Almuth Schult: Profi mit klaren Forderungen für den Fußball

In der Saison 2022/2023 spielte Almuth Schult für den Angel City FC. [unbezahlte Werbung wegen Markenerkennung]
Foto: Angel City FC

Mit dem VfL Wolfsburg hat sie die Deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und die Champions League gewonnen. Mit dem Nationalteam wurde sie Europameisterin, U20-Weltmeisterin und Olympiasiegerin: Almuth Schult. Doch vor allem ist sie eine starke Persönlichkeit mit klaren Forderungen und Ansichten, die sich auch abseits des Platzes für die Fortschritte im Fußball einsetzt. Sei es als Teil der Initiative „Fußball kann mehr“ oder als Trainerin der Bambinis in ihrer Heimat. Sie hat viel erlebt und eine Menge zu sagen. Almuth zeigt uns eine Vielzahl an aktuellen Themen auf. Dieses Gespräch kann uns alle zum Nachdenken anregen: Warum wurde das WM-Eröffnungsspiel in ein anderes Stadion verlegt? Welche Potenziale wurden im Fußball noch nicht genutzt? Warum lässt die VDV keine Frauen als aktive Mitglieder zu – und dies im Jahr 2023? Weshalb arbeitet keine Sportdirektorin im Profifußball der Männer?
Doch es gibt noch deutlich mehr Fragen, die wir uns stellen können. Das Interview ist sehr umfangreich geworden, weshalb ihr Almuths Ausführungen in zwei Teilen nachlesen könnt. Denn hier gibt es den Raum für solch relevante Themen. Die zweite Hälfte findet ihr hier. Und jetzt „Anpfiff für die erste Interviewhalbzeit…“

Kommen wir gleich zur Weltmeisterschaft. Wie groß ist deine Freude hinsichtlich der WM – auch, wenn du diesmal auf Grund eines schönen Grunds [Almuth Schult ist schwanger; Anm. von LS] nicht mitspielst? Wie verfolgst du die Spiele? Was ist dein Plan? Der kann sich ja eventuell ein bisschen anders entwickeln (lacht)?!

Ich bin sehr gespannt. Natürlich werde ich versuchen, so viele Spiele wie möglich zu verfolgen. In der Vorbereitung haben die Spiele ein paar überraschende Ergebnisse gebracht. Wenn wir uns Deutschland gegen Sambia angucken. Aber auch Haiti oder Marokko haben ein bisschen aufhorchen lassen. Es war mal die Frage: Können die „Kleinen“ denn auch mithalten? Von den Vorbereitungsspielen her würde man sagen: Ja. Und jetzt ist man gespannt, was bei der WM herauskommt. Von daher: Gucken wir mal. Es ist nur ein bisschen komisch, dass die Spiele am Vormittag laufen, das sind wir Europäer oftmals anders gewohnt Auf jeden Fall ungewöhnlich für die Spielerinnen sind die Temperaturen vor Ort, denn es ist Winter am anderen Ende der Welt.

Zumindest ist die Ausrichtung in Australien und Neuseeland besser als ein Stattfinden in Katar, wenn man auf die WM 2022 zurückblickt…

Das auf jeden Fall. Stattdessen würde man sich mit dem, was dahintersteht, vielleicht eine WM in Frankreich wünschen, bei welcher die Anstoßzeiten zur Primetime wären.

„Die Verlegung eines WM-Eröffnungsspiels hat es zuvor noch nie gegeben“

Was wünscht du dir von dem „Drumherum“, wenn du jetzt auf die EM 2022 zurückblickst, wie du sie erlebt hast? Gerade wie sich der Fußball der Frauen entwickelt. Wie denkst du kommt die Euphorie, die Atmosphäre in Australien und Neuseeland an, und was wird sich unabhängig vom Abschneiden des deutschen Teams bei uns im Land tun?

In Australien und Neuseeland ist das ein riesen Ding. Schon seit Jahren, seitdem die Vergabe dort hingegangen ist. Die Matildas [Bezeichnung für das australische Nationalteam; Anm. von LS] bemerken eine 100-prozentige Steigerung, also es wird wohl letztendlich eine 400-prozentige Steigerung von Zuschauern sein, die da in den letzten Jahren stattgefunden hat. Da ist ein großer Hype, was auch gut so ist. Und das hat man ja schon im Vorfeldgesehen: Die Verlegung des Eröffnungsspiels – das hat es so bei einer WM noch nie gegeben! Das hab‘ ich auch bei den Männern noch nie gehört, dass das passiert ist: Dass man einfach gesagt hat: „Ok, dann gehen wir in ein größeres Stadion und passen uns an die Potenziale an.“ Das finde ich super und es zeigt, dass sie bedarfsgerecht agieren und nicht so festgefahren sind als Organisator, sondern diese ganze Sache leben und sich zudem gesellschaftspolitisch eingemischt haben. Das Organisationskomitee hat Saudi-Arabien als Sponsor abgelehnt. Das ist meines Wissens nach das allererste Mal gewesen, dass das ein Ausrichter eines Großsportereignisses gemacht hat. Von daher sehe ich eine super Grundlage für ein tolles Turnier. Auch von der Stimmung her. Das Einzige, was man sieht: In Neuseeland, gerade auf der Südinsel, ist das Wetter nicht WM-gerecht. Es können 4 Grad herrschen, plus Regen.

Mit einer dicken Jacke im Stadion zu sitzen – da stellt man sich dann doch etwas anderes vor. Die Mädels können  froh sein, dass sie rund um Sydney unterwegs sind, dass dann vielleicht mal ein T-Shirt- und kurze-Hosen-Wetter aufkommt. In Deutschland liegt trotzdem ein Fokus auf diesem Turnier. Das haben auch die Spielerinnen gemerkt: Hinsichtlich des Presseaufkommens und der Sponsoren. Ich hoffe, dass wieder dieser Funke von der Mannschaft überspringt. Der war in den beiden Vorbereitungsspielen leider noch nicht komplett da. Aber letztes Jahr bei der EM konnten sich die Menschen mit der Art und Weise, wie wir auf dem Platz auftreten, wie wir als Mannschaft auftreten, identifizieren. Und diese Identifikation ist das, was vielen in der Bevölkerung irgendwie ein bisschen fehlt. Sowohl mit der Männer-Nationalmannschaft als auch zum Teil mit der Männer-Bundesliga. Obwohl diese Saison durch das Schwächeln der Bayern etwas spannender war – aber diese Identifikation… Es wäre schön, wenn wir die in Deutschland wieder spüren würden. Dann wäre es ein erfolgreiches Turnier. Dann kann das wieder ein Schritt nach vorne sein in der Sportart.

Nach eurer Rückkehr von der EM in England haben einige von euch gesagt, dass sie das von England aus ganz anders wahrgenommen haben, also welche Euphorie ihr in Deutschland entfacht habt. Ihr wart wieder hier und habt diese Begeisterung erlebt. Inwieweit ihr danach zu den Vereinen an der Basis Kontakte und gesehen, was sich dort bewegt hat im Hinblick auf die steigenden Zahlen an Mädels, die in die Vereine eintreten wollten? Als der DFB „ach so überrascht war“ und wohl auch komplett überrollt wirkte, dass so viele Mädels Fußball spielen wollten und m. E. ziemlich überfordert wirkte oder war dies eher so: „Ok, man hat es ein bisschen über die Medien mitbekommen“. Wie hast du das wahrgenommen?

Ganz unterschiedlich natürlich. Es gibt Spielerinnen unter uns, die Kontakt in die Heimatregion haben und diese sehr engagiert ist und dort etwas entstanden ist. Genauso gibt es welche, die das nicht mitbekommen haben. Es gibt Vereine, die sagen: „Bei uns ist überhaupt nichts angekommen. Alle reden immer vom Aufschwung, aber bei uns ist das eigentlich rückläufig und es werden Mannschaften abgemeldet“. Das stimmt leider ebenso. Das würde ich überhaupt nicht bestreiten. Es ist nicht in jeder Region so, sondern es kommt auf den Landesverband an. Es ist davon abhängig: Wie engagiert sind Kreisverbände? Es ist vielleicht auch durch das Engagement von Sponsoren bedingt, von denen ein Antrieb kommen kann. Und von den handelnden Personen in den Vereinen. Deshalb gibt es Regionen, die einen richtigen Aufschwung erlebt haben, und es gibt leider welche, in denen der Trend fortgesetzt wurde und noch weniger Frauen und Mädchen am Spielbetrieb beteiligt sind.

Aktuelle Effekte im Fußball der Frauen

Ich habe es durch die neu gegründete Bambinigruppe bei mir im Heimatverein, die ich mittrainiere, am eigenen Leib erfahren. Dort ist der Mädchenanteil sehr hoch, 50/50 schätze ich. Das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass ich Trainerin bin. Das weiß ich nicht. Aber hier sieht man, dass es nicht nur einzelne Mädels sind, die Fußball spielen wollen, sondern dass sich wirklich eine ganze Gruppe zusammenfindet und es den Kindern vollkommen egal ist, ob es Jungs oder Mädchen sind. Die wollen einfach zusammen Sport machen und Spaß haben. Und man sieht es genauso auf anderen Ebenen: Wenn man auf die Landesverbandsebene geht. Ich war ganz begeistert von den Aufstiegsspielen Regionalliga / 2. Bundesliga, wie viele Zuschauer vor Ort waren. Bei Viktoria Berlin genauso wie beim Hamburger SV. Dass beide Heimspiele ausverkauft waren. Gladbach hat im Borussiapark gespielt, Elversberg hatte ein volles Stadion. Dann kommen dazu auch Landespokalfinals. Also Hamburg beispielsweise mit St. Pauli war einfach mit 3.882 Zuschauern ausverkauft beim Landespokalfinale. So etwas hat’s vorher noch nicht gegeben. Da sehe ich auch einen Effekt. (freut sich) Diese Effekte gibt es auf verschiedenen Ebenen, aber noch nicht überall. Ich bin froh, dass es sie gibt und hoffe, dass es so weitergeht. Aber es tut mir auch immer leid um die Vereine, die selbst sagen, sie spüren den Effekt nicht.

Oder so ein Fall wie Turbine Potsdam…

Ja, aber das mit Potsdam lag nicht an der Europameisterschaft, sondern Jahre zurück, wie die Weichen dort gestellt bzw. nicht gestellt worden sind. Das hat sich dann angekündigt. Eigentlich war die Saison davor mit der Fast-Qualifikation für die Champions League eine Überraschung.

Für Andernach und Potsdam ist das schon schwierig… Da die Balance zu finden.  

(Almuth lacht, winkt und blickt an der Kamera vorbei)

Sind deine Zwillinge grad draußen unterwegs?

Nein, meine Mutter, die durch den Garten läuft. (wir lachen)

Wenn du Bayern, Wolfsburg, Frankfurt und Hoffenheim anschaust: Ich sehe diese Lücke zu den anderen Vereinen und bin gespannt, wie sich das entwickelt.

Frankfurt hat sehr aufgeschlossen. Sie haben die Saison letztendlich auf einem guten Platz abgeschlossen, haben sehr viele Punkte gesammelt und entwickeln sich infrastrukturell stark weiter. Da bin ich gespannt, was noch an Transfers passiert. Man hat jetzt einige Nachrücker, die gerne noch etwas machen wollen, die es vielleicht ernster nehmen, also beispielsweise mit Leipzig. Ich bin gespannt und habe eher das Gefühl, dass der Abstand geschlossen wird. Du hast immer zwei Vereine, die vornewegmarschieren. Es gab Zeiten, wo es Potsdam und Frankfurt waren. Dann waren es Potsdam und Duisburg. Aber es gab stets zwei Vereine, auch vor Bayern und Wolfsburg, die unter sich den Titel ausgemacht haben. Vielleicht maximal drei. Und jetzt sehe ich Potenzial, dass sich die Liga ein bisschen auffächert. Dass es spannender wird. Weil Hoffenheim schon mal in der Champions League mitgespielt hat. Und jetzt hat man mit Frankfurt jemanden – mit dem man – nicht bis zum letzten Spieltag, aber davor – stark konkurriert hat. Bei anderen Vereinen wie bei Leipzig oder Köln sehe ich Potenzial, dass diese Bemühungen langfristig bleiben könnten.

Ich meinte jetzt eher auf die Bundesligaclubs Sand, Andernach und Potsdam bezogen – die jetzt da nicht derart die Möglichkeiten haben mit den Vereinen, bei denen die Männerteams schon lange in der Bundesliga spielen, in der nahen Umgebung…

Ja, das ist so. Aber man muss sagen: Da fehlte vielleicht auch der Mut, zu investieren. Klar haben sie einen anderen Hintergrund als die Lizenzvereine. Aber auch bei Essen merkt man, dass sie etwas tun wollen, dass sie im Austausch sind, um sich hinsichtlich neuer Trainingsanlagen und eines Leistungszentrums mit der Stadt abzustimmen. Potsdam hatte jahrelang Vorsprung vor Bayern, Wolfsburg und Co. Allein mit ihrem Internat. Sie haben nun im Nachhinein nicht genug aus diesen Möglichkeiten gemacht und man kann bei Potsdam nicht sagen, dass sie die Sponsoren in der Region nicht gehabt hätten. Sie haben schon vor zehn Jahren infrastrukturell und vom Gehalt her Dinge geschaffen, die viele erst aufholen mussten. Sie sind bloß einfach in ihrer Entwicklung stehen geblieben und waren eher mit Auseinandersetzungen beschäftigt – auch mit Babelsberg –  anstatt vielleicht lösungsorientiert zu handeln. Das ist schade. Aber man darf sich nicht immer nur dahinter verstecken: Ja, die Lizenzvereine. Man hat das mitunter selbst in der Hand.

Auch der 1. FFC war so weit vorneweg in Frankfurt. Da sind vielleicht ein paar Investitionen in die falsche Richtung gelaufen. Ansonsten hätte man das gar nicht aufholen können. Ich meine: Fast die ganze Nationalmannschaft hat beim 1. FFC Frankfurt gespielt. Wenn man das schon mal gehabt hat, verschwindet das nicht auf einen Schlag. Es hat nicht am Geld gelegen, sondern daran, dass sich infrastrukturell nichts bewegt hat..

„Für einen professionellen Spielbetrieb braucht es ein Mindestgehalt“

Fußballprofi Almuth Schult fordert: Für einen professionellen Spielbetrieb braucht es ein Mindestgehalt“. Foto: DFB

Wo siehst du generell noch Potenzial? Was würdest du dir vom DFB wünschen für den Fußball der Frauen, oder von den Landesverbänden und von den Vereinen?

Für den Profibereich müssen sie einfach mal Lizenzauflagen erstellen, die einen professionellen Spielbetrieb gewährleisten. So wie es in England oder in den USA der Fall ist. Dass Regularien erlassen werden über ein Mindestgehalt, über höhere Mindestanforderungen, über eine gewisse  Infrastruktur an die Vereine. Auch mit einer guten Qualität. Das ist wichtig.

Im Hinblick auf die Landesverbände etc.: Es geht um eine gleichberechtigte Förderung von Mädchen und Jungen in allen Bereichen. Egal, ob das in den Stützpunkten ist. Egal, ob es in den Auswahlmannschaften ist. Es darf nicht passieren, dass man bei der Kreisauswahl bei den Jungs Fahrgeld gibt und bei den Mädchen nicht. Oder dass irgendwo bei den Mädchen keine Trainingsklamotten zur Verfügung gestellt werden. Dass die Vereine darauf schauen, dass jeder Trainer eine Aufwandsentschädigung bekommt und nicht nur die der männlichen Teams. Man sollte den gemeinnützigen Auftrag der Vereine auch in dem Zusammenhang leben und nicht nur nach der Generierung von Profit gehen.

(Fehlende) Frauen im Profifußball der Männer

Der Bayerische Fußballverband fördert aktuell Trainerinnen. So wurde ein B-Lizenz-Lehrgang für Frauen von der UEFA und vom Verband finanziert. Wenn du jetzt ein bisschen die Perspektive wechselst: Wie nimmst du das wahr, dass vielleicht auch Frauen in Managementpositionen kommen könnten?
Was mir in der Medienwelt fehlt: Es wird meist über die Trainerinnenpositionen geschrieben. Aber dass Frauen im Profifußball der Männer auch in Managementpositionen vorangehen? Mir hat das immer gefehlt. Bis auf Katja Kraus…

Man muss jetzt einmal unterscheiden zwischen Management, Sportdirektion und Geschäftsführung. Im Management an sich, im Teammanagement sind ein paar Frauen. Bei Bayern etc.
Es ist bloß wirklich so: Die GeschäftsFÜHRUNG ist vakant. Da gibt es soweit ich weiß keine Geschäftsführerin in der 1. und 2. Liga. Mittlerweile gibt es Präsidentinnen oder weibliche Aufsichtsräte. Aber in der Geschäftsführung an sich oder vor allem auch in der sportlichen Leitung gibt es keine Frauen. Das meinst du wahrscheinlich damit?

Ja, genau.

Das wäre wichtig, das sehe ich auch so. Ich hoffe, dass mal ein Verein den Mut hat und sagt: „Jo, ich stelle jetzt mal eine Geschäftsführerin ein“.
Bisher gibt es nur solche Plätze wie Finanzvorstand etc., die von einer Frau besetzt werden. Zum Beispiel bei Schalke…

Und bei Darmstadt 98.

Aber diese wirklich leitende sportliche Position ist noch nie von einer Frau im Profifußball der Männer besetzt worden.

Denkst du, dass dahingehend Hürden bestehen? Mein Eindruck ist, dass es oft diese Bedenken gibt – jetzt sind wir beim Thema: „Teilzeit und Kinder“…
Ich persönlich habe das Gefühl, dass hier mehr als 100 Prozent erwartet werden. Also quasi mehr als 24/7 nur für den Verein. Da fliegt man dann auch mal mitten im Urlaub für ein Spiel [s. Beispiel im Interview mit Christian Heidel] zurück. Dass das noch in den Köpfen „dieser Generation Männer“ drinnen ist? Wobei da ja Jüngere nachkommen.

Ganz sicher! Man sucht als Mensch zwangsläufig immer – wenn man von sich selbst überzeugt ist, dass man einen guten Job gemacht hat – nach jemandem mit dem gleichen Profil. Wenn die Männer dies tun, dann fällt halt das andere Geschlecht schon mal raus. Da ist die Frage: Wer bestimmt die Nachfolge und wie ist sie gestaltet? Da sind wir doch in einem sehr konservativen Prozess im Fußball. Und da müssen einem vielleicht die Augen geöffnet werden: Manchmal sind es Kleinigkeiten, sind es Erfahrungen, die dann helfen, etwas zu ändern. Ich hoffe darauf. Man merkt, dass ein kleiner Wandel stattfindet. Auch im Fußball. Obwohl der Fußball in vielen Dingen noch nicht so weit ist, wie er immer selber denkt.

„Die VDV lässt keine Frauen als aktive Mitglieder zu. Und das im Jahr 2023.“

Nun ein kleiner Bruch. Ich habe dich über die Plattform „Fußball kann mehr, Wir können mehr“ kontaktiert. Was hältst du von Initiativen wie dieser? Soweit mir bekannt ist, gab es von euch Spielerinnen einen Zusammenschluss. Was hat sich diesbezüglich bewegt? Welche Punkte wollt ihr angehen? Wünscht ihr euch mehr Mitbestimmung?

Zusammenschlüsse können viel bewirken „Fußball kann mehr“ hat auch schon ein bisschen was bewegt. Selbst wenn’s nur die Wahrnehmung in so manchem Verband oder Verein ist.

In Richtung Spielerinnen: Es ist nun mal so, dass wir im internationalen Vergleich deutlich hinterherhinken. Nahezu jedes Land hat eine Spielerinnengewerkschaft, Spielerinnenvereinigung, wie auch immer man dies nennen möchte – also eine Players‘ Union. Und das auf allen Ebenen: sowohl auf der der Liga als auch auf der der Nationalmannschaft. Wir haben das in dem Sinne nicht. In Deutschland wird immer kolportiert, dass die VDV [Vereinigung deutscher Vertragsfußballer; Anm. LS] da ist. Aber die VDV lässt keine Frauen als stimmberechtigte Mitglieder zu. Und das im Jahr 2023. Was ziemlich peinlich ist. Wir waren mit der VDV im Austausch. Dies hat aber nicht zu einer fruchtbaren Partnerschaft geführt. Aus diesem Grund sind wir jetzt dabei uns selbst zu organisieren, auch mit der Erfahrung, die man in anderen Ländern gesammelt hat. Weil wir Spielerinnen haben, die international gespielt , und gesagt haben, DIE Gewerkschaft ist die Stimme der Spielerinnen, die etwas transportiert, die sich für Sachen einsetzt und die genau diesen Effekt von einer gemeinsamen Meinung abbildet. Wenn man einzeln losgeht, kann man einzeln bestraft werden und vielleicht wird man dann auch nur einzeln gehört. Das soll nicht der Fall sein. Jemand muss sich für die Belange der Spielerinnen einsetzen. Das ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten wirklich zu kurz gekommen.

Den zweiten Teil des Interviews mit Almuth Schult findet ihr unter diesem Link.

Drei Jahre „Quergedacht by Lisa Schatz“

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Dieses Foto ist an einem der beeindruckendsten Fußballabende, die ich je erlebt habe, an der Anfield Road in Liverpool entstanden. Foto: Lisa Schatz

Liebe Fußballbegeisterte aus aller Welt!

Es ist unglaublich, aber wahr: Heute darf ich voller Freude mein dreijähriges Blogjubiläum verkünden. Es ist unglaublich, wie sich das hier alles entwickelt hat. Anfangs habe ich einfach ins Blaue hinein begonnen, einen Blog zu schreiben. Meine Idee war ursprünglich, einen „Fußball-, Kultur- und Reiseblog“ zu starten. Doch – welch Überraschung 😉 – das ganze lief dann doch mal wieder in Richtung rundes Leder…

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich im Rahmen meines Fußballblogs bisher unterstützt haben und freue mich, dass ich durch meinen Blog „a wengl was“ im Fußball mitbewegen durfte und darf. Denn es gibt unglaublich viele Themen in dieser vielseitigen und spannenden Sportart und meines Erachtens auch einige Bereiche, in denen noch vieles weiterentwickelt und verbessert werden kann und sollte.

Die Faszination Fußball bietet eine unglaubliche Bandbreite an „Kapiteln“ – so viele verschiedene Blickwinkel sind möglich: Aus der Fan-, Trainer- und der Forschungsperspektive. Und die der SportpsychologInnen, MentaltrainerInnen, sportlichen LeiterInnen usw… 🙂

Mein Ideenbuch ist seitenweise vollgeschrieben, sodass ich eigentlich genug topics für die kommenden Jahre hätte… Da ich natürlich nicht von diesem Fußballblog hier lebe und hauptberuflich anderweitig beschäftigt bin, kann ich logischerweise nicht über all das bloggen, was mir fußballbezogen so in den Sinn kommt (auch, wenn das evtl. recht cool sein könnte…).

Somit geht’s einfach weiter wie bisher: Quergedacht, unregelmäßig, vielseitig, spannend und verschiedene Blickwinkel beleuchtend zu unterschiedlichen Fußballthemen. Lasst euch überraschen :-). Wer Anmerkungen oder Anregungen hat, kann mir natürlich gerne schreiben – ich freue mich immer über Feedback, wenn es fair ist.

Was mir noch ganz wichtig ist zu formulieren – und zwar am Schluss dieses Beitrags, damit es möglichst lange im Gedächtnis bleibt: DANKE an alle, die an mein positiv verrücktes Fußballbuchprojekt geglaubt haben und daran glauben! Vielen Dank an alle Ehrenamtlichen, die mitgemacht haben bzw. mitmachen – ohne Euch wäre das so nie möglich gewesen!!! Es war viel Arbeit, das ganze vorzubereiten und starten zu können, aber der Aufwand hat sich meiner Ansicht nach gelohnt: Wir konnten starten und können – sofern alles klappt – mit dem Buch etwas für gute Zwecke tun. In den vergangenen Monaten hat das Fußballbuch international Menschen aus dem Fußballbereich miteinander ins Gespräch gebracht. Kürzlich wurde das Buch wieder weitergegeben – genauere Infos folgen bald :-). Ich hoffe, dass alles klappt und dass das Buch weiterhin einige hundert Kilometer – bzw. ein paar Tausend – „zurücklegen“ wird… Seien wir gespannt!

Sportliche Grüße und bis bald

eure

Lisa Blue

Interview mit DSC-Teammanager Sebastian Hille

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Sebastian Hille arbeitet inzwischen als Teammanager beim DSC Arminia Bielefeld. Foto: DSC Arminia

Arminia Bielefeld. Sebastian Hille war von 2011 bis 2015 Fußballprofi beim DSC Arminia Bielefeld. Im September vergangenen Jahres hat er seinen neuen Job als Teammanager der Zweitligamannschaft angetreten. Ich wollte von ihm wissen, welche Aufgaben er im Detail hat, ob er später Fußball-Lehrer werden möchte und inwiefern sich sein Blickwinkel auf Fußballspiele und auf das Team verändert hat…

Sebastian, wie hast du dich in deinen neuen Job als Teammanager eingearbeitet?

Mittlerweile bin ich voll drin. Ich habe gar keine große Eingewöhnungszeit gebraucht. Am Anfang war meine Vorgängerin, Katrin Meyer (ist derzeit in Mutterschutz; Anm. von Lisa Schatz), noch mit dabei. Sie hat mich perfekt in die Abläufe eingearbeitet. Vieles kannte ich schon aus meiner Zeit als Spieler. Mit der Arbeit hier auf der Geschäftsstelle habe ich Neuland betreten. Ich hätte nie gedacht, was wirklich alles hinter der Spieltagsorganisation und hinter dem Vereinsleben steckt. Als Spieler macht man sich darüber keine Gedanken. Wenn man dann aber jeden Tag hier ist und mit den Leuten zusammenarbeitet, denkt man sich: „Wow, da gibt´s ne Menge zu tun!“.

Welche Aufgaben hast du im Detail? Ich hab jetzt schon ein paar Mal gelesen, dass du ein bisschen das „Mädchen für alles“ bist.

Den Ausdruck „Mädchen für alles“ finde ich nicht gut, weil man die Jungs schon auch ein wenig zur Selbstständigkeit erziehen muss. Es ist wichtig, dass einem Fußballprofi nicht immer alles abgenommen wird. Natürlich kann man es als Spieler genießen. Ich habe als Spieler auch so manche Vorzüge genossen. Aber man darf nicht zu viel für die Jungs übernehmen. Meist komme ich so um 9 Uhr auf die Geschäftsstelle. Es werden organisatorische Dinge erledigt, wie z. B. Trainingspläne ausdrucken oder den Kontakt zum Hotel für das nächste Spiel herstellen oder das richtige Essen nach den Auswärtsspielen vorzubereiten. Dann kommen noch einzelne Belange der Spieler hinzu, wie z. B. bei der Wohnungssuche oder dem Autokauf zu helfen. Oder ich unterstütze Neuzugänge bei der Eingewöhnung in der neuen Umgebung. Zudem bin ich in ständigem Austausch mit der Agentur Match IQ zwecks Trainingslager und Freundschaftsspiel. Im März war ich in dem Hotel, in welchem wir das nächste Trainingslager verbringen werden. Es war wichtig, sich die Begebenheiten vor Ort anzuschauen. Wenn ich an der Friedrich-Hagemann-Straße (Trainingsgelände; Anm. von Lisa Schatz) bin, geht es meist darum, alle Abläufe zu besprechen, zum Beispiel, wie lange die Fahrt vom Hotel zum Stadion ist. Mit dem sportlichen Leiter, Samir Arabi, und dem Trainerteam tausche ich mich auch über Spieler anderer Vereine und über interne Angelegenheiten aus. Es geht mitunter auch darum, wie ich verschiedene Spieler sehe.

Was macht dir am meisten Spaß an deinem neuen Job?

Die Zusammenarbeit mit der Mannschaft. Bis zum Sommer habe ich noch mit dem Großteil des Teams zusammengespielt. Natürlich schmerzt es manchmal noch, am Platz zu stehen und den Jungs nur von außen zuzuschauen. Aber trotzdem macht der Umgang mit der Mannschaft und dem Trainerteam sehr viel Spaß. Was mir genauso Freude bereitet und was ich sehr gut finde, ist die Zusammenarbeit mit Samir Arabi. Von ihm kann ich sehr, sehr viel lernen. Ich habe einige Abläufe bei Transfers mitbekommen, die ich in meiner Zeit als Spieler in dieser Art nie wahrgenommen habe.

Was hat dich bislang – neben der Arbeit auf der Geschäftsstelle – noch beeindruckt?

Im Wintertrainingslager dachte ich, dass wir mal eben in die Türkei fliegen und dort eine lockere Zeit haben. Als wir dort angekommen sind, war ich dann ziemlich überrascht. Ich war von morgens bis abends on tour, weil wir einen Gastspieler und auch einige Neuverpflichtungen dabei hatten. Der Arbeitsaufwand für das Funktionsteam im Trainingslager ist enorm.

Was war für dich die größte Umstellung vom Fußballprofi zum Teammanager – außer, dass du nicht mehr auf dem Platz stehst?

Die zeitliche Komponente. Ich habe jetzt einen Tagesablauf, der von morgens bis abends durchgetaktet ist. Als Spieler wusstest du, dass du morgens von 9 Uhr bis 12:30 Uhr am Trainingsgelände bist, wenn du einmal am Tag Training hattest. Wenn wir zweimal am Tag trainiert haben, waren wir ein bisschen länger da. Aber dann konnte ich nach Hause fahren, wenn keine Medien- oder Sponsorentermine anstanden. Das ist jetzt nicht mehr so.

War die Umstellung sehr hart für dich?

Nein, eigentlich nicht. Bevor ich als Teammanager begonnen habe, habe ich bei Lagardère und als Co-Trainer der U19 gearbeitet. Das hat mir sehr, sehr gut gefallen. In der Funktion war ich bis September 2015 tätig. Ich fand es toll zu sehen, wie sich die Jungs in der kurzen Zeit weiterentwickelt haben und habe immer noch einen engen Draht zu ihnen und zum Cheftrainer.

Wenn du nochmal fünf Jahre zurückblickst: Hast du dir damals schon Gedanken darüber gemacht, in welchem Bereich du nach deiner Zeit als Profi arbeiten willst? War Teammanager damals schon dein Traumjob?

Generell war es immer mein Plan, dem Fußball nach meiner Profikarriere erhalten zu bleiben. Wie es jetzt dazu gekommen ist, ist natürlich ganz schön. Es hat zeitlich sehr gut zusammengepasst. Ich hatte mir schon relativ früh vorgenommen, später einen nahtlosen Übergang vom Job als Fußballprofi ins Berufsleben zu haben. Ich wollte nicht zwei, drei Jahre gucken, was ich als nächstes mache. Mein klares Ziel war, einen direkten Übergang zu schaffen. Das ist mir ganz gut gelungen. Jetzt ist die Zeit da, in der ich sehr viel lernen will. In naher Zukunft möchte ich auch meine Trainerscheine machen. Das musste ich jetzt erstmal auf Eis legen.

Willst du dann vielleicht doch eher noch in Richtung Cheftrainer oder Co-Trainer gehen?

Das möchte ich mir offen halten. Selbst, wenn ich irgendwann in den Bereich des Managers gehen würde, kann es nicht schaden, Trainerlizenzen zu haben. Denn dann weiß man, wie Trainer ticken, wie sie denken. Ich glaube, dass das extrem wichtig ist. Als Spieler meint man immer, man weiß, wie ein Trainer tickt. Aber man weiß dann nachher, dass es nicht so ist. Von daher ist es für mich sehr wichtig, Trainerscheine zu machen und all die Erfahrungen mitzunehmen. Wo es mich dann letztendlich hinverschlägt oder in welche Richtung es geht, das halte ich mir wirklich offen.

Hast du dann auch vor, irgendwann einmal den Fußball-Lehrer-Lehrgang zu absolvieren?

Da ist man dann ja wirklich erstmal ein Jahr raus. Den passenden Zeitpunkt muss man sich reiflich überlegen. Wenn ich etwas gelernt habe, ist es das, dass im Fußball alles möglich ist und dass der Fußball sehr kurzlebig ist. Wenn sich die Möglichkeit für mich ergeben würde, langfristig im Trainerbereich im Profifußball zu arbeiten, wäre das super. Aber dafür müsste ich mich erstmal qualifizieren. Die Trainingsarbeit in der – wenn auch sehr kurzen – Zeit mit der U19 hat sehr viel Spaß gemacht: Diese unmittelbare Arbeit auf dem Platz. Ich finde es gut, dass ich in der relativ kurzen Zeit viel gelernt habe und in viele Bereiche hineinschauen konnte. Das versuche ich in Zukunft beizubehalten.

Inwiefern hast du dich in deiner Zeit als Profi weitergebildet?

Ich habe am Fernstudieninstitut IST in Düsseldorf Sportmanagement studiert. Dabei fand ich den Praxisbezug sehr gut.

Inwieweit hat sich dein Blickwinkel auf das Spiel oder auf die Mannschaft verändert?

Natürlich betrachtet man das von außen immer ein bisschen anders. Da denkt man dann, dass ein Pass falsch oder eine bestimmte Aktion nicht gut war. Aber ich glaube, dass ich den Vorteil habe, mich noch sehr gut in die Spieler hineinversetzen zu können: „Warum hat man jetzt diesen Pass gespielt?“ oder „Warum ist dieser Fehler passiert?“. Ich bin da nicht so weit weg. Natürlich leide ich noch genauso mit, wenn wir ein Spiel verlieren oder wenn wir gut gespielt haben, es aber am Ende nur für ein Unentschieden reicht. Da hat sich gar nicht so viel geändert. Ich muss mich auf der Bank hin und wieder wirklich zusammenreißen.

-> COMING SOON… In Teil II des Interviews (erscheint am 7.8.) erzählt Sebastian Hille, was die Bielefelder Fans auszeichnet, inwiefern er sich in seiner Zeit als Arminiaspieler mit der Geschichte des Vereins auseinander gesetzt hat und was er über die Nachrichten seiner Fans in sozialen Netzwerken denkt…