Fußballbuch-Update Nr. 16: Von Mario Bast zu Jason von Juterczenka

Es war Herbst als ich mit einem Kumpel im Kino saß. Das Fußballbuch lag bei mir daheim. Wir schauten den Film „Wochenendrebellen“ an und dieser hat mich sehr geflashed! Die Geschichte ist wahr, echt und handelt von einem Autisten, der mit seinem Vater auf die Suche nach seinem Lieblingsverein ist. „Bähm!“ machte es in meinem Hirn. Diesen Jungen hätte ich gerne bei uns im Projektteam. Und ja: Es hat geklappt! Lest nun im Folgenden mein Interview mit ihm und lasst euch gerne auch so positiv beeindrucken wie ich mich begeistern habe lassen. Viel Spaß auf euren gedanklichen Reisen.!

Servus und herzlich Willkommen liebe Fußballfans!

Ich sitze hier mit Jason von Juterczenka in München und er ist Teil unseres Fußballbuchprojektteams. Vielen Dank, dass du mitmachst, Jason. Du darfst bitte gleich mit deiner Geschichte loslegen .

Ich bin Jason und ich bin seit 2012, also jetzt seit 13 Jahren eigentlich, mit meinem Papa unterwegs, in den Stadien in Deutschland und Europa und es geht darum, meinen Lieblingsverein zu finden. Ich denke, viele müssen ihren Lieblingsverein gar nicht wirklich finden, aber als ich zum ersten Mal ein Fußballspiel gesehen habe und mich gefragt habe, was hat es mit diesen Fans auf sich? Wie funktioniert das? Wieso fiebern dort Menschen für eine Sache mit, wo sie doch eigentlich gar nicht mitspielen? Was hat das damit zu tun?

Ich bekam die Möglichkeit, Fußballbuchprojekt-Teammitglied Jason von Juterczenka in München zu interviewen.
Bildrecht: Lisa Schatz.

„Ich möchte auch wissen, wie es ist, Fan von einem Verein zu sein“

Dann haben mein Papa und mein Opa mir erklärt, was Fans eigentlich sind. Dass die meisten Menschen diese Entscheidung gar nicht bewusst treffen, sondern dass sie Fan von dem Verein werden in der Stadt, in der man geboren ist oder Fan des Lieblingsvereins der Eltern. Und gleichzeitig haben sie auch gesagt, das ist total wichtig und das bleibt fürs Leben. „Passt das zusammen?, habe ich mich gefragt. Auf der einen Seite ist es eine wichtige Entscheidung für immer, auf der anderen Seite überlässt man sie dem Zufall. Das erschien mir nicht logisch. Ok, ich möchte das auch. Ich möchte auch wissen, wie es ist, Fan von einem Verein zu sein. Aber diese Entscheidung muss auf Fakten basiert getroffen werden. Deswegen haben wir uns auf die Suche gemacht.

Wie seid ihr an das ganze rangegangen? Hattet ihr da eine Struktur, habt ihr gelost?

Das Losen aus dem Film wurde aus der Realität, unserem Podcast entnommen, weil da losen wir die Themen. In der Realität – tatsächlich – sind wir die Stadien der ersten Ligen so durchgegangen. Irgendwann war es dann so, dass wenn mein Papa irgendwo vom Stadion bei der Arbeit war, haben wir geguckt, was sind die nächsten Spiele? Deshalb wurden es oft die Spiele der vierten, fünften oder der unteren Ligen. Gar nicht nur der ersten drei.

Einmal im Jahr geht’s mindestens ins Ausland, weil die ersten drei Ligen sind dann irgendwann voll in Deutschland und dann muss man halt woanders gucken.

Wenn Herthino zum Umarmen kommt

Du hast vorhin von Kriterien gesprochen. Was waren deine Kriterien, was ist dir wichtig?

Die Kriterien sind – ich würde sagen – sechs. Könnte man so zusammenfassen. Wichtig ist, dass es kein Maskottchen gibt. Diese Regel ist dann später bei Hertha BSC entstanden als Herthino mich umarmen musste und ich wegrennen musste. Dann darf der Verein keinen Spielerkreis machen, indem sich die Spieler anfassen. Wegen des Körperkontakts hauptsächlich. Der Verein muss ökologisch und auch sozial engagiert sein. Ein häufiges Ausschlusskriterium sind zum Beispiel Einweg-Plastikbecher, weil die halt auch überall rumliegen. Das ist ein Kriterium. Das Stadion muss in irgendeiner Form eine interessante Skurrilität haben. Es muss irgendetwas geben, was das Stadion auszeichnet.

Hast du da ein Beispiel?

Eine coole Skurrilität ist in Babelsberg, die Flutlichtmasten, die man so einknicken kann. Das hat mir sehr gut gefallen. Oder die Anzeigetafel bei Union Berlin, wo die Schilder dranhängen. Die durfte ich auch mal bedienen, neulich, tatsächlich. Das waren definitiv Skurrilitäten, die gezählt hätten, so. Und dann gibt’s noch einen Kreis.

Das Ganze muss mit dem Zug erreichbar sein, die Fanszene muss politisch stabil sein. Das sind – würde ich sagen – so die Kriterien.

Was hat dich auf deinen bisherigen Reisen am meisten beeindruckt? Kannst du da ein bisschen was herausgreifen? Hm, was ich am Spannendsten finde… Oder was macht dir am meisten Freude? Auch die Zeit mit deinem Dad zu verbringen?

Durch die ganzen Fankurven, in denen ich halt war, und die ich gesehen habe. Ja, ich würde definitiv sagen, dass das ein Punkt ist. Außerhalb der Wochenenden haben wir gar nicht so viel Zeit zusammen. Ich bin in der Schule oder habe mit einem Projekt im Forschungszentrum zu tun. Mein Papa muss in der Regel arbeiten. Daher waren die Wochenenden die einzigen Zeitpunkte eigentlich aber die dafür sehr intensiv. Über die gesamten zwei Tage, wo dann auch so viel passiert. So viele Ereignisse treten auf, die meinen Papa dann zum Beispiel in eine Situation bringen, in der er sich dann mit beschäftigen muss oder mit mir eine Lösung suchen muss. Dadurch waren das besonders intensive Zeiten. Am Fußball, würde ich sagen, ich mein, das ganze ging ja mehr oder weniger los, weil ich nicht verstanden hatte, was es mit den Fans auf sich hat bei meinem ersten Stadionbesuch. Ich würde auch bis heute nicht sagen, dass ich es nicht zu 100 % nachempfinden kann. Ich hab ja noch keinen Verein gefunden. Aber ich würde definitiv sagen, durch die ganzen Fankurven, in denen ich halt war und die ich gesehen habe, habe ich – ich konnte schon irgendwie besser verstehen, was die Faszination daran ist.

Ich kann dann besser einschätzen, was die Bedeutung dieses Vereins für die Menschen ist. Weil ich auch Menschen gesehen habe – wirklich, man hat es denen so angesehen im Gesicht. Wenn die jetzt verlieren, dann ist der Monat gelaufen. Die Bedeutung, dass sich das ganze Leben praktisch darum dreht . Das ist schon beeindruckend. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich das möchte. Aber das ist beeindruckend.

Wenn du deinen Lieblingsverein finden solltest, was passiert dann? Ja. Warum hast du so viele Regeln? Was zeichnet dich aus?

„Regeln sind sehr wichtig“

Regen sind sehr hilfreich zur Bewältigung des Alltags, denn ohne Regeln wird ja alles kompliziert. Regeln vereinfachen sehr viel. Regeln sind praktisch anwendbare Kataloge, wo man nach einem vorgefertigten Muster das ganze abklären kann. Wenn es keine Regeln gibt, dann ist es wie eine Sprache zu lernen, wo es keine Regeln gibt. Wo man jedes Wort einzeln lernen muss. Wie wird das jetzt gebildet? Das wäre furchtbar. Niemand könnte diese Sprache sprechen. Ich glaube so ist es dann auch im Alltag. Wenn es bei der Person keine Regeln gibt. Wenn es in einer Menschengruppe keine Regeln gibt, wie soll man sich dort zurechtfinden? Wie soll man interagieren? Wonach richtet man sich in seinem Handeln? Es ist ja nicht so, dass dann alles ok ist. Es sind dann trotzdem Dinge nicht in Ordnung. Das ist nicht festgelegt. Man muss das alleine wissen. Das erscheint mir sehr unlogisch und Regeln sind deswegen richtig und ja, auch bei einer Suche nach einem Lieblingsverein. Damit das beste Ergebnis rauskommt. Ohne Regeln würde das nicht funktionieren. Und eine der Regeln ist zum Beispiel, dass Projekte nicht enden dürfen. Das ist einfach so. Aus dieser Regel wurde abgeleitet, dass wenn ich meinen Lieblingsverein gefunden hab, dann darf die Reise nicht vorbei sein. Das heißt, dann muss es weitergehen. Das bedeutet, dass zum Beispiel eine 34er-Saison. Dass mir mein Papa versprochen hat, dass wir zu allen Spielen in einer Saison fahren.

Jason hat auf einer seiner Reisen das Weserstadion besucht.
Foto: Jason von Juterczenka

Was natürlich sehr spannend ist, wenn du deinen Lieblingsverein im Ausland findest…

Ja. Mit dem Zug dann auch. Oder ins Trainingslager mit dem Verein zum Beispiel. Da gibt’s diverse andere Projekte, die danach dann folgen können. Mein Papa hat sich in die miese Bredouille ein bisschen dadurch gebracht, dass es mal eine Zeit gab, wo er versucht hat, mich von seinem Lieblingsverein zu überzeugen, von Fortuna Düsseldorf. Wo ich mir gedacht hab, wenn er mir das verspricht, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ich auch bereit bin einen Verein zu finden. Wenn ich Angst davor hab, dass das Projekt dann endet, dann würd ich mich ja nie entscheiden. Aber jetzt hat der Papa das Versprechen gegeben und ich hab mich trotzdem nicht entschieden. Das ist ein bisschen daneben gegangen vermutlich.

Magst du vielleicht so ein bisschen von deinem Hintergrund erzählen? Damit die Leserinnen und Leser verstehen können – du bist Autist. Was es für dich, also aus deiner Perspektive, vielleicht auch so ein bisschen schwierig macht auf diesen Reisen?

Autismus ist letztendlich eine Neurodivergenz. Das ist eine andere Verschaltung des Gehirns, die mit einer anderen Wahrnehmung der Welt einhergeht, und diese Wahrnehmung ist häufig intensiver in Bezug auf Reize. Das bedeutet zum Beispiel, also Stadien sind eine sehr reizintensive Umgebung bezüglich der Lautstärke, bezüglich der Menschenmengen, die einen eventuell auch berühren könnten, die Lautstärke. Von daher ist es eigentlich, naja, kontraintuitives Denken, dass es mir in Stadien besonders gut gehen könnte. Als es losging haben wir gesagt das ist eine furchtbare Idee.

Aber du bist dran gewachsen letztendlich, oder?

Sie haben ja auch recht. Diese reizintensiven Umgebungen sind schwierig. Die werden auch nicht einfacher mit der Zeit. Es ist nicht so, dass man sich daran gewöhnen kann. Das ist es nicht.

Einfacher damit umzugehen, oder?

Es ist eine Abwägung dann, genau. Es ist einfach eine Abwägung, weil ja, es war schwierig. Es war auch beim ersten Mal sehr schwierig, aber es war halt auch sehr cool. Es hat mir gleichzeitig sehr gut gefallen. Was überwiegt jetzt? Der positive oder der negative Aspekt?

Wenn die positiven Aspekte überwiegen und ja, wenn ich diesen Ausflug hatte. Ja, es war schwierig, aber es hat mir gefallen und es hat mir eben mehr gefallen als dass es eine Herausforderung oder eine Belastung war, dann fällt die Nutzungsbilanz ja positiv aus und dann wiederholt man das.

Ja, sehr cool. Lass uns vielleicht so ein bisschen wieder eine Brücke zum Fußballbuch schlagen. Was hat dich dazu bewogen, mitmachen zu wollen? Du hast dich ja ziemlich schnell entschieden.

Grundsätzlich bin ich ein Fan von solchen Projekten oder von solchen Ideen. Fast ne Idee, die hätte ich auch haben können, hab ich mir gedacht. Und mir war recht klar, dass die Geschichte ziemlich gut passt. Du hast mir erzählt, wofür das so gedacht, was die Idee darin ist und das hat da sehr gut reingepasst. Ich fand die Idee irgendwie cool, wo geht das Buch danach hin? Ich weiß nicht, wie das dann bei den Leuten ist, aber als ich das Buch bekommen habe, habe ich mir alles davor durchgelesen. Vielleicht lesen dann auch andere, die das Buch bekommen, meine Geschichte. Von daher wollte ich da auch mitmachen.

Du stehst ja auch für Internationalität, indem du viel reist, wie das Buch auch. Wo willst du denn als nächstes hin? Wenn du dir ein Land aussuchen könntest, was würdest du als nächstes machen wollen? Vielleicht auch ein Ziel, dass ein bisschen weit ist?

Ein Versprechen, das schon sehr sehr alt ist, von meinem Papa – ich glaub das ist das allererste Versprechen, das er mir gegeben hat, ist, dass wir mal Shinkansen fahren, weil ich total zugbegeistert bin. Irgendetwas im ostasiatischen Raum könnte ich mir vorstellen, weil dort auch die Stadien sehr, sehr skurril sind, weil man viele Vereine erleben könnte. In Singapur gibt es zum Beispiel ein Stadion, das liegt praktisch auf dem Wasser. Diese Skurrilität hatte etwas, das dieses Kriterium wieder voll erfüllen würde. Auch so, wenn man dort recherchiert, gibt es sicherlich auch viele kleinere Vereine, die man sich dort auch anschauen könnte. Von daher: Da müssen wir ja eh nochmal hin, das ist ja ein Versprechen. Und auf dem Weg dahin, gibt es sicherlich auch vieles, was man sich anschauen kann. Ansonsten im europäischen Ausland liegt sicherlich die Slowakei, Tatran Čierny Balog, wo zwischen Spielfeld und Tribüne eine Zugstrecke verläuft. Das liegt auf jeden Fall noch an.

Wie schaut’s mit Luton Town aus?

Jason und sein Vater sind hier im Estadio de San Mamés in Bilbao zu sehen. In England waren sie noch nicht auf Grund des Fußballs, doch dies steht natürlich noch auf dem Plan.
Bildrecht: Jason von Juterczenka

England fehlt uns noch komplett als Land. Das steht definitiv auch bald an. Was dann in England wird – ja, da könnte man natürlich kombinieren. Es gibt die Forest Green Rovers, wie mir alle erzählen, weil die sehr ökologisch sind, womit das Kriterium zumindest abgehakt wäre. Es gibt Luton, worüber wir gesprochen haben. Dass man durch ein Wohnhaus muss, um in ein Stadion zu kommen, das ist perfekt. Das erfüllt dieses Skurrilitätskriterium genau. Klar, es gibt in England noch so viele andere Vereine, wo man eigentlich unbedingt mal hin muss. Von daher, ja, auch das ist definitiv fest geplant.

Gibt es ein paar Anekdoten oder besondere Reisen – klar, du erlebst immer wahnsinnig viel, es sind wahnsinnig viele Einflüsse? Du lernst wahrscheinlich auch viele Menschen kennen auf den Reisen, in den Zügen, kommst ein bisschen in Gespräche, aber gibt es irgendwas, das dir mal besonders aufgefallen ist, was dir besonders in Erinnerung geblieben ist oder ist das schwierig, weil das jetzt schon so viele? Wie viele Kilometer habt ihr ungefähr zurückgelegt? Oder wie viele seid ihr ungefähr im Schnitt unterwegs?

Wir hatten 150 Spiele, müssten es ungefähr gewesen sein. Es gab Spiele in Sarajevo, wo das 1.500 oder 2.000 Kilometer waren. Bei anderen waren es vielleicht nur 100 Kilometer. Ich weiß nicht, mit welchem Durchschnitt man da rechnen könnte. Aber das sind alles Statistiken, die wir erstellen wollen, wenn wir mal die Zeit dafür haben. Ich würde sagen, was bis jetzt, was immer ein bisschen ironisch ist – wo mein Papa und ich auch sehr gegensätzliche Ansichten darüber haben, das war ein Versuch beim VfR Aalen. Wenn mein Papa hier sitzen würde, würde er ganz anders darüber sprechen. Er würde mir widersprechen. Für ihn war das der Tiefpunkt. Es war mitten im Winter und ich hatte an einem Spieltag freie Auswahl, wo es hingehen sollte. Ich hab dann entschieden, wir fahren zu VfR Aalen gegen SV Sandhausen. Das hatte uns noch gefehlt. Das war damals zweite Liga. Deswegen sind wir da hingefahren. Es sind sieben Stunden Regionalbahnanreise. Das gefällt mir natürlich auch. Mit Schnee. Normalerweise ist die Überkommerzialisierung des Fußballs ein Ausschlusskriterium, aber beim VfR Aalen wurde das so auf die Spitze getrieben, dass es schon wieder skurril war. Die Eckbälle wurden von der Jimbo Autowäsche präsentiert. Die Autowaschanlage wirbt mit einem Elefanten, der mit seinem Rüssel Autos sauberspritzt.

Was natürlich in der Realität nicht stattfindet…

Bei jedem Eckball wurde ein extrem lautes Elefantengeräusch abgespielt. So richtig alte kratzige Lautsprecher. Es waren echt viele Eckbälle.

Das ist natürlich schwierig mit der Lautstärke.

Ich fand das vergleichsweise unfassbar lustig. Das war echt die skurrilere Marketingaktion. Noch skurriler: Die Apotheke sponsort die Ansage der verletzten Spieler oder, was wir einmal bei Karlsruhe hatten, war: Die Aufstellung der Gästemannschaft wurde von der Trauerhilfe gesponsert. Das ist extremst makaber, aber auch möglichst skurril. Sowas bleibt natürlich in Erinnerung. Der ganze Ausflug war einfach ein Fiebertraum. Ich sehe selber, dass die Überkommerzialisierung problematisch ist. Aber wenn ich nicht den Verein betrachte, sondern nur diesen Tag, dann hat es mir unglaublich gut gefallen, weil es einfach lustig war. Für meinen Papa war es die Hölle. Das bleibt sehr gut in Erinnerung.

Gibt es etwas, dass du zum Abschluss sagen willst – zum Projekt vielleicht?

Ich denke es wird noch eine Weile so weitergehen. Und noch ein bisschen dauern. Ja, ich weiß noch nicht genau, ob ich meinen Verein jemals finden werde, und das wäre sogar ok. Normalerweise wäre ich sehr nervös, wenn ich nach zwölf Jahren, nach Beginn eines Projektes das Ziel immer noch nicht erreicht habe. Aber das ist hier irgendwie anders, weil ich so ein bisschen vielleicht auch Fan davon geworden bin einfach, einen Verein zu suchen.

Der Weg ist das Ziel.

Ja, so könnte man es sagen. Deswegen: Ich wäre nicht traurig, wenn wir gar keinen Verein finden und wenn wir doch einen finden, dann wäre es auch lustig. Und mich würde es nicht wundern, wenn ich in 30, 40 Jahren meinen Papa im Rollstuhl ins Stadion schiebe, in der vierten lettischen Liga. Das wäre auch eine Aussicht, mit der ich sehr gut leben könnte. Von daher wird es noch viele, viele Erlebnisse geben, von denen wir berichten können im Podcast und im Blog, in weiteren Büchern vielleicht. Das ist glaube ich eine unendliche Geschichte.

Das ist ein super schönes Schlusswort. Ich wünsche euch weiterhin gute Reisen und vielen Dank nochmal, dass du Teil unseres internationalen Fußballbuch-Projektteams bist!

Funfact in der Nachspielzeit

Nach unserem Interview gingen wir in Richtung Münchener Hauptbahnhof und sahen den Mannschaftsbus des BVB. Das passte thematisch natürlich super, um ein Bild zu machen. Da wollte Borussia Dortmund wohl einen Beitrag zum internationalen Fußballbuchprojekt leisten…?! 😉

Nicht nur das Fußballbuch reist, sondern auch die Fußballspielerinnen und Fußballspieler gemeinsam mit ihrem Staff. International. Auf dem Bild, das Jason nach unserem Gespräch von mir gemacht hat, seht ihr mich mit dem Buch vor dem Teambus von Borussia Dortmund. Das Bild, das das Cover darstellt, hat Felix Schneider gemalt, und das, das auf der Rückseite zu sehen ist, stammt von Johanna Busch. Beide haben diese Kunstwerke zu ihrer Schulzeit gemalt! 😊
Foto: Jason von Juterczenka

Christian Heidel: Vorstand, Groundhopper und positiv Fußballverrückter

Christian Heidel vor dem Logo des 1. FSV Mainz 05 in seinem Büro. Foto: Lisa Schatz [unbezahlte Werbung wegen Markenerkennung]

Mainz. „Der Club ist größer als der Einzelne“, steht in großen Lettern an der Wand im Wartebereich der Vorstandsetage von Mainz 05. Diese Aussage zieht sich durch den ganzen Verein. Das ist keine leere Worthülse. Christian Heidel, der mehr als zwei Jahrzehnte lang als Manager für den Verein fungierte und dort nach vier Jahren Unterbrechung seit gut einem Jahr als Vorstandsmitglied tätig ist, lebt das. Erzählt er von der Geschichte des Vereins, spricht er immer wieder von „wir“ und betont mehrfach, dass er das, was in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist, ja nicht alleine zu verantworten habe. Mich hat interessiert, wie es dazu kam, dass er als Ehrenamtlicher zum Manager und schließlich zum Vorstand wurde. Denn seine Geschichte ist im deutschen Profimännerfußball einzigartig. Zudem hat er mir erklärt, wie man sich einen Arbeitstag eines Vorstands für Strategie, Sport und Kommunikation vorstellen kann. Doch so sehr wir uns über die Sonnenseiten des Lebens unterhalten haben, so sehr haben wir auch über die Schattenseiten gesprochen: Christian Heidel äußerte sich sehr offen über seine Schlaganfälle. Aber eine echt coole, witzige und positiv fußballverrückte Geschichte, bei dem seine Augen zu strahlen begannen, als ob sie gerade erst geschrieben worden sei, hatte er dann genauso parat. Mögen euch die beiden Interviewteile neue Eindrücke schenken und zur Fastnacht auch ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubern. Für euch gefragt, für euch geschrieben und nun für euch zum Eintauchen in die große, weite Fußballwelt…

„Gott hat die Erde nur einmal geküsst, genau an dieser Stelle, wo der Bruchweg ist“, lautet ein Zitat aus dem Lied „Wir alle sind Mainzer“ von Se Bummtschacks. Was denkst du, wenn du das hörst und was bedeutet dir dieses Bruchwegstadion?

Puh, da wird’s ja fast schon emotional gleich. Also, ich muss dazu sagen, dass ich seit 1992 mit einer Unterbrechung bei Mainz 05 bin. Aber ich war das erste Mal 1971 hier im Stadion und man kann’s kaum glauben, ich war als Kind fast auf jedem Spiel hier. Also zu Beginn noch teilweise bei Partien vor 2.000 bis 3.000 Zuschauern, später in der Oberliga kamen selten 1.000.

Bist du über deinen Papa hergekommen?

Ja, mein Papa hat mich irgendwann mal mitgenommen. Ich habe die erste große Zeit von Mainz 05, die Saison 1972/73, miterlebt. Da wurden wir Meister der Regionalliga Südwest. Das war damals der ganze Unterbau mit fünf oder sechs Regionalligen, also das war zu der Zeit wie die zweite Liga heute und es gab noch eine Bundesliga-Aufstiegsrunde. Da war ich als Kind auf jedem Spiel. Also, ich weiß noch alle Gegner: St. Pauli, Karlsruhe, Fortuna Köln, Blau-Weiß 90 und wir. Das war eine Gruppe. Und wir haben hier gegen Fortuna 0:0 gespielt vor 20.000 Zuschauern in diesem sehr speziellen Stadion und sind am Ende eigentlich Zweiter geworden. Das letzte Spiel haben wir gegen Blau-Weiß verloren… Wir sind Dritter geworden, wären normalerweise Zweiter gewesen. Also, ich habe diese Zeiten miterlebt. Deshalb: Ich kann nicht im Ansatz sagen, bei wie vielen Spielen ich in diesem Stadion war, aber gefühlt jedes Jahr bei 17, 18 Spielen und das 50 Jahre lang. Deswegen verbindet mich mit diesem Stadion natürlich sehr viel, auch weil es dreimal verändert wurde. Dreimal war ich dabei beim Verändern bzw. hab es sogar mit inszeniert.  Deshalb ist das schon einfach ein Stück Heimat für mich – dieser Verein. Ich habe drei Viertel meines Lebens mit Mainz 05 verbracht.


„Die Dramen, die sind alle hier im Bruchwegstadion passiert“

Wenn du das Stadion mit der MEWA-Arena vergleichen müsstest…

Die Diskussion führe ich sehr oft. Das Problem ist, also jetzt insbesondere hier, da hat ja hier noch eine Tribüne gestanden, das war ja ein Bundesligastadion für uns. Und hier haben wir natürlich ganz besondere Stunden verlebt, zwei Aufstiege, und auch diese Sensationssaison, in der wir wochenlang Tabellenführer waren in der Bundesliga. Mit diesem Stadion verbinde ich natürlich viel mehr als mit der MEWA-Arena. Aber ich erkläre den Leuten immer: Uns gäb’s heute nicht mehr, wenn wir noch hier spielen würden, weil das wirtschaftlich einfach nicht darstellbar ist. Man sieht ja: Der SC Freiburg ist jetzt auch den letzten Schritt gegangen, ein paar Jahre nach uns, weil sie einfach gemerkt haben, sie kommen nicht mehr mit. Deswegen war das hier sicherlich emotionaler und irgendwie auch viel spezieller und es war natürlich schon zum Totlachen, wenn die Bayern hier eingelaufen sind. Die wussten ja auch nicht, wo sie grad hier reinkommen.

In der MEWA-Arena fehlen noch die Geschichten. Die Dramen, die sind alle hier im Bruchwegstadion passiert. Deswegen darf man die Frage nicht stellen, weil die nicht funktioniert, in welche Richtung: „Das oder das?“. Es geht nur das.

Was ist für dich das Besondere an Mainz 05, wenn du es mit anderen Vereinen vergleichst? Du hast schon so ein bisschen in die Richtung „gestichelt“ mit Bayern und Freiburg…

Ich würde es mal so formulieren: Das ist ja für jeden Menschen ein bisschen anders. Wenn wir irgendwo hingekommen sind und dann hast du eben an den Kopf geknallt bekommen – bekommst du heute teilweise noch – „ja, ihr seid ja kein Traditionsverein und da fallen dir ja gar keine Geschichten ein“. Dann sage ich: „Ja, das stimmt, aber  wir haben einen Riesenvorteil. Wir schreiben unsere Geschichte selbst. Ihr erzählt nur die Geschichte, ihr wart aber gar nicht selbst dabei.“

Wenn du mit einem Kaiserslauterer redest, dann redet er über Fritz Walter. Ja, den haben wir nie gesehen. Aber wir, wir haben die ganze Geschichte der Neuzeit, in der Mainz plötzlich im großen Fußball dabei war, alle gemeinsam mitgeschrieben. Also jetzt nicht nur ich, auch die Leute hier, die Zuschauer. Du kannst mit vielen Zuschauern reden und die waren dann eben 1980, 1990 dabei. Vorher gab’s uns ja gefühlt überhaupt nicht. Und das ist glaube ich dieses Besondere an Mainz 05: Die Verbindung der Menschen zu diesem Club, weil sie alle dabei waren. Sie haben miterlebt, wie der Verein früher war und wo er hin marschiert ist. Wir haben in der Amateuroberliga Südwest angefangen und waren 20 Jahre später in Europa. Also das war so ein bisschen innerhalb kurzer Zeit die Geschichte dieses Clubs. Das ist, finde ich, auch schon so dieses Verrückte. Ich kenne im Stadion fast jeden persönlich. Ich bin auch in der Stadt geboren. Da hat man eine besondere Beziehung zu allem, das mit Mainz zusammenhängt.

Also würdest du sagen, dass Mainz 05 vor allem für dieses Bodenständige steht?

Ja, das glaube ich schon. Das ist aber natürlich auch ein bisschen dieses Wesen der Mainzer: Sich gerne mal selber auf den Arm nehmen. Und ich glaube wir sind sehr, sehr gastfreundlich. Ab und zu ist es mir fast zu gastfreundlich im Stadion. Bei einem Heimspiel habe ich ab und zu gesagt: „Ihr müsst mal giftiger sein auf der Tribüne“. Aber da habe ich dann gleich 50 E-Mails bekommen.

Wir hatten im November zum 25-jährigen Jubiläum ein Treffen der Mannschaft von 1996. Sehr viele Spieler von damals wohnen in Mainz, die sind hier nicht mehr weggegangen. Unsere Spieler bauen sehr schnell eine Beziehung zu dieser Stadt auf und wenn die Karriere zu Ende ist, kommen sie entweder zurück, also nicht alle, aber viele. Oder sie gehen hier gar nicht mehr weg und beenden die Karriere in Mainz und bleiben hier wohnen. Es sind wirklich viele ehemalige Spieler, die in Mainz ansässig geworden sind. Das eine ist der Verein und das andere ist die Stadt. Eine Studentenstadt an einem großen Wasser, das ist einfach etwas Besonderes!

Nun wieder ein Zitat. Auf der Vorstellungs-Pressekonferenz hat Sportdirektor Martin Schmidt gesagt: „Vorwärts zu den Wurzeln“. Was bedeutet das für dich im Zusammenhang mit Mainz 05?

Das Problem ist, das kann man als Vorwurf sehen. Als Vorwurf an die Leute, die in den letzten Jahren hier agiert haben und so war es nie gemeint. Ich glaube von Martin nicht und auch von mir nicht.

So wie ich es verstanden habe: Es heißt in die Zukunft zu blicken und nicht zu vergessen, woher man kommt.

So kann man das sehen. Es hängt damit zusammen, das sich der Verein natürlich sehr verändert hat und sehr, sehr viele Leute jetzt auch im Verein arbeiten, die Mainz gar nicht kennen, weil sie nicht aus Mainz sind. Dazu kann ja niemand was und das ist null Vorwurf. Und dieser Verein wurde ja 25 Jahre von Leuten geprägt, die fast alle in Mainz geboren waren. Also wir waren und sind wirklich Mainzer.

Mainzer sehnen sich danach weiterhin ein Teil des Ganzen zu sein, denn sie waren auch beim Anfang dabei. Wir müssen nahbar sein und bleiben. Dazu gehört es dann auch in der Stadt präsent zu sein, mit den Menschen zu reden und zu diskutieren. Das ist in den letzten Jahren ein wenig verlorengegangen. Früher war es klar, dass man nach dem Spiel in die überfüllte Vereinskneipe „Zum Hasekasten“ geht. Ob du 4:0 gewonnen oder 0:4 verloren hast. Da wurde gestritten und gelacht. Wie oft bin ich da auch mit Fans verbal aneinandergeraten, wenn es halt mal gar nicht gelaufen ist. Aber wir haben auch gemeinsam auf den Tischen gestanden und die Siege gefeiert. Das ist Mainz 05. Da müssen wir wieder hin. Die Menschen fangen. Ich glaube wir sind wieder auf einem ganz guten Weg. Wir stehen wieder viel enger zusammen. Viele Dinge im Verein wurden in den letzten Jahren weiterentwickelt und vieles professioneller. Das ist top. Aber echte Gefühle, Emotionen und Authentizität gehören in Mainz einfach dazu.


Ein Bischof als Schiedsrichter und ein Ehrenamtlicher als Vereinsmanager im Profifußball…

Christian Heidel erzählte mir u.a. vom Beginn seiner Zeit bei Mainz 05. Foto: Bernd Legien; bearbeitet von Lisa Schatz

Jetzt zu deiner Person. Es gibt ja mittlerweile einige Abteilungen. Als du vor 30 Jahren angefangen hast, war das ja noch ganz anders. Vor allem hast du ehrenamtlich bei Mainz 05 begonnen. Wie ist das damals wirklich abgelaufen, also wie bist du in dieses Amt „hineingeschlittert“? War das durch den Kauf der vielen Tickets bedingt [Christian Heidel hatte für sein Autohaus alle Tickets für das Stadion gekauft; Anm. von LS]?

Ich war totaler Fußballfan und einer der ganz wenigen totalen Mainz 05-Fans. Früher hatten wir hier eine Stehplatztribüne und da habe ich immer in der Mitte gestanden. Wenn das Stadion aufgemacht hat, war ich schon da. Hatte eine Fahne mitgebracht, trug eine Jeansjacke mit 05-Logo drauf. Bei jedem Spiel. Ich habe selber immer ein bisschen gekickt und deshalb konnte ich nur sonntags nicht immer.

Du hattest noch eine richtige Kutte? (überrascht)

Ja, wie das früher so war: eine Jeansjacke und meine Mama hat da so einen 05-Aufnäher draufgenäht. Damals haben hier 30, 40 Fans gestanden. Mehr waren das ja nicht. Ähnlich wie in Regensburg [in Anspielung darauf, dass LS aus Regensburg kommt und das auch noch von den alten Zeiten in Regensburg kennt; Anm. von LS] (lacht).

Ja, wirklich! (lacht auch und schwelgt kurz in Erinnerungen ans altehrwürdige Jahnstadion…)

Ja, ja, du weißt es ja. Dann bin ich im Beruf sehr aufgegangen und habe aber nie den Bezug zu Mainz 05 verloren. Irgendwann kam mir die Idee, dass der Verein einfach mal einen kleinen Schub bekommen müsste. Ich wollte die Firma, bei der ich damals Geschäftsführer war, einfach bekannter machen und dann habe ich dem Verein den Vorschlag gemacht, dass ich alle Karten kaufe. Ins Stadion gingen 15.000 rein, ich kaufte also wirklich alle 15.000 Karten. Der Zuschauerschnitt lag bei 1.100. Heute würden die Ultras hier auf die Barrikaden gehen. (lacht) Das war schon sehr kommerziell. Mir war klar, dass wir die Karten nicht alle verkaufen. Aber ich wollte den Verkauf steuern, ich wollte ein Rahmenprogramm haben. Nebenan war früher ein Ascheplatz. Da haben wir Attraktionen für Kinder aufgebaut und eine Autoausstellung gemacht.

Das größte war das Halbzeitspiel: Wir haben Fußbälle mit Nummern ins Publikum geschossen. Anschließend wurden fünf Nummern gezogen und die Fünf mit den Nummern durften auf den Rasen und mussten versuchen von der Mittellinie aus ins Tor zu schießen, ohne dass der Ball aufdotzt. Der Polizeipräsident und der Bischof haben an der Linie gestanden und waren die Schiedsrichter. Der erste schießt den rein und der hat einen 3er BMW gewonnen für 30.000 damals! (begeistert) Ja, das ging nun überall rum, der Wunderschuss von Mainz! Das war für mich die beste Werbung. Ich hatte es versichert über Lloyd‘s in England, also das war alles nicht dramatisch. An dem Tag waren fast 6.000 Zuschauer im Stadion und ich habe durch meine Aktion die Verantwortlichen von Mainz 05 kennengelernt. Harald Strutz & Co. sind noch am Abend zu mir gekommen und haben mich gefragt, ob ich nicht hier mitarbeiten wolle. Sie haben gesagt: „Du kannst ja in den Vorstand kommen“ und so weiter… Aber das war 1990, da war ich 27 Jahre alt und habe selbst noch Fußball gespielt. Also habe ich gemeint: „Nö, das ist mir ein bisschen früh.“ Aber sie haben dann immer wieder angerufen. Harald Strutz hat nicht locker gelassen und zwei Jahre später habe ich schließlich gesagt: „Okay, ich komme“.

Zuerst war ich für die Amateurmannschaft tätig. Die stand in der untersten Klasse, in der Kreisklasse C, auf dem siebten Platz. Wir sind dann ab 1994 fast jedes Jahr aufgestiegen. Bis in die Dritte Liga sind wir hochmarschiert! (begeistert) Unsere zweite Mannschaft war die schlechteste zweite Mannschaft eines Profivereins in Deutschland. Keine zweite Mannschaft hat so niedrig gespielt wie wir, und zehn Jahre später waren wir die beste. Wir waren damals die einzige Profimannschaft in der dritten Liga, also als Zweitvertretung. Ich kam 1992 und nach einem halben Jahr war ich mit Peter Arens schon für die Profis verantwortlich. Es war ein fließender Übergang.

Also ist der Plan von Herrn Strutz & Co. aufgegangen…

Ja, das hat sich so ergeben. Wir hatten damals nur eine Halbtagskraft. Das war die eine einzige Angestellte in diesem Verein. Es gab zunächst überhaupt keine Hauptamtlichen, deswegen haben wir das alle ehrenamtlich gemacht. Über die Jahre kamen dann aber immer Leute hinzu und ab 2005 hatte ich dann, nach 13 Jahren, wirklich mein erstes Büro bei Mainz 05 und war von morgens bis abends, also auch hauptberuflich, da. Inzwischen waren wir in der Bundesliga angekommen. Es war eine überragende Zeit, was wir hier alles erlebt haben! (begeistert) Das war schon sehr, sehr besonders.

Das ist ein sehr besonderer und einzigartiger Weg. Du hast im Ehrenamt begonnen. Wie wichtig sind Ehrenamtliche heute im Fußball und im Profifußball im Speziellen?

Im Fußball im Allgemeinen sind Ehrenamtliche sehr wichtig, weil es ohne sie gar nicht geht. Im Profifußball wird inzwischen ein anderer Weg gegangen. Da brauchst du auch mal Helfer. Gerade in dieser Coronazeit, da geht’s nicht ohne. Da haben wir jetzt Leute gebraucht, die die Impfausweise kontrolliert haben und den Leuten Bändchen drangemacht haben. Da brauchst du schon immer Ehrenamtliche, aber natürlich nicht mehr so wie das bei uns damals war. In den führenden Funktionen ist das heute nicht mehr möglich. Wir waren damals wirklich so „Mädchen für alles“ und im Endeffekt für alles zuständig. Wir haben im Vorstand jeden zweiten Montag zwei Stunden zusammengesessen und haben ein bisschen diskutiert und dann haben wir wieder agiert. Mein Arbeitsplatz war 300 Meter von hier entfernt. Deswegen bin ich morgens bis abends immer hin- und hergependelt. Zum Glück war das keine Entfernung. Es wurde fast alles bei mir im Betrieb abgewickelt. (lacht) Heute undenkbar.

Nun zu deiner jetzigen Position als Vorstand Strategie, Sport und Kommunikation. Du hast viele verschiedene Aufgaben und bestimmt ist jeder Tag anders, aber könntest du bitte mal beispielhaft einen Tag herausgreifen und ein bisschen die Struktur beschreiben? Wie ist der Ablauf, wie kann man sich deine Aufgaben vorstellen? Also, wie würdest du einem Fan antworten, der sich fragt: „Was macht ein Vorstand eigentlich genau?“

Zunächst einmal darf man das, was auf der Visitenkarte steht – ich habe übrigens noch gar keine, irgendwie kam ich bis heute noch nicht dazu (wir lachen) – nicht überbewerten.

Um es mal ganz ehrlich zu sagen: Vorher war ja nicht geplant, dass ich Vorstand Sport werde. Es ist dazu gekommen, weil sich Rouven Schröder entschieden hat gehen zu wollen, und ich habe mich eigentlich mit Händen und Fußen dagegen gewehrt, Vorstand Sport zu werden, weil in den Gesprächen klar war: Es ging mir in allererster Linie um Strategie und Kommunikation. Das war ein bisschen im Argen geblieben, insbesondere Kommunikation. Dass die Leute wieder eine klare Richtung erkennen. Es darf nicht jeder quatschen. Das bedeutet nicht, dass ich quatsche. Aber ich möchte gern sagen: Der quatscht. Es sollte wieder alles geordnet sein.

Christian Heidel ist es wichtig, dass die Leute wieder eine klare Richtung des Vereins erkennen. Foto: Mainz 05

Hinsichtlich der Strategie hatte ich während meiner Zeit nach Schalke, als ich die Hälfte des Jahres in Mainz verbracht habe, gemerkt, wie der Verein die Leute ein bisschen verloren hat. Deswegen Strategie. Diese sollte eigentlich nicht lauten: „Wir möchten gerne in zehn Jahren im Europapokal spielen“, sondern: „Wir möchten in zehn Jahren die ganze Stadt hinter uns haben“.

Es war mir viel wichtiger, dass dieses Gefühl von früher zurückkommt. Wenn ich über den Marktplatz gegangen bin, ist mir aufgefallen, dass die Leute geredet haben: „Ja, die 05er haben so und so gespielt“. Und ich habe mich eben sofort mal aufs übelste beleidigt gefühlt, weil „die 05er“, das sagt man nicht, wenn man Mainzer ist. Da sagt man „wir“. Und das ist ein bisschen verloren gegangen. Früher haben die Leute von „wir“ gesprochen, obwohl sie gar nicht ins Stadion gegangen sind. Und dann merkt man, ob man wirklich in dieser Stadt zu Hause ist. Und da ging’s um Strategie. Rouven hatte sich dann leider entschieden den Verein zu verlassen und ich mich überreden lassen eben doch Vorstand Sport zu werden. Bedingung war aber: „Ich möchte jemanden an meiner Seite haben“. Was ich nicht mehr will und wollte, ist, jeden Tag im Fernsehen, in den Medien, an der „Front“ sein etc. Zum Glück habe ich den Martin dazu gewinnen können. Für ihn war das ja auch ein komplett neuer Job, aber ich wusste, dass er sowas mal machen wollte. Und dann ging’s darum: Jetzt brauchen wir noch einen passenden Trainer. Da hatte ich auch eine klare Meinung. Wenn ich Bo nicht als Trainer hätte verpflichten können, weiß ich gar nicht, ob ich gekommen wäre. Denn ich glaube, dass das hier sonst nicht mehr zu stemmen gewesen wäre. Bei Bo hatte ich das Gefühl: Wir drei zusammen, wir können da schon etwas bewegen. Ob es dann am Ende reicht… Das haben wir gehofft. Ja, wenn’s dann nicht langt, dann haben wir Pech gehabt, dann gehen wir halt in die zweite Liga und machen nochmal einen Neuaufbau. Aber in der Konstellation sind wir es angegangen.

So, und ja, wie sieht man meinen Tag dann aus? Der ist sehr, sehr unterschiedlich. Die Melanie [Assistentin von CH; Anm. von LS] knallt mir den Terminkalender voll. Ich guck ab und zu morgens rein: „Was steht denn heute eigentlich alles auf dem Programm?“ Beispielsweise läuft das so ab: Du wolltest mit mir einen Termin machen. Dann gucke ich mir das an und sage: „Hier, mach da mal bitte einen Termin aus“. Sie ist dann wie meine Managerin. Sie schaut jetzt: „Wo kann man das einplanen?“. Da sind Tage blockiert, die blockiere ich, dann geht’s da eben nicht. An anderen Tagen bin ich da und sie managed das. Es gibt Tage, da geht’s teilweise gar nicht um Fußball, weil mich viele, viele Dinge interessieren, die mit dem Fußballspiel auf dem Rasen gar nichts tun haben. Da sind wir bei Strategie. Wohin wollen wir auf welchem Weg?

Termine mit der Medienabteilung, Vorstandssitzungen, Sitzungen mit dem Aufsichtsrat. Das geht dann schon teilweise bis in den späten Abend. Es geht oft um Fußball, aber auch oft um das Drumherum. Mittagessen gibt’s bei mir eher selten.

Leider hat in Coronazeiten vieles digital stattgefunden. Der persönliche Draht, insbesondere zu den eigenen Leuten, fehlt dann schon sehr. Mit vielen habe ich bis heute noch nicht persönlich gesprochen. Die meisten sind seit Monaten im Homeoffice.

Aber auch das Nachwuchsleistungszentrum ist etwas, das mich sehr beschäftigt und interessiert. Ich führe sehr, sehr viele Gespräche mit Volker Kersting, dem Leiter Nachwuchsleistungszentrum. Der Nachwuchs ist unsere Zukunft. Unser NLZ ist wirklich top. Jedes Jahr entwickeln wir hier Bundesligaspieler. Ich träume davon, dass wir irgendwann nicht nur unsere Spieler sondern auch unsere Trainer ausbilden und entwickeln. Trainer mit Mainz 05-DNA, die unsere Philosophie umsetzen.

Die Philosophie …

Martin Schmidt, Christian Heidel und Bo Svensson (von links nach rechts) bilden seit 2021 ein Team. Foto: Mainz 05

Genau, dass sie den Verein kennen und vielleicht durchaus irgendwann auch mal die Chance haben, hier Profitrainer zu werden. Natürlich führe ich die meisten Gespräche mit Martin Schmidt, also wir gehen die Kader durch, wir gehen die Planung durch. Das machen wir bei mir im Büro an der Wand. Das passt perfekt. Ich weiß nicht, wie oft wir hier im ersten halben Jahr nach zwölf Uhr nachts wieder raus sind. Das war schon verrückt, aber es hat auch richtig Spaß gemacht, weil du natürlich gemerkt hast, es kommt etwas an, wir haben Erfolg. Dann war das halbe Jahr natürlich alles wie im Traum. Da hat alles funktioniert. Da hast du auch insgesamt so ein Glück gehabt, dass die Entscheidungen, die wir getroffen haben, gepasst haben. Und ich muss sagen: Bo, Martin und ich, das passt einfach sehr, sehr gut zusammen. Das macht auch riesig Spaß. Fakt ist aber genauso, dass wir bisher noch keine ganz schwierigen Phasen haben durchleben müssen. 2021/2022 ist nicht viel falsch gelaufen. Die große Bewährungsprobe kommt, wenn Krisenzeiten kommen. Es gibt keinen Verein ohne Krisen. Das wird auch bei Mainz 05 so sein und dann werden wir merken, wie stabil das alles wieder ist.


„EINER entscheidet, ABER BIS ZUR ENTSCHEIDUNG HÖRE ICH MIR ALLES AN!“

Was macht dir am meisten Spaß oder Freude an deinen Aufgaben?

Pläne und Ideen entwerfen und entwickeln, dann durch- und umsetzen. Mit wem musst du reden, wen führst du zusammen? Dieses Managen liegt mir schon immer, aber – und das ist der große Trugschluss – da ich ja früher immer alleine war, haben die Leute immer alle geglaubt, der Heidel entscheidet alles. Die Leute, die mich kennen, sagen, dass ich ein ganz großer Teamplayer bin. Ich bin aber auch für eine klare Hierarchie und die zwei Dinge müssen sich nicht beißen. Ohne Kollegen, ohne Mitarbeiter, ohne Team funktioniert gar nichts. Nur irgendeiner muss den Hut aufhaben und auch den Kopf hinhalten. Meine Tür ist immer offen, außer wenn jemand im Büro ist. Dann kann diejenige oder derjenige zu mir kommen und sagen: „Ich hab hier ‘ne geile Idee!“. Dann höre ich mir das an, egal wer das ist. So sind wir im Verein auch einfach groß geworden. Also, das wächst ja nicht alles auf meinen Mist, was hier passiert ist, sondern da haben viele, viele Leute einen großen Anteil daran.

Aber ich glaub, das ist auch das Gute, dass du dafür offen bist. Ich denke nicht, dass es bei allen Vereinen so ist. Da hat man diese Kreativität dann nicht…

Ja, das kann sein. Ich glaube, man muss den Leuten aber auch den Freiraum und das Lob rüberbringen. Alle Leute erzählen mir ich hätte Thomas Tuchel entdeckt. Und egal in welchem Interview sage ich: „Nein, Volker Kersting aus dem Nachwuchsleistungszentrum hat mir den irgendwann mal gebracht als Jugendtrainer. Aber er hat mich sofort interessiert. Und dann habe ich gesagt: Also auf den gebe ich Acht.“ Nach dem ersten Gespräch dachte ich mir: „Ho, was ist denn das!“. Ein Jahr später war er Profitrainer bei uns. Aber ich hab ihn nicht nach Mainz geholt. Ich habe ihn zum Profitrainer gemacht, aber ich habe ihn nicht nach Mainz geholt.


„Ab und zu steh ich da auch hinter der Theke und zapfe mit, wenn viel los ist.“

Jetzt ein anderes Thema. Du hast vorher schon von der berühmten Hasekaste erzählt. Seit Jahrzehnten gehst du immer wieder in den Hasekessel bzw. inzwischen in den Hasekaste und hältst Kontakt zu den Fans. Wie wichtig ist dir das und warum ist dir das so wichtig? Welche Gesprächsthemen habt ihr dort? Ist dort auch schon mal eine positiv verrückte Idee entstanden, die ihr umgesetzt habt, oder wie kann man sich das vorstellen?

Man muss sehen: Das hat irgendwann vor knapp 30 Jahren angefangen. Da waren wir ja nicht so viele Zuschauer hier und dann war’s völlig normal. Da gehst du nach dem Spiel in die Kneipe, in den Hasekessel, weil ja, wo sollst’n hingehen? Dann hast du da noch ein Bier getrunken. Mit der Zeit wurden es immer mehr Menschen und der Platz hat nicht mehr ausgereicht. Dort standen also nach dem Spiel noch 2.000, 3.000 Leute mit dem Schobbeglas und für mich war es völlig normal, dass ich da hingehe. Am Anfang waren es eben wenige, später waren es viele.

Ich quatsch da mit jedem. Damals waren auch teilweise Fans vom Gegner da und die konnten überhaupt nicht glauben, dass ich da mittendrin stehe. Das ist einfach gewachsen, da gab es überhaupt keinen strategischen Plan. Gar nicht. Mit meinen Kumpels, mit meinen Freunden geh ich dahin. Am neuen Stadion hat’s natürlich eine völlig neue Dimension. Den Wirt, Milan, bis heute einer meiner sehr, sehr guten Freunde, habe ich vom Bruchweg in die MEWA-Arena, damals noch Coface-Arena, mitverfrachtet. Er hat dann eben dort ein Lokal aufgemacht. Ab und zu steh ich da auch hinter der Theke und zapfe mit, wenn viel los ist. Da triffst du jeden. In Mainz weiß das jeder. Wenn ein Fan mit mir quatschen will, geht er nach dem Spiel in den Hasekasten. Und dann kommt er zu mir und wir reden über alles. Ich geh da einfach rein, weil’s mir Spaß macht. Ich muss es nicht machen, aber ich mach es einfach. Kürzlich bin ich nach dem Spiel bis halb Zwölf dortgeblieben. Du kriegst schon ein bisschen mit: Wie ist die Stimmung, wie ist das Gefühl? Momentan ist das sehr, sehr gut. Aber ich geh auch rein, wenn wir 0:5 verloren haben.

Für die Leute dort ist das nichts Besonderes mehr. Sie wissen das. Sie wissen sogar, an welchem Tisch ich immer stehe. Das ist ganz normal und das ist jetzt auch nicht so, dass sie sagen: „Jaaa, Herr Heidel!“ Das ist für sie normal, dass ich da bin. Ab und zu mache ich noch ein Foto, aber die meisten haben eh schon eines. Man bekommt ein Gefühl, ein Gespür. Aber ich mach es nicht deswegen, dass die Leute sagen: „Ja, der Heidel ist normal“. Da hab ich nie einen Hintergedanken gehabt, weil’s für mich einfach komplett normal ist. Es macht Spaß. Ich streite mich auch und das gehört dazu. Aber es wurde noch nie eine Grenze überschritten. Aber ich mag dies Atmosphäre. Ich gehe vorher immer eine halbe Stunde in den VIP-Raum, aber nach der halben Stunde gehe ich dann für zwei oder drei Stunden in den Hasenkasten.


Christian Heidel, Jürgen Klopp und ein Kasten Bier…

Christian Heidel (Mitte) und Jürgen Klopp (rechts), hier im Gespräch mit Martin Schmidt, lachen noch heute über Anekdoten aus ihrer gemeinsamen Zeit in Mainz. Foto: Mainz 05

Welche Anekdote oder Geschichte möchtest du gern erzählen? Du hast ja jede Menge erlebt, aber welche ist so eine, die du gerne herausgreifen würdest? Vielleicht eine, die noch nicht so bekannt ist…

Puh! Ganz, ganz schwierig, weil ich hier so viel erlebt hab. Ich muss sagen, die Zeit mit Kloppo [Jürgen Klopp; Anm. von LS], das war schon das intensivste, bei allem, was wir später erlebt haben. Aber da ist ja der Verein so langsam von unten nach oben marschiert. Also diese Zeit, als Kloppo Trainer wurde – am Rosenmontag natürlich – bis zum Zeitpunkt, als wir noch die Klasse gehalten haben. Das war so emotional, das ist eigentlich nicht zu toppen gewesen.

Und ich erinnere mich wirklich immer gerne an die Geschichte: Wir hatten das letzte Saisonspiel bei Waldhof Mannheim. Wir hatten uns schon am vorletzten Spieltag gerettet. Die Zuschauer hatten super mitgezogen, vor allem im vergangenen halben Jahr. Man hat gespürt, dass da etwas entstanden ist. Deshalb wollten wir uns  bedanken. Ich hab also das größte Schiff, das auf dem Rhein rumfahren darf – ich glaub, 3.000 Leute gingen drauf – komplett gechartert und wir haben organisiert, dass die Fans mit 60 oder 70 Bussen nach Mannheim gefahren werden und dann mussten die 70 Busse die Mainzer nach dem Spiel ans Rheinufer bringen. Erstmal war das logistisch der Wahnsinn. Die Mannheimer Polizei war überhaupt nicht begeistert. Jetzt muss man wissen: Waldhof Mannheim konnte an diesem Tag in die erste Bundesliga aufsteigen. Waldhof hat uns 4:0 abgeschossen und wir waren so schlecht wie sonstwas. Das war uns völlig egal. Aber ich glaub Sankt Pauli hätte in Nürnberg nicht gewinnen dürfen, die haben aber gewonnen. Somit ist Waldhof Mannheim nicht aufgestiegen. Und bei uns haben dreieinhalb Tausend Fans gefeiert und – naja, Mannheim und Mainz, das ist jetzt nicht gerade eine Liebesbeziehung. Dann sind die über die Zäune geklettert und sind sich schon gegenübergestanden auf’m Rasen. Also, das war hart an der Grenze alles, und dann mussten noch Dreieinhalbtausend an den Rhein gekarrt werden. Wir hatten noch Dopingkontrolle, sind danach mit dem Mannschaftsbus – also die ganze Mannschaft ist mitgefahren mit dem Schiff – runtergefahren. Da kamst du dann da unten an. Damals war das mit der Pyro noch nicht so wie es heute ist. Das ganze Schiff hat gebrannt, also mit Pyrofackeln und 3.000 Mainzer sangen auf dem Schiff: „Wieder alles im Griff auf dem sinkenden Schiff“. Vor dem Schiff beschimpften uns 3.000 Mannheimer und zwischendrin 500 Polizisten. Dann kamen wir mit dem Mannschaftsbus. Das war Gänsehaut pur. Zum Glück blieb es friedlich.

Auf dem Schiff haben drei oder vier Bands gespielt. Man fährt länger als man glaubt von Mannheim nach Mainz, ich glaub zweieinhalb Stunden. Wir sind den ganzen Rhein entlang und überall haben die Leute am Ufer gestanden, weil die Pyro am Schiff ja gebrannt hat von hier bis nach Mainz. Also ich glaub, da wurde die Ultrabewegung in Mainz gegründet. (lacht) Und wir hatten die Dinger auch in der Hand. Das war damals nicht verboten, muss man klar sagen. Irgendwann kam Kloppo zu mir und hat gesagt: „Komm, wir müssen uns mal ein bisschen in Ruhe unterhalten“. Wenn du da mit so vielen Menschen drin bist, ist das sehr laut. Also hat der Kapitän gemeint, wir dürften uns vorne auf die Spitze des Schiffs setzen. Das war so ein riesiges Schiff mit einer ganz langen Schnauze. Kloppo und ich haben einen Kasten Bier mitgenommen und sind dann da vorne drübergeklettert, ja. Wir haben den Kasten Bier hingestellt, er links, ich rechts, ganz vorne an der Spitze des Schiffs. Und dann haben wir, ich glaube innerhalb von einer Stunde, den Kasten Bier leergetrunken. Und wir haben nur über dieses halbe Jahr erzählt, was da alles passiert ist und haben uns kaputtgelacht. (begeistert)

Der Mainzer Dom war nicht nur bei der Nichtabstiegsfeier 2001 in Sichtweite, sondern auch, als Christian Heidel 2009 mit Mainz 05 den Aufstieg in die 2. Bundesliga feierte. Foto: Mainz 05

Dann ist das Schiff, voller Leute mit brennender Pyro in den Händen, ich glaub es war elf Uhr, am Abend in Mainz vorm Rathaus und mit dem Dom im Hintergrund eingelaufen. Das war schwer emotional. (man merkt er hat die Bilder im Kopf) Wir sind dann natürlich alle noch in die Kneipen und irgendwann am nächsten Nachmittag wieder nach Hause. So haben wir den Nichtabstieg in Mainz gefeiert. Aber die Stunde mit Kloppo (seine Augen leuchten) auf dem Schiff da vorne drauf, das werd ich nie vergessen und er auch nicht. Vor kurzem war er vier Wochen bei mir auf Mallorca, in der Sommerpause. Da haben wir sehr oft zusammengesessen und stundenlang Anekdoten aus dieser Zeit erzählt. Unsere Frauen haben nur noch den Kopf geschüttelt. Es gibt so viele Geschichten, da kann man gar keine herausheben.

(Ich muss schmunzeln, weil das ja schon eine tolle Geschichte war – oder wie geht’s euch, liebe Leser*innen?) Die ist ja auch schon mal sehr schön.

Und eben weil die Geschichte so schön war und der zweite Teil des Interviews durchaus ernster wird, folgen hier der Cut und ein Fragen-Potpourri in Form eines Videos. Teil 2 des Interviews könnt ihr ab morgen an dieser Stelle (bitte auf den Link klicken) nachlesen.

Fragen-Potpourri mit Christian Heidel:

Christian Heidel beantwortete das Fragen-Potpourri. Video: Lisa Schatz [unbezahlte Werbung wegen Markenerkennung]

Hinweis: Bitte beachtet, dass dieses Interview vor den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine geführt wurde. Im Jahr 2022 findet in Mainz kein Rosenmontagsumzug sowie keine Fastnachtsfeier statt.

Den zweiten Teil des Interviews findet ihr hier.

Meine Fußball- und Kulturreise nach England – part I

11.8.2013

Hello!

Endlich ist es soweit. Ich sitze im Zug, denn heute geht’s ab nach England. Im Moment befinde ich mich irgendwo auf der Strecke zwischen Dortmund und Köln. Ich seh Windräder, wenn ich aus dem Fenster blicke. In England wird’s das wohl nicht geben. Ich stelle mir eher „endlos grüne Weiten“ vor, die ich dort bestaunen kann. Mal sehen. Ich hab‘ echt keine Ahnung, was da auf mich zukommt. Ich bin gespannt. Heute jedenfalls fahre ich erstmal zum Hostel und zu West Ham United – schließlich will ich in knapp zwei Wochen im St. James‘ Park stehen (hatte ein Auswärtsticket für das Spiel NUFC – West Ham Unted reserviert und musste es noch abholen; Anm. von Lisa Schatz). Ansonsten heißt’s natürlich nicht NUR Fußball…

Hier mein „Reiseleitfaden“:

Reiseleitf2
Originaleintrag aus meinem Reisetagebuch. Foto: Lisa Schatz

Mehr zu meinen Erlebnissen in den nächsten Tagen. Ich verabschiede mich nun erstmal aus Hagen->Wuppertal und sag dir, liebe(-r) Leser(-in),

‚Have much fun‘!

Lisa