlingsunterkunft einen Besuch ab und stellte mit anderen Helfern ein Fußballtraining für die Geflüchteten auf die Beine.

 

Sonderpreis für Willi Lemke

Den Sonderpreis erhielt Willi Lemke, der seit 2008 als Sonderbotschafter von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden tätig ist. Er wies darauf hin, dass Sport die wunderbare Eigenschaft hat, Menschen aller Religionen und Hautfarben zusammen zu bringen. Lemke betonte: „Der Sport baut Brücken, und auf diesen Brücken kann Dialog stattfinden“.

Im Anschluss an die Preisverleihung hatten die Gäste bei feierlichem Dinner noch Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch. Denn die Verbindung von Haupt- und Ehrenamt stand bei dieser gelungen Veranstaltung im Vordergrund. Die Amateure sind auf Grund ihres starken sozialen Einsatzes eben wirklich echte Profis.

 

Die Preisträger im Überblick:

Schule

Freie und kommunale Träger

Verein

Sonderpreis: Willi Lemke

 

Stimmen:

Dr. Reinhard Rauball: „Was ich für wichtig erachte, natürlich, die Bundesligavereine machen etwas und an der Spitze die Bundesliga-Stiftung, aber wir dürfen nicht vergessen: die vielen, vielen Tausende von ehrenamtlichen Helfern, die das also mit umsetzen – denen bin ich sehr dankbar, weil die mit einem Höchstmaß an persönlichem Einsatz helfen.“

Oliver Bierhoff – auf die Frage, wie wichtig das Thema Integration für den DFB ist: „Es ist enorm wichtig und es wird natürlich immer wichtiger oder in vielfachen Facetten. Natürlich haben wir als größter Verband in Deutschland die Aufgabe, dass Integration passiert, dass wir den Menschen helfen können.“

Reinhard Grindel: „Wenn es uns nicht gelingt, erfolgreich bei der Integrationsarbeit zu sein, sind wir nicht erfolgreich bei der Vereinsarbeit. Das gehört zusammen.“

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