Gerrit Meinke über Arminia Bielefeld, seinen Nebenjob und die Wettbewerbsfähigkeit im Profifußball

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Gerrit Meinke fungiert seit ca. eineinhalb Jahren als Geschäftsführer der DSC Arminia Bielefeld GmbH & Co. KGaA. Foto: Schatz

DSC Arminia Bielefeld. Gerrit Meinke ist Ex-Fußballprofi. Er hat u.a. für Arminia Bielefeld und den SC Paderborn gespielt. Seit Juni 2013 (seit 2013 ALM KG, seit 2015 KGaA) ist der ehemalige Stürmer als Geschäftsführer des DSC tätig. Nebenberuflich arbeitet Meinke als Assistent von Tom Bartels und flüstert ihm die wichtigsten Daten zum Spielgeschehen ein. Ich wollte von ihm u.a. wissen, welche Aufgaben er in seinen Jobs hat, inwieweit sich der Profi- und der Amateurfußball voneinander entfernen und wie er sich den DSC in fünf oder zehn Jahren wünscht. Herausgekommen ist ein umfangreiches Interview, das über den Tellerrand der zweiten Liga hinausgeht und die eine oder andere Anekdote für euch bereit hält…

Herr Meinke, zunächst eine Frage zu Ihrem Job als Geschäftsführer. Welche Aufgaben haben Sie genau und was gefällt Ihnen daran am besten?

Das schöne ist die Vielfältigkeit, die Abwechslung. Da ich auch Geschäftsführer der Stadiongesellschaft bin, bin ich ja auch eine Art Immobilienmakler: Wir haben hier Büros, die wir gewerblich vermieten. Auf der anderen Seite bin ich als oberster Personalchef immer ein Stück weit Pädagoge. Personalführung ist das interessanteste, aber andererseits auch das schwerste. Für Personalführung wird es keinen Studiengang geben, es gibt aber auch keinen Studiengang Geschäftsführer. Was ich damit sagen will: Der Geschäftsführer kommt ja aus einer gewissen Kernkompetenz, die bei mir eben „Finanzen“ ist. Ich habe diesem Thema, weil ich das bei uns in der Buchhaltung in sehr guten Händen weiß, zunächst weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Das hätte ich mir vorher nie vorstellen können. Ich werde darüber selbstverständlich informiert und spreche natürlich mit meinen Mitarbeitern darüber. Bei mir war es so: Als ich 2015 hier Geschäftsführer der KGaA wurde, habe ich mich insbesondere mit den Themen befasst, die nicht meine Kernkompetenz sind, z. B. die Pressearbeit oder der sportliche Bereich, vor allem die Kaderzusammenstellung und die Suche nach einem neuen Trainer.

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Der Beruf ist sehr abwechslungsreich, ich habe mit dem Hobby Fußball zu tun und bin natürlich auch Fan. Was genauso interessant ist, ist die Arbeit im Nachwuchsbereich, wo ich eher Gespräche mit jüngeren Menschen führe. Darüber hinaus sieht jeder Tag anders aus. Ich meine, es ist viel durchgetaktet mit Terminen. Das kenne ich aus meinem vorherigen Arbeitsleben nicht so in dieser Art. Das ist aber auch total spannend. Heute Morgen habe ich harte Verhandlungen geführt, jetzt gebe ich ein lockeres Interview, kürzlich habe ich einige Begrüßungsworte an Erstsemester gerichtet… Es ist so mannigfaltig.

Dann bin ich abends wieder auf einer Sponsorenveranstaltung, wo ich viel Smalltalk und Gespräche hinter den Kulissen führe, Eröffnungsworte spreche. Oder ich bin auf einer Sponsorenmesse oder schaue an einem spielfreien Wochenende beim Frauenfußball in der SchücoArena zu. Das macht mir einfach viel Spaß und ich finde es total cool.

Sie selbst sind Ex-Profi. Inwieweit kennt man sich als solcher mit all den Formalitäten aus? Haben Sie sich auch ein bisschen von Samir Arabi einarbeiten lassen, zum Beispiel bei der Trainersuche? Ich denke, dass er da nochmal eine ganz andere Perspektive hat.

Da ist er auch der maßgebliche Mann. Er hat damals das erste Gespräch mit Rüdiger Rehm geführt, ist zu mir gekommen und meinte: „Ich hab ein gutes Gefühl“. Dann sind wir ein zweites Mal zusammen hingefahren. Das ist genauso, wenn es um Spielerverpflichtungen geht. Wenn Samir sagt: „Bei dem Spieler sind wir jetzt schon ein bisschen weiter, das könnte einer für uns sein“, dann schaue ich mir auch mal Videosequenzen an. Das möchte er auch. Natürlich habe ich nicht so viel Wissen wie er in dem Bereich. Aber ich war ja Profi und hab auch einen Nebenjob im Fußballbereich (als Assistent von TV-Kommentator Tom Bartels; Anm. von LS) und kann das ein wenig beurteilen. Ich schaue mir die Spiele an und gebe meine Expertise dazu. Die Meinung von Samir ist entscheidend. Ich sage letztendlich – da ich Geschäftsführer Finanzen bin – ob die Verpflichtung wirtschaftlich möglich ist. Umgekehrt ist es so: Wenn es um irgendwelche Finanzthemen geht, involviere ich ihn genauso. Das klappt ganz gut. Für mich ist der Job als Geschäftsführer hier schöner als vorher, als ich nur Geschäftsführer der Stadiongesellschaft war, da ich nun viel näher dran bin. Jetzt fahre ich morgens auch mal zum Training, spreche mit Spielern und dem Trainer. Das hat natürlich einen gewissen Charme.

 

„Wettbewerbsfähigkeit ist das höchste Gut im Fußball“

Jetzt möchte ich einen großen Schwenk machen. Inwieweit entfernen sich der Profi- und der Amateurfußball voneinander? Vor allem, wenn Sie sich jetzt die wirtschaftlichen Aspekte anschauen.

Was diese Sache anbelangt, differenziere ich zwischen zwei Themen. Das eine ist die wirtschaftliche Schere und zwar sowohl international als auch national. Und das andere ist das Spiel an sich, was ich ein Stück weit kritisiere. Dass in der ersten Liga besser gespielt wird als in der Kreisliga ist völlig normal. Und dass die Qualität dort besser ist, auch. Aber ich behaupte: Der Fußball, diese Massenfaszination lebt davon, dass das Spiel in der Champions League genau dasselbe ist wie in der Kreisliga. Was ich damit meine: Es fängt damit an, dass in der Champions League mittlerweile sechs Schiedsrichter eingesetzt werden. Die Torrichter kann man vergessen. Nach meiner Wahrnehmung hat noch keiner eine richtige Entscheidung getroffen, wenn es um „Tor“ oder „kein Tor“ ging. Dann diese Geschichten mit dem Videobeweis. Da wird sicherlich demnächst noch ein Challenge kommen mit Spielunterbrechungen. Ich kann verstehen, dass man die Technik einsetzen will, um höchstmögliche Genauigkeit zu haben. Das ist klar. Wir können alle sagen: „Ja, aber der Fußball lebt doch davon, dass am Stammtisch darüber diskutiert wird, ob es Abseits war oder nicht“. Da sage ich: Falsch. Es ist vollkommen richtig, die Technik, die wir haben, einzusetzen. Dafür geht’s um zu viel Geld. Aber wir müssen aufpassen, dass das Spiel in der ersten oder zweiten Liga, in der Champions League, bei den Weltmeisterschaften, nicht ein anderes wird als in der Kreisliga. Denn: Wir haben so viele aktive Spieler, auch bei uns hier im Stadion, die den Fallrückzieher, den Fabian Klos beim nächsten Spiel macht, in der Kreisliga nachmachen wollen. Das ist genau der Punkt. Darin sehe ich echt eine Gefahr. Der Fußball lebt einfach davon, dass das hier dasselbe ist wie in der Kreisliga. Das ist meine Meinung.

Der zweite Punkt ist der wirtschaftliche Faktor. Die Bayerns und Dortmunds dieser Welt proklamieren, dass wir international wettbewerbsfähig bleiben müssen. Klar: Wenn ich mir Real Madrid, Manchester United oder Paris St. German angucke, hätte ich als BVB oder FC Bayern auch irgendwie die Befürchtung, dass sie mir weglaufen. Bisher geht’s ja noch. Die englischen Clubs machen ja gerade alles verkehrt, was man verkehrt machen kann. Aber irgendwann kommen sie vielleicht auch noch auf die Idee, gute Nachwuchsleistungszentren zu bauen. Sie haben grundsätzlich Recht, nur besteht aus meiner Sicht wieder die Gefahr: Wir müssen den schmalen Grat hinbekommen, dass wir sowohl international als auch national wettbewerbsfähig bleiben – und zwar nicht nur Borussia Dortmund und der FC Bayern – sondern idealerweise z. B. auch noch Gladbach und Wolfsburg. Im nationalen Fußball besteht diese finanzielle Lücke zwischen der ersten und zweiten Liga, welche noch einigermaßen in Ordnung ist. Wobei es auch immer schwerer wird: Also, die Relegation 1./2. Liga wird ja grundsätzlich nur von den Erstligisten gewonnen. Sonst wäre der HSV ja schon …. Und – was jedoch zeigt, dass Geld nicht alles ist – die Lücke zwischen der zweiten und dritten Liga ist prozentual noch größer. Nicht absolut, aber prozentual ist sie doch größer. Die Relegation zwischen der zweiten und dritten Liga wird meist von den Drittligisten gewonnen, was wiederum heißt, dass es sportlich nicht divergiert. Was will ich damit sagen? Wenn wir im nächsten Jahr hoffentlich am neuen Fernsehvertrag partizipieren dürfen, kann ich bzw. will ich da nicht zuviel Geld davon verwenden, um es in die Mannschaft zu investieren. Sicherlich einen Teil, aber im Sinne der Nachhaltigkeit und der dauerhaften Wettbewerbsfähigkeit halte ich es mittelfristig für sinnvoller, es ins Nachwuchsleistungszentrum zu investieren, oder arminia-spezifisch, in die Infrastruktur.

Dort liegen meine Befürchtungen. Der Fußball lebt immer vom Wettbewerb. Eigentlich sollte es bei jedem Spiel so sein, dass es anfangs 0:0 steht und ich nicht weiß, wie es ausgeht. Es wird immer Spiele geben wie bei Real Madrid gegen Bate Borisov. Da wird Real immer zu 95 Prozent siegen. Das ist ok. Aber wenn ich in der Vorrunde der Champions League gefühlt 95 Prozent der Spiele vorhersehen kann, dann macht es keinen Spaß mehr. Das ist die große Gefahr. Da muss man aufpassen. Geld schießt am Ende des Tages Tore – nicht kurzfristig, aber mittel- und langfristig auf jeden Fall. Wettbewerbsfähigkeit ist das höchste Gut im Fußball.

Wenn Sie jetzt nur auf Deutschland blicken: Inwieweit sollten die DFL und der DFB diesbezüglich mit Regularien eingreifen? Wenn wir jetzt z. B. auf die Vertragsverlängerung mit Toni Kroos schauen: Denken Sie, dass es in Hinsicht auf die Gehälter eine Grenze geben sollte?

Ein Salary Cap (Gehaltsobergrenze; Anm. von LS) wäre wünschenswert, ist aber arbeitsrechtlich nicht durchsetzbar. Never. Keine Chance. Das wurde ja wieder von Herrn Holzhäuser aufgeworfen. Die Amerikaner machen es da einfach gut. Aber ok, da habe ich einen Draft (spezielles Auswahlverfahren für Nachwuchsspieler; Anm. von LS), wobei der schlechteste Verein der Vorsaison die besten Picks (pick= Auswahl eines Spielers; Anm. von LS) bekommt. Dann mache ich einen Salary Cap. In Europa ist das leider nicht durchsetzbar. Man kann ja viel verteufeln, was die Amerikaner machen, gerade auch im Sport. Aber das ist Wettbewerbsfähigkeit: Der, der letztes Jahr als Letzter abgeschlossen hat, kann im nächsten Jahr theoretisch Meister werden. Das ist bei uns nicht möglich. Die Ausnahmen sind meines Wissens schon eine Weile her, als Kaiserslautern aufstieg und als Aufsteiger Deutscher Meister wurde. Wenn heute Darmstadt 98 aufsteigt und Deutscher Meister werden würde, ist das utopisch. Das geht nicht.

 

Arminia und die Amateurvereine

Themenwechsel. Wie gut sind heutzutage die Kontakte zwischen den Profi- und Amateurvereinen? Was tut beispielsweise Arminia Bielefeld dafür, um die Kontakte zu kleinen Vereinen herzustellen und zu halten?

Sehr viel läuft über unsere 22 Partnerstädte, wo wir auch immer ein, zwei Spiele pro Saison spielen. Der Gedanke ist, dass nicht immer die Fans zu Arminia kommen, sondern auch mal Arminia zu den Fans. Ich glaube da machen wir schon relativ viel. Zudem spielen wir in der Saisonvorbereitung die ersten drei, vier Spiele immer gegen niederklassige Vereine. Wir haben sehr viele gute Kontakte zu kleinen Clubs in Bielefeld. Zudem spielen wir jedes Jahr bei Fichte Bielefeld, das Derby ist Tradition. Zum VfL Theesen haben wir einen sehr guten Kontakt und die Damen spielen jetzt in Quelle, weil wir schon immer einen guten Draht zu Quelle hatten. Zur Einweihung des Kunstrasenplatzes werden wir dort spielen. Wir suchen schon immer den Kontakt zur Basis. Ich glaube, dass wir da gut aufgestellt sind und dass das nicht bei allen Profivereinen so gelebt wird, wie wir das hier tun. Meiner Auffassung nach sind wir schon ein ganz geerdeter Verein, der da an die Basis herantritt.

Sie haben gerade die Fans angesprochen. Was bekommen Sie als Geschäftsführer von den Arminiafans mit, wo haben Sie Kontakt zu ihnen?

Das übliche Medium kennen wir ja alle, das ist fb. Aber es würde keinen Sinn machen, dass ich mich da anmelde. Das werde ich nicht tun. Es ist zudem so, dass ich ab und an E-Mails oder Briefe erhalte, in der Stadt angesprochen werde oder im Stadion. Ich glaube, dass ich das Feedback der Fans, wie deren Stimmungslage ist, wie sie die Situationen sehen, schon ganz gut einschätzen kann. Ich gebe zu, dass ich mir die Kommentare auf Facebook angucke. Es ist schon ein gutes Tool dafür, ein paar Tendenzen herauszuhören. Auch wenn es teilweise extrem ist. Wenn man es für sich gut filtert, dann kann man es gut nutzen.

 

Gerrit Meinkes Arbeit auf der Pressetribüne

Nun von Ihrem Hauptberuf zum Nebenjob „Einflüstern fürs Fernsehen“. Wie bekommen Sie das unter einen Hut? Ist das gut zu managen oder wie kann man sich das ganze vorstellen?

Ja, das ist gutes Zeitmanagement (lacht). Grundsätzlich nehme ich mir für diese Aktionen Urlaub. Wenn z. B. am Abend ein Spiel in Dortmund ist, das übertragen wird, dann gehe ich um 16 Uhr los. Aber grundsätzlich nehme ich für Turniere – wie in diesem Jahr in Frankreich – meinen Jahresurlaub. Von daher geht da schon eine Menge Urlaub drauf. Das ist manchmal schwer, das meiner Frau zu vermitteln. Aber sie weiß, wie gerne ich das mache. In der Regel findet so ein großes Turnier auch „nur“ alle zwei Jahre statt. Wobei nächstes Jahr ein Confed-Cup mit deutscher Beteiligung ansteht. Da bin ich nah dran, abzusagen. Drei Jahre hintereinander, das wäre mir zu viel. Das kann ich meiner Frau nicht mehr antun. Aber grundsätzlich ist ein gutes Zeitmanagement wichtig. Ich weiß immer relativ früh, ca. acht Wochen vorher, wann ich mit Tom Bartels eingeteilt bin und dann lässt sich das ganz gut planen. So viel Zeit geht da nicht drauf. Wenn ich bei einem Spiel in München bin, bin ich insgesamt nur einen halben Tag weg. Ich fliege um 14 Uhr los, lande um 15 Uhr, am Abend ist das Spiel und am nächsten Morgen sitze ich wieder um 10 Uhr im Büro.

Ist das für Sie Stress?

Für mich ist das ein super Ausgleich. Das ist wirklich so. Dass eine gewisse Anspannung da ist, ist völlig normal. Ein Spiel, das ich mit Tom Bartels anschaue, kann ich neutral betrachten. Da kann ich völlig relaxed im Stadion sitzen, wer gewinnt ist mir im Grunde genommen gleich. Der bessere soll gewinnen, sag ich mal, und wir sind die Hobby-Analysten.

Was reizt Sie an Ihrer Arbeit auf der Pressetribüne?

Das schöne ist, dass ich in der Branche bleibe. Ich erweitere dadurch mein Netzwerk. Man lernt neue Leute kennen, die im Fußball arbeiten, aber vielleicht „auf der anderen Seite“, weil sie z. B. im Journalismus tätig sind. Darüber hinaus ist es angenehm, ein Spiel ohne irgendwelchen Druck  anzuschauen. Ich kann mich wirklich darauf konzentrieren, wie das Spiel läuft, kann auf Dinge wie die Taktik achten. Es ist natürlich auch schön, einen der besten Kommentatoren Deutschlands unterstützen zu dürfen.

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Gerrit Meinke (li.) arbeitete auch während der EM 2016 als „Einflüsterer“ mit TV-Kommentator Tom Bartels zusammen. Foto: Meinke

Wie kann man sich Ihre Arbeit für das Fernsehen vorstellen? Ist das viel Vorbereitung, müssen Sie viel mitschreiben oder wie läuft das ab? Worauf achten Sie am genauesten?

Als ich noch nicht Geschäftsführer bei Arminia war und ein bisschen mehr Zeit hatte, habe ich mit Tom Bartels eine Art Vereinbarung getroffen. Es gibt in der Regel vor jedem Spiel 80 bis 100 Seiten von einem Unternehmen, das Fußballdaten generiert. Ich habe diese immer alle brav durchgelesen und wusste irgendwann, dass ich von den vielen Informationen höchstens zehn Prozent verwenden könnte. Die 10 Prozent schreibe ich mir heraus und kann den Stapel weglegen. Tom war derselben Auffassung. Ich habe irgendwann gesagt: „Ich kann mir das nicht mehr komplett durchlesen“. Er antwortete nur: „Musst du auch nicht. Ist gut“.

Wir sitzen vor den Spielen immer zusammen, um uns abzusprechen. Tom sagte: „Du hast Ahnung von Fußball, mehr brauche ich von dir nicht. Ich weiß, dass ich mich auf deine fachliche Expertise verlassen kann. Du musst mich nicht mit Statistiken zuballern“. Zwischendurch sagt er schon: „Schreib dir mal noch zusätzlich diese Chance gerade auf“. Klar. Natürlich bin ich auch der Schreiber und sage bei Toren z. B. „in der 33. Müller, in der 37. Lewandowski und 58. Thiago“. Was ich damit meine: Der Job beginnt mit dem Anpfiff. Ich soll einfach gucken, wie das Spiel läuft, und aufpassen, ob er mit seiner Bewertung richtig liegt. Das Schöne ist, dass wir uns seit fast 40 Jahren kennen. Wir sind schon zusammen in den Kindergarten gegangen und verstehen uns wirklich blind. Und das ist – gerade, wenn man auf diese Art und Weise zusammenarbeitet – total wertvoll. Dann weiß man, wie der andere tickt.

Vielleicht eine kleine Anekdote zwischendurch: WM 2010, letztes Vorrundenspiel, Deutschland gegen Ghana. Da sitzt du im Soccer City Stadium, 80.000 Zuschauer, die Pressetribüne ist direkt unterm Dach. Dort wurde es schon relativ schwer, die Spieler zu identifizieren und dann: Deutschland – Ghana. Weltklasse. Ich hatte Gott sei Dank immer noch diesen Monitor. Zum Glück konnte ich auf‘s Spielfeld gucken. Tom konnte das nicht. Klar, er musste auf den Monitor blicken. Er musste schließlich das kommentieren, was der Zuschauer sah. Wir kamen also auf die Pressetribüne, weit oben, und ich habe gesagt, ich könne die Deutschlandspieler kaum auseinanderhalten, ich könne die Nummern kaum erkennen. Da dachte ich mir: „Gut, oben hab ich ja einen schönen Monitor“. Dann stand oben so ein kleiner Bildschirm. In schwarz-weiß! Kurz vor Schluss schoss Özil das 1:0, Tom sagte: „1:0“, guckte mich an, und ich flüsterte „Özil, Öööööööziiiiiiiiiiiiiiil!“ (lacht). So ging das. Noch ein kleines Anhängsel hintendran: Das Spiel war vorbei, wir sind in die Innenstadt von Johannisburg gefahren. Zwei Stunden später stand das nächste Spiel an. Wir haben dort eine Sportsbar gefunden. Überall hingen diese typisch südafrikanischen Screens, wohinter die Fans saßen, darunter auch deutsche. Das nächste Spiel kam und ein Fan fragte: „Wieso sieht der Kommentator das nicht???“ und ich dachte mir nur: „Hey, hast du eine Ahnung…!“ (schüttelt den Kopf und lacht). Manchmal ist es schon echt schwer, die Spieler zu erkennen. Bevor du da etwas Falsches sagst, sagst du lieber gar nichts.

Jetzt zu Ihrer Vergangenheit als Ex-Profi. Haben Sie damals schon ein bisschen in die Richtung geschielt, nach Ihrer aktiven Karriere bei einem Club zu arbeiten?

Nein, gar nicht. Ich habe nie eine Karriere als Fußballfunktionär geplant. Das hat sich alles irgendwie entwickelt. Selbst als ich Profi geworden bin, wusste ich, ich muss nach meiner Profikarriere irgendetwas machen, weil ich nicht so viel Geld haben würde, dass ich komplett davon leben könnte. Das war mir klar. Deswegen habe ich Betriebswirtschaft studiert. Als ich das Studium – noch während meiner Fußballerlaufbahn – fertig hatte, war ich sehr froh und habe versucht, während dessen schon den Berufseinstieg zu finden. Weil man natürlich als Fußballprofi Kontakte hat ergab es sich für mich, dass der SC Paderborn meine letzte Station wurde und ich zugleich bei Finke (Möbelgeschäft in Paderborn; Anm. von LS) anfangen konnte zu arbeiten. Als ich mit dem Fußball aufgehört habe, habe ich nur noch für Finke gearbeitet. Als der SCP 2005 in die zweite Liga aufgestiegen ist, kam der Verein auf mich, weil er auf Grund der DFL-Regularien einen hauptberuflichen Finanzverantwortlichen brauchte. Aber irgendwie war mir das zu unsicher, weil ich dachte, dass der Verein wieder absteigen könnte. Deshalb sagte ich: „Ich mach das erstmal für ein Jahr“. Dann haben sie’s geschafft, relativ souverän, und ich entschied mich noch ein zweites Jahr zu bleiben, meinte: „Wenn das nicht klappt, dann möchte ich aber wieder zu Finke zurück“. Und im dritten Jahr hat Finke gesagt, ich könne bei ihm bleiben und so bin ich da ein Stück weit meinen Weg gegangen.

Irgendwann kam der Anruf von Marcus Uhlig, der nach einem Geschäftsführer für die Stadiongesellschaft suchte. Also: Geplant war’s nie, aber ich bin glücklich. Parallel kam Tom Bartels 2004 auf mich zu. Das erste Spiel, das wir zusammen gemacht haben, war – wie es der Zufall so will, hier: Bielefeld gegen Bremen. Wahnsinn, echt (strahlt)! Das war damals noch für Premiere. Noch zu Paderborner Zeiten hatte ich gesagt: „Ich möchte keinen Beruf mehr ausüben, der nichts mit Fußball zu tun hat. Jetzt will ich auch in der Fußballbranche bleiben“. Selbst wenn mit Fußball nichts mehr wäre, schließt das nicht aus, dass ich wieder in meinen alten Job als Controller, in den Finanzbereich, gehen könnte. Aber nun will ich eigentlich schon bis zur Rente Fußball machen. Weil ich das cool finde und so schön und weil es mir so viel Spaß macht.

Sehen Sie das Spiel an sich durch Ihren Nebenjob schematischer als vorher?

Ich glaube, dass es mir nicht schwerfällt, den Fußball weiterhin nicht zu analytisch zu betrachten. Weil ich dieses natürliche am Fußball, weil ich gerade das so liebe. Die Spiele sind einfach geil, weil man nicht weiß, wie sie ausgehen. Selbst, wenn Bayern gegen Darmstadt spielt, kann mal einer ausrutschen und Manuel Neuer bekommt einen rein. Das kann natürlich trotzdem passieren.

Wir haben auch viele Länderspiele übertragen. Da bin ich nicht mehr neutral. Wenn wir jetzt ein Pokalspiel zwischen Bayern und Augsburg besuchen, habe ich keine Emotionen. Wenn wir mit Arminia einen Tag vorher gegen Dresden spielen, schon. Bitte nicht falsch verstehen: Ich finde es super, wenn ich in München ein Pokalspiel sehen darf, Bayern gegen Augsburg, 70.000 Zuschauer. Ich finde die Atmosphäre toll, das macht mir Spaß. Das ist für mich immer ein Stück weit Abwechslung und auch Erholung. Deswegen mache ich das total gerne.

 

Stamford Bridge: „Krass, heftig, Wahnsinn – einfach cool“

Welches ist Ihr Lieblingsstadion?

Ich würde schon sagen das in Dortmund. Das ist schon überragend. Es ist so wie hier, man ist einfach sehr nah am Spielfeld. Jetzt ist das noch dreimal größer als hier, das lieb ich – auch diese alten englischen Stadien wie Highbury, Arsenal. Es liegt mitten im Wohngebiet, wie die SchücoArena, und die Stadionuhr dort finde ich cool. Da bin ich ein Stück weit Fußballromantiker, das gebe ich zu. Ich habe einige Welt- und Europameisterschaften mitgemacht. Was mich da mittlerweile nervt ist, dass gefühlt jedes Stadion gleich aussieht. Ehrlich. Auch bitte nicht falsch verstehen – es ist immer ein Highlight. Aber wenn ich schon sehe: Es  ist überall gleich gebranded, das ist überall gleich. Ab und an gibt es Abweichungen, aber manchmal denkst du, das sind alles solche „Plastikpaläste“. Ich kann das verstehen. Rein wirtschaftlich müssten wir eigentlich auch so einen Palast an der A33 haben, nicht hier. Rein wirtschaftlich betrachtet. Aber das Stadion hat so viel Charme. Das kommt daher, dass es so ist, wie es ist und weil es im Wohngebiet liegt.

Wie haben Sie die Stimmung in den englischen Stadien erlebt?

Ich habe im Fußball schon wirklich viele und wichtige Spiele gesehen, aber ich habe noch nie so ein lautes Stadion erlebt wie in Chelsea, Stamford Bridge. Das war beim Champions League-Viertelfinale, Rückspiel gegen Barcelona. Ich habe meine Kopfhörer abgenommen, weil ich es nochmal im Original hören wollte. Ich habe gesagt: „Das gibt’s nicht, das ist so laut! Krass, heftig, Wahnsinn – einfach cool!“.

Von Chelsea back to Arminia. Was zeichnet den DSC Ihres Erachtens aus? Inwieweit trifft „Stur, hartnäckig, kämpferisch“ auf den Club zu?

Dieses Leitmotto finde ich besonders wichtig. Es hat aus meiner Sicht ein Alleinstellungsmerkmal. Ich wüsste keinen Verein oder ich könnte mir keinen anderen Verein vorstellen, der sich zumindest das Wort „stur“ auf die Fahnen schreibt. Das schöne ist, dass man sich damit ganz klar abgrenzen kann. Und natürlich sehen wir das positiv besetzt. Aber „stur“ hat eben auch damit etwas zu tun, dass wir stur daran festhalten – und dies hängt stark mit der Historie zusammen – dass wir an uns glauben. Wir fallen zwar immer wieder hin, aber wir stehen auch immer wieder auf. Dasselbe wie für „stur“ gilt für „hartnäckig“ und „kämpferisch“.

Wir sind Wanderer zwischen den Welten. Was wir hier schreiben, ist großes Theater: Entweder himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt. Das zieht sich hier wie ein roter Faden durch und ich denke nicht, dass sich das ändern wird. Man wünscht sich manchmal weniger Herzinfarktrisiko, keine Frage. Aber am Ende des Tages bietet Arminia Bielefeld – zumindest hat es das bisher immer geboten – das, was der Fan letztendlich will. Ohne, dass es vielleicht Arminia Bielefeld immer wollte. Aber letztendlich war es so. Das ist einfach das, was den Verein ausmacht und ich glaube, dass diese drei Wörter das einfach exakt treffen und uns von allen anderen Vereinen abgrenzen.

 

Zukunftswünsche für den DSC

Wenn Sie in die Zukunft blicken: Was wird sich in fünf oder zehn Jahren bei Arminia verändert haben?

Was ich glaube, dass sich bei Arminia verändert haben wird oder wie ich es mir wünsche?

Sie können das auch gern differenzieren…

Das allererste, was ich mir für die Zukunft in fünf oder zehn Jahren wünsche ist, dass wir wirtschaftlich viel besser da stehen. Damit steht oder fällt letztendlich alles. Im Moment haben wir diese hohen Verbindlichkeiten und die schweben immer wie so ein Damoklesschwert über uns. Eigentlich beeinflussen sie jede Entscheidung. Man wünscht sich als Geschäftsführer, dass man Entscheidungen völlig frei davon fällen könnte. Wenn ich mir etwas für 2021 oder 2026 wünsche, dann ist es, schuldenfrei zu sein. Oder zumindest wirtschaftlich solide aufgestellt und damit zukunftsfähig zu sein. Damit einhergehend natürlich eine gewisse sportliche Stabilität im Profifußball, was für mich gar nicht unbedingt mit der ersten Liga gleichgesetzt werden muss. Aber, was wir uns auf die Fahnen geschrieben haben: Unter den ersten 25 zu sein. Selbst, wenn wir in zehn Jahren sagen würden, wir hätten zwei Jahre Bundesliga und acht Jahre zweite Liga gespielt. Dann würde ich meinen, dass das auch eine Entwicklung wäre. Ein stabiler Zweitligist wäre für mich vollkommen in Ordnung.

Was mir sehr am Herzen liegt, ist, dass wir unseren gesamten Jugendmannschaften – von der U10 bis zur U23 – eine vernünftige, angemessene Heimstadt mit ausreichend Trainingsplätzen und Umkleidekabinen bieten können. Sodass man feststellen kann: Das ist neben dem Stadion das Herz von Arminia Bielefeld. Dort halten sich alle auf, dort wird trainiert und dort können idealerweise unsere Jugendspieler bei den Profis zuschauen. Meine Idealvorstellung ist, dass jeder Nachwuchsspieler an der Abteilung der Profis vorbeigeht und sagt: „Da will ich auch mal rein“. Das ist Motivation. Das hieße dann: „Da dürft ihr erst rein, wenn ihr’s geschafft habt“. Das fände ich klasse: Wenn man ein Areal hätte, mit acht Plätzen und schöne Funktionsgebäude mit Kabinen. Das wäre super. Wenn man diese Bedingungen hätte, da könnte man richtig was aufbauen.

Wie eng arbeiten Sie mit der Nachwuchsabteilung zusammen?

Ich habe mit der Leitung wöchentliche jour fixes, wo wir uns regelmäßig austauschen. Samir Arabi ist immer dabei. Ich würde mir noch gerne mehr Spiele von der U23, U19, U17 ansehen, aber alles kann man einfach nicht. Zwischendurch hat man auch noch ein Privatleben. Diese Saison hatte ich vor, mir mehr Spiele anzuschauen. Bisher hat es leider noch nicht funktioniert. Insgesamt finde ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Aber gut, das Thema Finanzen ist schwer. Es ist ein echter Klotz am Bein und wir müssen nicht blauäugig sein: Das lässt sich in den nächsten fünf Jahren nicht lösen. Da brauchen wir viel Geduld und Durchhaltevermögen, einfach einen langen Atem. Aber den haben wir.

Wie viele Stunden Arbeitszeit für den DSC kommen bei Ihnen in etwa pro Woche zusammen?

Ich glaube im Schnitt sechzig Stunden, wenn ich alles dazu nehme. Aber das ist das Maximum. Ich lerne immer sehr viel von unserem Aufsichtsratsvorsitzenden Hartmut Ostrowski, der sehr viel Erfahrung im Managementbereich hat und dann noch bei Bertelsmann. Er sagt immer: „Herr Meinke, kein Mensch kann mehr als zehn Stunden am Tag konzentriert arbeiten. Kann kein Mensch. Geht nicht. Aber arbeiten Sie lieber konzentriert neun Stunden am Tag und machen dann Feierabend. Das ist echt besser. Und gehen Sie dann auf den Golfplatz“. Ich antworte darauf: „Ja, da muss ich erstmal anfangen mit Golf spielen“. Dafür habe ich jetzt wirklich nicht die Zeit. Nein, Golf spiele ich nicht (lacht).

Wer sind Ihres Erachtens die wichtigsten Menschen, die an den Spieltagen hier arbeiten?

Der wichtigste ist der Veranstaltungsleiter, weil er den Hut aufhat. Wenn hier irgendetwas passiert oder es echt einen Spielabbruch geben müsste, bin ich raus aus der Nummer. Da habe ich gar nichts zu sagen. Das entscheidet er. Er ist am Spieltag der wichtigste Mann. Wir wissen alle um die Wichtigkeit des Themas Sicherheit. Unser Sicherheitsbeauftragter, André Windmann, ist bedeutend, keine Frage. Das ist natürlich immer ein superwichtiges Thema: die Sicherheit. Ich habe jetzt als Geschäftsführer noch einmal mehr gemerkt, wie viel da dahintersteckt, auch die Kooperationen mit den Behörden. Was wir hier an Polizei haben, Feuerwehr, den Sanitätsdienst – auch die Verkehrswegeführung um das Stadion – was hier jedes Mal drum herum passiert, das ist der Wahnsinn, das ist wirklich unglaublich. Letzten Endes sind aber die Spieler die wichtigsten im Stadion. Was ich damit sagen will ist, dass für einen Geschäftsführer – die Erfahrung habe ich gemacht – neben dem Ergebnis, was natürlich immer wichtig ist, das Wichtigste ist, dass nichts passiert ist. Dass alles vernünftig seinen Gang gegangen ist. Dass es zu keinen Komplikationen, Verletzungen, geschweige denn zu irgendwelchen Unfällen gekommen ist.

Das hatte ich vorher nie so auf der Kappe, muss ich ehrlich gestehen. Wir unterliegen der Veranstaltungsordnung. Da sind ja etliche Richtlinien und Regularien einzuhalten und mit diesen muss man sich letztendlich befassen. Dabei erkennt man die Wichtigkeit der Menschen, die da dahinterstehen. Das bekommen die Stadionbesucher/-innen in der Regel nicht mit. Der kriegt es nur mit, wenn es nicht läuft. Alle Menschen, die dafür sorgen, dass ein Spieltag reibungslos über die Bühne geht, sind von großer Bedeutung. Das machen meine Mitarbeiter hier sehr gut, sie haben einen super Draht zu den Behörden. Auch als Geschäftsführer muss man Präsenz zeigen. Und wenn man einfach nur dabei ist. Wie gesagt: Keiner wird als Geschäftsführer geboren. Ich habe das am Anfang unterschätzt, man muss bei einigen Terminen einfach nur dabei sein. Ich finde mich selbst gar nicht so wichtig. Das war ein Lernprozess für mich.

Was bekommen Sie von den Bielefelder Ultras mit?

Ich gestehe gerne, dass ich von ihnen eigentlich nichts direkt mitkriege. Aber ich tausche mich regelmäßig mit unserem Fanbeauftragten Thomas Brinkmeier aus, der da einen guten Draht hat. Sie mögen auch andere Auffassungen in Bezug auf Fußball haben als ich. Ich hätte bei einem Spiel wie gegen RB Leipzig kein solches Plakat gemacht. Aber gut. Das ist eine andere Geschichte. Das, was sie für Arminia machen, ist überragend. Ich habe mich oft in der Fandiskussion gefragt: „Was ist eigentlich, wenn wir die auf der Süd nicht haben?“. Dann haben wir hier tote Hose. Das gilt nicht nur für uns. Ich glaube einfach, dass die Menschen wegen dieser Stimmung ins Stadion gehen. Das Stadionerlebnis, die Atmosphäre, das schaffen nur Ultras & Co.! Mal abgesehen von dem, was sie hier an Choreos gebracht haben. Das ist einfach überragend. Und wie sie sich in ihrer Freizeit engagieren, wie viel Zeit sie in Choreographien investieren und mit welcher Akribie sie da dran sind, das ist schon bemerkenswert. Absolut. Da kann man nur den Hut vor ziehen.

 

Gerrit Meinkes prägendstes DSC-Erlebnis

Gibt’s noch irgendetwas, das Sie loswerden möchten? Vielleicht eine weitere Anekdote?

Eine meiner ersten Erfahrungen mit Arminia, als ich noch ein kleiner Junge war. Ich bin ja in Melle groß geworden. Melle ist noch in Niedersachsen und hat eigentlich eine größere Affinität zur Stadt Osnabrück und deshalb zum VfL. Als ich so Zehn, Zwölf, Vierzehn war, bin ich immer nach Osnabrück gegangen. Irgendwann, als ich Fünfzehn, Sechzehn war, ist Arminia in die erste Liga aufgestiegen und dann fand ich das natürlich viel cooler. Ich hatte aber kein Auto. Dann musste uns immer irgendein Vater am Wochenende hier herbringen und dann auch wieder abholen. Vollkommen irre, nicht wahr? Der hat uns abgesetzt, ist nach Hause gefahren und ich glaube, als er zu Hause war, konnte er gleich wieder losfahren, aber egal (lacht). Wie dem auch sei. Einmal sind wir– mein Vater mit uns vier Jugendlichen – über Borgholzhausen gefahren, an einem Hotel vorbei. Davor stand der Arminiabus: „Hey, da müssen wir stehen bleiben, da müssen wir rein, da sind die Spieler!“. Wir sind hineingegangen und haben sie beim Mittag essen gesehen. Mein Vater ist immer relativ pragmatisch. Er traf damals den damaligen Präsidenten Dr. Jörg auf der Heide und sprach ihn an: „Herr auf der Heide, ich bin jetzt auf dem Weg nach Bielefeld, aber die Jungs können ja auch hier im Bus mitfahren. Also, das ist ja viel einfacher?!“. Der Präsident antwortete: „Nee, das geht ja nicht, die Spieler müssen unter sich sein“. „Aber“, sagte er, „die Jungs, die können mit mir mitfahren. Ich bin mit meinem Privatauto da“. Dann sind wir ins Auto eingestiegen und mit dem Präsidenten von Arminia direkt hier vorgefahren. Das war total super. Das war mein prägendstes Erlebnis mit Arminia. Genau. Und da hab ich gesagt: „Boah, ein Verein mit so einem Präsidenten – das ist ja geil!“. Und dann bin ich nicht mehr nach Osnabrück gegangen, sondern nur noch nach Bielefeld (lacht).

Vielen Dank für Ihre detaillierten Antworten und die tollen Anekdoten, Herr Meinke.

Sehr gerne.

Interview mit Gerd Dais, Trainer des SV Waldhof Mannheim

Mannschaftspraesentation SV Sandhausen
Gerd Dais fungierte von 2011 bis 2012 als Cheftrainer des SV Sandhausen. Foto: EIBNER-PRESSEFOTO

Trainerwesen. Gerd Dais war lange Zeit als Cheftrainer des SV Sandhausen (2008-2010 und von 2011 bis 2012; Anm. von Lisa Schatz) tätig. Im November 2012 wurde er freigestellt, Anfang 2013 hatte er nochmal ein kurzes Gastspiel bei den Stuttgarter Kickers. Im April diesen Jahres hat er nach einer vereinslosen Zeit den Trainerposten des FC Nöttingen übernommen und mit dem kleinen Verein den Aufstieg in die Regionalliga Südwest geschafft. Der Club entschied sich dafür, dass der A-Jugend-Trainer in der kommenden Saison sein Amt übernimmt. Seit 7. Juli ist Gerd Dais nun Cheftrainer beim SV Waldhof Mannheim. Im Interview hat er mir erzählt, wie er mit der Situation umgegangen ist, als er knapp drei Jahre in keinem Verein gearbeitet hat, welche Hobbies er betreibt und wie er in seiner Zeit beim SV Sandhausen die Gegner analysiert hat…

Herr Dais, wie haben Sie die knapp zwei Monate bis zum Aufstieg beim FC Nöttingen erlebt?

Ich war schon mehrfach beim FC Nöttingen tätig. Den Aufstieg in die Regionalliga zu bewerkstelligen war eine interessante Sache, vor allem die Spiele in Hauenstein, wo wir kurzfristig mit 4:3 zurückgelegen sind. So spielt der FC Nöttingen 2016/2017 in der Regionalliga Südwest. Aber ohne mich. Wobei man sagen muss, das der FC Nöttingen ein kleiner Verein ist und wirtschaftliche Probleme hatte. Daher hat man sich entschlossen, den Etat, der ursprünglich in der Oberliga vorhanden war, nochmal um einen fast sechsstelligen Betrag zu kürzen. Und man hat auch schon entschieden, den A-Jugend-Trainer als neuen Cheftrainer der ersten Mannschaft zu verpflichten.

Sie haben kürzlich den Posten als Cheftrainer des SV Waldhof Mannheim übernommen. Wussten Sie in den Wochen nach Ihrem Aufstieg mit Nöttingen, wie es für Sie beruflich weitergeht?

Zunächst gab es in der Kürze der Zeit in der Hinsicht keine neuen Möglichkeiten. Es galt halt wieder zu warten. Aber so ist die Situation, wenn man diesen Job ausübt und das habe ich schon des Öfteren erlebt. Es ist nicht so, dass mir das schlaflose Nächte bereitet hätte.

Bleiben wir beim Thema Vereinslosigkeit. Bitte beschreiben Sie, was Sie zwischen 2013 und 2016 gemacht haben.

Ich wurde 2013 von den Stuttgarter Kickers beurlaubt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch einen Vertrag für ein Jahr. In den drei Jahren hat sich der ein oder andere Verein bei mir gemeldet, aber das war nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Ein intensiveres Gespräch hatte ich Anfang diesen Jahres, als der SSV Jahn Regensburg auf mich zugekommen ist. Das Gespräch war sehr positiv, jedoch hat sich der Verein für Heiko Herrlich entschieden. Es war nur noch die Frage: Entweder Heiko Herrlich oder meine Person. Ansonsten habe ich mich auf dem Laufenden gehalten, was die Ligen angeht: Ob das jetzt die Regionalliga oder die Dritte Liga war. Zudem habe ich mich beim Bund Deutscher Fußball-Lehrer fortgebildet und mich selbst wieder sehr dem Sport gewidmet, da in meiner Zeit als Cheftrainer diesbezüglich keine Zeit vorhanden war, und habe die drei Jahre eben so genutzt.

In welchen Bereichen haben Sie sich beim BDFL weitergebildet? Von der taktischen Ausbildung bis hin zum Auftreten vor der Mannschaft deckt der Bund ja viele verschiedene Bereiche ab.

Es gibt ja regionale Veranstaltungen. Ich bin in der Verbandsgruppe Baden-Württemberg beheimatet. Jedes Jahr gibt es den Jahres-Kongress, der kürzlich in Mannheim stattgefunden hat. Den habe ich besucht. Zudem werde ich beim nächsten Kongress in Fulda  (25.7.-27.7.2016; Anm. von Lisa Schatz) anwesend sein. In Fulda wird natürlich die Europameisterschaft aus taktischen Gesichtspunkten betrachtet und dahingehend, was sonst noch aufgefallen ist. Auch die regionalen Veranstaltungen habe ich zum Teil besucht. Hier ging es um den Umgang mit der Mannschaft, um die eigene Körpersprache und Rhetorik sowie andere interessante Themenblöcke wie z. B. Sportmedizin. Das war alles sehr vielfältig.

Sie meinten vorher, dass es Ihnen keine schlaflosen Nächte bereitet habe, von 2013 bis 2016 und auch derzeit vereinslos zu sein. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Es müsste ja eine riesen Umstellung sein, wenn plötzlich vom einen Tag auf den anderen die Medienanfragen wegfallen und die Fans nicht mehr ständig versuchen, mit einem ins Gespräch zu kommen.

Die letzte Station in Stuttgart war damals ziemlich kurz. Das war Mitte April, als ich gefeuert wurde.

Und wenn Sie jetzt an Ihre Zeit in Sandhausen denken, wo Sie länger Trainer waren?

Die Zeitspanne, als ich mit Sandhausen als Zweitligatrainer ausgestiegen bin, bis zu den Stuttgarter Kickers war nicht so lange. Das war im November und im Januar ging es weiter. Wie gesagt, ich komme aus der Region. Ich bin gebürtig aus Heidelberg. Sandhausen ist nur fünf Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Ich habe selbst von 1985 bis 1987 in Sandhausen gespielt, wodurch natürlich hier schon eine engere Bindung vorhanden war als bei meinem Gastspiel bei den Stuttgarter Kickers. Ich kenne hier sehr viele Leute – egal, ob ich ins Fitnessstudio gehe oder andere Sachen unternehme. Da werde ich natürlich immer wieder darauf angesprochen, ob sich im Fußball etwas tut und ob ich wieder etwas mache. Nach meiner Zeit bei den Stuttgarter Kickers hat sich auch der ein oder andere aus dem Rhein-Neckar-Kreis gefragt, was ich mache und wie es weitergeht. Aber natürlich war das nach der Sandhäuser Beurlaubung bedeutend mehr. Beim ersten Mal bzw. als ich in der Dritten Liga in Sandhausen beurlaubt worden bin, sind wir auf dem siebten oder achten Platz gestanden und man wollte ja mit aller Gewalt aufsteigen. Später habe ich den SV Sandhausen vor der Regionalliga gerettet. Wenn ich damals nicht verpflichtet worden wäre, wäre der Verein wahrscheinlich abgestiegen und alles, was wir in den Jahren zuvor aufgebaut hatten – die Aufstiege von der Oberliga in die Regionalliga und Dritte Liga – wäre dann kaputt gewesen. Wir haben uns gerettet und den Schwung mitgenommen und sind dann mit dem VfR Aalen und dem SSV Jahn Regensburg in die zweite Bundesliga aufgestiegen.

Würden Sie sagen, dass es von 2013 bis 2016 nicht ohne Fußball gegangen wäre? Haben Sie in den drei Jahren Hobbies nachgeholt – wie z. B. eine Reise, die Sie lange aufgeschoben hatten, unternommen? Oder stand der Fußball wirklich immer noch im Vordergrund?

Ich habe in der Zeit natürlich wirklich viel im Fußball mitverfolgt. Ich muss schon sagen, dass die Endphase 2012 in Sandhausen auch wirklich viel Kraft gekostet hat. Vielleicht wäre es im Nachhinein besser gewesen, wenn ich den Trainerposten in Stuttgart nicht übernommen hätte. Aber manchmal ist man hinterher schlauer oder man kann es sich gar nicht aussuchen, was das Angebot betrifft. Ich war damals positiv gestimmt, aber im Nachgang wäre es anders besser gewesen. Ich habe eine gewisse Zeit gebraucht, um Abstand zu gewinnen. Sicherlich habe ich das ganze nach wie vor aus der Ferne verfolgt und was die Hobbies angeht, habe ich mich mehr dem Sport gewidmet. Ich habe dann Tennis gespielt und bin Fahrrad gefahren. Was das Reisen angeht – ich bin eher der Typ, der lieber zu Hause ist und im Urlaub nicht gerne wegfährt.

Haben Sie schon einmal mit einem Trainerberater zusammengearbeitet?

Es gab Anfragen, „Kann ich etwas für dich tun?“. Den ein oder anderen losen Kontakt gibt es, aber ich arbeite in dieser Hinsicht nicht fest mit jemandem zusammen.

Wenn Sie an Ihre Zeit als Cheftrainer zurückdenken, wie wichtig finden Sie die Zusammenarbeit mit den Medien, mit Sportpsychologen und mit Mentaltrainern?

Mit den Medien hatte ich eigentlich nie Probleme – ob es jetzt in Sandhausen oder in Stuttgart war. Mit Mentaltrainern habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. In Sandhausen haben wir vor einer Saison eine Teambuildingmaßnahme durchgeführt, Laganda (Übersetzung: Gemeinschaftssinn; Anm. von Lisa Schatz). Das war immer sehr positiv und natürlich habe ich mit Arno Schimpf zusammengearbeitet. Er war auch in der Anfangsphase in Sandhausen mit dabei. Später hat er die Spieler dann je nach Wunsch individuell betreut. Wer wollte, konnte seine Hilfe in Anspruch nehmen.

Was halten Sie von Life Kinetik?

Im Profibereich kann man das sicherlich ins Training integrieren. In Nöttingen war das natürlich etwas anderes, da wir nur zwei- oder dreimal pro Woche Training hatten. Da gibt es wichtigere Dinge als Life Kinetik. Aber im Profifußball ist es durchaus eine wichtige Geschichte, aber es sollte dann auch von Nachhaltigkeit geprägt sein. Es bringt nichts, wenn man so etwas einmal macht und zwei Wochen später nochmal. Dies sollte dann schon Kontinuität haben. Die Spieler sind diesbezüglich sehr wissbegierig und wollen da wirklich das Beste herausholen. Wie gesagt, es ist eine gute Sache. Wenn man Life Kinetik einmal pro Woche in ein halbstündiges Aufwärmprogramm integriert, ist das meiner Meinung nach ganz gut.

Inwiefern beschäftigt sich ein Cheftrainer mit der Geschichte eines Vereins?

In Sandhausen war das ein spezieller Fall. Die räumliche Trennung zu Sandhausen war relativ gering. Als ich ein Kind war, hat Sandhausen mit am höchsten gespielt und ich habe das damals verfolgt. Als ich dann selbst gespielt habe, waren wir noch in einer Amateurliga und da hatte ich nach den Spielen auch persönlichen Kontakt zu den Fans. Wir waren mit ihnen zusammen im Vereinsheim, haben dort etwas getrunken. Als ich später in der Oberliga Trainer war, war auch die ganze Mannschaft im Clubhaus und einige von den Spielern waren zuvor selbst Fans. Da hat man sich also gekannt und es gab keine Berührungsängste. In Nöttingen war es ähnlich, da der FCN auch ein ländlicher Verein ist. Bei den Stuttgarter Kickers bin ich wenig mit den Fans in Berührung gekommen, da das im Gazi-Stadion schwieriger war und wir auf Plätzen trainiert haben, wo relativ wenige Fans anwesend waren. Wenn es bei einem Traditionsverein nicht läuft, wird das ein oder andere meines Erachtens manchmal überkritisch gesehen.

Dann zu Ihrer Arbeit an sich. Welchen Anteil nahmen Spielanalysen in Ihrer Tätigkeit als Cheftrainer ein, wenn Sie auf Ihre Zeit beim SV Sandhausen denken?

In Sandhausen, bei den Stuttgarter Kickers und auch in Nöttingen habe ich mit einem Scout zusammengearbeitet. Er hat die Gegner, auf die wir getroffen sind, immer unmittelbar vor den Spielen beobachtet. Er hat das dann zu Papier gebracht und teilweise auch Bilder zu Standardsituationen gemacht. Das bin ich durchgegangen und wenn es zeitlich möglich war, habe ich mir deren Spiele persönlich angeschaut, um mir selbst auch nochmal ein Bild zu machen. In der Anfangszeit war das alles relativ begrenzt, was Videoanalysen angeht. In Nöttingen und bei den Stuttgarter Kickers haben wir keine Videoanalysen gemacht. Beim SV Sandhausen war es schwierig. Dort hat der Co-Trainer immer das zusammengeschnitten, was gut und was nicht so gut war. Letztendlich war das alles in diesem Bereich.

Wie war das in der Saison 2011/2012? Hatten Sie in dieser Zeit auch wirklich nur einen Scout und den Co-Trainer, die in dieser Hinsicht Informationen aufbereitet haben?

Der eine Scout hat wirklich alles abgedeckt. Es war also alles ganz, ganz klein gestrickt. Wenn wir gespielt haben, hat er wirklich den unmittelbaren Gegner angeschaut und ich habe die gegnerischen Teams beobachtet, gegen die wir zwei, drei Wochen später spielten, sofern es der Spielplan erlaubt hat. Wir haben schon versucht, alles optimal abzudecken, was nicht immer einfach war.

Dann noch kurz ein Rückblick auf die EM-Zeit. Haben Sie sich alle Spiele angeschaut oder nur die Deutschlandspiele? Haben Sie die Partien auch gedanklich analysiert? Sind Sie eher der Typ, der sich solche Spiele zusammen mit Freunden oder Bekannten anschaut oder alleine?

Ich schaue mir viele Spiele an, aber natürlich nicht alle. Die Deutschlandspiele habe ich immer geguckt. Dabei habe ich mir auch Gedanken gemacht, aber, dass ich das zu Papier gebracht hätte, war nicht der Fall (lacht). Manchmal habe ich mir die Partien zusammen mit Freunden angeschaut, das war ganz unterschiedlich. Jedoch habe ich nicht gemeinsam mit anderen Fußballtrainern geguckt, um danach zu diskutieren.

Vielen Dank für das Interview, Herr Dais.

Gerne.

Prof. Dr. Jürgen Buschmann und das „Team Köln“: Spielanalysen für die deutsche Nationalmannschaft

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Prof. Dr. Jürgen Buschmann war von 2005 bis 2014 Leiter der Abteilung Scouting-Studien an der Deutschen Sporthochschule Köln. Foto: Buschmann

Team hinter dem Team. Die EM hat begonnen,  Joachim Löw und sein Team arbeiten auf Hochtouren. Doch nicht nur die Mannschaft gibt ihr bestes, auch der Leistung des Teams hinter dem Team sollte großer Respekt gezollt werden. Die Menschen, die im Hintergrund rackern, tragen einen enormen Teil dazu bei, dass die Mannschaft top vorbereitet in die Spiele gehen kann. Einer, der von 2005 bis 2014 zum Team hinter dem Team gehörte, ist Professor Jürgen Buschmann. Sein Spezialgebiet: Spielanalysen. Lest im Anschluss ein spannendes Interview mit dem Mann, der mit dem „Team Köln“ Jogis Gegner knackte…

Herr Professor Buschmann, bitte beschreiben Sie zunächst in Kürze, welche Verbindung Sie zum Fußballsport und zur DSHS haben.

Ich war bis 2014 Dozent an der Deutschen Sporthochschule in Köln und war dort Leiter des Zentrums für Olympische Studien sowie der Abteilung Scouting-Studien. Von 1990 bis 2002 war ich als Dozent im Bereich Fußball tätig. Bis zur dritten Liga habe ich früher selbst gespielt und damit mein Studium finanziert. Anschließend habe ich die Trainerlizenzen gemacht und bis zur dritten Liga als Trainer gearbeitet. Danach habe ich viel im unteren Amateurbereich mitgeholfen und zum Beispiel 1980 das größte Breiten- und Freizeitturnier im westdeutschen Raum mit 150 Mannschaften organisiert.

Klinsis Anruf um 1 Uhr nachts

Wie kam es dazu, dass sie Leiter der Abteilung Scouting-Studien an der Deutschen Sporthochschule Köln wurden?

Eigentlich wollte ich 2005 ein bisschen mit dem Fußball „brechen“. Ich war in ein Alter gekommen, in welchem man mehr für die Wissenschaft tätig sein sollte, und vielleicht mehr Theorie als Praxis gefordert sein sollte. 2005 kam jedoch ein Anruf von Jürgen Klinsmann, der fragte, ob ich mir vorstellen könnte, für die WM 2006 zusammen mit Studierenden ein paar Gegner mit zu beobachten. Die Motivation vor der Weltmeisterschaft im eigenen Lande war sehr hoch und da habe ich natürlich spontan „ja“ gesagt. Damals haben wir mit fünfzehn Studierenden diese 31 potenziellen Gegner beobachtet, allerdings sehr oberflächlich. Ist ja klar, mit fünfzehn Leuten. Das hat sich bis 2014 weiterentwickelt, als wir dann mit mehr oder weniger 50 Studierenden und vier wissenschaftlichen Mitarbeitern während der WM in Brasilien gearbeitet haben. So hat sich das von Turnier zu Turnier weiter verbessert. Aus wissenschaftlicher Sicht hat sich parallel dazu ein eigener Weiterbildungs-Masterstudiengang für Spielanalyse an der DSHS Köln entwickelt.

Wie ist Jürgen Klinsmann auf Sie gekommen?

Der Kontakt ist über den TV- und Medien-Koordinator der Nationalmannschaft, Ulrich Voigt, der ein persönlicher Freund von mir ist und mit dem ich zusammen Fußball gespielt habe, entstanden. Als ich in der dritten Liga Trainer wurde, war er unser Kapitän. Wir kennen uns seit den 70er Jahren. Er saß damals vor dem Länderspiel gegen die Niederlande in Rotterdam mit Jürgen Klinsmann zusammen. Jürgen Klinsmann und Joachim Löw haben überlegt, wie sie die Arbeit im Scoutingbereich vorantreiben könnten. Uli meinte: „Ja, ich kenn‘ einen an der Uni, der macht das auch schon die ganze Zeit und könnte uns bestimmt weiterhelfen“. Daraufhin meinten Löw und Klinsmann: „Könntest du ihn anrufen?“. Nachts um 1 Uhr haben sie mich damals aus dem Bett geholt, weil sie das dann natürlich direkt haben wissen wollen.

Die Anfänge des „Team Köln“

Wie kann man sich das genau vorstellen? Sie hatten zugesagt. Wie haben Sie angefangen, das Ganze zu strukturieren?

Ich war der einzige, der sich damals an der Deutschen Sporthochschule mit diesem Bereich beschäftigt und die ersten Analysen gemacht hatte. Ich habe versucht, die Fußballkollegen zu motivieren mitzumachen. Diese haben jedoch abgelehnt. Sie meinten, dass das viel zu aufwendig sei und man für ein Spiel ein paar Tage bräuchte. Ich habe also zunächst einmal geschaut, welche aktuellen Softwaremöglichkeiten es auf dem Markt gibt. Einige kannte ich bereits. Dann bin ich zur Firma Mastercoach gegangen, weil ich mit dieser bereits im Vorfeld zusammengearbeitet hatte. Da merkte ich auf einmal, dass die Mitarbeiter ein bisschen zurückhaltend waren. Bis ich mitbekommen habe, dass sie eigentlich gerne meinen Job gehabt hätten und auch schon mit einem Mitarbeiter ein paar Sachen für den DFB gemacht haben. Das war mir damals nicht so bewusst. Nichtsdestotrotz haben wir die Lizenz bekommen. Zudem hat Uli Voigt über die Telekom fünfzehn Laptops besorgt, sodass wir schließlich auf jedem Laptop eine Lizenz hatten. So konnten wir nach den Vorgaben des DFB und der Trainer die ersten Mannschaften analysieren. Klar hatten wir die Informationen über die 31 Teams, aber wichtig waren vor allem die Vorrundengegner sowie potenzielle Viertelfinal- und maximale Halbfinalgegner, die wir analysiert hatten. Vom Rest haben wir nur allgemeine Informationen gesammelt. Aber das ging schon im Jahre 2006 so weit, dass ich alle deutschen Botschaften der Länder, gegen die wir gespielt oder die an der WM teilgenommen haben, angeschrieben habe. Von diesen 31 Ländern haben 22 deutsche Botschafter geantwortet. Die Hälfte davon hat gesagt, dass sie uns keine Informationen geben würde. Ich wollte nichts anderes von ihnen haben als z. B. den „Kicker“ von Brasilien oder so etwas in der Art. Ich wollte keine Geheiminformationen, sondern einfach nur die Tages- oder Sportzeitungen von ihnen haben. Aber selbst diese haben mir einige Botschaften nicht gesandt. Allerdings habe ich dann dennoch über den Kurierdienst jede Woche ein Zeitungspaket bekommen. Wir hatten an der Sporthochschule Studierende aus über 80 Ländern und somit immer jemanden vor Ort, der übersetzen konnte. So haben wir weitere Informationen eingeholt, denn die Trainer haben sich von Anfang an auch für die Stimmung in den verschiedenen Ländern interessiert. Wenn es hieß, dass ein Land gegen Deutschland spielen würde, wollten sie wissen, wie in diesem Land über Deutschland gedacht wird. Darüber hinaus konnten wir über diese Medienanalyse auch sehr gut die Persönlichkeitsstrukturen der Spieler aufzeichnen. Diese Informationen zu haben ist in der heutigen Zeit nicht ganz unwichtig.

Wie hat sich das Team Köln anfangs zusammengesetzt und wie setzt es sich jetzt zusammen?

Bis 2014 lief das ganze unter meiner Leitung, inzwischen ist Dr. Stephan Nopp der Leiter der Abteilung. Er hat zunächst in Köln studiert, war währenddessen Mitarbeiter des Analyseteams und hat schließlich seine Diplomarbeit über die Spielanalysen 2006 geschrieben. 2012 hat er seine Doktorarbeit darüber verfasst, inwiefern Ballbesitz für den Spielausgang ausschlaggebend ist. Jetzt sitzt er bei Joachim Löw mit im Team. Für jemanden wie mich ist das natürlich eine sehr schöne und erfolgreiche Geschichte, wenn man das von Anfang an miterleben kann. 2014 waren um die 45 Studierende im Team Köln. Für die aktuelle EM sind derzeit 30 bis 40 Studierende im Einsatz. Wir hatten interessanterweise sehr viele ausländische Studierende dabei: Koreaner, Japaner usw. Es waren oft Studierende der Länder im Team, gegen die wir gespielt haben. Da gab es aber nie Probleme. Sie fanden es sehr wichtig, an unserem Projekt teilzunehmen, um das Gelernte eventuell später auch in ihr Land transportieren zu können.

Wie läuft die Arbeit genau ab?

2006 war es zum Beispiel so: Ein Student hatte ein A-Team und ein B-Team. Ein A-Team war ein potenzieller Gegner, gegen den wir spielen konnten, und ein B-Team war ein Gegner, auf den man wahrscheinlich nie treffen konnte. Wir haben pro Land die letzten drei, vier vergangenen Qualifikations- und Freundschaftsspiele nach Vorgabe der Trainer analysiert und ihnen die Ergebnisse vorgelegt. Aber man muss sich mal vorstellen, wie sich die technischen Möglichkeiten, die wir hatten, entwickelt haben: 2006, noch während der WM, mussten wir natürlich weiterarbeiten und die entsprechenden Gegner analysieren. Das haben wir in Köln gemacht und haben dann die gebrannten DVDs per Kurierdienst zum Flughafen Köln/Bonn gefahren, von wo aus sie nach Berlin geflogen wurden. Denn mit der Internetübertragung damals, fünf Gigabyte, da war überhaupt nicht daran zu denken, dass man die Daten abschicken konnte. Das heißt, das war damals wirklich noch technisches Mittelalter. Aber es hat geklappt.

Das allerwichtigste, was wir schon im Vorfeld unserer ersten WM-Analyse gemerkt haben: Wir mussten erstmal lernen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Denn im Fußball kann man wohl Tage und Wochen darüber diskutieren, was ein „Zweikampf“ oder was eine „Torchance“ ist, was ein „Pass in die Tiefe“ ist und um wie viel Prozent das ganze abweichen darf, damit es noch ein „Pass in die Tiefe“ ist. Da ist in mir natürlich der Wissenschaftler hochgekommen, der das alles genau definiert haben wollte. Anfangs war das auch ein kleiner Kampf mit den Trainern, denn so genau wollte man das auch nicht haben. Man wollte natürlich in der Fußballpraxis bleiben. Für uns aber war es dennoch wichtig, dass sowohl alle Trainer als auch Studierenden eine gemeinsame Fachsprache beherrschten. Nach der WM 2006 hat sich der Trainerstab unter der Leitung von Joachim Löw zusammengesetzt und man hat eine Spielphilosophie entwickelt. Man hat Leitlinien für jede einzelne Position und für die Mannschaftsblöcke entwickelt. Ich habe versucht, diese wissenschaftlich zu überarbeiten. Im Laufe der Zeit hat sich das immer weiter entwickelt. Damit das klarer wird, erläutere ich das an einem Beispiel: Am „Abdrängen des Außenstürmers“. Wie soll der Verteidiger stehen, wohin soll der Verteidiger den Außenstürmer abdrängen? Die Philosophie der Nationalmannschaft besagte damals: „Möglichst nach innen“. Und in jedem Lehrbuch steht natürlich: „Nach außen“. Aber man bildet dann „Abwehrdreiecke“ und so weiter. Man muss aber jede einzelne Situation ganz konkret beurteilen. Aber nach diesen Formen der Spielphilosophie, wie z. B. dem Abdrängen des Stürmers durch einen Verteidiger, wurden die Szenen abgelegt. Wenn wir zehn Szenen hatten und fünfmal nach außen und fünfmal nach innen abgedrängt wurde, oder in der Regel eben neunmal nach außen und einmal nach innen, dann heißt es eben: Der Verteidiger drängt den Stürmer in der Regel nach außen ab oder nach innen ab. Der Gegner wurde so nach der Spielphilosophie der deutschen Nationalmannschaft analysiert.

Studentische Spielanalysen für das Nationalteam: Alles EHRENAMTlich

Im Jahre 2008 hatten wir dann schon ein relativ großes Team an Studierenden. Jede/-r von ihnen hat in dem halben Jahr vor einer EM oder WM mindestens zehn Stunden pro Woche gearbeitet. Sie wurden in Seminaren auf die Analysen vorbereitet. Wenn man das hochrechnet und wenn dreißig Leute arbeiten, kamen da schon einige Planstellen zusammen. Viele von ihnen haben gefragt, warum der DFB ihre Arbeit nicht bezahlen würde. Am Anfang war ich auch ein bisschen der Meinung, dass sie Geld für die Analysen bekommen sollten. Aber hinterher fand ich es dann korrekt, dass die Arbeit unbezahlt war, weil die Studierenden so hoch qualifiziert wurden. Die DFB-Trainer sind nach Köln gekommen, haben sie ausgebildet und ihnen nochmal die Spielphilosophie der Nationalmannschaft vermittelt – in Theorie und Praxis. Zudem gab es manchmal Trikots oder ein gemeinsames Essen mit Urs Siegenthaler und weiteren DFB-Mitarbeitern, wofür der DFB die Kosten übernommen hat. Am Ende ihrer Tätigkeit als Spielanalyst(-inn-)en bekamen sie von Oliver Bierhoff, Joachim Löw und mir ein offizielles Zeugnis ausgestellt. Ich denke, dass diejenigen, die wirklich Interesse haben, an so etwas teilzunehmen, so stark davon profitieren, dass das auch keine 500 Euro im Monat aufgewogen hätten. Aber wir konnten uns dann auf jeden Fall sicher sein, dass wir die richtigen hatten, die zu 100% dahinterstanden. Entwickelt hat sich das sehr stark, immer wissenschaftlicher. Was vom Trend her sehr interessant ist: Am Anfang haben wir rein qualitativ gescoutet, es wurde also kaum statistisches Material verwendet, sprich es gab kaum diese berühmten Strichlisten. Vielmehr wurde versucht herauszufinden, wie sich der Gegner bei Rückstand verhält, wie sich die einzelnen Mannschaftsblöcke verhalten, wie das Umschaltspiel nach Ballgewinn und nach Ballverlust ist, wie schnell der Gegner dann wieder in der Grundordnung ist. All diese Informationen haben die Trainer natürlich viel mehr interessiert als beispielsweise die Anzahl der Ecken.

Wir hatten später natürlich sehr viele Analysedaten. Deshalb sind wir dazu übergegangen, das Statistische in den Mittelpunkt zu stellen, weil wir mit dem statistischen Material dann eben wirklich auch wissenschaftlich arbeiten konnten – also mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen, mit Varianzanalysen, sodass wir da einige gute Ergebnisse erzielen konnten. Aber interessanterweise ging der Trend von der Überbetonung der „reinen Zahlen“ wieder zu 50% qualitative und 50% quantitative Arbeit über. Jetzt ist es so, dass das Qualitative noch mehr im Mittelpunkt steht, wobei die Zahlen und Daten die Basis darstellen.

 

Beherrschen der Fußballsprache als Grundvoraussetzung

Welches Fußballwissen müssen die Studierenden mitbringen, um Teil des Team Köln werden zu können?

Wir haben eine Fibel von rund 100 Seiten mit der Fußballsprache. Diese müssen die Bewerber/-innen draufhaben. In dem Buch steht beispielsweise, was ein „Pass“ ist und ab wann das ganze als „Dribbling“ zählt, ab drei Ballkontakten. Alles muss ganz klar definiert sein.

Wie werden dann zwei aufeinanderfolgende Ballkontakte eines Spielers bezeichnet?

Das ist die „Ballverarbeitung“. Was wohl genauso interessant ist: Bei uns gibt es den Begriff „Zweikampf“ nicht. Ein „Zweikampf“ besteht eigentlich nur, wenn zwei Spieler in gleicher Entfernung auseinander stehen und der Ball genau in der Mitte herunterfällt. Diese Situation gibt es ja so gut wie nie. Deshalb wird der „Zweikampf“ bei uns in vier verschiedene Bereiche eingeteilt: Das ist das Verhindern eines Zusammenspiels, das Tackling, die Abwehr gegen Dribbler und das Kopfballspiel. Genauso verhält es sich mit dem Begriff „Torchance“: Wenn ein Spieler am Ball ist, hat er eine „Torchance“. Wenn ich aber einen Zentimeter am Ball vorbeirutsche und dabei zwei Meter vom Tor entfernt bin, zählt das nicht als „Torchance, weil ich den Ball nicht berührt habe.

Wenn man hingegen an der eigenen Torlinie steht und den Ball schlägt, also einen klassischen „Clearingstoß“, unkontrollierten Stoß, ausführt, und „Kyrill“ kommt und den Ball ins Tor bläst, hat man theoretisch eine „Torchance“, weil man am Ball war. Auch, wenn diese vielleicht in dem Fall mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10 Millionen eintritt (lacht). Aber wer legt fest, wo das ganze anfängt und wo es aufhört? Natürlich hat man ein Gespür dafür, aber im Allgemeinen ist es subjektiv. Deswegen haben wir eben eine gewisse Zeit gebraucht, um die Termini entsprechend zu vereinheitlichen. Das müssen die Studierenden erstmal lernen. Dann werden sie eingewiesen. Jede/-r Mitarbeiter/-in bekommt einen eigenen Laptop mit der entsprechenden Software. Wir haben eine eigene Software mit eigenen Tools entwickelt.

Was ist neben dem Beherrschen der Fachsprache wichtig? Wie sieht die Aufnahmeprüfung aus?

Motivation ist die Grundvoraussetzung, um im Analyseteam aufgenommen zu werden. Wenn wir merken, dass jemand nicht zuverlässig sind, ist er oder sie raus. Man kann ja auch nicht einfach mal so ein Länderspiel verlegen. Wir hatten schon den Fall, dass wir im Vorfeld 60 Leute hatten, von denen 30 übrig geblieben sind. Das waren dann aber diejenigen, auf die wir uns hundertprozentig verlassen konnten. Zudem muss jeder, der bei uns mitmacht, schon mal im höheren Amateurniveau gespielt haben und auch einige Grundkenntnisse in diesem Bereich haben. Dahingehend haben wir interessanterweise mehrfach beobachtet, dass jemand, der selbst in der Landes- oder Bezirksliga gespielt hat, besser war als jemand, der selbst in der Regionalliga aktiv war. Denn diese haben das ganze oftmals nicht so ernst genommen.

Bei der Aufnahmeprüfung müssen die Bewerber/-innen unter bestimmten Gesichtspunkten ein Spiel analysieren. Diese Tests werden auch während der Mitarbeit regelmäßig wiederholt und die Studierenden werden aus- und fortgebildet. Es ist keine Hexerei. Manchmal sind Studierenden mit Spielszenen gekommen, die ihnen selbst gefallen haben. Das war auch immer ganz schön zu beobachten, weil sie dadurch teilweise sehr kreativ geworden sind.

Was gefällt Ihnen am Meisten daran, Spiele zu analysieren?

Ich glaube, man sieht ein Spiel ganz anders. Man schaut grundsätzlich auf taktische Analysen. Mir fällt es immer schwer, ein Spiel völlig unbedarft zu gucken, ob ich jetzt ein Spiel in der Kreisklasse betrachte, oder ob ich mir das Europa League-Finale des FC Liverpool ansehe. Ich schaue es immer unter taktischen Gesichtspunkten und immer wieder im Vergleich zur deutschen Fußballnationalmannschaft: Was ist gut daran, was weniger? Natürlich ist bei den meisten vieles schlechter (lacht). Es geht dabei nicht um das technische Vermögen des Einzelnen, sondern um das gesamtmannschaftliche Verhalten. Oder eben auch um Körpersprache, denn die Psychologie spielt ja doch eine sehr starke Rolle. Das hat mich zum Beispiel maßlos gestört beim Spiel des FC Bayern gegen Atletico Madrid: Wenn man eine Viertelstunde vor Schluss noch ein Tor schießen muss und zum Einwurf geht, anstatt da wirklich zum Einwurf zu sprinten und das Spiel schnell zu machen und da jede Sekunde herauszuholen. So etwas ist für mich Körpersprache, Willenssache und eine Mentalitätsfrage. Ich glaube, dass das bisher noch viel zu wenig erforscht ist und dass darauf noch viel zu wenig Wert gelegt wird. Theoretisch hatten wir sogar zum Ziel, biomechanische und motorische Elemente zu analysieren und zu schulen: Wenn z.B. ein Verteidiger gegen Ronaldo spielen musste und wir analysiert hätten, dass er mit Vorliebe den „Übersteiger“ macht, dann sollte ein Verteidiger im Training die Finte genauso üben. Denn wenn ich das über das spinalmotorische System selbst machen kann, kann ich natürlich im peripheren Sehen und im Ansatz viel früher erkennen, wenn so eine Bewegung eingeleitet wird, was der Gegner vorhat. Und das sind natürlich hochwissenschaftliche Sachen. Soweit sind wir leider noch nicht. Oder vielleicht zum Glück. Sonst wäre alles sehr kongruent und dann käme vielleicht gar kein Spiel mehr zustande. Auf der anderen Seite: Alle Statistiken und Spielanalysen helfen sicherlich nicht, aus den berühmten Ackergäulen Rennpferde zu machen. Aber ich glaube, je gleicher die Mannschaften sind und je höher deren Niveau ist, umso mehr sollte man die Möglichkeiten nutzen, die Spielanalysen bieten. Das können eben die entscheidenden Prozente sein. Wenn ich mich an ein Spiel gegen Spanien erinnere: Wir hatten 800 Seiten und zig DVDs über diesen einen Gegner. Er wurde regelgerecht „auseinandergenommen“, sodass wir alles über ihn wussten. Hansi Flick und das Team um Chefscout Urs Siegenthaler mussten das alles lesen und daraus ein Exzerpt für Joachim Löw zu machen, das war schon eine Aufgabe. Der Trainer musste natürlich wissen, was noch alles in den 800 Seiten stand. Dafür musste er auch ein Verständnis entwickelt haben.

Arbeitsschwerpunkt und Mannschaftsbesprechungen

Was interessiert die Trainer und Urs Siegenthaler am Meisten? Worauf wird der Schwerpunkt bei den Spielanalysen gelegt? Was genau steht inhaltlich auf den zwei oder drei der 800 Seiten?

Es geht um rein qualitative Fragen: Wie ist der Spielaufbau einer Mannschaft, d. h. wie werden Angriffe eingeleitet? Gibt es dahingehend Muster? Läuft das ganze über bestimmte Personen? Wie verhält sich ein Team, wenn es den Ball verloren hat? Wie reagiert es, wenn es zurückliegt? Wie ist das Verhalten der gesamten Abwehr, wie ist das der Stürmer – gehen sie mit zurück, helfen sie sich gegenseitig? All diese ganz normalen Aspekte eigentlich. Wir haben alles anhand von Videomaterial belegt.

Werden die Analysen dann auch auf die einzelnen Positionen aufgeteilt? Im Film „Deutschland. Ein Sommermärchen“ gibt es z. B. eine Sequenz, in welcher Joachim Löw ausschließlich mit den Verteidigern eine Sitzung hat und darin Videos bespricht…

Das ist das Schöne, dass er das so macht. Vor einem Länderspiel kommt in der Regel Urs Siegenthaler mit seinem Team und erklärt genau, wie die gegnerische Mannschaft spielt. Dann nimmt er sich beispielsweise noch einmal die Abwehrspieler heraus und bespricht mit ihnen, wie das Aufbauverhalten, das Sturmverhalten des Gegners ist. Anschließend setzt er sich mit den Angreifern zusammen und bespricht das gegnerische Abwehrverhalten im Detail. Das wird wirklich in diesen Blöcken gemacht. Im Sommer 2006 hat danach Joachim Löw eine Mannschaftsbesprechung einberufen und erstmal die eigene Taktik vorgestellt. Anschließend hat er den Sturm herausgegriffen und den Jungs gesagt, wie sie spielen sollen. Das gleiche hat er mit der Abwehr etc. gemacht. Und dann kam erst Jürgen Klinsmann als Cheftrainer.

Diese Aufgabenteilung ist schon sehr markant. Ich denke, dass sich Trainer, die im Rahmen der Spielvorbereitung alles selbst machen, selbst verschleißen und abnutzen. Wenn Jürgen Klinsmann vor den Spielen bei der WM 2006 nochmal die wichtigsten taktischen Elemente genannt hat und für Motivation gesorgt hat, dann war das meines Erachtens insgesamt eine gute Aufteilung der Aufgaben im Trainerstab.

Zur Sicht deutscher Profitrainer und Klinsis Gummibändern

Welche Erfahrungen haben Sie hinsichtlich der Spielanalysen mit den Trainern der deutschen Profiligen gemacht?

Was ich leider immer wieder festgestellt habe: Oft wird heutzutage von den „Laptop-Trainern“ gesprochen. Klar, die Entwicklung geht in diese Richtung, aber in der Bundesliga wird in dem Bereich noch viel zu wenig gemacht. Da kommt oft noch der Vorwurf an uns: „Ja, ihr mit eurer Nationalmannschaft, wenn ihr im halben Jahr ein paar Spiele habt, da habt ihr Zeit euch darauf vorzubereiten. Wir spielen alle drei Tage, das geht gar nicht“. Ich sage dann nur: „Liebe Kollegen, was ist bei einer EM oder WM? Da spielen die Jungs auch alle drei Tage und die Spiele werden trotzdem genauso vorbereitet“.

Haben Sie in der Hinsicht seit der WM 2014 eine veränderte Einstellung bei ihnen wahrgenommen?

Nein. Der Trend bei den Trainern ist der, den man auch von Seiten der Nationalmannschaft sehr begrüßt: diese Tuchels, Nagelsmänner und andere junge Trainer. Das sieht man natürlich schon sehr gerne. Denn es ist nicht damit getan, dass jemand hundertmal in der Nationalmannschaft gespielt hat und dann Trainer wird. Sicherlich kann dieser auch ein guter Trainer sein, aber ich finde einfach, man muss heute – und das ist meiner Meinung nach immer noch der ganz große Verdienst von Jürgen Klinsmann – einen Weit- und Durchblick haben. Wenn er damals nicht gekommen wäre, wäre der DFB in meinen Augen vielleicht auch noch nicht so weit wie heute!

Wenn man allein die Tatsache betrachtet, dass er Fitnesstrainer dazugeholt hat.

Genau. Ich erinnere mich daran, als Jürgen Klinsmann und Joachim Löw bei uns in Köln waren und aus Motivationsgründen mit den Studierenden gesprochen haben. Ich habe Jürgen Klinsmann damals gesagt, dass ich es absolut super finde, was er macht. Ich meine, er hat nichts anderes gemacht, als im Leistungssport üblich war. Aber im Fußball eben nicht. Ich habe ihm verdeutlicht, dass wir hier an der Sporthochschule Köln, der renommiertesten Sporthochschule, sind, aber dass ich nicht verstehen würde, weshalb sich die Nationalmannschaft einen Fitnesstrainer aus den USA nehmen würde. Da erklärte er mir: „Ja, Herr Buschmann, das ist relativ einfach. Ich bin von heute auf morgen ins kalte Wasser geschmissen worden und ich wusste genau, was ich wollte und wen ich wollte. Mit dem FC Bayern haben wir uns zweimal bei Mark Verstegen in den USA fit machen lassen“. Dadurch wusste er, wie Mark Verstegen arbeitet und dass er sich auf ihn verlassen konnte. Da musste ich sagen: „Ja, ok“. Aber diese Antwort wollte ich erstmal haben.

Jürgen Klinsmann wurde ziemlich stark von der Presse kritisiert, als er mit seinen Gummibändern ankam. Aber wenn man Dritter wird, kann das nicht so falsch gewesen sein…

Aber überhaupt das Schaffen von diesen Grundstrukturen, das Hinzuholen von Spezialisten, vielen Trainern und auch Dinge wie die Spielanalyse, das ist nur durch Jürgen Klinsmann und Co. geschehen. Früher hat man in der Vorbereitung auf ein Turnier auf die routinierten DFB-Trainer gebaut. Diese hatten sicherlich sehr viel Erfahrung. Aber man kann nicht nur mal fünf DFB-Trainer zu fünf Spielen schicken, die dann eine mehr oder weniger oberflächliche qualitative Analyse von einem Spiel abliefern. Ich denke diese Zeiten sind vorbei. Und wenn man in der heutigen Zeit diese Möglichkeiten hat wie z. B. mit einer Universität zusammenzuarbeiten – wer das nicht nutzt, der handelt fahrlässig. Und wenn es nur das letzte Prozent ist, das damit herausgeholt wird. Aber das letzte Prozent kann entscheidend sein. Das berühmteste Beispiel ist Jens Lehmanns Elfmeterzettel. Wir waren die ersten, die versucht hatten, die Schützen statistisch auszuwerten. Wenn man eben weiß, dass man in einer Stresssituation – und dazu gehört eben ein WM-Viertelfinale – dass man da zu 99% in die vom Schützen bevorzugte Ecke schießt, dann ist das eben so. Oder 2006, das fand ich wunderbar: Vor dem WM-Spiel gegen Schweden rief mich Urs Siegenthaler an und sagte: „Jürgen, wir haben keine Informationen über Larsson, wohin der die Elfmeter schießt“. Ich meinte darauf: „Ja, dann haben wir das nicht analysiert“. Aber wir hatten eben Kontakte nach Schweden und Barcelona und haben dort angerufen. Dadurch haben wir herausbekommen, dass er als Schütze so perfekt war, dass er grundsätzlich reagierte und nicht agierte. Er wartete immer, bis der Torwart etwas machte, dann schoss er z.B. in die andere Ecke. Also haben wir den Tipp weitergegeben, dass sich Jens Lehmann nicht bewegen soll. Und wie es der Zufall wollte, kam es zum Elfmeter, Lehmann ist wie versteinert stehen geblieben und was hat Larsson gemacht? Er wusste nicht, was er tun sollte und hat den Ball über das Tor geschossen. Wenn man so etwas bei einer WM erreicht, dann sitzt man schon zuhause im Fernsehsessel und macht die „Becker-Faust“ (lacht).

Kritik an den Profitrainern: Die Datenbank blieb ungenutzt

Man muss zwischen den Gegnerbeobachtungen und der Suche nach passenden Spielern für das eigene Team differenzieren. Welchen Umfang hatte Ihre Datenbank?

Wir haben das – aus wissenschaftlichen Gründen – parallel gemacht. Wir haben sogar die Copa Libertadores analysiert und alle U-Turniere sowie die Afrika-, Asien- und Südamerikameisterschaft. In der Datenbank war alles drin, wir hatten um die 15.000 Spieler ausgewertet, und über 10.000 Spiele. Wenn jetzt ein Trainer gesagt hätte, dass kurzfristig doch Meyer anstatt Müller in der gegnerischen Startelf steht und er keine Informationen über diesen hätte, hätte er nur Meyer in die Datenbank eingeben müssen und sich dann alles über Meyer in der Datenbank anschauen können – und das inklusive Bilder, nicht nur Daten und Fakten.

Lag der Fokus Ihrer Arbeit wirklich auf den Gegnern oder hat Joachim Löw auch nach Zusammenschnitten der Länderspiele von Per Mertesacker etc. gefragt?

Wir haben eher die Gegner unter die Lupe genommen. Die Analysen der eigenen Mannschaft bilden den Arbeitsschwerpunkt von DFB-Chefscout Urs Siegenthaler. Wenn er z. B. noch ein paar Videoszenen von Per Mertesackers Spielen für Arsenal gebraucht hat, hatte er Zugriff auf unsere Datenbank, wenn ihm die entsprechenden Daten tatsächlich nicht alle durch seine Beobachtungen bzw. vom DFB vorlagen. Wir hatten in der Hinsicht wirklich höchstens mal den Auftrag, im Vorfeld einen Perspektivkader zu beobachten. Aber wenn es um das Stellungsspiel von Mats Hummels etc. ging, war das natürlich die Aufgabe der Trainer (lacht).

Wie kann man sich die Arbeit von Joachim Löw diesbezüglich vorstellen? War es so, dass er Ihnen und Ihrem Team ein Profil vorgegeben hat, wenn er einen neuen Spieler ins A-Team aufnehmen wollte? Oder hat er zusammen mit Urs Siegenthaler die Datenbank durchforstet und dort nach Spielern gesucht, die in die Nationalelf passen?

Wir haben vor einer EM oder WM hier und da zu einem vorgegebenen Perspektivkader, der um die vierzig Spieler umfasste, eine Analyse abgegeben. Aber unsere Datenbank wurde vom DFB sonst kaum genutzt. Wir haben auch mit drei, vier Bundesligisten zusammengearbeitet, die relativ wenig Geld für die Datenbank ausgeben mussten. Deren Trainer hätten hineingucken können und beispielsweise nach einem rechten Verteidiger, der ein Linksfuß ist, 1, 70 m groß ist und pro Spiel meinetwegen zehn Flanken schlägt, suchen können. Dann hätte der PC vielleicht zwanzig Spieler gefunden, die die Kriterien erfüllen. Davon wären vielleicht zehn zu teuer gewesen, dann hätte es vielleicht noch fünf Spieler gegeben, die der Trainer aussortiert hätte und dann wären z. B. drei Spieler aus den skandinavischen Ligen und zwei aus der Bundesliga in der engeren Auswahl gewesen. Die hätte sich der Trainer näher anschauen können und da wären anhand der haargenauen Analyse der Datenbank zwei oder drei Spieler übrig geblieben. An der Stelle hätte der Trainer dann seine Scouts hinausschicken sollen – und meines Erachtens auch wirklich erst zu diesem Zeitpunkt, um die Spieler genauer beobachten zu lassen. Bis dahin hätte sich der Verein schon mindestens 100.000 Euro sparen können.

Aber kein Mensch hat das gemacht. Keiner. Obwohl sie die Datenbank zur Verfügung hatten. Die Clubs haben sich immer noch für die Spieler entschieden, die ihnen per DVD und mit der Ausdrucksweise „Ja, ich hab einen guten für dich, der macht in der nächsten Saison zehn Buden“ empfohlen wurden. Dafür haben sie dann fünf oder zehn Millionen Euro bezahlt. Das war für mich einfach unverständlich.

Woran, denken Sie, lag das hauptsächlich? Ist es so, dass viele Trainer nicht von ihrer Arbeitsweise, die sie schon jahrelang betreiben, abweichen wollen und somit schlichtweg skeptisch gegenüber Neuem sind? Oder haben sie kein Vertrauen in die Datenbank? Das Ganze ist ja in gewisser Weise wirklich unverständlich.

Ja, das passte nicht zusammen. Das wollte man nicht. Man hatte zum Beispiel Vertrauen in jemanden, der schon dreimal einen guten Spieler verkauft hat und dann hat man eben auch das vierte Mal auf denjenigen gehört.

Quergefragt

Gibt es eine Anekdote aus Ihrer Analysezeit?

Ja, aber eine eher negative. Die TV-Sender müssen ihre Sendungen vor den Fußballspielen immer füllen. Vor dem Spiel gegen Griechenland bei der EM 2012 war wirklich jeden Tag die Tagesschau, das Heute-Journal etc. bei mir. Da wollte ich unsere Arbeit bzw. vor allem die Arbeit der Studierenden in den Mittelpunkt stellen. Also habe ich erzählt, dass die Studierenden einige Nachtschichten einlegen mussten, weil Griechenland nicht wirklich auf unserem Zettel stand. Das heißt, dass wir nicht damit gerechnet haben, dass wir gegen sie spielen würden. Ich habe gesagt, dass wir uns eben mehr auf die anderen Gegner konzentriert hätten und deshalb in den vergangenen Tagen mehr arbeiten mussten. Das kam überall im Fernsehen. Es ist natürlich klar, dass der Trainerstab sehr aufgeregt war, als er das gehört und gelesen hat. Denn damit haben wir Griechenland stark gemacht, schließlich kam das so herüber wie: „Euch hatten wir gar nicht auf dem Zettel, euch haben wir gar nicht beobachtet“. Das war vom Psychologischen her nicht gut. Ich als Mitarbeiter erzählte so etwas und da war man natürlich stinkesauer. Ich wollte ja eigentlich nur hervorheben, wie gut und wie viel die Studierenden gearbeitet hatten. Da musste man wirklich jedes Wort auf die Goldwaage legen (lacht). Vor allem, wenn das auf dieser Ebene geschieht. Das hatte wirklich jeder mitbekommen, weil ja jeder die Tagesthemen guckt. Eine Stunde vor dem Spiel wurde das auch nochmal erwähnt. Das war wirklich fürchterlich.

Jetzt ein kleiner Themenwechsel. DIE MANNSCHAFT steht immer im Vordergrund, stets wird von der Nationalmannschaft gesprochen. Aber haben Sie auch die Spiele der Jugendnationalmannschaften analysiert?

Als die Philosophie der Nationalmannschaft feststand, wurde diese auch den Trainern der U-Teams zugänglich gemacht. Jedoch war es damals nicht immer möglich, dass diese auch von ihnen umgesetzt wurde. Heute ist das meiner Meinung nach sehr viel besser. Die Kooperation zwischen den Jugendnationalteams und dem A-Team hat sich äußerst positiv entwickelt und ist weiter fortgeschritten.

Wie lief die Zusammenarbeit mit U20-Cheftrainer Frank Wormuth, der zugleich für die Fußball-Lehrer-Lehrgänge verantwortlich ist? Hierbei fließen Spielanalysen sicherlich zu einem nicht geringen Anteil ein…

Die Zusammenarbeit mit Frank Wormuth war immer gut. Ich konnte regelmäßig themenspezifische Vorträge vor den angehenden Fußball-Lehrern halten. Trotzdem wurde das ganze methodisch nicht so schnell in der Form aufgebaut, wie ich mir das durchaus hätte vorstellen können. Anfangs haben Urs Siegenthaler und ich ab und an über Spielanalysen referiert. Es hat einige Zeit gedauert, bis man die Thematik wirklich didaktisch/methodisch gut in den Lehrgang integriert hatte.

Waren Sie selbst in Ihrer Zeit als Leiter des Instituts für Scouting-Studien an der DSHS während der Spiele stets in Köln oder haben Sie diese mitunter live im Stadion angeschaut?

Ich war 2008 bei der EM in Österreich und 2006 beim Viertelfinale in Berlin gegen Argentinien. Bei jedem Turnier habe ich mir ein oder zwei Spiele angeguckt, allerdings nicht operativ, sondern nur als Gast. Ich habe meine Mitarbeiter immer im Hintergrund arbeiten lassen. Das sind dann stets min. zwei Studierende, die dafür zuständig sind. Nach den Spielen habe ich mir die Berichte vorlegen lassen und bin sprachlich und wissenschaftlich nochmal drüber gegangen, bevor sie abgeschickt wurden. Operativ habe ich in der Zeit kaum mehr gearbeitet, das haben wirklich die Studierenden übernommen.

Wie sehen die Berufschancen für Spielanalystinnen und Spielanalysten aus?

Wenn ich jetzt auf die vergangenen zehn Jahre zurückblicke, hatten wir mindestens zwanzig Studierende im Team, die inzwischen hauptberuflich im Spielanalysebereich tätig sind. Meiner Meinung nach müsste jeder Bundesligist eine mindestens sechsköpfige Spielanalyseabteilung haben, wobei die dann sowohl die Gegneranalyse, die Analyse der eigenen Mannschaft, als auch das klassische Scouting machen sollten. Wir haben die erste und zweite deutsche Liga von 2007 bis 2012 komplett analysiert und alle Ergebnisse in einer Datenbank festgehalten. Das war eine rein statistische Auswertung, in der wirklich alles drin war, und die wirklich kein Mensch außer uns hatte.

Vielen Dank für das spannende und sehr informative Interview!

Sehr gerne.