Almuth Schult: Profi mit klaren Forderungen für den Fußball

In der Saison 2022/2023 spielte Almuth Schult für den Angel City FC. [unbezahlte Werbung wegen Markenerkennung]
Foto: Angel City FC

Mit dem VfL Wolfsburg hat sie die Deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und die Champions League gewonnen. Mit dem Nationalteam wurde sie Europameisterin, U20-Weltmeisterin und Olympiasiegerin: Almuth Schult. Doch vor allem ist sie eine starke Persönlichkeit mit klaren Forderungen und Ansichten, die sich auch abseits des Platzes für die Fortschritte im Fußball einsetzt. Sei es als Teil der Initiative „Fußball kann mehr“ oder als Trainerin der Bambinis in ihrer Heimat. Sie hat viel erlebt und eine Menge zu sagen. Almuth zeigt uns eine Vielzahl an aktuellen Themen auf. Dieses Gespräch kann uns alle zum Nachdenken anregen: Warum wurde das WM-Eröffnungsspiel in ein anderes Stadion verlegt? Welche Potenziale wurden im Fußball noch nicht genutzt? Warum lässt die VDV keine Frauen als aktive Mitglieder zu – und dies im Jahr 2023? Weshalb arbeitet keine Sportdirektorin im Profifußball der Männer?
Doch es gibt noch deutlich mehr Fragen, die wir uns stellen können. Das Interview ist sehr umfangreich geworden, weshalb ihr Almuths Ausführungen in zwei Teilen nachlesen könnt. Denn hier gibt es den Raum für solch relevante Themen. Die zweite Hälfte findet ihr hier. Und jetzt „Anpfiff für die erste Interviewhalbzeit…“

Kommen wir gleich zur Weltmeisterschaft. Wie groß ist deine Freude hinsichtlich der WM – auch, wenn du diesmal auf Grund eines schönen Grunds [Almuth Schult ist schwanger; Anm. von LS] nicht mitspielst? Wie verfolgst du die Spiele? Was ist dein Plan? Der kann sich ja eventuell ein bisschen anders entwickeln (lacht)?!

Ich bin sehr gespannt. Natürlich werde ich versuchen, so viele Spiele wie möglich zu verfolgen. In der Vorbereitung haben die Spiele ein paar überraschende Ergebnisse gebracht. Wenn wir uns Deutschland gegen Sambia angucken. Aber auch Haiti oder Marokko haben ein bisschen aufhorchen lassen. Es war mal die Frage: Können die „Kleinen“ denn auch mithalten? Von den Vorbereitungsspielen her würde man sagen: Ja. Und jetzt ist man gespannt, was bei der WM herauskommt. Von daher: Gucken wir mal. Es ist nur ein bisschen komisch, dass die Spiele am Vormittag laufen, das sind wir Europäer oftmals anders gewohnt Auf jeden Fall ungewöhnlich für die Spielerinnen sind die Temperaturen vor Ort, denn es ist Winter am anderen Ende der Welt.

Zumindest ist die Ausrichtung in Australien und Neuseeland besser als ein Stattfinden in Katar, wenn man auf die WM 2022 zurückblickt…

Das auf jeden Fall. Stattdessen würde man sich mit dem, was dahintersteht, vielleicht eine WM in Frankreich wünschen, bei welcher die Anstoßzeiten zur Primetime wären.

„Die Verlegung eines WM-Eröffnungsspiels hat es zuvor noch nie gegeben“

Was wünscht du dir von dem „Drumherum“, wenn du jetzt auf die EM 2022 zurückblickst, wie du sie erlebt hast? Gerade wie sich der Fußball der Frauen entwickelt. Wie denkst du kommt die Euphorie, die Atmosphäre in Australien und Neuseeland an, und was wird sich unabhängig vom Abschneiden des deutschen Teams bei uns im Land tun?

In Australien und Neuseeland ist das ein riesen Ding. Schon seit Jahren, seitdem die Vergabe dort hingegangen ist. Die Matildas [Bezeichnung für das australische Nationalteam; Anm. von LS] bemerken eine 100-prozentige Steigerung, also es wird wohl letztendlich eine 400-prozentige Steigerung von Zuschauern sein, die da in den letzten Jahren stattgefunden hat. Da ist ein großer Hype, was auch gut so ist. Und das hat man ja schon im Vorfeldgesehen: Die Verlegung des Eröffnungsspiels – das hat es so bei einer WM noch nie gegeben! Das hab‘ ich auch bei den Männern noch nie gehört, dass das passiert ist: Dass man einfach gesagt hat: „Ok, dann gehen wir in ein größeres Stadion und passen uns an die Potenziale an.“ Das finde ich super und es zeigt, dass sie bedarfsgerecht agieren und nicht so festgefahren sind als Organisator, sondern diese ganze Sache leben und sich zudem gesellschaftspolitisch eingemischt haben. Das Organisationskomitee hat Saudi-Arabien als Sponsor abgelehnt. Das ist meines Wissens nach das allererste Mal gewesen, dass das ein Ausrichter eines Großsportereignisses gemacht hat. Von daher sehe ich eine super Grundlage für ein tolles Turnier. Auch von der Stimmung her. Das Einzige, was man sieht: In Neuseeland, gerade auf der Südinsel, ist das Wetter nicht WM-gerecht. Es können 4 Grad herrschen, plus Regen.

Mit einer dicken Jacke im Stadion zu sitzen – da stellt man sich dann doch etwas anderes vor. Die Mädels können  froh sein, dass sie rund um Sydney unterwegs sind, dass dann vielleicht mal ein T-Shirt- und kurze-Hosen-Wetter aufkommt. In Deutschland liegt trotzdem ein Fokus auf diesem Turnier. Das haben auch die Spielerinnen gemerkt: Hinsichtlich des Presseaufkommens und der Sponsoren. Ich hoffe, dass wieder dieser Funke von der Mannschaft überspringt. Der war in den beiden Vorbereitungsspielen leider noch nicht komplett da. Aber letztes Jahr bei der EM konnten sich die Menschen mit der Art und Weise, wie wir auf dem Platz auftreten, wie wir als Mannschaft auftreten, identifizieren. Und diese Identifikation ist das, was vielen in der Bevölkerung irgendwie ein bisschen fehlt. Sowohl mit der Männer-Nationalmannschaft als auch zum Teil mit der Männer-Bundesliga. Obwohl diese Saison durch das Schwächeln der Bayern etwas spannender war – aber diese Identifikation… Es wäre schön, wenn wir die in Deutschland wieder spüren würden. Dann wäre es ein erfolgreiches Turnier. Dann kann das wieder ein Schritt nach vorne sein in der Sportart.

Nach eurer Rückkehr von der EM in England haben einige von euch gesagt, dass sie das von England aus ganz anders wahrgenommen haben, also welche Euphorie ihr in Deutschland entfacht habt. Ihr wart wieder hier und habt diese Begeisterung erlebt. Inwieweit ihr danach zu den Vereinen an der Basis Kontakte und gesehen, was sich dort bewegt hat im Hinblick auf die steigenden Zahlen an Mädels, die in die Vereine eintreten wollten? Als der DFB „ach so überrascht war“ und wohl auch komplett überrollt wirkte, dass so viele Mädels Fußball spielen wollten und m. E. ziemlich überfordert wirkte oder war dies eher so: „Ok, man hat es ein bisschen über die Medien mitbekommen“. Wie hast du das wahrgenommen?

Ganz unterschiedlich natürlich. Es gibt Spielerinnen unter uns, die Kontakt in die Heimatregion haben und diese sehr engagiert ist und dort etwas entstanden ist. Genauso gibt es welche, die das nicht mitbekommen haben. Es gibt Vereine, die sagen: „Bei uns ist überhaupt nichts angekommen. Alle reden immer vom Aufschwung, aber bei uns ist das eigentlich rückläufig und es werden Mannschaften abgemeldet“. Das stimmt leider ebenso. Das würde ich überhaupt nicht bestreiten. Es ist nicht in jeder Region so, sondern es kommt auf den Landesverband an. Es ist davon abhängig: Wie engagiert sind Kreisverbände? Es ist vielleicht auch durch das Engagement von Sponsoren bedingt, von denen ein Antrieb kommen kann. Und von den handelnden Personen in den Vereinen. Deshalb gibt es Regionen, die einen richtigen Aufschwung erlebt haben, und es gibt leider welche, in denen der Trend fortgesetzt wurde und noch weniger Frauen und Mädchen am Spielbetrieb beteiligt sind.

Aktuelle Effekte im Fußball der Frauen

Ich habe es durch die neu gegründete Bambinigruppe bei mir im Heimatverein, die ich mittrainiere, am eigenen Leib erfahren. Dort ist der Mädchenanteil sehr hoch, 50/50 schätze ich. Das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass ich Trainerin bin. Das weiß ich nicht. Aber hier sieht man, dass es nicht nur einzelne Mädels sind, die Fußball spielen wollen, sondern dass sich wirklich eine ganze Gruppe zusammenfindet und es den Kindern vollkommen egal ist, ob es Jungs oder Mädchen sind. Die wollen einfach zusammen Sport machen und Spaß haben. Und man sieht es genauso auf anderen Ebenen: Wenn man auf die Landesverbandsebene geht. Ich war ganz begeistert von den Aufstiegsspielen Regionalliga / 2. Bundesliga, wie viele Zuschauer vor Ort waren. Bei Viktoria Berlin genauso wie beim Hamburger SV. Dass beide Heimspiele ausverkauft waren. Gladbach hat im Borussiapark gespielt, Elversberg hatte ein volles Stadion. Dann kommen dazu auch Landespokalfinals. Also Hamburg beispielsweise mit St. Pauli war einfach mit 3.882 Zuschauern ausverkauft beim Landespokalfinale. So etwas hat’s vorher noch nicht gegeben. Da sehe ich auch einen Effekt. (freut sich) Diese Effekte gibt es auf verschiedenen Ebenen, aber noch nicht überall. Ich bin froh, dass es sie gibt und hoffe, dass es so weitergeht. Aber es tut mir auch immer leid um die Vereine, die selbst sagen, sie spüren den Effekt nicht.

Oder so ein Fall wie Turbine Potsdam…

Ja, aber das mit Potsdam lag nicht an der Europameisterschaft, sondern Jahre zurück, wie die Weichen dort gestellt bzw. nicht gestellt worden sind. Das hat sich dann angekündigt. Eigentlich war die Saison davor mit der Fast-Qualifikation für die Champions League eine Überraschung.

Für Andernach und Potsdam ist das schon schwierig… Da die Balance zu finden.  

(Almuth lacht, winkt und blickt an der Kamera vorbei)

Sind deine Zwillinge grad draußen unterwegs?

Nein, meine Mutter, die durch den Garten läuft. (wir lachen)

Wenn du Bayern, Wolfsburg, Frankfurt und Hoffenheim anschaust: Ich sehe diese Lücke zu den anderen Vereinen und bin gespannt, wie sich das entwickelt.

Frankfurt hat sehr aufgeschlossen. Sie haben die Saison letztendlich auf einem guten Platz abgeschlossen, haben sehr viele Punkte gesammelt und entwickeln sich infrastrukturell stark weiter. Da bin ich gespannt, was noch an Transfers passiert. Man hat jetzt einige Nachrücker, die gerne noch etwas machen wollen, die es vielleicht ernster nehmen, also beispielsweise mit Leipzig. Ich bin gespannt und habe eher das Gefühl, dass der Abstand geschlossen wird. Du hast immer zwei Vereine, die vornewegmarschieren. Es gab Zeiten, wo es Potsdam und Frankfurt waren. Dann waren es Potsdam und Duisburg. Aber es gab stets zwei Vereine, auch vor Bayern und Wolfsburg, die unter sich den Titel ausgemacht haben. Vielleicht maximal drei. Und jetzt sehe ich Potenzial, dass sich die Liga ein bisschen auffächert. Dass es spannender wird. Weil Hoffenheim schon mal in der Champions League mitgespielt hat. Und jetzt hat man mit Frankfurt jemanden – mit dem man – nicht bis zum letzten Spieltag, aber davor – stark konkurriert hat. Bei anderen Vereinen wie bei Leipzig oder Köln sehe ich Potenzial, dass diese Bemühungen langfristig bleiben könnten.

Ich meinte jetzt eher auf die Bundesligaclubs Sand, Andernach und Potsdam bezogen – die jetzt da nicht derart die Möglichkeiten haben mit den Vereinen, bei denen die Männerteams schon lange in der Bundesliga spielen, in der nahen Umgebung…

Ja, das ist so. Aber man muss sagen: Da fehlte vielleicht auch der Mut, zu investieren. Klar haben sie einen anderen Hintergrund als die Lizenzvereine. Aber auch bei Essen merkt man, dass sie etwas tun wollen, dass sie im Austausch sind, um sich hinsichtlich neuer Trainingsanlagen und eines Leistungszentrums mit der Stadt abzustimmen. Potsdam hatte jahrelang Vorsprung vor Bayern, Wolfsburg und Co. Allein mit ihrem Internat. Sie haben nun im Nachhinein nicht genug aus diesen Möglichkeiten gemacht und man kann bei Potsdam nicht sagen, dass sie die Sponsoren in der Region nicht gehabt hätten. Sie haben schon vor zehn Jahren infrastrukturell und vom Gehalt her Dinge geschaffen, die viele erst aufholen mussten. Sie sind bloß einfach in ihrer Entwicklung stehen geblieben und waren eher mit Auseinandersetzungen beschäftigt – auch mit Babelsberg –  anstatt vielleicht lösungsorientiert zu handeln. Das ist schade. Aber man darf sich nicht immer nur dahinter verstecken: Ja, die Lizenzvereine. Man hat das mitunter selbst in der Hand.

Auch der 1. FFC war so weit vorneweg in Frankfurt. Da sind vielleicht ein paar Investitionen in die falsche Richtung gelaufen. Ansonsten hätte man das gar nicht aufholen können. Ich meine: Fast die ganze Nationalmannschaft hat beim 1. FFC Frankfurt gespielt. Wenn man das schon mal gehabt hat, verschwindet das nicht auf einen Schlag. Es hat nicht am Geld gelegen, sondern daran, dass sich infrastrukturell nichts bewegt hat..

„Für einen professionellen Spielbetrieb braucht es ein Mindestgehalt“

Fußballprofi Almuth Schult fordert: Für einen professionellen Spielbetrieb braucht es ein Mindestgehalt“. Foto: DFB

Wo siehst du generell noch Potenzial? Was würdest du dir vom DFB wünschen für den Fußball der Frauen, oder von den Landesverbänden und von den Vereinen?

Für den Profibereich müssen sie einfach mal Lizenzauflagen erstellen, die einen professionellen Spielbetrieb gewährleisten. So wie es in England oder in den USA der Fall ist. Dass Regularien erlassen werden über ein Mindestgehalt, über höhere Mindestanforderungen, über eine gewisse  Infrastruktur an die Vereine. Auch mit einer guten Qualität. Das ist wichtig.

Im Hinblick auf die Landesverbände etc.: Es geht um eine gleichberechtigte Förderung von Mädchen und Jungen in allen Bereichen. Egal, ob das in den Stützpunkten ist. Egal, ob es in den Auswahlmannschaften ist. Es darf nicht passieren, dass man bei der Kreisauswahl bei den Jungs Fahrgeld gibt und bei den Mädchen nicht. Oder dass irgendwo bei den Mädchen keine Trainingsklamotten zur Verfügung gestellt werden. Dass die Vereine darauf schauen, dass jeder Trainer eine Aufwandsentschädigung bekommt und nicht nur die der männlichen Teams. Man sollte den gemeinnützigen Auftrag der Vereine auch in dem Zusammenhang leben und nicht nur nach der Generierung von Profit gehen.

(Fehlende) Frauen im Profifußball der Männer

Der Bayerische Fußballverband fördert aktuell Trainerinnen. So wurde ein B-Lizenz-Lehrgang für Frauen von der UEFA und vom Verband finanziert. Wenn du jetzt ein bisschen die Perspektive wechselst: Wie nimmst du das wahr, dass vielleicht auch Frauen in Managementpositionen kommen könnten?
Was mir in der Medienwelt fehlt: Es wird meist über die Trainerinnenpositionen geschrieben. Aber dass Frauen im Profifußball der Männer auch in Managementpositionen vorangehen? Mir hat das immer gefehlt. Bis auf Katja Kraus…

Man muss jetzt einmal unterscheiden zwischen Management, Sportdirektion und Geschäftsführung. Im Management an sich, im Teammanagement sind ein paar Frauen. Bei Bayern etc.
Es ist bloß wirklich so: Die GeschäftsFÜHRUNG ist vakant. Da gibt es soweit ich weiß keine Geschäftsführerin in der 1. und 2. Liga. Mittlerweile gibt es Präsidentinnen oder weibliche Aufsichtsräte. Aber in der Geschäftsführung an sich oder vor allem auch in der sportlichen Leitung gibt es keine Frauen. Das meinst du wahrscheinlich damit?

Ja, genau.

Das wäre wichtig, das sehe ich auch so. Ich hoffe, dass mal ein Verein den Mut hat und sagt: „Jo, ich stelle jetzt mal eine Geschäftsführerin ein“.
Bisher gibt es nur solche Plätze wie Finanzvorstand etc., die von einer Frau besetzt werden. Zum Beispiel bei Schalke…

Und bei Darmstadt 98.

Aber diese wirklich leitende sportliche Position ist noch nie von einer Frau im Profifußball der Männer besetzt worden.

Denkst du, dass dahingehend Hürden bestehen? Mein Eindruck ist, dass es oft diese Bedenken gibt – jetzt sind wir beim Thema: „Teilzeit und Kinder“…
Ich persönlich habe das Gefühl, dass hier mehr als 100 Prozent erwartet werden. Also quasi mehr als 24/7 nur für den Verein. Da fliegt man dann auch mal mitten im Urlaub für ein Spiel [s. Beispiel im Interview mit Christian Heidel] zurück. Dass das noch in den Köpfen „dieser Generation Männer“ drinnen ist? Wobei da ja Jüngere nachkommen.

Ganz sicher! Man sucht als Mensch zwangsläufig immer – wenn man von sich selbst überzeugt ist, dass man einen guten Job gemacht hat – nach jemandem mit dem gleichen Profil. Wenn die Männer dies tun, dann fällt halt das andere Geschlecht schon mal raus. Da ist die Frage: Wer bestimmt die Nachfolge und wie ist sie gestaltet? Da sind wir doch in einem sehr konservativen Prozess im Fußball. Und da müssen einem vielleicht die Augen geöffnet werden: Manchmal sind es Kleinigkeiten, sind es Erfahrungen, die dann helfen, etwas zu ändern. Ich hoffe darauf. Man merkt, dass ein kleiner Wandel stattfindet. Auch im Fußball. Obwohl der Fußball in vielen Dingen noch nicht so weit ist, wie er immer selber denkt.

„Die VDV lässt keine Frauen als aktive Mitglieder zu. Und das im Jahr 2023.“

Nun ein kleiner Bruch. Ich habe dich über die Plattform „Fußball kann mehr, Wir können mehr“ kontaktiert. Was hältst du von Initiativen wie dieser? Soweit mir bekannt ist, gab es von euch Spielerinnen einen Zusammenschluss. Was hat sich diesbezüglich bewegt? Welche Punkte wollt ihr angehen? Wünscht ihr euch mehr Mitbestimmung?

Zusammenschlüsse können viel bewirken „Fußball kann mehr“ hat auch schon ein bisschen was bewegt. Selbst wenn’s nur die Wahrnehmung in so manchem Verband oder Verein ist.

In Richtung Spielerinnen: Es ist nun mal so, dass wir im internationalen Vergleich deutlich hinterherhinken. Nahezu jedes Land hat eine Spielerinnengewerkschaft, Spielerinnenvereinigung, wie auch immer man dies nennen möchte – also eine Players‘ Union. Und das auf allen Ebenen: sowohl auf der der Liga als auch auf der der Nationalmannschaft. Wir haben das in dem Sinne nicht. In Deutschland wird immer kolportiert, dass die VDV [Vereinigung deutscher Vertragsfußballer; Anm. LS] da ist. Aber die VDV lässt keine Frauen als stimmberechtigte Mitglieder zu. Und das im Jahr 2023. Was ziemlich peinlich ist. Wir waren mit der VDV im Austausch. Dies hat aber nicht zu einer fruchtbaren Partnerschaft geführt. Aus diesem Grund sind wir jetzt dabei uns selbst zu organisieren, auch mit der Erfahrung, die man in anderen Ländern gesammelt hat. Weil wir Spielerinnen haben, die international gespielt , und gesagt haben, DIE Gewerkschaft ist die Stimme der Spielerinnen, die etwas transportiert, die sich für Sachen einsetzt und die genau diesen Effekt von einer gemeinsamen Meinung abbildet. Wenn man einzeln losgeht, kann man einzeln bestraft werden und vielleicht wird man dann auch nur einzeln gehört. Das soll nicht der Fall sein. Jemand muss sich für die Belange der Spielerinnen einsetzen. Das ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten wirklich zu kurz gekommen.

Den zweiten Teil des Interviews mit Almuth Schult findet ihr unter diesem Link.

Fußballbuch-Update Nr. 10: Von Sabrina Flores zu Brianna Pinto

Liebe Fußballfans!

Unser Buch ist nun in North Carolina bei Brianna Pinto angekommen. Brianna ist Mittelfeldspielerin und hat schon einige internationale Erfahrungen gesammelt. Bereits im Alter von 12 Jahren war sie bei ihrem ersten US-Nationalteam-Camp dabei. 2016 nahm sie an der U17-Weltmeisterschaft in Jordanien und 2018 an der U20-Weltmeisterschaft in Frankreich teil.

Unser Interview entwickelte sich zu einem lockeren und sehr netten Gespräch über Briannas Geschichte, ihre Erfahrungen im College-Fußball und wir merkten wieder, wie klein die große Fußballwelt wirklich ist….

Lest es einfach selbst… 🙂 Viel Spaß!

Brianna Pintos Torjubel beim gegen New Jersey/New York Gotham FC. Foto: Andy Mead – USA TODAY Sports

Brianna, du hast das Fußballbuch von Sabrina Flores bekommen. Wie kam es dazu und warum hast du dich entschieden, an diesem „etwas verrückten“ Projekt teilzunehmen?

Das Projekt ist supercool. Ich finde es schön, dass so viele verschiedene Menschen an einem Projekt rund um den Fußball mitwirken. Sabrina hat mir das Buch überlassen und gesagt: „Hey, ich glaube, du hast eine wirklich interessante Geschichte auf deiner Reise durch den Profifußball erlebt, deshalb wollte ich dir dieses Buch geben, damit du hineinschreiben kannst.“

Ich habe mir all die anderen Geschichten angesehen und war mir sicher, dass ich einen Beitrag zu diesem Buch leisten wollte, weil ich es für eine wirklich schöne Sache halte. Das war das erstaunlichste Projekt, das ich je gesehen habe, und es gefällt mir.

Möchtest du ein wenig über deine Geschichte erzählen, die du in das Buch schreiben willst?

Mein Name ist Brianna Pinto und ich bin in Durham, North Carolina, aufgewachsen. Es war mein Lebenstraum für die University of North Carolina, Chapel Hill, zu spielen. Denn dort haben einige der besten Spielerinnen der Welt gespielt: wie Mia Hamm, Kristine Lilly und Cindy Parlow, die jetzt Präsidentin des US-Fußballverbands ist.

Es ist erstaunlich, denn eines der coolsten Dinge, die ich tun konnte, war, die US-Nationalmannschaft in Alter von 12 Jahren bis heute zu vertreten. Während meiner Zeit in der U20-Nationalmannschaft wurde ich als US-Jugendvertreterin für das vereinigte Kandidaturkomitee ausgewählt. Ich bin während der WM 2018 nach Russland gereist und habe zusammen mit Diego Lainez (Mexiko) und Alphonso Davies (Kanada) am 60. FIFA-Kongress teilgenommen, wo wir als Teil des vereinigten 2026-Komitees Reden darüber gehalten haben, warum die WM 2026 in Nordamerika ausgetragen werden sollte. Es war eine solch beeindruckende Erfahrung, weil wir vor der FIFA gesprochen haben, der Organisation, für die wir bereits damals gespielt haben. Es war schon immer mein Traum, als Erwachsene bei einer Weltmeisterschaft zu spielen, und ich hatte das Glück zu sehen, wie die FIFA tagtäglich arbeitet, den Präsidenten Gianni Infantino zu treffen, und zu erleben, dass viele Nationen weltweit die Bewerbung der Vereinigten Staaten für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft in Nordamerika 2026 unterstützen. Es war eine so erfüllende Erfahrung. Und für mich als Frau und Afroamerikanerin war es wirklich beeindruckend, Vertreterin einer Männer-WM zu sein. Ich schwärme davon, wie cool es war. Als ob ich die Weltmeisterschaft nach Hause bringen würde… (Sie hat ein breites Lächeln auf dem Gesicht…) Das ist also die Geschichte, die ich erzählen möchte, weil ich mit zwei weltweiten Superstars im Rampenlicht stehen durfte. Es war einfach eine so erfüllende Erfahrung.

Eine großartige, wirklich großartige Geschichte, vielen Dank.

North Carolina Courage-Mittelfeldspielerin Brianna Pinto (oben Mitte) feiert ihr Tor gemeinsam mit ihren Mitspielerinnen im Spiel gegen den New Jersey/New York Gotham FC im Sahlen’s Stadium.
Foto: Andy Mead – USA TODAY Sports

Lass uns über dich selbst sprechen. Was magst du am meisten am Fußball? Du hast natürlich erzählt, dass du mit 12 Jahren in einem größeren Team angefangen hast. Also ging es zu Beginn nur um Freundschaften und Spaß, oder ging es auch darum, „Oh, ich will wirklich Fußballprofi werden“?

Ich komme aus einer Fußballfamilie. Als mein Vater aufgewachsen ist, hat er am College gespielt. Einer meiner größten Träume war es, die Welt zu bereisen, und ich denke, dass Fußball eine globale Sache ist, bei der man Menschen aus der ganzen Welt trifft. Man kann überall hinreisen und spielen, weil er auf der ganzen Welt gespielt wird. Mein Vater sagte: „Fußball ist ein Weg, das zu tun. Wenn du weiter gegen den Ball trittst und gut genug wirst, kannst du die USA vertreten und weiterreisen.“ Nicht nur das Reisen ist ein großer Teil dieser Erfahrung. Denn ich denke, was mich jetzt motiviert, ist, dass ich durch diesen Sport wunderbare Menschen wie dich kennenlerne. Und ich habe die unwahrscheinlichsten Freundschaften in meinem Leben geschlossen. Ich glaube, dass wir durch die Liebe zum Sport auf eine wirklich schöne Art und Weise miteinander konkurrieren können, und es macht so viel Spaß, Weltmeisterschaften zu sehen, und wie Menschen aus der ganzen Welt für ein Ereignis zusammenkommen. Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich mit dem Fußballspielen angefangen habe, weil ich die Welt bereisen wollte, und weil ich es liebe an Wettkämpfen teilzunehmen und dabei lebenslange Freundschaften mit Menschen zu schließen.

In den Vereinigten Staaten spricht man von College-Teams. Vor elf Jahren fand in Deutschland die Weltmeisterschaft der Frauen statt. Ich war als Ehrenamtliche dabei. In Deutschland wird der Frauenfußball immer populärer, aber im Vergleich zum Männerfußball ist es ziemlich schwierig. Meinem Eindruck nach ist der Frauenfußball in den USA ziemlich beliebt oder bekannt. Wie sieht es denn im Moment aus? Arbeitest du neben dem Fußball oder studierst du oder wie funktioniert das? Und wenn du das System ändern könntest, was würdest du ändern?

Ich denke, das ist eine wunderbare Frage. Eines der coolen Dinge im College-Fußball war Titel IX. Das war eine Änderung, die in den 70er Jahren verabschiedet wurde. Sie ermöglichte es Frauen, in den Vereinigten Staaten Sport zu treiben. Und sie erhielten die gleiche finanzielle Unterstützung wie die Männerteams. Da Fußball, Feldhockey oder andere Frauensportarten im College-Sport keine Einnahmen generieren, erhalten wir Geld von der (American) Football-Mannschaft der Männer oder der Basketball-Mannschaft der Männer, damit wir existieren können.

Im Grunde genommen ermöglicht uns das, die schönsten Trikots zu tragen, auf die gleiche Weise zu reisen wie die Männerteams, die gleichen hochwertigen Hotels zu beziehen und dergleichen mehr. Das ist einfach ein gleichberechtigtes Spielfeld für die Männer- und Frauenteams. Außerdem ist man im College-Sport verpflichtet, gleichzeitig eine Ausbildung zu absolvieren, wobei es eine persönliche finanzielle Entlastung bedeutet, wenn man ein Vollstipendium erhält. Ich war also Vollstipendiatin, habe meine Ausbildung bezahlt bekommen und konnte auf einem wirklich hohen Niveau Fußball spielen. Als ich aufgewachsen bin, konnte ich den besten Mädchen beim College-Fußball zusehen. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde das Niveau im Profifußball gut genug, um die dort vorhandenen Talente zu halten. Wir arbeiten immer noch daran, die ungleiche Bezahlung und andere systembedingte Probleme im professionellen Frauenfußball zu verkleinern.

Der Collegefußball wird von großen Fernsehsendern wie ESPN unterstützt. Wir haben eine gute Einschaltquote, weil er weit verbreitet ist. Er ist hier also sehr populär, und ich fand es toll, Teil einer so erfolgreichen Ära des Frauen-College-Sports zu sein. Ich habe bei UNC-Chapel Hill [Team der University of North Carolina; Anm. von LS] gespielt, in einer der größten College-Fußball-Dynastien des Landes. Wir haben 22 nationale Meisterschaften gewonnen. Das sind mit Abstand die meisten. Einer der Gründe, warum ich dort hingegangen bin, ist, dass ich lernen wollte, was man braucht, um Mitglied der US-Frauen-Nationalmannschaft zu werden, und weil wir dort so viele Spielerinnen haben, die für das Nationalteam der Vereinigten Staaten gespielt haben. Carolina verkörpert gewissermaßen die DNA, die man braucht, um die internationale Ebene zu erreichen.

Eines der Dinge, die ich ändern würde, ist, dass man in den letzten drei Jahren, als ich auf dem College war, kein Geld verdienen konnte. Nach dem Gesetz „Name, Image & Beliebtheit“ hatte die Schule die Werberechte, und es war nicht erlaubt, mit Dingen Geld zu verdienen, bei denen dein Gesicht oder deine Unterschrift verwendet wurde.

Aber im letzten Jahr wurden die Regeln geändert und studierende Athleten dürfen nun Geld verdienen. Man lebt im Grunde wie ein Profi und erhält gleichzeitig eine Ausbildung, und ich denke, das ist das Beste aus beiden Welten. Die Veränderung, die ich mir zu meiner Studienzeit gewünscht habe, ist also vor kurzem eingetreten, und sie verändert das Leben der studierenden Sportler auf so positive Weise. Was die Entwicklung des Fußballs angeht, so trainieren immer mehr Mädchen schon in jüngeren Jahren gemeinsam mit den Profis. Ich habe zum Beispiel mein letztes Jahr, in dem ich spielberechtigt war, nicht wahrgenommen, um Profifußballerin zu werden, weil ich bezahlt werden wollte. Ich spiele gegen die beste Konkurrenz, gegen internationale Superstars aus der ganzen Welt. Und ich war einfach bereit für etwas Neues. Die National Women’s Soccer League (NWSL) [nationale Frauenfußballliga in den USA; Anm. von LS] wird also immer nachhaltiger und ist bereit, alle Spielerinnen zu unterstützen. Immer mehr Mädchen wechseln in einem früheren Alter von der College-Liga zu den Profis, wie man es in Europa sieht. Das ist eine großartige Erfahrung, aber es ist definitiv etwas anderes.

Nun ein ganz anderes Thema. Du bist eine Schwarze und ich möchte dich fragen: Hast du jemals Erfahrungen mit Rassismus gemacht, denn ich denke, in deinem früheren Verein in New Jersey – ich habe Bilder auf Instagram gesehen und ich glaube, dass das kein Thema mehr ist? Gibt es verrückte Fans?

Weil ich denke, dass Frauenfußball nicht mit Männerfußball verglichen werden kann, da es nicht so sehr ein Thema ist: zum Beispiel schwul zu sein. In meinen Augen ist das für uns im Frauenfußball kein „Thema“. Wie sind denn deine Erfahrungen in den USA?

Mittelfeldspielerin Brianna Pinto (weißes Trikot) und Houston Dash -Verteidigerin Katie Naughton kämpfen in der zweiten Halbzeit im Texaner PNC Stadium um den Ball.
Foto: Maria Lysaker – USA TODAY Sports

Ich würde sagen, dass ich zwar viele Privilegien genieße, mir aber auch die Schwierigkeiten bewusst sind, mit denen viele schwarze Spielerinnen konfrontiert sind, wenn sie in den Vereinigten Staaten aufsteigen wollen. Zum Beispiel werden schwarze Spielerinnen von den Trainern oft nach ihren körperlichen Eigenschaften eingeteilt, was oft dazu führt, dass sie Flügelspieler oder Außenverteidiger werden, weil sie schnell sind. Es ist nicht üblich, dass schwarze Spieler im Mittelfeld spielen, und das ist meine Aufgabe. Ich glaube, ich bin eine der technisch versiertesten Spielerinnen auf dem Feld. Aber in den Vereinigten Staaten werden schwarze Spieler oft nur für ihre Schnelligkeit geschätzt. Ich denke, es ist schwierig, und das ist mir besonders im Profibereich aufgefallen, dass es eine Menge „movement for justice“ gibt, aber nicht unbedingt für Rassengerechtigkeit. Ich bin zum Beispiel eine große Befürworterin der LGBTQ+-Gemeinschaft, ich würde sie gerne auf jede erdenkliche Weise unterstützen. Meines Erachtens leistet die Liga hier gute Arbeit.

Ich würde jedoch gerne die gleichen Bemühungen für Schwarze sehen, die mit der Rassenungleichheit in den Vereinigten Staaten zu kämpfen haben. Ich habe das Gefühl, dass wir unsere schwarzen Spielerinnen nicht so unterstützen, wie wir es bei anderen Minderheiten tun. Dazu gehört auch, wie wir die Mittel verteilen und wie wir unsere Demonstrationen gestalten: Sind sie einheitlich? Stehen alle für die gleiche Sache ein? Und ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass dies durchgängig der Fall ist.

Dann würde ich gerne zu deiner Geschichte kommen. Ich denke, du hast in den letzten Jahren so viel erlebt, also wie hast du die Entscheidung getroffen, worüber du schreiben willst? Und du hast mir auch von einem Foto erzählt… Wie lange hat es gedauert, bis du dich entschieden hast, und was ist die Geschichte dahinter?

Also, es ist die Geschichte, wie ich zum 60. FIFA-Kongress kam. Der Grund dafür, dass ich als Vertreterin der US-Jugend für diese Position ausgewählt wurde, war: Ich habe eine Geschichte erzählt, in der es darum ging, im ersten Länderspiel der U19 gegen den Iran zu spielen. Wir spielten bei einem Turnier in China. Es war die erste internationale Erfahrung für die Iranerinnen. Ich glaube nicht, dass die Punktzahl ausgeglichen war, aber das Spiel war wichtiger als das.

Wir konnten Beziehungen zu den iranischen Mädchen aufbauen und sie nach dem Spiel auch abseits des Spielfelds als Menschen kennenlernen. Es war eine wirklich schöne Erfahrung, weil sie meine Mannschaftskameradinnen und mich daran erinnerten, wie viel Glück wir hatten, dass wir alle Mittel und Möglichkeiten hatten, auf höchstem Niveau zu spielen, vor allem in diesem Alter, in welchem dies für sie ihre erste Gelegenheit war. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Was können wir als gut ausgestattete Nationen tun, um den Ländern, die gerade erst mit dem Frauensport beginnen, mehr Chancengleichheit zu bieten?

Die Vereinigten Staaten und Deutschland sind zwei der Weltmächte im Frauenfußball. Damit sich der Sport auf der ganzen Welt entwickeln kann, müssen wir mehr tun: Unterstützen wir andere Nationen? Ich weiß, dass wir natürlich daran interessiert sind, dass unsere eigenen Länder gewinnen. Aber ich denke, dass alles, was wir tun können, um gleiche Bedingungen für alle zu schaffen, das Spiel in Zukunft viel besser machen wird.

Wie bin ich dazu gekommen, darüber zu schreiben? Ich meine, jeder kann über ein Spiel berichten, das er gewonnen hat, oder über den Gewinn einer Meisterschaft. Aber ich denke: Ich habe mich entschieden, diese Geschichte zu erzählen, weil sie auf den Punkt bringt, worum es beim Fußball geht. Denn so wurde ich für diese Position bei der FIFA-Veranstaltung ausgewählt, bei der wir uns die Gastgeberrechte für die Weltmeisterschaft sicherten. Es ging darum, dass Kulturen zusammenkommen und sich gegenseitig unterstützen. Das war eine großartige Sache, die innerhalb der FIFA passieren kann. Also wollte ich die Geschichte erzählen.

Wo hat das Turnier in China stattgefunden?

Es fand in Guangzhou statt.

Als wir uns weiter unterhielten, kamen wir darauf zu sprechen, dass Brianna kurz zuvor Lutz (Pfannenstiel; der auch einer der Autoren des Fußballbuches ist) getroffen hatte.

Ich habe ihn bei der Mac-Hermann-Veranstaltung getroffen. Ich war dort mit zwei anderen College-Spielern. Es war eine Veranstaltung zur Ehrung der drei besten Spieler im College-Fußball. Ihn in dem Buch zu sehen, war also wirklich einzigartig. (Sie blättert durch das Buch und zeigt mir ein Foto…) Dieses Bild ist mein Agent.

Nein, wirklich?! Oh mein Gott, ich muss das Urs erzählen, dem ehemaligen Schiedsrichter, der die Geschichte geschrieben hat und der die Geschichte liebt. Er war der Initiator dafür, dass diese Leute [Spieler aus den USA und aus dem Iran] für ein Bild zusammenkamen.

Ich habe tatsächlich ein Bild, das dem hier sehr ähnlich ist. Also, die Geschichte, von der ich erzählt habe, als wir gegen den Iran gespielt haben. Wir haben ein Foto wie dieses gemacht. Ich schicke es dir zu. Und ich kann es auch auf meine Seite kleben, wenn ich sie schreibe.

Wahnsinn!

(Sie zeigt mit dem Finger auf einen Mann auf dem Bild.) Er ging auch nach Carolina, an die University of North Carolina, Chapel Hill.

Und wie heißt er?

Eddie Pope. Und das ist Claudio Reyna (sie zeigt auf einen anderen Mann auf dem Bild), seine Frau hat für meinen Trainer in Carolina gespielt.

Oh, wow!

Ja, das ist wirklich einzigartig.

Das ist so cool! Das ist Fußball, so eine kleine Welt…

Die Welt ist klein! (wir lachen…)

So, die Welt ist wieder klein… 😊 Vielen Dank an Brianna, dass sie ein Teil unseres internationalen Fußballbuch-Teams ist!

Mal sehen, welche Station in der kleinen, weiten Fußballwelt das Buch als Nächstes ansteuert!

Fußballbuch – Update Nr. 6: Von Ryan Smith zu Michael Lahoud

Liebe Fußballbegeisterte auf der ganzen Welt,

wie gestern angekündigt ist das Fußballbuch inzwischen von London nach Texas gereist. Michael Lahoud, ehemaliger MLS-Spieler und Nationalspieler von Sierra Leone, hat sich darin verewigt, und sich meinen Fragen zum Buch, doch vor allem auch zu seiner Lebensgeschichte, gestellt… Lest selbst, welch wunderbare Erfahrungen er durch Fußball machen konnte…

Viel Spaß beim Lesen, passt auf euch auf und bleibt zu Hause!

Lisa Blue

 

Interview mit Michael Lahoud

Lisa Schatz: Hallo Michael, vielen Dank für deine Zeit. Ich habe mich sehr gefreut als ich hörte, dass das Buch nach Texas gereist ist, und jetzt sprechen wir mit einer Zeitverschiebung von sieben Stunden. Fußball verbindet die Menschen wirklich…

Warum wolltest du an diesem Projekt teilnehmen und was hat Ryan dir erzählt, sodass du daran teilgenommen hast?

Michael Lahoud: Ich glaube fest daran, dass Dinge aus einem bestimmten Grund geschehen und dass sie zum passenden Zeitpunkt im Leben passieren. Ryan und ich haben uns unterhalten. Als er mir von dem Buch erzählt hat, kam der Zeitpunkt genau richtig, denn ich begann, über meine Karriere und über die Saison nachzudenken. Und ich musste wirklich zurückerinnert werden, warum ich dieses Spiel spiele. Es war also genau der richtige Zeitpunkt, um ein leeres Blatt Papier zu erhalten, um etwas zu schreiben, Teil von etwas zu sein und dem Fußballspiel, das mir so viel gegeben hat, etwas zurückzugeben. Ich möchte etwas zurückgeben, so dass diese Geschichte wie eine perfekte Gelegenheit erscheint.

Was gefällt dir am besten an diesem Spiel? Geht es um die Verbindung der Menschen, die von überall her kommen oder ist es das Teamfeeling?

Es ist multifaszinierend, ich spiele sehr gerne. Fußball ist ein Ort, an dem man träumen kann, oder ein Ort, an dem es keine Rolle spielt, woher man kommt. Dein Hintergrund spielt keine Rolle. Für mich persönlich war der Fußball der Ort, an dem mein Hintergrund, meine Geschichte, mein sozioökonomischer Status keine Rolle spielt. Im Fußball spielen das Alter, die Rassenzugehörigkeit und die Nationalität keine Rolle. Wir sind alle durch den Fußball verbunden. Und ich denke, dass der Fußball das ist, was mich wirklich inspiriert hat. Alles, das mir durch Fußball gegeben wurde, alles, das mir beigebracht wurde, hat mich inspiriert, dieses Wissen weiterzugeben. Ich glaube an junge Menschen, an junge Fußballer. Ich war selbst einmal ein junger Fußballspieler, und jemand hat an mich geglaubt. Wenn ich mich mit jungen Spielern treffe und ein wenig von mir selbst in ihnen sehe, dann macht mich das umso leidenschaftlicher, Fußball zu spielen.

Wie schwer war das? Du kamst als Geflüchteter in die Vereinigten Staaten. Bist du alleine oder mit deiner Familie dorthin gekommen?

Ich kam im Alter von sechs Jahren als Geflüchteter in die USA und reiste allein. Mir wurde die Einreise gewährt, man ordnete mich als Notfall ein. Ich hatte keine Ahnung, was um mich herum passierte. Aber zu dieser Zeit herrschte in Sierra Leone ein tragischer Bürgerkrieg, und dieses Visum in die Vereinigte Staaten hat mir das Leben gerettet, und wirklich, der Fußball hat mir das Leben gerettet. Als ich hierher kam, wusste ich nicht, was vor sich ging. Ich wusste, dass ich hierher kommen würde, um wieder mit meiner Familie, meiner unmittelbaren Familie, in Kontakt zu kommen. Aber es war wohl das Beste, was mir passieren konnte: Dass ich zu jung war, um irgendetwas zu begreifen. Aber ich bin sehr, sehr dankbar für dieses Visum. Das ist etwas, das ich nie vergessen werde.

Ich kann mir vorstellen, dass es äußerst schwer gewesen sein muss, denn du warst damals sechs Jahre alt, ein kleines Kind…

Ja, es war schwierig. Es ist schwer genug, wenn man an einen neuen Ort geht. Die Sprache ist sehr schwer. Englisch wird auf der ganzen Welt gesprochen, aber es ist anders als jede andere Sprache. Ich hatte in Afrika in der Schule Englisch gelernt. Aber was es wirklich schwierig für mich machte, war: Als Kinder, aus Sierra Leone, sind wir einfach als Sierra Leonier aufgewachsen. Wir haben nie darüber gesprochen, welcher Rasse man angehört, woran man glaubt,… Es war wirklich so, dass wir einfach alle gleich waren. Und als ich nach Amerika kam… Es war das erste Mal, dass ich mich anders fühlte. Und es war das erste Mal, dass es mir schwer fiel, wie anders ich war. Ich war so durcheinander, weil ich – verdammt noch mal – so etwas noch nie zuvor erlebt hatte. Ich fing an, all die Unterschiede zu bemerken. Das war sehr schwierig für mich.

Hast du Erfahrungen mit Rassismus gemacht oder wie hast du dich gefühlt?

Nein, ich hatte Glück. Am ersten Tag als ich in Amerika zur Schule kam, traf ich meinen besten Freund. Ob du es glaubst oder nicht: Es war der Fußball, der uns verbunden hat.

Das ist wirklich die Kraft des Fußballs. Er verbindet wirklich die Welt. Als ich in die Schule kam, hatte ich solche Angst. Eine Gruppe von Kindern spielte Fußball. Wirklich: Ich wollte gesehen werden, und ich wollte nicht gesehen werden, weil ich hoffte, dass mich niemand sieht. Denn: Ich weiß nicht, ich bin das Kind, das anders ist, das neu ist. Das ist anders. Und natürlich, wann immer man nicht gesehen werden will, wird man gesehen. Der Ball rollte zu mir, nachdem er vom Fuß eines Mitschülers abgeprallt war. Und die Schüler sagten: „Hey, wirf den Ball“. Ich hatte noch nie zuvor einen Ball geworfen, weshalb ich sehr nervös war. Ich tat es, aber ich wusste nicht, wie ich es tun sollte. Ich habe den Ball geholt und ihn zu ihnen zurückgespielt. Und das hatten sie so noch nie zuvor gesehen. Ich habe ihn sehr hoch geworfen und ihn über das Dach des Gebäudes gekickt. Sofort hatte ich den Respekt von allen. Ich war das Kind, das neu war, und das niemand bemerkt hatte. Es war nicht schlecht, dass die erste Person, die zu mir kam, ein sehr beliebter Junge in der Schule war, das sagte: „Hey, ich habe das noch nie jemanden machen sehen! Du bist mein neuer bester Freund“. Und er brachte mich zu seiner Familie. Er sagte: „Oh, das ist mein Torwart, er kann beides – Fußbälle, Tennisbälle – auf das Dach schießen“. Ich konnte es nicht glauben.

Hattest du die Möglichkeit, in den USA in einer Familie zu leben, weil du sehr jung warst, oder warst du in einer Unterkunft wie z. B. in einem Flüchtlingsheim?

Ich habe hier eine neue Familie gefunden. Es war wirklich interessant, meine leibliche Familie in Sierra Leone zu haben, und eine zweite Familie hier in den Vereinigten Staaten gefunden zu haben. Ich war so dankbar dafür. Wir haben alle eine Familie, deren Blut durch unsere Adern fließt. Und wir haben die Menschen, die für uns zur Familie werden. Durch diesen Tag war es, als wäre ich adoptiert worden.

Er war wie dein Bruder…

Ja, wirklich. Es war wirklich so, als ob ich ein Teil von ihnen werde, man bot mir diese Adoptivfamilie an. Sie waren so fantastisch zu meiner biologischen Familie und sie waren so liebevoll zu mir. Meine Eltern arbeiteten die ganze Zeit. Vor allem meine Mutter, sie ist Krankenschwester. Daher war es für uns sehr schwierig, das Leben hier zu verstehen, im Gegensatz zu dem, woher wir kamen. Doch meinem besten Freund, Jack Wolf, bin für immer dankbar für das, was sie meiner Familie und mir über die Jahre hinweg bedeutet haben, was sie für mich geschaffen haben.

Michael Lahoud spielte für den Miami FC. Foto: Alenny Orovio
Michael Lahoud spielte für den Miami FC. Foto: Alenny Orovio

In deiner Geschichte, die du im Fußballbuch verewigt hast, hast du über die Sportpsychologin Dr. Cristina Fink geschrieben. Dass sie dein Leben verändert hat…

Sie gehörte während meiner MLS-Zeit (Major League Soccer) zu einem meiner Vereine. Sie war in Los Angeles. Hier in Amerika haben wir im Fußball ein ähnliches System wie beim Basketball: einen Tauschhandel. Ich bin dankbar, dass ein solcher Handel dafür sorgte, dass ich Dr. Cristina Fink begegnete. Von dem Moment an, als ich sie traf, wusste ich, dass ich mit ihr zusammenarbeiten muss. Es war nie das, was sie sagte. Aber sie hat diese Präsenz. Ich kannte ihre Geschichte, ihren Hintergrund nicht: Sie ist eine ehemalige Olympionikin, eine Hochspringerin. Sie kommt aus Mexiko-Stadt. Sie ist eine sehr, sehr, sehr brillante Frau. Ich wusste wirklich, dass ich besser werden wollte. Ich wollte der bestmögliche Fußballer sein, der ich sein kann. Ich wusste, dass ich Talent hatte. Ich wusste, dass meine Karriere weit führen könnte, aber ich wusste, dass Talent nicht genug war. Ich wollte Hilfe. Es gab einen Punkt, an dem ich Hilfe brauchte, um dorthin zu gelangen, und das war eine sehr demütigende Erfahrung. Es war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich erlebte, nicht der Star zu sein. Ich erlebte, dass ich nicht „der Fußballspieler“ war, und das ist sehr demütigend, wenn man das im Profisport erlebt. Ich glaube, dass widrige Umstände das Beste sind, das Fußballern passieren kann, vor allem jungen Fußballern. Es war also der richtige Zeitpunkt für mich, sie zu treffen, und so war ich die einzige Person im Team, die sie sehen sollte. Damals sagten alle, Sportpsychologen seien hier, vor allem in Amerika, nicht gerade beliebt. Ich wusste nicht wirklich, wer sonst noch mit ihnen zusammenarbeitete, aber einmal sagte sie mir, dass dies auf dem Rest der Welt eine große Sache sei. Und sie fügte hinzu: „In Amerika liegt ihr Jungs im Rückstand“. Und dieser Aspekt bezogen auf den Sport, besonders auf den Fußball… Das hat mir wirklich geholfen zu sehen, dass selbst die größten Fußballstars Hilfe auf dem längeren Weg brauchten, um dorthin zu gelangen, wo sie sind. Das kann man nicht alleine schaffen. Und so hat es einfach perfekt gepasst.

Auf welche Weise hat sie dir am Meisten geholfen?

Zum Teil war es Mentaltraining, aber es fühlte sich nie wie irgendeine Art von Training an. Es fühlte sich für mich einfach so an, als dass jemand an mich glaubte, dass jemand mehr in mir sah, als ich sehen konnte. Mehr als mein Talent. Ich glaube, jeder Trainer, für den ich je gespielt habe, hat es gesehen, konnte es aber nie in Worte fassen. Sie war die erste Person, die es konnte.

Wie alt warst du, als du ihr erstmals begegnet bist?

Ich war 26 Jahre alt. Ich wurde wirklich von diesem Gefühl verfolgt, dass es mir nicht genug ist, wenn es mir gut geht. Ich muss es töten, ich muss der Beste der Besten aller Zeiten sein, alle müssen aufstehen und mir mit Standing Ovationen zusehen. Das ist nicht realistisch. Es gibt immer jemanden, der besser ist als du, der in etwas besser ist als du. Cristina hat nicht versucht, das von mir zu nehmen. Sie gab mir nur eine andere Perspektive. Sie sagte: „Verlier‘ das nicht, und nutze eine andere Sichtweise, um dich selbst zu motivieren. Die ist nicht da draußen. Sie war immer in dir drinnen“.

Das Erstaunlichste, das sie zu mir sagte – abgesehen davon, dass ich aus Liebe zum Spiel spielen sollte – war: „Ein guter Spieler muss nicht zeigen, dass er ein guter Spieler ist. Er ist einfach einer“. Das hat mir dieses Gefühl weggenommen: „Ich muss es beweisen, ich muss es beweisen, jeden Tag muss ich es beweisen“, und es anderen Menschen wirklich bestätigen. Andere Leute entscheiden, wie es dir geht. Sie sagte: „Nein. Weißt du, ein guter Fussballer weiß, dass er ein guter Fussballer ist. Er muss es nicht der Welt erzählen, er muss es wissen“. Im Fußball muss man seinen Job machen.

Es war diese Art von Gesprächen, die so aufschlussreich war. Im Fußball würde ich, so sehr ich auch Talent habe, immer meinen Weg durchdenken. An der Universität, aber auch als Profi, bereitete ich mich darauf vor, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der mir half, zu sagen: „Hey, hier sind ein paar Dinge, die du machst und die dir helfen werden“. Und: „Hier sind einige Möglichkeiten, die du tatsächlich nutzen kannst, um dein Wissen auf die nächste Stufe zu bringen“. Es ist wirklich eine unglaubliche Erfahrung.

Hattest du ein Idol wie Zizou oder hast du einfach versucht, an dich selbst zu glauben und zu versuchen, was du konntest?

Zinedine Zidane war nie mein Vorbild. Ich hielt ihn für einen erstaunlichen Fußballer. Es war nicht nur die Klasse, mit der er spielte. Es war vor allem die Eleganz, dass er so gut war. Und er wusste es. Und du wusstest es. Aber es war, dass er es wusste. Und er wollte, dass du es weißt.

Mein Idol war David Beckham. Er war jemand, der mir gezeigt hat, dass man mehr als nur Fußball sein kann. Für ihn war es der kommerzielle Aspekt der Dinge. Aber er war der moderne Fußballer, der das wirklich auf eine andere Ebene gebracht hat: dass man mehr als nur Fußball sein kann. Und das bedeutet für alle anderen etwas anderes. Für ihn ist es der Ruhm. Er ist auch ein Familienmensch. Man kann tatsächlich Fußballer sein, aber man kann immer noch mehr als Fußball sein.

Ich möchte dich auch zu deinem sozialen Engagement befragen. Welche Projekte führst du für soziale Zwecke durch?

Das ist etwas, das zusammen mit dem Fußball zu einer Leidenschaft geworden ist. Im Jahr 2010 traf ich eine Frau, die mir eine Frage stellte, welche mein Leben veränderte. Sie fragte mich: „Wie würden Sie gerne die Welt verändern?“ Und ich war gerade erst am Anfang meiner Karriere, und ich hätte nie mit jemandem gerechnet, der mich das fragen würde, wenn es nicht mit Fußball zu tun hat. Ich antwortete: „Oh, ich verändere die Welt durch Fußball, weil ich ein fantastischer Fußballer bin“. Aber es hat mich wirklich dazu eingeladen zu begreifen, dass die Welt größer ist als ich es bin. Und es gibt etwas Soziales, das tiefer geht als das, was ich sehe. Das ist größer als ich. Es hat mein Herz auf eine Weise erobert, die ich kannte: Dass ich mich ändern würde und nie mehr derselbe sein würde.

Diese Frage, die sie mir stellte, lud mich zu einem Prozess der Selbstentdeckung ein. Sie hat meinen Geist erweitert. Ich wollte den Fußball wirklich nutzen, und nicht nur so, als es das von meinem eigenen Spiel bedeutet. Ich wollte den Fußball als Plattform nutzen, um anderen zu nützen. Wenn man Fußballer ist und jedes Wochenende spielt – ja, man spielt auf Grund seiner eigenen Leidenschaft und seiner eigenen Wünsche – aber man ist nur ein Profi, weil die Fans dafür bezahlen, dass sie einen spielen sehen. Ohne die Fans ist man einfach ein Amateur. Was es bedeutet, ein Teil der Mannschaft zu sein, mit diesem Vereinslogo auf dem Trikot zu spielen: Man spielt für eine Tradition, die größer ist als man selbst. Die Spieler, die den größten Einfluss im Spiel haben, sie verkörpern das, sie nehmen das auf, das bedeutet mehr für sie. Diese Botschaft bedeutet ihnen mehr. Mein Leben, meine Geschichte, meine Karriere… Das bedeutet mehr. Und das möchte ich wirklich nutzen, um auf mein Heimatland, mein Heimatland Sierra Leone, einzuwirken. Ihre Frage lud mich ein, mehr zu erfahren. Nicht nur darüber, wer ich bin, sondern auch, woher ich komme. Sie half mir, einen Teil von mir wiederzufinden, der wegen des Bürgerkriegs und des Umzugs nach Amerika verloren gegangen war. Deshalb möchte ich meine Plattform als Fußballer gerne nutzen, um dafür zu sorgen, dass dieser Krieg in Sierra Leone nie wieder passiert. Ich möchte den Kindern helfen, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.

Sie hat meinem Land geholfen, Schulen zu bauen. Sie ist ein ehemaliges Friedensmissionsmitglied. Ich konnte den Zeitpunkt nicht begreifen. Ich hatte noch nie eine Person, deren Timing so beeindruckend war, um in mein Leben einzutreten.

Was hast du getan?

Ich habe mich auf eine Reise begeben. Ich wollte in meiner Heimatstadt in Sierra Leone wirklich eine Schule bauen. Über einen Zeitraum von Jahren haben wir dies zusammen mit meinen Nationalmannschaftskameraden aus Sierra Leone getan. Wir bauten gemeinsam eine Schule. Das ist etwas, worauf ich immer stolz sein werde.

Währenddessen geschahen in diesem Land schreckliche Dinge. Im Jahr 2014 brach die Cholera aus. Ein Freund aus Heidelberg und ich haben uns zusammengetan, um Geld für „Ärzte ohne Grenzen“ zu sammeln, und wir haben diese Kampagne mit dem Namen „Kick Ebola in the butt“ (deutsche Übersetzung: „Tritt Ebola in den Hintern“) ins Leben gerufen. Die Menschen mochten sie sehr: Sie unterstützten den Zweck und sie unterstützten die Schule. Es ist erstaunlich, was es bedeutet, für etwas zu spielen und einen Sport zu nutzen, der Menschen zusammenbringt, die sonst nie miteinander verbunden gewesen wären – wenn man das für eine Sache nutzt, die größer ist als man selbst, für eine gemeinsame Sache. Die Kraft des Fußballs ist erstaunlich. Ich denke, das hat die Kraft des Fußballs verkörpert. Jetzt wollen wir diese Schule auf die nächste Stufe bringen, indem wir wirklich Fußball spielen. Für diese Kinder haben wir in einer Schule ein Fußballfeld gebaut. Das gibt ihnen eine unglaubliche Kraft, auch den Menschen in der Nachbarschaft. Es ist ein Moment, den ich nie vergessen werde: Die Kinder zu sehen, die man  beeinflusst, und die Dankbarkeit.

Vielen Dank für diese Geschichten! Nun möchte ich auf das Thema des Fußballbuchs zurückkommen. Warum hast du dich entschieden, dich an unserem Projekt zu beteiligen?

Ich glaube an Geschichten. Das Mächtigste an jedem von uns sind unsere Geschichten. Die Möglichkeit, nach Sierra Leone zurückzukehren und Zeuge der Geschichte zu werden, die dort geschrieben wurde, hat mich so dankbar für die Menschen gemacht, die mich beim Bau dieser Schule unterstützt und mich dazu ermutigt haben. Es gibt Menschen, die auf mich zählen, die ich nicht kannte, die ich noch nie zuvor auf der anderen Seite der Welt gesehen habe. Sie zählen auf mich, dass ich ihren Traum am Leben erhalte, und meinten: „Danke! Wegen deines Traums, wegen deines Traums haben wir eine Chance im Leben“. Diese Kinder zu sehen, das ist es, woran ich denke, was mich wirklich berührt und woran ich mich immer erinnere.

Wir leben in einer Welt von hochwertiger Qualität und Luxus. Ich empfehle anderen Amerikanern, und wenn ich ihnen nur einen Wunsch erfüllen könnte… In Europa reist ihr so viel. Hier in Amerika, weil das Land so groß ist, reisen viele Leute nicht so viel. Jeder sollte versuchen, andere Perspektiven zu bekommen. Wir brauchen einander als Menschen, nicht nur unsere Nachbarn.

Sierra Leone training camp ahead of Swaziland v Sierra Leone on 18 May 2014. Lobamba, Swaziland.
Michael Lahoud beim Länderspiel gegen Swasiland am 18.5.2014. Foto © www.XtraTimeSports.net / Darren McKinstry

Wann wäre das Buch in deinen Augen erfolgreich?

Es ist solch eine Ehre, Teil dieses Buches zu sein, weil wir alle Geschichten haben, wie ich schon sagte, und selbst als Fußballer, denken die Leute, dass alles einfach „perfekt“ ist. Sie sehen dich nur von Außen, und da gibt es viel mehr für Fußballer, die genauso auch Menschen sind. Wir haben Kämpfe, wir haben Momente, die unser Leben verändern. Wenn man andere Menschen zu seinen Geschichten einladen kann, dann ist das wirklich eine intime Erfahrung durch dieses Buch, und ich kann wirklich sehen, wie das Buch einiges Preis gibt. Ich freue mich wirklich darauf, zurückzublättern und Geschichten zu lesen. In ein paar Jahren werde ich zurückblicken und meine eigene Geschichte aus einer anderen Perspektive lesen. Ich denke, es ist ein besonderes Projekt, und es erinnert uns daran, menschlich zu sein. Für mich, für die Menschheit, gibt es einen Sinn für Geschichten: die Kraft der Geschichten. Das ist etwas, das wir nie verlieren. Dass Geschichten uns menschlich machen.

Vielen Dank für all die großartigen Eindrücke, Mike.

Sehr gerne.